Aktenzeichen M 17 M 18.30584
VwGO § 151, § 162 Abs. 2 S. 3, § 165
VV RVG Nr. 7000, Nr. 7002
Leitsatz
1 Für die Kostenerinnerung ist im Rahmen der Annexzuständigkeit der Einzelrichter zuständig, der die Kostengrundentscheidung getroffen hat. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Forderung eines Pauschhöchstsatzes als Auslagenersatz anstelle der Geltendmachung von Einzelauslagen entbindet die Behörde von Einzelnachweisen, aber nicht von dem Nachweis, dass Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen im Rahmen des Prozessverfahrens notwendig waren. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3 Innerbehördliche Betriebs- und Personalkosten sind keine Aufwendungen für tatsächlich entstandene Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Bei Behörden sind Kosten, die allgemein mit der Prozessführung verbunden sind, nicht zu erstatten. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
4 Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nicht auf die Dokumentenpauschale berufen und diese nicht geltend machen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 20. September 2017 (M 17 K 17.46995) hat das Verwaltungsgericht München den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 9. August 2017 in den Nrn. 5 bis 6 aufgehoben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten hat das Gericht zu 4/5 den Antragsgegnern und zu 1/5 der Antragstellerin auferlegt. Im Klageverfahren hat das Bundesamt lediglich die elektronische Asylakte übermittelt, sich aber ansonsten nicht geäußert.
Auf Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegner erging am 4. Dezember 2017 Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die den Antragsgegnern zu erstattenden Aufwendungen auf 114,29 € festgesetzt wurden. Aufwendungen der Antragstellerin wurden trotz entsprechendem Kostenausgleichsantrag nicht angesetzt, da diese nicht erstattungsfähig seien. Hiergegen beantragte die Antragstellerin am 7. Dezember 2017 die Entscheidung des Gerichts. Es sei die beantragte Postpauschale entsprechend § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO in Höhe von 20,- € zu berücksichtigen. Aufgrund der Pauschalierungsregelung sei ein Einzelnachweis gerade nicht erforderlich. Für den Fall, dass alle Seiten schon am elektronischen Datenaustausch mit elektronischer Signatur (EGVP) teilnähmen, was bundesweit bisher so gut wie nie der Fall sei, werde hilfsweise eine Gebühr nach Nr. 7000 Ziffer 2 VV RVG geltend gemacht. Einzig das Verwaltungsgericht München – und dort auch nicht alle Urkundsbeamten – verlange einen erheblichen Begründungsaufwand für die Anerkennung einer banalen Postpauschale. Diverse Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichts München wurden beigefügt.
Der Urkundsbeamte half dem Antrag nicht ab. Zur Begründung verwies er auf entsprechende Beschlüsse des Verwaltungsgerichts München (M 24 M 17.46144, M 19 M 17.49875, M 17 M 17.47881). Bei den von der Antragstellerin in Bezug genommenen Beschlüssen des Verwaltungsgerichts handele es sich um Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die vor konkreter Auseinandersetzung mit der Postpauschalenproblematik bzw. vor entsprechender richterlicher Entscheidung ergangen seien.
Die Parteien erhielten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15. Februar 2018. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2018 führte die Klägerseite aus, dass die Erinnerung zurückzuweisen sei. Die Einwände des Kostenbeamten seien nachvollziehbar und richtig, nachdem keine entsprechenden Aufwendungen für die Antragstellerin angefallen seien. Auf die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Gerichts werde verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 17.46995 verwiesen.
II.
Zur Entscheidung über die vorliegende Kostenerinnerung ist im Rahmen der Annexzuständigkeit der auch für die Hauptsache zuständige Einzelrichter berufen, der die Kostengrundentscheidung getroffen hat (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.1996 – 11 VR 40/95 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 03.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 9 ff.).
1. Die Kostenerinnerung ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses erhoben (§§ 165, 151 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Der Urkundsbeamte hat die Festsetzung der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen i.H.v. 20,- € zu Recht abgelehnt.
2.1 Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG). Nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO können Behörden den Höchstsatz der Pauschale nur „an Stelle ihrer tatsächlich notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen“ fordern. Auch nach Nr. 7002 Abs. 1 VV RVG besteht der Anspruch auf die erhöhte Pauschale nur „an Stelle der tatsächlichen Auslagen nach Nummer 7001“. Der nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO zugunsten der Behörde vorgesehene Rückgriff auf die Geltendmachung eines Pauschhöchstbetrages als Auslagenersatz anstelle der Geltendmachung und des Nachweises der Einzelauslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ändert nichts an der Tatsache, dass für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich (notwendige) Aufwendungen im Rahmen des Prozessverfahrens seitens der Behörde stattgefunden haben müssen. Die Behörde wird lediglich von der Verpflichtung, Einzelnachweise für die jeweiligen Aufwendungen zu erbringen, entbunden (vgl. a. VG München, B.v. 19.1.2018 – M 17 M 17.70175; B.v. 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673 m.w.N.).
Das Bundesamt hatte hier aber mangels Äußerung im Klageverfahren keine Aufwendungen oder Auslagen, insbesondere wurde die Behördenakte des Bundesamts nicht mithilfe eines Postdienstleisters (unter Entgeltaufwendung) an das Gericht übermittelt. Eine Übersendung der Kostennote im Klageverfahren kann einen Anspruch auf Festsetzung der Pauschale ebenso wenig begründen wie der Antrag auf Entscheidung des Gerichts im Erinnerungsverfahren. Denn gemäß § 162 Abs. 1 VwGO müssen die Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen sein. Die Beschränkung auf die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bewirkt, dass die Aufwendungen während des eigentlichen Prozessverfahrens, hier also des Klageverfahrens, angefallen sein müssen (vgl. a. VG München, B.v. 19.1.2018 – M 17 M 17.70175; B.v. 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673). Innerbehördliche Betriebs- und Personalkosten, d.h. allgemeine Geschäftskosten des Behördenbetriebs, sind keine Aufwendungen für tatsächlich entstandene Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Bei Behörden sind Generalkosten, die allgemein mit der Prozessführung verbunden sind, nicht zu erstatten (vgl. z.B. VG München, B.v. 19.1.2018 – M 17 M 17.70175; B.v. 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673; Schmidt in Eyermann, VwGO, Kommentar 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 7; Gerold/Schmidt, RVG Kommentar, 23. Auflage, Vorb. 7 VV RVG Rn. 10).
2.2 Auch eine Gebühr nach Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG kann die Antragstellerin nicht geltend machen, weil sich juristische Personen des öffentlichen Rechts auf diese Dokumentenpauschale nicht berufen können (vgl. § 1 RVG; VG München, B.v. 19.1.2018 – M 17 M 17.70175; B.v. 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; B.v. 2.1.2018 – M 19 M 17.49875; SG Fulda, B.v. 4.4.2016 – S 4 SF 45/15 E – juris Rn. 18).
2.3 Die Antragstellerin kann ihre Erinnerung auch nicht darauf stützen, dass gegebenenfalls andere Kostenbeamte des Verwaltungsgerichts die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen festgesetzt haben, da es im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichheit im Unrecht gibt. Die rechtskonforme Handhabung einer Vorschrift für die Zukunft verletzt keine schützenswerte, das Vertrauen auf ihren Bestand rechtfertigende Rechtsposition des Betroffenen (vgl. VG München, B.v. 18.1.2018 – M 17 M 17.46968 m.w.N.).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar (vgl. VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3).