Verwaltungsrecht

Erfolglose Rüge von Gehörsverstoß in Asylstreitverfahren

Aktenzeichen  14 ZB 19.32485

Datum:
7.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14590
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
VwGO § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO wird verletzt, wenn sich ein Gericht einer sachlichen Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Argumenten entzieht, indem es etwa überzogene Anforderungen an die Substantiierung des Vorbringens eines Beteiligten stellt (Rn. 3). (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst soweit ein Verwaltungsgericht gehalten sein sollte, tatsächlichen oder vermeintlichen Widersprüchen im Sachvortrag von Asylbewerbern durch Nachfragen im Einzelnen nachzugehen, folgen daraus keine weitergehenden Anforderungen an eine gerichtliche Hinweispflicht (Rn. 22). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 2 K 17.32701 2019-05-10 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Gehörsverstoßes (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) ist nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
1. Nicht zuzulassen ist die Berufung, soweit in der Antragsbegründung gerügt wird, das Gericht habe sich einer sachlichen Auseinandersetzung mit entscheidungserheblichem Vorbringen des Klägers entzogen. Die Antragsbegründung bringt das zum Ausdruck, indem sie kritisiert, das Verwaltungsgericht gehe in den Entscheidungsgründen überhaupt nicht auf die Angaben des Klägers ein, weil es die These aufstelle, der Vorverfolgungsvortrag sei erfunden, es deshalb alle weiteren klägerischen Angaben wegen Täuschung des Gerichts als unwahr klassifiziere und es im Rahmen der informatorischen Anhörung den Fokus auf die Enttarnung des Klägers als „Täuscher“ gerichtet habe; um das gleiche Thema geht es auch, soweit die Antragsbegründung bei den von ihr auf Seite 3 im fünften und siebten Absatz zitierten Passagen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsgründe rügt, dies allein verdeutliche, dass das Gericht vorliegend keine ernsthafte Würdigung des Sachvortrags des Klägers, sondern eine erkennbar von Misstrauensbereitschaft, schon fest vorgegebenem Nicht-Glauben und Voreingenommenheit gekennzeichnete, negativ eingefärbte Teil- und Fehlwürdigung vorgenommen habe.
1.1. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO wird verletzt, wenn sich ein Gericht einer sachlichen Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Argumenten entzieht, indem es etwa überzogene Anforderungen an die Substantiierung des Vorbringens eines Beteiligten stellt (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 3 B 40.14 – LKV 2015, 30 Rn. 4).
1.2. Die Rüge, das Gericht habe sich einer sachlichen Auseinandersetzung mit entscheidungserheblichem Vorbringen des Klägers entzogen, gibt die verwaltungsgerichtliche Argumentation zum klägerischen Vorbringen nur verkürzt wieder und ist angesichts der Urteilsinhalte zur Würdigung des Klägervorbringens unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat unter Verweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) eingehend begründet, warum es nicht davon überzeugt war, dass das vom Kläger geschilderte Vorfluchtvorbringen glaubhaft ist und warum die Klage auch im Hinblick auf die vorgetragene Konversion zum Christentum in Deutschland keinen Erfolg hat (UA S. 5 unten bis S. 12 oben). Bei seiner Würdigung des Vorfluchtvorbringens hat es darauf abgestellt, dass der Kläger bereits beim Bundesamt nicht konkret darlegen konnte, warum seine Wohnung durchsucht worden sein soll (UA S. 6 oben). Es hat dem Kläger wegen aus seiner Sicht völlig vager und nicht authentischer Angaben in der mündlichen Verhandlung auch nicht geglaubt, dass dieser überhaupt an Hauskreissitzungen teilgenommen hat (UA S. 6 unten bis S. 7 oben), und war der Überzeugung, dass es keiner Weiterreise des Klägers nach Großbritannien bedurft hätte, wenn er sich selbst als verfolgungsgefährdet angesehen hätte (UA S. 7 Mitte). Eingangs seiner Gesamtwürdigung der vorgetragenen Konversion zum Christentum in Deutschland hat das Verwaltungsgericht festgehalten, bereits die nicht glaubhaften Angaben des Klägers hinsichtlich der Geschehnisse im Iran ließen erkennen, dass er es von vornherein darauf angelegt habe, eine positive Asylentscheidung zu erreichen (UA S. 7 unten), bevor es als Aspekte dieser Gesamtwürdigung die von der Antragsbegründung zitierten Passagen der Entscheidungsgründe angeführt hat und darauf zurückkommt, dass der Kläger das Gericht hinsichtlich der wahren Gründe für seine Asylantragstellung getäuscht habe (UA S. 9 unten). Im Anschluss hat es darauf abgestellt, dass der Kläger durch die Nichtwahrnehmung der von ihm eingeräumten Gelegenheit zur Abstandnahme von der Vorfluchtgeschichte gezeigt habe, selbst nicht bereit zu sein, sich an die Grundsätze des Christentums zu halten (UA S. 10 oben). Die Motivation des Klägers, unter Berufung auf die Zuwendung zum Christentum ein positives Asylverfahren zu erreichen, ist für das Verwaltungsgericht derart im Vordergrund gestanden, dass es sich außer Stande gesehen hat, sein nunmehriges gemeindliches Engagement frei von Bleibeerwägungen zu betrachten (UA S. 10 Mitte). Zu seiner Überzeugung habe sich der Kläger aus asyltaktischen Gründen für die Taufe entschieden; das Verwaltungsgericht hat ihn als typischen Mitläufer der iranischen Konversionswilligen gewürdigt, insbesondere, weil er die Taufvorbereitungszeit in der mündlichen Verhandlung mehr als eine Zeit geschildert habe, in der er versucht habe, Wissen anzusammeln, denn sich des neuen Glaubens bewusst zu werden (UA S. 11 oben). Das Verwaltungsgericht ist auch auf die vom Kläger angegebenen Gründe für die Abwendung von seinem früheren Glauben eingegangen und dabei zu dem Schluss gekommen, dass er weder religiöse Gründe für diese Abwendung aufgezeigt noch im Wesentlichen authentische innere Beweggründe für die Konversion vorgebracht habe (UA S. 11 Mitte). Aus seinen Äußerungen hat es auf eine wohl kaum tiefgründige Beschäftigung des Klägers mit dem Christentum geschlossen und den Standpunkt vertreten, dass sich sein Engagement in der christlichen Gemeinde nicht „überlagernd“ dahingehend auswirken könne, ihm einen ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel abzunehmen (UA S. 12 oben).
Dass sich das Verwaltungsgericht angesichts dieser Urteilsinhalte zur Würdigung des Klägervorbringens einer diesbezüglichen Auseinandersetzung, insbesondere einer Auseinandersetzung mit seinem Nachfluchtvorbringen, entzogen haben könnte, legt die Antragsbegründung jedenfalls nicht hinreichend dar.
2. Soweit mit der Kritik an den unter 1. genannten zwei Passagen der Entscheidungsgründe, die insbesondere mit der langjährigen Homogenität des Vortrags iranischer Staatsangehöriger zu Flucht- und Nachfluchtgründen, deren Konversion zum Christentum als Massenphänomen und dem Wissen iranischer Asylbewerber, dass sie einen Pass nur dann erhalten werden, wenn sie ihn persönlich im iranischen Generalkonsulat in Deutschland – unter Vorlage einer Freiwilligkeitserklärung und von iranischen Identitätsnachweisen – beantragen, argumentieren, der Sache nach auch ein Gehörsverstoß in Form einer Überraschungsentscheidung gerügt wird (vgl. BayVGH, B.v. 1.4.2020 – 14 ZB 19.32912 – Rn. 16 ff., zur Veröffentlichung vorgesehen; B.v. 25.3.2020 – 14 ZB 19.31009 – n.v. Rn. 19 ff.; B.v. 26.2.2020 – 14 ZB 19.31771 – juris Rn. 7 ff.), genügt die Antragsbegründung § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht. Es wird jedenfalls nicht dargelegt, was der Kläger bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.
2.1. Eine § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügende Darlegung einer Gehörsrüge erfordert neben Ausführungen zu den Umständen, aus denen sich das Vorliegen einer Gehörsversagung ergibt, grundsätzlich auch die substantiierte Darlegung, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 2.4.1985 – 3 B 75.82 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 165 m.w.N.; zu den Ausnahmen vgl. VGH BW, B.v. 18.9.2017 – A 11 S 2067/17 – juris Rn. 20 m.w.N.).
2.2. Dem wird die Antragsbegründung, die nicht näher darlegt, was bei Gewährung rechtlichen Gehörs im Einzelnen konkret vorgetragen worden wäre und inwieweit dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre, nicht gerecht.
2.3. Es ist vorliegend auch kein Grund ersichtlich, von dieser aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG folgenden Darlegungsanforderung ausnahmsweise abzusehen. So betrifft der gerügte verwaltungsgerichtliche Gehörsverstoß nicht etwa das Gesamtergebnis des Verfahrens, wie es etwa bei einer fehlerhaft ohne mündliche Verhandlung oder bei einer ohne Teilnahmemöglichkeit aller Beteiligten durchgeführten mündlichen Verhandlung oder bei verweigerter Akteneinsicht der Fall sein könnte (vgl. VGH BW, B.v. 4.7.1997 – 13 S 973/97 – ESVGH 47, 275; B.v. 18.9.2017 – A 11 S 2067/17 – juris Rn. 20 m.w.N.; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 124a Rn. 114 a.E.). Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es der Klagepartei objektiv unzumutbar gewesen wäre, binnen der Rechtsmittelfrist Ausführungen darüber zu machen, was sie Falle einer ordnungsgemäßen Gewährung rechtlichen Gehörs insoweit vorgetragen hätte (vgl. zu diesem Kriterium VGH BW, B.v. 18.9.2017 a.a.O.). Insbesondere ist der gerügte verwaltungsgerichtliche Gehörsverstoß nicht vergleichbar mit Fällen, in denen eine Schlussentscheidung vollständig auf zuvor nicht in das Verfahren einbezogene gerichtliche Entscheidungen und die in diesen genannten Erkenntnismittel gestützt wird und es der Klagepartei dann nicht zumutbar wäre, sich innerhalb der Rechtsmittelfrist von allen herangezogenen Gerichtsentscheidungen Kenntnis zu verschaffen, diese „durchzuarbeiten“ und sich mit ihnen in der Antragsbegründung auseinanderzusetzen (vgl. VGH BW, B.v. 18.8.2017 – A 11 S 1740/17 – DVBl 2017, 1379 Rn. 8).
3. Nicht zur Berufungszulassung führt auch die der Antragsbegründung zu entnehmende Rüge der Zugrundelegung eines aktenwidrigen Sachverhalts, soweit ausgeführt wird, das Gericht gehe vorliegend im Gegensatz zum eindeutigen Vortrag des Klägers zu dessen Ungunsten von einem anderen Sachverhalt aus bzw. habe es schlichtweg versäumt, diesen Vortrag zu berücksichtigen.
Ein derartiger Gehörsverstoß ist anzunehmen bei einem offensichtlichen, keiner weiteren Beweiserhebung bedürftigen „zweifelsfreien“ Widerspruch zwischen den vom Verwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt (vgl. BVerwG, B.v. 8.2.2011 – 10 B 1.11 u.a. – juris Rn. 3 m.w.N.).
Diesbezüglich legt die Antragsbegründung nicht hinreichend dar, im Gegensatz zu welchem konkreten Vortrag des Klägers das Verwaltungsgericht zu dessen Ungunsten von welchem konkreten anderen Sachverhalt ausgegangen sein soll.
4. Auch soweit gerügt wird, es lägen besondere Umstände vor, die darauf schließen ließen, dass tatsächliches Vorbringen des Klägers überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung nicht erwogen worden sei, ist ein Gehörsverstoß nicht hinreichend i.S.v. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt.
4.1. Zwar kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) darin liegen, dass entscheidungserheblicher Vortrag von einem Gericht nicht zur Kenntnis genommen wird oder unerwogen bleibt (BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85 u.a. – BVerfGE 83, 216/229 f.). Allerdings sind die Gerichte nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, B.v. 12.10.1988 – 1 BvR 818/88 – BVerfGE 79, 51/61 m.w.N.). Dies ist nur der Fall, wenn Tatsachen oder Tatsachenkomplexe übergangen werden, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (BVerwG, B.v. 1.10.1993 – 6 P 7.91 – NVwZ-RR 1994, 298 m.w.N.).
4.2. Ein solches Übergehen von sich als entscheidungserheblich aufdrängenden Tatsachen oder Tatsachenkomplexen ist aber nicht hinreichend dargelegt. Die Antragsbegründung führt zwar aus, der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung ausführlich über sein Schicksal berichtet, das Protokoll enthalte einige Passagen über die fluchtauslösenden Umstände, er habe geschildert, dass die fluchtauslösenden Gründe einen religiösen Hintergrund aufwiesen und sei konkret auf die ihn zum Glaubenswechsel bewegenden Umstände eingegangen, wobei er diese Beweggründe schlüssig vorgetragen und auch die Hinwendung zu der Glaubensrichtung ausführlich und nachvollziehbar dargelegt habe. Es wird aber nicht näher dargelegt, welches konkrete entscheidungserhebliche Vorbringen des Klägers das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung übergangen haben soll. Das gilt auch, soweit pauschal gerügt wird, das Gericht habe den klägerischen Vortrag völlig außer Acht gelassen und tatsächliches Vorbringen seinerseits übergangen.
5. Nicht zur Berufungszulassung führt die weitere Rüge, das Verwaltungsgericht habe gegen seine Hinweispflicht verstoßen.
5.1. Die Antragsbegründung führt aus, mangels gerichtlichen Hinweises sei weiterer Vortrag des Klägers zu anspruchstragenden Tatsachen, welche die Zweifel des Gerichts hätten ausräumen können, abgeschnitten worden, worauf das Urteil beruhe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Verwaltungsgericht eine für den Kläger günstige Entscheidung hätte treffen können, hätte es diesem durch die prozessual gebotene Form des Vorhalts Gelegenheit gegeben, in der mündlichen Verhandlung die Zweifel des Verwaltungsgerichts durch konkrete Schilderung der erforderlichen Tatsachen auszuräumen.
5.2. Dieser Vortrag reicht in mehrfacher Hinsicht nicht hin, um von einem Gehörsverstoß des Verwaltungsgerichts ausgehen zu können.
5.2.1. Auch insoweit (siehe bereits 2.1.) legt die Antragsbegründung nicht dar, was bei Gewährung rechtlichen Gehörs im Einzelnen konkret vorgetragen worden wäre und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.
5.2.2. Unabhängig davon beschreibt die Antragsbegründung aber auch keine Konstellation, aus der sich eine verwaltungsgerichtliche Hinweispflicht schlüssig ergeben könnte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht keine, auch nicht eine aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel in Bezug auf Einzelheiten des Parteivortrags versteht und bewertet. Das folgt schon daraus, dass in aller Regel die Beweiswürdigung, das daraus folgende Beweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen der Schlussberatung des Gerichts vorbehalten bleiben und sich deshalb einer Voraberörterung mit den Beteiligten entziehen. Das gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 14.11.2007 – 10 B 47.07 – juris Rn. 16). Selbst soweit ein Verwaltungsgericht gehalten sein sollte, tatsächlichen oder vermeintlichen Widersprüchen im Sachvortrag von Asylbewerbern durch Nachfragen im Einzelnen nachzugehen, folgen daraus keine weitergehende Anforderungen an eine gerichtliche Hinweispflicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2001 a.a.O. Rn. 5). Schon aufgrund dieser allgemeinen Erwägungen ist aufgrund der Antragsbegründung nicht von einem Verstoß gegen eine verwaltungsgerichtliche Hinweispflicht auszugehen.
Zusätzlich spricht vorliegend auch der konkrete Ablauf der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts gegen die Annahme einer solchen Hinweispflicht. Das Verwaltungsgericht hat den Kläger gebeten, seine Erklärung, für konvertierte Muslime sei die Lage im Iran schlecht, zu konkretisieren (VG-Protokoll S. 3 Abs. 3 und 4). Es hat ihn nach dem Zeitpunkt seiner Festnahme gefragt (VG-Protokoll S. 3 vorletzter Absatz) und den Kläger aufgefordert, seine Festnahme näher zu beschreiben (VG-Protokoll S. 3 letzter Absatz). Gefragt hat es den Kläger auch, wie er zu den christlichen Sitzungen gekommen sei (VG-Protokoll S. 4 Abs. 4) und zur diesbezüglichen Antwort des Klägers um nähere Erläuterung gebeten (VG-Protokoll S. 4 Abs. 5). Das Verwaltungsgericht hat den Kläger zudem insbesondere gefragt, ob er wisse, warum Armin, über den er nach eigenen Angaben im Iran Bekanntschaft mit dem Christentum gemacht haben soll, konvertiert sei (VG-Protokoll S. 4 vorletzter Absatz), wie der Kläger sich auf die Taufe vorbereitet habe (VG-Protokoll S. 6 Abs. 1), warum der Islam für ihn nicht mehr akzeptabel gewesen sei (VG-Protokoll S. 6 Abs. 4), warum er sich für das Christentum entschieden habe (VG-Protokoll S. 6 Abs. 5), was für ihn persönlich daran das Wichtigste sei (VG-Protokoll S. 7 Abs. 3), warum er sich habe taufen lassen (VG-Protokoll S. 7 Abs. 4) und wie er im Falle einer Rückkehr seinen Glauben praktisch leben würde (VG-Protokoll S. 7 Abs. 6), bevor der Kläger auf ein „letztes Wort“ verzichtet hat (VG-Protokoll S. 8 Abs. 4).
Unabhängig davon, dass die Gesamtwürdigung von Beweismitteln ohnehin der Schlussentscheidung vorbehalten bleibt (siehe oben), machte das Verwaltungsgericht durch die besagten Konkretisierungsbitten und die Vielzahl der Fragen der Einzelrichterin während der mündlichen Verhandlung noch zusätzlich deutlich, dass es den damit zusammenhängenden Themen Bedeutung zumaß, was dem Kläger hinreichend Anlass gegeben hätte, insoweit erschöpfend vorzutragen, so dass es hierfür schon aus diesem Grund keines zusätzlichen expliziten Hinweises bedurft hätte.
6. Soweit die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung als solche gerügt wird, scheidet eine allein darauf gestützte Gehörsverletzung aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Grundsätze der Beweiswürdigung in der Regel schon nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 10 B 19.13 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Nr. 67 Rn. 4 m.w.N.). Zwar kann die Beweiswürdigung ausnahmsweise verfahrensfehlerhaft i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sein, wenn sie objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Jedoch liegt auch bei einer mit derart schweren Mängeln behafteten Sachverhaltswürdigung ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO nur bei spezifisch auf das rechtliche Gehör bezogenen Fehlern vor, etwa wenn bei einer Entscheidung ein aktenwidriger Vortrag zugrunde gelegt wird (vgl. BVerwG, U.v. 3.4.1987 – 4 C 30.85 – NJW 1988, 275) oder wenn sich das Gericht einer sachlichen Auseinandersetzung mit entscheidungserheblichem Vorbringen entzieht (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 3 B 40.14 u.a. – LKV 2015, 30 Rn. 4). Ein derartiger spezifischer Gehörsverstoß ist im Zusammenhang mit der besagten kritisierten verwaltungsgerichtlichen Beweiswürdigung vorliegend aber nicht hinreichend dargelegt (siehe 1. und 3.).
7. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger, der dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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