Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf einstweilige Anordnung im Asylverfahren wegen Vorwegnahme der Hauptsache

Aktenzeichen  B 3 E 16.30062

Datum:
15.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123
AsylG AsylG § 55 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Ein die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise rechtfertigender schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteil für den Antragsteller liegt nicht vor, da zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet ist und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er meldete sich nach seinen Angaben am … 2014 als Asylsuchender in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in München (AE München). Ihm wurde am … 2015 erstmals eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender von der Aufnahmeeinrichtung München ausgehändigt. Dem Antragsteller wurde von der Regierung von Oberfranken – Regierungsaufnahmestelle Bayreuth – zum 25.07.2015 eine Unterkunft im Landkreis Bamberg zugewiesen.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14.01.2016, der am 15.01.2016 bei Gericht einging, ließ der Antragsteller beantragen:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, einen Asylantrag des Antragstellers innerhalb einer Frist von 10 Tagen ab Zustellung anzunehmen. Dazu hat die Antragsgegnerin innerhalb von 5 Tagen ab Zustellung dem Antragsteller nachweislich zu erklären, an welchem Tag, welchem Ort und zu welcher Uhrzeit sie den Antrag entgegennimmt. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller innerhalb von 5 Tagen ab Zustellung eine Aufenthaltsgestattung auszustellen.
Darüber hinaus wurde beantragt,
dem Antragsteller für das Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt …, … zu bewilligen.
Der Antragsteller habe sich am … 2014 als Asylsuchender in der AE München gemeldet. Von der Beratungsstelle der AWO sei ihm mitgeteilt worden, dass er am 07.01.2016 einen Termin zur Asylantragstellung in der AE München habe. Er sei dort um 08:00 Uhr erschienen. Um 17:00 Uhr sei er von dort unverrichteter Dinge wieder zurückgeschickt worden, ohne dass sein Asylantrag aufgenommen worden sei. Zur Begründung des Antrags wurde auf die Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU verwiesen. Nach dieser müsse nach längstens 10 Arbeitstagen die Asylantragstellung ermöglicht werden (Art. 6). Weiter wurde auf einen Beschluss des VG Wiesbaden vom 05.08.2015, Az. 6 L 982.15.WI.A Bezug genommen.
Wegen der weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
1.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes darf nur ergehen, wenn der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechtes, den sog. Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antragsteller begehrt hier keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der Entscheidung über sein Begehren auf Annahme des Asylantrags. Solchen, die Hauptsache vorwegnehmenden Anträgen ist im Verfahren nach § 123 VwGO nur ausnahmsweise stattzugeben, wenn die drohenden Nachteile unzumutbar und die geltend gemachten Ansprüche hinreichend wahrscheinlich und von der Antragstellerseite glaubhaft gemacht sind. Hiervon ausgehend hat der Antragsteller entgegen § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht, dass ihm unzumutbare Nachteile drohen.
Der Antragsteller hat vielmehr überhaupt keine Ausführungen zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes gemacht. Der Bevollmächtigte des Antragstellers bezieht sich im Wesentlichen lediglich auf eine Entscheidung des VG Wiesbaden vom 05.08.2015 (Az.: 6 L 982/15, 6 L 982/15.WI.A). Diese Entscheidung geht zwar vom Vorliegen eines Anordnungsgrundes aus (Rn. 13 der Entscheidung unter juris). Worin dieser Anordnungsgrund liegen soll wird jedoch nicht ausgeführt. Ein solcher ist vom Antragsteller nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Das Gericht nimmt Bezug auf die Entscheidung des VG Trier vom 09.11.2015, – 5 L 3321/15.TR – juris, welches zutreffend ausführt, dass gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet (Aufenthaltsgestattung) ist. Die Aufenthaltsgestattung entsteht, wie sich aus dem Wortlaut der Norm ergibt – kraft Gesetzes – bereits mit einem Asylgesuch nach § 13 Abs. 1 AsylG und ist nicht von der Stellung eines förmlichen Asylantrages nach § 14 AsylG abhängig. Das heißt, dass auch der Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – AsylbLG – nicht von der Stellung eines förmlichen Asylantrags im Sinne des § 14 AsylG abhängt. Dem Antragsteller droht damit weder eine Aufenthaltsbeendigung, noch ist er unversorgt, denn er erhält Unterkunft und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Insoweit ist für das Gericht nicht ersichtlich worin ein Anordnungsgrund für das Begehren des Antragstellers liegen sollte. Umso mehr sind keine drohenden unzumutbaren Nachteile ersichtlich, die den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden Entscheidung begründen könnten. Der (nachvollziehbare) Wunsch auf ein zügiges Asylverfahren rechtfertigt den Erlass einer einstweiligen Anordnung – insbesondere bei der derzeitigen allgemein bekannten Belastungssituation des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – nicht.
Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der Antragsteller bereits im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes registriert sein dürfte, denn er hat eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender von der AE München erhalten. Ihm wurden auch eine sogenannte MID-Nummer und eine Asylunterkunft zugeteilt. Im Hinblick auf die Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 der oben genannten Richtlinie ist auszuführen, dass diese zum einen lediglich regelt, dass eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, tatsächlich die Möglichkeit haben soll, sobald wie möglich diesen förmlich zu stellen. Eine konkrete Frist ist hier nicht genannt. Zum anderen verweist das Gericht auf die Entscheidung des VG Hannover vom 30.12.2015 – 6 B 6186/15 – unter Rn. 17 bei juris, wonach die Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 der oben genannten Richtlinie keine Individualansprüche begründen dürfte.
Soweit der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Ausstellung einer Aufenthaltsgestattung begehrt, ist ihm entgegenzuhalten, dass hierfür ohnehin die Antragsgegnerin nicht zuständig wäre, denn der Antragsteller ist nicht mehr verpflichtet in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 und 2 AsylG).
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 83 b AsylG werden Gerichtskosten nicht erhoben.
3.
Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die mit dem Antrag nach § 123 VwGO beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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