Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes

Aktenzeichen  M 15 E 20.30626

Datum:
5.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17030
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80, § 123
AufenthG § 60
AsylG § 71
VwVfG § 51

 

Leitsatz

Bei der Folgeantragstellung müssen substantiiert und schlüssig, gegebenenfalls unter Darlegung von Beweismitteln, sowohl die geltend gemachten Wiederaufgreifensgründe als auch die Einhaltung der Frist dargelegt werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der am … Juni 19xx geborene Antragsteller ist nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger, Zugehöriger der Volksgruppe der Bini und christlichen Glaubens. Er wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung seines Asylfolgeantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) als unzulässig.
Der Antragsteller stellte am 19. Juli 2016 einen ersten Asylantrag. Gegen die ablehnende Entscheidung durch das Bundesamt mit Bescheid vom 24. Februar 2017 erhob dieser Klage, die das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 22. Juni 2018 als offensichtlich unbegründet abwies (M 28 K 17.34386).
Am 26. Februar 2019 stellte der Antragsteller beim Bundesamt einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Hierzu gab er an, dass die Bedrohungssituation, welche er im Asylerstverfahren geschildert habe, weiterhin fortbestehe. Die Gründe, die für ihn ausreiseauslösend gewesen seien, würden weiterhin unverändert fortbestehen. Er habe zudem im Asylerstverfahren nicht darüber berichtet, dass er damals im Jahre 2011 von einem Geheimbund namens „… …“ zur Mitarbeit aufgefordert worden sei. Er habe dies abgelehnt. Während seiner Zeit in Italien in 2018/2019 habe er durch Nachrichten bei CNN und durch diverse soziale Medien erfahren, dass diese Gruppe auch in Süditalien aktiv sei. Er habe jedoch niemals persönlich Mitglieder dieser Gruppe getroffen, sich jedoch aufgrund deren bloßen Existenz veranlasst gesehen, nach Deutschland zurückzukehren. Neue Beweismittel oder Dokumente, die eine Gefahr im Herkunftsland belegen, habe er nicht.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. Februar 2020 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig (Nr. 1) und den Antrag auf Änderung des Bescheids vom 24. Februar 2017 bezüglich der abgelehnten nationalen Abschiebungsverbote als einfach unbegründet ab (Nr. 2). Der Antrag sei unzulässig, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Die nach § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) erforderliche Änderung der Sachlage sei nicht gegeben. Die behauptete unverändert fortbestehende Bedrohungssituation sei bereits Gegenstand des ersten Asylverfahrens gewesen. Die seitens des Antragstellers erstmalig vorgetragene Kontaktaufnahme durch einen nigerianischen Geheimbund aus dem Jahre 2011 sei, ungeachtet dessen, dass dieses Vorbringen bereits nach § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG präkludiert und damit unbeachtlich sei, nicht geeignet zu erläutern, welche persönliche konkrete, noch nicht vorgetragene Gefahr ihm angeblich in Nigeria drohe. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 oder 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) rechtfertigen würden, lägen nicht vor.
Gegen diesen – dem Antragsteller am 14. Februar 2020 zugestellten – Bescheid erhob dieser am 26. Februar 2020 zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage (M 15 K 20.30624) und stellte den Antrag,
die Beklagte/Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem zuständigen Ausländeramt unverzüglich mitzuteilen, dass vor einer Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache eine Abschiebung des Klägers/Antragsteller nicht erfolgen darf.
Zur Begründung nahm der Antragsteller Bezug auf seine gegenüber dem Bundesamt gemachten Angaben.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakte vor; eine inhaltliche Äußerung oder Antragstellung unterblieb.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren und der vorgelegten Behördenakten sowie der Gerichtsakten im Hauptsacheverfahren zum Erstantrag (M 28 K 17.34386) Bezug genommen.
II.
Über den Rechtsstreit entscheidet der Berichterstatter als Einzelrichter, § 76 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG).
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamts vom 10. Februar 2020, damit von der Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG an die zuständige Ausländerbehörde abgesehen werde, bzw. diese zurückgenommen oder widerrufen werde.
Im wohlverstandenen Interesse des anwaltlich nicht vertretenen Antragstellers wird der Antrag gemäß § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz sowohl gegen die Ablehnung des Folgeantrags (§ 71 AsylG) als unzulässig durch Nr. 1 des Bescheids vom 10. Februar 2020 (sogleich unten 1.), als auch zur Sicherung von Ansprüchen auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (sogleich unten 2.) geltend macht.
1. Im Hinblick auf die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids, die in der Hauptsache mit einer Anfechtungsklage anzugreifen wäre (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 15 ff.), ist allein Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO, also die Anordnung der kraft Gesetzes (vgl. § 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung der Klage, statthaft. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes hier nicht bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 i.V.m. § 71 und § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG).
Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag, so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt sind (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Nach § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes u.a. zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstige Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2). Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist der Antrag binnen einer Frist von drei Monaten zu stellen. Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG beginnt die Frist mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Bei der Folgeantragstellung müssen substantiiert und schlüssig, gegebenenfalls unter Darlegung von Beweismitteln, sowohl die geltend gemachten Wiederaufgreifensgründe als auch die Einhaltung der Frist dargelegt werden (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2016, § 71 AsylG, Rn. 41 ff.). Hinsichtlich § 51 Abs. 2 VwVfG ist dem Betreffenden in der Regel ein qualifizierter Schuldvorwurf zu machen, wenn er nicht alle bereits eingetretenen und auch bekannt gewordenen Umstände, die das persönliche Umfeld betreffen, bei den zuständigen Stellen vorbringt. Dem von Verfolgung konkret Bedrohten muss sich – auch wenn er mit den Einzelheiten konkreter Verfahrensabläufe nicht vertraut ist – bei einfachsten Überlegungen aufdrängen, dass er schon im ersten bzw. in früheren Verfahren gegenüber den zuständigen staatlichen Stellen alles zu sagen und vorzubringen hat, was für seine Verfolgung auch nur entfernt von Bedeutung sein kann.
Der vorliegende Eilantrag könnte aber nur dann Erfolg haben, wenn der Antragsteller glaubhaft gemacht hätte, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Verfahrens, das zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes führen wird, überwiegend wahrscheinlich gegeben sind. Dabei legt das Gericht den eingeschränkten Prüfungsmaßstab zu Grunde, der im Fall einer nach § 71 Abs. 4 i.V.m. §§ 34 ff. AsylG grundsätzlich zu erlassenden, hier aber wegen § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG nicht erforderlichen neuen Abschiebungsandrohung anzuwenden wäre. Gemäß § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Abschiebung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ausgesetzt werden. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfGE 94, 166, 194). Dabei bleiben Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Bundesamt ging zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG), denn der Folgeantrag und die zu seiner Begründung angeführten Gesichtspunkte müssen einen schlüssigen Ansatz für eine mögliche politische Verfolgung oder sonstige rechtserhebliche Gefährdung ergeben.
Dies ist hier nicht der Fall. Insbesondere ist die im Folgeantrag erstmalig vage vorgetragene einmalige sowie folgenlos gebliebene angebliche Kontaktaufnahme durch einen nigerianischen Geheimbund aus dem Jahre 2011 präkludiert (§ 51 Abs. 2 und 3 VwVfG) und zudem nicht ansatzweise geeignet eine konkrete Gefährdungs- oder Bedrohungssituation des Antragstellers nachzuweisen. Insoweit nimmt das Gericht auf die Begründung des Bundesamts im angegriffenen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Der Asylfolgeantrag wurde somit nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG zu Recht als unzulässig abgelehnt.
2. Der Antrag nach § 123 VwGO ist insoweit zulässig, als die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids in der Hauptsache mit einer Verpflichtungsklage anzugreifen ist, so dass auch der Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO statthaft ist (vgl. z.B. VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 17 f.; B.v. 30.4.2019 – M 15 E 19.31617). Der Antrag ist jedoch ebenfalls unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und dessen Gefährdung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen.
Unabhängig vom Bestehen eines Anordnungsgrundes hat der Antragsteller jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor, so dass die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen und eine Abänderung des Bescheids vom 24. Februar 2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG von der Antragsgegnerin zu Recht verneint wurden. Das Gericht nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf den verfahrensgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Im gerichtlichen Verfahren wurde bislang insoweit nichts vorgetragen, was zu einer anderen Bewertung führen könnte.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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