Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf landesinterne Umverteilung nach § 9 Abs. 6 DV Asyl im Wege der einstweiligen Anordnung

Aktenzeichen  M 24 E 19.2436

Datum:
7.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21945
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123, § 166
DVAsyl § 9 Abs. 1, Abs. 6
AsylG § 60 Abs. 1, Abs. 3
AufenthG § 61 Abs. 1d
GG Art. 6
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

Bezeichnet ein nigerianischer Asylbewerber für die landesinterne Umverteilung nach § 9 Abs. 6 DVAsyl im Wege der einstweiligen Anordnung keinen Anordnungsgrund und fehlt es auch sonst an einer entsprechenden Glaubhaftmachung, bleibt der Antrag erfolglos. (Rn. 23 – 26) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

Der Kläger und Antragsteller (geb. 4.5. …) ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 17. September 2016 in das Bundesgebiet ein und stellte am 26. September 2016 einen Asylantrag. Das Asylverfahren des Antragstellers verlief erfolglos. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17. März 2017 ist seit dem 7. Januar 2019 rechtskräftig, nachdem der Antrag auf Zulassung der Berufung (Az. 10 ZB 19.30048) gegen das klageabweisende Urteil Az. M 27 K 17.36354 durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen wurde.
Während des Asylverfahrens wurde der Antragsteller mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 6. Februar 2017 dem Landkreis … … zugewiesen und ihm wurde (zuletzt) mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 15. Februar 2017 die Gemeinschaftsunterkunft (GU) …, … 14 in … … ab 15. Februar 2017 als Wohnsitz zugewiesen.
Die Identität des Antragstellers ist nicht geklärt; er ist passlos. Der Antragsteller ist seit dem 15. Mai 2019 im Besitz einer Duldung nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG wegen Passlosigkeit.
In der Obhut des Antragstellers in der GU … lebt das Kind D. … O. …, für das der Antragsteller die Vaterschaft anerkannte, wenngleich diese Vaterschaftsanerkennung mangels zustimmender Unterschrift der im Ausland lebenden Kindsmutter nicht wirksam ist. Nach Aktenlage ist unklar, ob die Bestätigung der Vaterschaftsanerkennung des Antragstellers für den Sohn D. … durch das Familiengericht … (vgl. Bl. 37 der Behördenakte – BA) vorliegt.
Der Antragsteller ist Vater des am 4. Mai 2018 unehelich geborenen Kindes G. … P. … O. … B. …, für das der Antragsteller die Vaterschaft am 25. Januar 2018 anerkannte und zu dem gemeinsam mit der Kindsmutter E. … A. … die Erklärung über die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge vom 17. Oktober 2018 vorliegt. Das Kind Grace P. … O. … B. … und die Kindsmutter E. … A. …, beide nigerianische Staatsangehörige, sind im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG, da ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Sie leben unter der Anschrift … 9 in … in einem Frauenhaus, das von der Landeshauptstadt München zur Beherbergung von schwangeren Frauen und Müttern betrieben wird (Bl. 27 BA).
Der Antragsteller ließ durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 7. März 2019 sowohl die Erteilung einer Arbeitserlaubnis wie auch seine Umverteilung nach … beantragen (Bl. 44f); der Antrag auf Umverteilung wurde von der Ausländerbehörde des Landratsamts … … an die Regierung von Oberbayern weitergeleitet. In der Antragsbegründung wird ausgeführt, der Antragsteller habe eine Arbeitsstelle in … gefunden. Nach Mitteilung des Arbeitgebers könne er umgehend nach Erteilung der Arbeitserlaubnis dort seine Tätigkeit aufnehmen. Aufgrund der bekannten Gegebenheiten gehe der Bevollmächtigte davon aus, dass dem Antragsteller alsbald die Arbeitserlaubnis erteilt werde. Höchstvorsorglich werde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller zunächst nach München bzw. zur entsprechenden Arbeitsstelle pendeln werde, was aber für ihn allerdings keine dauerhafte Gegebenheit sein könne, da auch seine Lebensgefährtin und sein Kind in … wohnten. Auf die Flüchtlingsanerkennung der Kindsmutter, die Vaterschaftsanerkennung und gemeinsame Sorgerechtserklärung für das Kind G. … P. … O. … B. … und die Wohnanschrift der Kindsmutter und der Tochter wurde hingewiesen. Sobald der Antragsteller die Genehmigung für die Arbeitsstelle erhalten habe, werde er in der Lage sein, sowohl sich, als auch seinen Sohn, der mit ihm wohne, zu unterhalten. Unterhaltszahlungen an die Mutter seiner Tochter G. … seien sodann wohl ebenfalls möglich.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15. April 2019 (Bl. 55 BA) lehnte die Regierung von Oberbayern den Antrag vom 7. März 2019 auf landesinterne Umverteilung von … nach … ab. Rechtsgrundlage der Entscheidung sei § 9 Abs. 1 S. 1 Alt.2, Abs. 6 DVAsyl; als Inhaber einer Duldung nach § 60a AufenthG unterfalle der Antragsteller dem persönlichen Anwendungsbereich der DVAsyl. Auf Antrag könne ausnahmsweise eine landesinterne Umverteilung gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 DVAsyl aus den in § 9 Abs. 6 DVAsyl genannten Gründen erfolgen; hierbei seien die Herstellung der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie von Eltern und ihren minderjährigen Kindern oder sonstige humanitäre Gründe von gleichem Gewicht zu berücksichtigen. Der Antragsteller stütze seinen Antrag auf die familiäre Beziehung zu seinem Kind, für das die Vaterschaftsanerkennung und die elterliche gemeinsame Sorgerechtserklärung vorliege. Dem Antrag zufolge werde bereits keine Hausgemeinschaft mit der Kindsmutter angestrebt, so dass ein Fall von § 9 Abs. 6 Alt. 1 DVAsyl nicht gegeben sei. Dass der Antragsteller in der Nähe der Kindsmutter untergebracht sein möchte, sei verständlich. Die Grundsätze der Gleichbehandlung sowie der Selbstbindung der Verwaltung ließen allerdings nicht zu, eine Ausnahme von oben genannten Voraussetzungen zu machen und einer Umverteilung stattzugeben. Die Herstellung und Aufrechterhaltung des Kontaktes zwischen dem Antragsteller und seinem Kind sei letztlich auch über die Nutzung moderner Kommunikationsmittel und gegenseitige Besuche möglich. Dem Antragsteller sei als abgelehntem Asylbewerber und Inhaber einer Duldung nach § 60a AufenthG zuzumuten, im Bezirk der für ihn zuständigen Ausländerbehörde einer Erwerbstätigkeit nachzugehen; ihm sei auch zumutbar, zur etwaigen Arbeitsaufnahme zum Arbeitsplatz zu pendeln. Die etwaige Arbeitsaufnahme stelle keinen der Zusammenführung der sog. Kernfamilie vergleichbaren humanitären Grund dar. Es sei darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich der Landeshauptstadt München und dem Landkreis München ein sehr hoher Asylbewerberzulauf bestehe und deshalb für eine Umverteilung dorthin ein hoher Maßstab anzulegen sei. Weiter sei auf die alternative Möglichkeit hinzuweisen, die Gestattung der privaten Wohnsitznahme bei der Kindsmutter zu beantragen. Auf die Bescheidsbegründung wird im Übrigen verwiesen. Der Bescheid wurde am 17. April 2019 dem Antragsteller persönlich zugestellt.
Mit Eingang am 17. Mai 2019 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht München erheben (Az. M 24 K 19.2435) und beantragen, den Ablehnungsbescheid vom 15. April 2019 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller die landesinterne Umverteilung von Bischofswiesen nach München zu genehmigen. Im Klageverfahren M 24 K 19.2435 wurde mit Gerichtsbescheid vom heutigen Tag entschieden.
Zugleich mit der Klageerhebung wurde nach § 123 VwGO beantragt,
den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller die landesinterne Umverteilung von … nach … zu genehmigen.
In der Klage- und Antragsbegründung wird ausgeführt, der Antragsteller habe durch den Bevollmächtigten am 7. März 2019 seine Umverteilung und die seines Sohnes D. … von … nach … beantragt, da dort seine Lebensgefährtin und die gemeinsame Tochter lebten. Eine zwischenzeitliche Schwangerschaft, hinsichtlich derer die Lebensgefährtin aus Überforderung einen Abbruch überlegt habe (hierzu Anlage K 3 über Abbruchberatung), sei durch einen Abgang beendet. Nunmehr gehe die Lebensgefährtin davon aus, erneut schwanger zu sein und befürchte, aufgrund der Belastungen den Fötus zu verlieren. Die Lebensgefährtin wolle schon im Vorfeld sicher gehen, dass der Antragsteller sie während der Schwangerschaft unterstütze und ihr die schweren Gänge und die Sorge um das Kind G. … abnehme. Nur wenn der Antragsteller vor Ort sei, sei sie sicher, den Fötus nicht zu verlieren. Der Antragsteller wolle weiterhin in … leben und auch arbeiten. Die beantragte Arbeitserlaubnis sei noch nicht verbeschieden. Er wolle sich um die Kinder G. … und D. … und die Kindsmutter kümmern und für die Familie sorgen, auch ohne Bezug sozialer Leistungen. Aufgrund der gesundheitlichen Lage der Lebensgefährtin sei eine positive Entscheidung im Eilverfahren erforderlich. Der Klage / dem Antrag sind u.a. als Anlagen K 4 und K 5 eidesstattliche Versicherungen vom 14. Mai 2019 von Frau E. … A. … und vom Antragsteller beigefügt, auf die verwiesen wird. In ihrer eidesstattlichen Versicherung führt Frau E. … A. … u.a. aus, der Antragsteller könne sich, wenn er bei ihr wohne, um die Kinder und das Einkaufen, den Transport der Kinder und alles andere kümmern, so dass sie sich schonen könne. Sie benötige dringend die Unterstützung des Antragstellers in München, da sie ansonsten wieder das Risiko eines Schwangerschaftsverlustes habe; ohne den Antragsteller und dessen Hilfe könne sie wohl das Kind nicht gesund zur Welt bringen. In seiner eidesstattlichen Versicherung führt der Antragsteller aus, er möchte unbedingt in … bei Frau E. … A. … leben, da er sich dort um seine Tochter und sie sich gemeinsam auch um seinen Sohn kümmern könnten. Er möchte in … wohnen und später auch arbeiten, da er dort bessere Chancen für seine Familie und sich sehe. Er wolle seine wieder schwangere Lebensgefährtin unterstützen und entlasten, damit sie ein gesundes Kind zur Welt bringe. Er könne ihr besser helfen und sie beim täglichen Leben unterstützen, wenn er mit ihr in … lebe. Seitens der Klagepartei wurden keine ärztlichen (fundierten) Atteste zu einer (aktuellen) Schwangerschaft und dem Gesundheitszustand von Frau E. … A. … vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2019 führt der Bevollmächtigte weiter aus, dass eine Umverteilung des Antragstellers nach … aufgrund der notwendigen Hausgemeinschaft und auch aufgrund der gesundheitlichen Situation von Frau E. … A. … unbedingt erforderlich sei. Der Hinweis des Antragsgegner im Rahmen der Klageerwiderung auf die Beantragung der privaten Wohnsitznahme sei als unzutreffend zurückzuweisen, da der Antragsteller dann für die gesamte Familie sorgen müsste und dem Antragsteller keine Arbeitserlaubnis erteilt worden sei oder werde. In der gegenwärtigen Situation könne der Beklagte den Antragsteller an seiner ehedem bei früheren Umverteilungsanträgen abgegebenen Erklärung, als er noch keine Kinder hatte, an seiner Bereitschaft zum Pendeln von … nach … nicht festhalten. Neben einer Vollzeittätigkeit und einem Arbeitsweg von insgesamt zwei Stunden könne der Antragsteller wohl kaum auch noch einen einhergehenden beschützenden und helfenden Kontakt zur Lebensgefährtin und zur Tochter halten. Hinzuweisen sei darauf, dass der Antragsteller gerne eine Hausgemeinschaft mit Frau E. … A. … bilden wolle, da die gesundheitliche Situation von Frau E. … A. … erheblich angespannt sei und die Hilfe vor Ort vor der Arbeit, in einer eventuellen Mittagspause, nach der Arbeit und an Wochenenden die Stresssituation der schwangeren Frau E. … A. … verringere und ihrer Gesundheit erheblich förderlich sei. Die gesundheitliche Situation von Frau E. … A. … sei hinsichtlich der grundgesetzlichen Schutzgarantien maßgeblich und sowohl dem Antragsteller als auch Frau E. … A. … und deren Kindern sei ein Zusammenzug nach … zu gewähren. Dem Antragsgegner verbleibe kein Ermessen, da der Antragsteller und Frau E. … A. … die notwendigen Voraussetzungen für eine entsprechende Umverteilung des Antragstellers nach … vorgelegt und nachgewiesen hätten. Dem Eilantrag sei gleichfalls zu entsprechen. Auf die Klage- und Antragsbegründung wird im Übrigen verwiesen.
Mit Eingang am 24. Mai 2019 wurde für das Klageverfahren und das Antragsverfahren unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers beantragt,
ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten zu gewähren.
Der Antragsgegner hat die Behördenakte vorgelegt und beantragt im Klageverfahren Klageabweisung und im Eilverfahren
Antragsablehnung.
In der Klage- und Antragserwiderung wird ausgeführt, der Antragsteller stütze seinen Umverteilungsantrag auch auf die familiäre Beziehung zu seinem Kind G. … P. … O. …, das nach Anerkennung der rechtlichen Vaterschaft und Abgabe der gemeinsamen Sorgeerklärung grundsätzlich zu der im Rahmen der Familienzusammenführung nach § 9 Abs. 6 DVAsyl berücksichtigungsfähigen sog. Kernfamilie zähle. Vorliegend könne eine Hausgemeinschaft mit der Tochter und deren Mutter nicht herstellt werden, da beide aktuell in einer speziellen, seitens der Landeshauptstadt München finanzierten, ausschließlich schwangeren Frauen und Müttern vorbehaltenen Unterbringung lebten. Ein Zuzug des Antragstellers dorthin sei nicht möglich. Damit sei der Umverteilungsgrund der Hausgemeinschaft im Sinn des § 9 Abs. 6 Alt. 1 DVAsyl nicht gegeben. Auch humanitäre Gründe vergleichbaren Gewichts, die einen Umzug des Antragstellers nach … als zwingend geboten erscheinen ließen, lägen nicht vor. Gründe, die ein dringendes Angewiesensein des Antragstellers auf die Lebenshilfe durch Dritte aufzeigen könnten, seien nicht hinreichend nachgewiesen; ebenso wenig sei auch ein zwingendes Angewiesensein von Frau E. … A. … und die Tochter G. … auf die Lebenshilfe des Antragstellers durch permanente Anwesenheit des Antragstellers vor Ort nicht nachgewiesen. Das vorgelegte Attest von Frau Dr. S. … S. … vom 7. September 2018 genüge hierfür nicht und betreffe auch eine andere (frühere) Wohnsituation von Frau E. … A. … Die ausländerrechtliche Stellung von Frau E. … A. … als Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis stehe deren Einzug in eine Gemeinschaftsunterkunft rechtlich entgegen. Der vom Antragsteller genannte Umverteilungsgrund eines in … avisierten Arbeitsplatzes sei kein berücksichtigungsfähiger, humanitärer Umverteilungsgrund nach § 9 Abs. 6 DVAsyl. Dem Wunsch der längerfristigen Familienzusammenführung in einer gemeinsamen privaten Wohnung könne auf andere Weise, etwa einer Beantragung der privaten Wohnsitznahme, (eher) entsprochen werden. Insoweit sei auch die antragstellerseits optimistische Einschätzung zur Genehmigung der avisierten Erwerbstätigkeit tragend. Derzeit könne der Antragsteller durch die Nutzung moderner Kommunikationsmittel und gegenseitige Besuche den Kontakt zu seiner Tochter und der Kindsmutter aufrecht erhalten. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Umverteilung; das Ermessen des Antragsgegners sei nicht auf Null reduziert. Der Antragsteller strebe keine Hausgemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 6 DVAsyl an; auch vor dem Hintergrund des Art. 6 GG ist nicht einmal einer solchen – tatsächlich bestehenden oder angestrebten – Haushaltsgemeinschaft in jedem Einzelfall der Vorrang einzuräumen. Darüber hinaus sei angesichts des Wortlauts streitig, ob eine angestrebte, erstmals herzustellende Haushaltsgemeinschaft von § 9 Abs. 6 DVAsyl privilegiert erfasst werde. Jedenfalls komme einer angestrebten, erstmals herzustellenden Haushaltsgemeinschaft eine geringere Gewichtigkeit zu bei der Abwägung mit dem gewichtigen öffentlichen Grund der gleichmäßigen Verteilung der Asylbewerber und Geduldeten im Freistaat Bayern. Insoweit ist angesichts des Zuzugsdrucks auf die Landeshauptstadt München und Umgebung bei einer beantragten Umverteilung in diesen Bereich ein strenger Maßstab anzuwenden, zumal die Unterbringungskapazitäten in diesem Bereich begrenzt sind und eine Überlastung zu vermeiden ist. Den Begriff der Haushaltsgemeinschaft so weit auszudehnen, dass hierunter auch die Unterbringung lediglich „in der Nähe“ eines Familienmitglieds verstanden werden soll, könnte vor diesem Hintergrund eine nicht zu unterschätzende und durchaus bedenkliche Bezugsfallwirkung entfalten und stehe dem öffentlichen Interesse entgegen. Eine Unterstützung der Kindsmutter und des gemeinsamen Kindes durch den Antragsteller bis zur Herstellung einer tatsächlichen Haushaltsgemeinschaft sei nach Ansicht des Antragsgegners auch mit Blick auf die derzeitige Entfernung der Wohnorte noch möglich. Der Antrag nach § 123 VwGO sei bereits wegen unzulässiger Vorwegnahme der Hauptsache erfolglos.
Den vorgelegten Akten ist zu entnehmen, dass der Antragsteller vorausgehend zum streitgegenständlichen, negativ beschiedenen Umverteilungsantrag seine Umverteilung nach … am 5. Februar 2018, 24. Oktober 2018 und 22. November 2018 beantragte. Auf diese und die hierzu vorgelegten Unterlagen sowie den diesbezüglichen Schriftverkehr und die hierzu ergangenen Entscheidungen wird verwiesen.
Das vorliegende Antragsverfahren wurde mit Kammerbeschluss vom 25. Juni 2019 auf den Einzelrichter übertragen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten M 24 K 19.2435 und M 24 E 19.2436 und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, die landesinterne Umverteilung des Antragstellers von … nach … zu genehmigen, bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.
1. Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 920 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO hat der Antragsteller Anordnungsgrund und -anspruch zu bezeichnen und glaubhaft zu machen. Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BVerfGE 79, 69/75; BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.).
2. Der Antrag nach § 123 VwGO erfüllt nicht die vorgenannten Anforderungen an die Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes und Anordnungsanspruchs.
Der Anordnungsgrund wurde weder bezeichnet, noch glaubhaft gemacht. Zur Vermeidung von Wiederholungen, insbesondere zum fehlenden Anordnungsanspruch, wird auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid vom heutigen Tag verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.
4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.
4.1. Nach § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 166 Abs. 1 VwGO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist dabei bereits dann gegeben, wenn ein Obsiegen der Partei ebenso wahrscheinlich ist wie ihr Unterliegen. Die Erfolgsaussichten des gerichtlichen Verfahrens müssen im Zeitpunkt der Bewilligungsreife als offen zu beurteilen sein (BayVGH, B.v. 23.10.2005 – 10 C 04.1205 – juris). Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (BayVGH, B.v. 10.4.2013 – 10 C 12.1757 – juris Rn. 25; B.v. 19.3.2013 – 10 C 13.334, 10 C 13.371 – juris Rn. 26 m.w.N.), die hier mit dem Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers am 24. Mai 2019 eingetreten war. Änderungen der Sach- und Rechtslage, die nach dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife eintreten, haben grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, mit der – hier nicht einschlägigen – Ausnahme bei Änderung der Sach- und Rechtslage zugunsten der Klage- / Antragspartei nach Eintritt der Bewilligungsreife und bei hinreichender Erfolgsaussicht infolge der Änderung (BayVGH, B.v. 10.4.2013 – 10 C 12.1757 – juris Rn. 25; B.v. 19.3.2013 – 10 C 13.334, 10 C 13.371 – juris Rn. 26 m.w.N.).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen dieses Beschlusses verwiesen.
4.2. Infolge der Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe war auch der Antrag auf Beiordnung des Bevollmächtigten (§ 121 Abs. 2 ZPO) abzulehnen.
4.3. Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ergeht kostenfrei.


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