Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Vollstreckung in unbewegliches Vermögen

Aktenzeichen  M 10 V 18.5500

Datum:
7.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34607
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 169
ZPO § 866 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Nur die Durchführung der Mobiliar-Vollstreckung und die Pfändung von Forderungen und anderen Vermögensrechten fällt in die eigene Zuständigkeit des Vorsitzenden, während er für die Liegenschaftsvollstreckung zuständigen Stellen um Vollstreckung ersuchen muss. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Mit der Vollstreckungsverfügung bestimmt der Vorsitzende die vorzunehmende Zwangsmaßnahme. Hierbei ist er an den Antrag des Vollstreckungsgläubigers gebunden, hat aber eigenständig und ungeachtet der Art der beantragten Zwangsmaßnahme in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob dessen Wahl der Verhältnismäßigkeit entspricht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3 Unterhalb eines Betrags von 750,- € ist eine Immobiliarvollstreckung entsprechend § 866 Abs. 3 ZPO unzulässig. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Antragsgegners wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.
Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2018 die Vollstreckung in das Vermögen des Antragsgegners wegen gerichtlicher Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 577,16 €. Der Antragsgegner habe trotz Aufforderungen und diverser Mahnungen bis heute nicht gezahlt. Es handele sich um Rechnungen der von der Antragstellerin beauftragten Rechtsanwaltskanzlei jeweils vom 17. Oktober 2018 für Anwaltsgebühren in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München M 10 K 17.1415, M 10 K 17.1416 und M 10 K 17.1417.
Nach den beigezogenen Verfahrensakten wurden die der Antragstellerin in Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München entstandenen notwendigen Aufwendungen mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen jeweils vom 21. August 2018 im Verfahren
M 10 K 17.1415 auf 157,68 €, im Verfahren M 10 K 17.1416 auf 261,80 € und im Verfahren M 10 K 17.1417 auf 157,68 € festgesetzt, jeweils ab dem 24. Juli 2018 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 5. November 2018 beantragte die Antragstellerin weiterhin die Vollstreckung in Höhe von 1.489,68 € in das Vermögen des Antragsgegners. Nach einer beigefügten Aufstellung handelt es sich um verschiedene Forderungen der Antragstellerin gegen den Antragsgegner wegen Grundsteuer A und B, Kanal- und Niederschlagswassergebühren sowie Mahngebühren und Säumniszuschlägen.
Es wurde jeweils vorgeschlagen, in das unbewegliche Vermögen des Antragsgegners zu vollstrecken, da eine Vollstreckung in das bewegliche Vermögen als aussichtslos angesehen werden könne.
Das Gericht hat mit Schreiben vom 22. November 2018 darauf hingewiesen, dass ein Vollstreckungsantrag das Vollstreckungsobjekt zu benennen hat (bewegliche Sache, Forderung, Grundstück). Ein abstrakter Antrag wie hier sei unzulässig, ein Vorschlag reiche nicht aus. Zudem komme aus Verhältnismäßigkeitsgründen eine Immobiliar-Vollstreckung erst in Betracht, wenn eine Mobiliar- oder Forderungsvollstreckung erfolglos geblieben sei. Ergänzend werde auf § 866 Abs. 3 ZPO hingewiesen.
Mit Schreiben vom 26. November 2018 hat die Antragstellerin als Vollstreckungsobjekt das Grundstück des Antragsgegners FlNr. … Gemarkung … benannt. Alle anderen Vollstreckungsmöglichkeiten hätten zu keinem Erfolg geführt.
II.
Die Vollstreckungsanträge der Antragstellerin vom 19. Oktober 2018 und 5. November 2018 durch das Verwaltungsgericht sind abzuweisen.
Die mit den beiden Schriftsätzen zur Vollstreckung geltend gemachten Forderungen sind, da sie auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen, zu unterscheiden.
1. Bei der Forderung in Höhe von insgesamt 577,16 € handelt es sich jeweils um gerichtliche Verfahrenskosten der Antragstellerin, welche der Antragsgegner aufgrund der jeweils am 28. Juni 2018 ergangenen Urteile in den genannten Verfahren zu tragen hat und die mit den unanfechtbaren Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Verwaltungsgerichts München jeweils vom 21. August 2018 zu Gunsten der Antragstellerin festgesetzt wurden.
Kosten und Vollstreckung in verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelt Teil IV. der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Einzelheiten u.a. zur Kostentragung, Kostenverteilung und Kostenfestsetzung sind in §§ 154 bis 165 VwGO geregelt. Für die Vollstreckung gilt nach § 167 Abs. 1 VwGO das Achte Buch der Zivilprozessordnung entsprechend, soweit sich aus diesem Gesetz (der Verwaltungsgerichtsordnung) nichts anderes ergibt. Nach § 168 Abs. 1 Nr. 4 VwGO wird u.a. vollstreckt aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen. Soll zu Gunsten u.a. einer Gemeinde vollstreckt werden, so richtet sich die Vollstreckung gemäß § 169 Abs. 1 VwGO nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz. Vollstreckungsbehörde im Sinn des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ist der Vorsitzende des Gerichts des ersten Rechtszugs; er kann für die Ausführung der Vollstreckung eine andere Vollstreckungsbehörde oder einen Gerichtsvollzieher in Anspruch nehmen.
Für die Beitreibung enthält dabei das Verwaltungsvollstreckungsgesetz keine eigenständige Regelung, sondern verweist seinerseits für das Verwaltungszwangsverfahren und den Vollstreckungsschutz auf die entsprechenden Vorschriften der Abgabenordnung, § 5 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG). § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO stellt den Vorsitzenden des Gerichts des ersten Rechtszugs den (Bundes-)Vollstreckungsbehörden gleich, so dass auch er nach den Vorschriften der Abgabenordnung beitreibt oder nach den §§ 6 ff. VwVG erzwingt. Die Abgabenordnung ihrerseits unterwirft die gesamte Immobiliar-Vollstreckung durch Globalverweisung den „für die gerichtliche Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften“, namentlich den § 864 bis 871 ZPO und dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG), § 322 Abs. 1 Satz 2 AO. Dies ist vorwiegend rechtstechnisch bedingt, um die Einheitlichkeit des materiellen Grundstücksrechts zu wahren. Der Vorsitzende muss also die für die Liegenschaftsvollstreckung zuständigen Stellen um Vollstreckung ersuchen, nämlich das Grundbuchamt für die Eintragung einer Sicherungshypothek (§§ 866 Abs. 1, 867 ZPO) und das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht für die Durchführung einer Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung (§ 866 Abs. 1, 869 ZPO i.V.m. § 1 ZVG).
Nur die Durchführung der Mobiliar-Vollstreckung und die Pfändung von Forderungen und anderen Vermögensrechten fällt in die eigene Zuständigkeit des Vorsitzenden, der in der Regel für die Ausführung der Vollstreckung andere Vollstreckungsbehörden oder einen Gerichtsvollzieher in Anspruch nimmt und um Vollstreckungshilfe ersucht (vgl. Pietzner/Möller in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 34. Ergänzungslieferung Mai 2018, Rn. 15, 16; Heckmann in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, Rn. 50f.).
Der Vorsitzende prüft neben der Aktiv- und Passivlegitimation des Gläubigers und des Vollstreckungsschuldners das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen einschließlich der Mahnung sowie der Verhältnismäßigkeit der beantragten Vollstreckungsmaßnahmen. Dabei ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Beitreibung mit dem Interesse des Schuldners, nicht übermäßig belastet zu werden, abzuwägen. Für eine Prüfung materieller Einwendungen des Vollstreckungsschuldners ist dagegen kein Raum. Gegebenenfalls erlässt der Vorsitzende dann eine Vollstreckungsverfügung. Mit der Vollstreckungsverfügung bestimmt der Vorsitzende die vorzunehmende Zwangsmaßnahme. Er ist hierbei an den Antrag des Vollstreckungsgläubigers gebunden, hat aber eigenständig zu prüfen, ob dessen Wahl der Verhältnismäßigkeit entspricht. Er kann durch Anhörung des Vollstreckungsschuldners oder anderweitig die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermitteln, um unnötige Vollstreckungen zu vermeiden (Pietzner/Möller, a.a.O., Rn. 51 bis 53).
Die Rechtmäßigkeit der Immobiliar-Vollstreckung (durch Eintragung einer Zwangs-Sicherungshypothek, Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung) setzt im Regelfall die Feststellung voraus, dass der Geldbetrag durch Vollstreckung in das bewegliche Vermögen nicht beigetrieben werden kann (§ 322 Abs. 4 AO). Die Durchführung der Vollstreckung obliegt dem Amtsgericht als Grundbuchamt und Vollstreckungsgericht. Die verwaltungsgerichtliche Vollstreckung geht über in eine zivilprozessuale, um die Einheitlichkeit des Grundstücksrechts zu wahren. Die für die Vollstreckung erforderlichen Anträge des Gläubigers (§ 867 ZPO, § 13 GBO, §§ 15, 16, 146 ZVG) stellt der Vorsitzende (§ 322 Abs. 3 Satz 1 AO), unbeschadet dessen, dass der Vollstreckungsgläubiger seinerseits beim Vorsitzenden einen Vollstreckungsantrag zu stellen und dabei – unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips – die Vollstreckungsart zu wählen hat. Die Vollstreckungsanträge des Vorsitzenden sind der Sache nach, was § 322 Abs. 3 Satz 4 AO für den Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek ausdrücklich klarstellt, Ersuchen im Sinne des § 38 GBO. Deshalb sind ihnen weder Titel noch Zustellungsnachweis beizulegen, vielmehr prüft der Vorsitzende die Vollstreckungsvoraussetzungen einschließlich der Verhältnismäßigkeit der Vollstreckung in eigener Zuständigkeit und verlautbart dies in seiner Vollstreckungsverfügung, die er seinem Antrag an das Amtsgericht beifügt. Denn er hat hierbei zu bestätigen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen, § 322 Abs. 3 Satz 2 AO; diese Fragen unterliege nicht der Beurteilung des Amtsgerichts oder des Grundbuchamts, § 322 Abs. 3 Satz 3 AO (Pietzner/Möller, a.a.O., Rn. 85 bis 87).
Für den vorliegenden Fall ergibt sich, dass eine Vollstreckungsverfügung für die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Antragsgegners nicht erlassen werden kann. Zwar hat die Antragstellerin ihren ursprünglichen Vorschlag, in das unbewegliche Vermögen zu vollstrecken, mit Schreiben vom 26. November 2018 konkretisiert auf Vollstreckung in das Grundstück des Antragsgegners FlNr. … Gemarkung … Allerdings kann das Gericht derzeit die Verhältnismäßigkeit einer Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen nicht abschließend prüfen, insbesondere ob die Antragstellerin zunächst hinreichend nachhaltig bereits selbst versucht hat, in das bewegliche Vermögen oder in Forderungen oder andere Vermögensgegenstände des Antragsgegners zu vollstrecken. Dies ist jedoch derzeit nicht weiter aufzuklären, da bereits aus anderen Gründen eine Unverhältnismäßigkeit der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Antragsgegners festzustellen ist.
Nach § 866 Abs. 3 ZPO, der vom Vollstreckungsgericht zu beachten ist, darf eine Sicherungshypothek nur für einen Betrag von mehr als 750,- € eingetragen werden. Wenn aber schon für die Eintragung einer Sicherungshypothek eine derartige Mindestgrenze gesetzlich angeordnet ist, ist für weitergehende Maßnahmen wie die Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung erst recht eine derartige Verhältnismäßigkeitsgrenze anzunehmen, unterhalb welcher eine weitere Vollstreckung nicht erfolgen kann. Vielmehr ist bei den weitergehenden Maßnahmen wie Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung wohl von noch höheren Verhältnismäßigkeitsgrenzen auszugehen. Da aber hier im vorliegenden Fall die geltend gemachte Forderung von 577,16 € schon nicht die Grenze des § 866 Abs. 3 ZPO erreicht, ist dem Vollstreckungsbegehren der Antragstellerin nicht weiter nachzugehen.
2. Soweit die Antragstellerin mit Schreiben vom 5. November 2018 weitere Forderungen in Höhe von 1.489,68 € geltend macht, unterliegen diese schon nicht der Vollstreckung nach den §§ 167 ff. VwGO. Die Vollstreckung nach der Verwaltungsgerichtsordnung kann nur in den in § 168 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 VwGO genannten Fällen erfolgen, u.a. aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen wie vorher unter 1. ausgeführt.
Bei den geltend gemachten Forderungen in Höhe von 1.489,68 € handelt es sich aber um Forderungen der Antragstellerin aufgrund festgesetzter Grundsteuern und kommunaler Abgaben. Die Vollstreckung von Verwaltungsakten, die zur Leistung von Geld verpflichten (Leistungsbescheiden), erfolgt nach Art. 18 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG), insbesondere nach Art. 23, Art. 26 VwZVG. Danach können Gemeinden wie die Antragstellerin nach bestimmten Vorgaben selbst vollstrecken (Art. 26 Abs. 2a bis 5 VwZVG), im Übrigen wären für die Vollstreckung die ordentlichen Gerichte zuständig, Art. 26 Abs. 2 VwZVG. Lediglich Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Gemeinden unterliegen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, Art. 26 Abs. 7 Satz 3 VwZVG.
Somit fehlt es hier für die Forderung in Höhe von 1.489,68 € an einer Vollstreckungszuständigkeit des Verwaltungsgerichts.
Der Antrag ist damit insgesamt mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es nicht, da für Verfahren über Anträge auf gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung nach den §§ 169, 170 oder 172 VwGO gemäß Nr. 5301 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz eine Festgebühr in Höhe von 20,- € entsteht.


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