Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  10 ZB 20.1205, 10 ZB 20.1206

Datum:
3.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16882
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 8 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen nur dann, wenn die Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 K 18.4283, M 24 K 18.3326 2020-03-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Verfahren 10 ZB 20.1205 und 10 ZB 20.1206 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III. Die Kläger tragen die Kosten der Zulassungsverfahren.
IV. Der Streitwert für die Zulassungsverfahren wird jeweils auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 93 Satz 1 VwGO.
Die Kläger verfolgen mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung ihre in erster Instanz erfolglosen Klagen gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2018 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. März 2020, mit dem diese den Kläger im Verfahren 10 ZB 20.1206 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen, zur Ausreise aufgefordert, ihm die Abschiebung in den Irak angedroht und die Wiedereinreise für vier Jahre (im Falle des Nachweises der Straffreiheit), sonst für sechs Jahre untersagt hat, weiter. Die Kläger im Verfahren 10 ZB 20.1205 sind die in den Jahren 2005 und 2006 geborenen Kinder des Klägers im Verfahren 10 ZB 20.1206.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung bleiben in der Sache ohne Erfolg. Mit dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag sind bereits keine Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt. Jedenfalls liegt der allenfalls in Betracht kommende Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidungen des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätten (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 17; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist hier in Bezug auf die Ausweisung des Klägers im Verfahren 10 ZB 20.1206 nicht der Fall.
Die Kläger machen übereinstimmend ohne Bezug zu einem Zulassungsgrund im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO und ohne jede Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts lediglich geltend, der Kläger im Verfahren 10 ZB 20.1206 lebe seit 24 Jahren in Deutschland und habe keinerlei Identifikationspapiere seiner Heimat. Er könne ebenso wenig in seine Heimat zurückkehren wie die Kläger im Verfahren 10 ZB 10.1205, die in Deutschland voll integriert seien. Eine Trennung der Familie sei nicht zumutbar. Auch die Ehefrau und Mutter lebe in München und sei aufenthaltsberechtigt. Das Interesse an der Aufrechterhaltung der familiären Gemeinschaft überwiege das Ausweisungsinteresse der Beklagten. Der Kläger im Verfahren 10 ZB 20.1206 habe eine unbefristete Anstellung als Techniker, die Kläger im Verfahren 10 ZB 10.1205 seien Eigentümer einer Eigentumswohnung in München.
Damit wird die Richtigkeit der Urteile des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Zweifel gezogen.
Das Verwaltungsgericht ist im Rahmen der nach § 53 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose vom Zulassungsvorbringen unbeanstandet davon ausgegangen, dass vom Kläger im Verfahren 10 ZB 20.1206, der seit 1996 insgesamt zehnmal strafrechtlich – u.a. wegen Einschleusens von Ausländern, Nötigung, fahrlässiger Körperverletzung, Diebstahl, Bedrohung, vorsätzlicher Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung, Urkundenfälschung, versuchtem Betrug, Vortäuschung einer Straftat und fahrlässigen Fahrens trotz Fahrverbots – verurteilt wurde und zuletzt aufgrund des Urteils des Landgerichts München I vom 19. Juni 2016 eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 11 Monaten wegen Betrugs in neun tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Bedrohung, Computerbetrug sowie veruntreuender Unterschlagung, letztere in Tateinheit mit Sachbeschädigung verbüßte, die erhebliche Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgehe, insbesondere weil ihm jede Einsicht in das Unrecht seiner Taten fehle.
Weiter ist das Verwaltungsgericht im Rahmen der nach § 53 Abs. 2, § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Abwägung mit ausführlicher Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass das öffentliche Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers im Verfahren 10 ZB 20.1206 überwiege. Insbesondere seien durch die Ausweisung weder Art. 6 Abs. 1 GG noch Art. 8 Abs. 1 EMRK verletzt. Die Ehe des Klägers im Verfahren 10 ZB 10.1206 und seiner Frau bestehe nur noch formal, die eheliche Lebensgemeinschaft sei spätestens 2013 aufgelöst worden. Auch die Vater-Kind-Beziehungen stünden der Ausweisung nicht entgegen. Dies folge insbesondere aus dem Alter der Kläger im Verfahren 10 ZB 10.1205 von 13 und 14 Jahren und dem Umstand, dass direkte Kontakte während der vierjährigen Haft nicht stattgefunden hätten. Die Kläger im Verfahren 10 ZB 10.1205 hätten in der mündlichen Verhandlung einen besonders selbständigen Eindruck vermittelt und ersichtlich gelernt, mit der Trennung vom Vater zurechtzukommen. Eine weitere räumliche Trennung durch eine Aufenthaltsbeendigung werde keine negativen Folgen für sie haben, der Kontakt könne über moderne Kommunikationsmittel und Betretenserlaubnisse gehalten werden. Eine Rückkehr in den Irak sei dem Kläger im Verfahren 10 ZB 10.1206 auch mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK zumutbar. Er sei erst im Alter von 33 Jahren nach Deutschland eingereist. Eine nachhaltige wirtschaftliche Integration habe nicht stattgefunden, die Eigentumswohnung stehe unter Zwangsverwaltung. Der Kläger im Verfahren 10 ZB 10.1206 sei irakischer Staatsangehöriger, dem der irakische Staat noch im Jahr 2006 einen Reisepass ausgestellt habe, und verfüge über sehr gute Arabischkenntnisse. Im Irak lebten noch zahlreiche Verwandte, darunter Geschwister und Halbgeschwister.
Diesen zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, denen das Zulassungsvorbringen nichts Substantielles entgegenhält, schließt sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen an.
Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung der Anträge auf Zulassung der Berufung werden die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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