Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  9 ZB 19.31838

Datum:
3.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13840
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3

 

Leitsatz

Art. 103 Abs. 1 GG statuiert weder eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht noch erwächst den Prozessbeteiligten ein Anspruch darauf, dass das Gericht von sich aus Beweis erhebt.  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 17.32403 2019-03-25 Ent VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der behauptete Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt nicht vor (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10).
a) Danach hat der Kläger mit dem Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe teilweise einen anderen Sachverhalt unterstellt, als ihn der angefochtene Bescheid zugrunde gelegt habe, keinen Gehörsverstoß dargelegt, der auch vorliegt. Daraus – wie klägerseits angeführt wird, dass das Verwaltungsgericht mehrfach auf den angefochtenen Bescheid verwiesen und zur Frage der Flüchtlingseigenschaft selbst ausgeführt habe, dass fluchtauslösendes Element die Ebola-Epidemie 2014 gewesen sei, während im Bescheid eine Auseinandersetzung des Klägers mit einem politischen Gegner als kriminelles Unrecht gewertet worden sei, ließe sich solches schon nicht ableiten. Abgesehen davon hat sich das Verwaltungsgericht im Urteil mit dem vom Kläger geschilderten Konflikt mit seiner Partei und seinem politischen Widersacher auseinandergesetzt und – wie schon das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – eine politische Verfolgung verneint. Zumindest stehe eine Fluchtalternative zur Verfügung (vgl. UA S. 6 f.). Auch in Bezug auf die Darlegung des Klägers, dass das Verwaltungsgericht den Kläger im Zusammenhang mit der Feststellung der Zumutbarkeit einer Fluchtalternative als erwachsen und arbeitsfähig angesehen habe, während im Bescheid die Hepatitis-Erkrankung des Klägers erwähnt worden sei, ergeben sich keine Widersprüche. Das Verwaltungsgericht hat die vorgetragene Hepatitis-B-Erkrankung berücksichtigt und nicht als Hindernis für die Erwirtschaftung des Lebensunterhalts angesehen (s. UA S. 8). Der Kläger kritisiert hier letztlich die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG aber kein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. BayVGH, 4.4.2019 – 9 ZB 17.31736 – juris Rn. 4).
b) Soweit der Kläger einen Gehörsverstoß darauf stützt, dass das Verwaltungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Kläger im Fall seiner Rückkehr mit Unterstützung einer Familie und durch Freunde rechnen könne, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos. Eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht statuiert Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2018 – 1 BvR 1011/17 – juris Rn. 16). Insbesondere gibt Art. 103 Abs. 1 GG den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht von sich aus Beweis erhebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 9 ZB 18.33046 -juris Rn. 5). Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger selbst dann in der Lage sein werde, sein Existenzminimum zu sichern, wenn er bei seiner Rückkehr keine Unterstützung von Verwandten oder befreundeten Personen erhalten sollte (s. UA S. 9).
2. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 ZB 19.30057 – juris Rn. 2 m.w.N.).
a) Der im Zulassungsvorbringen aufgeworfenen Frage: „Muss angesichts der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebt, zu dem Vorhanden – oder Nichtvorhandensein von Familienangehörige bzw. einer Großfamilie keine Feststellungen getroffen wurden, davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger zumindest sein Existenzminimum sichern kann oder muss davon ausgegangen werden, dass angesichts der Gesamtumstände und auch den speziellen Umstände beim Kläger bei einer Rückkehr davon ausgegangen werden muss, dass er unter dem Existenzminimum (und somit unter den inländischen Maßstäben unter Verstoß eines selbstbestimmten würdevollen Lebens) bleiben muss“ lässt sich bereits keine allgemeine, über den Einzelfall des Klägers hinausreichende Bedeutung entnehmen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auf die schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone abgestellt und ist auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger als arbeitsfähiger Mann auch ohne Unterstützung von Verwandten oder befreundeten Personen in der Lage sein wird, sein Existenzminimum zu sichern. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegen getreten. Der Kläger wendet sich vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 9 ZB 19.30847 – juris Rn. 4).
b) Auch das Zulassungsvorbringen, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der Kläger bei Bekanntwerden der Asylantragstellung mit politischer Verfolgung rechnen muss, erfüllt nicht die Darlegungsanforderungen. Unabhängig davon, dass dieser (neue) Sachvortrag weder im Verfahren der Anhörung vor dem Bundesamt noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Kläger thematisiert wurde und damit im Zulassungsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen sein dürfte (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2018 – 1 ZB 17.31272 – juris Rn. 10), fehlt hier jede Ausführung zur Klärungsbedürftigkeit oder Klärungsfähigkeit.
3. Inwieweit – wie der Kläger behauptet – die angefochtene Entscheidung von ober-gerichtlicher Rechtsprechung abweichen soll (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG), wird nicht ausreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Es ist weder ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet, noch angegeben, von welchem Rechtssatz welchen Divergenzgerichts dieser abweichen soll (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2018 – 9 ZB 18.31509 – juris Rn. 7).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben