Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung mangels Verfahrensfehler

Aktenzeichen  15 ZB 19.31547

Datum:
30.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13774
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

Wird ein Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht auf Unstimmigkeiten seines Vortrags, auf das das Gericht sodann die Sachverhaltswürdigung stützt, hingewiesen, stellt dies keine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, weil keine Pflicht des Gerichts besteht, seine Rechtsauffassung oder seine mögliche Würdigung des Sachverhalts preiszugeben. (Rn. 3 – 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 17 K 18.31467 2019-02-27 Ent VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Klägerin – eine kubanische Staatsangehörige – wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. November 2018, mit dem ihr Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, ihr die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurden, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Kuba oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. Mit Urteil vom 27. Februar 2019 wies das Verwaltungsgericht Ansbach die von der Klägerin erhobene Klage mit den Anträgen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. November 2018 zu verpflichten, ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie sie als Asylberechtigte anzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihr den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie (weiter hilfsweise) das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, ab. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers gem. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG wegen Versagung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor bzw. ist nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Der durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Ein Verfahrensfehler in Form der Versagung rechtlichen Gehörs liegt nur vor, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 20.11.1995 – 4 C 10.95 – NVwZ 1996, 378 = juris Rn. 13 m.w.N.) oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat, und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 15 ZB 19.30148 – juris Rn. 3 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht einschlägig bzw. nicht mit der Antragsbegründung substantiiert vorgetragen worden.
a) Der Einwand der Klägerin, sie sei in der mündlichen Verhandlung nicht auf Unstimmigkeiten ihres Vortrags, auf die das Verwaltungsgericht sodann die Sachverhaltswürdigung gestützt habe, hingewiesen wurde, vermag auch unter Berücksichtigung des Drucks, den Kläger allgemein bei der Anhörung im asylrechtlichen Gerichtsverfahren unterliegen, keinen Verfahrensfehler i.S. von Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3 VwGO zu begründen. Das Recht auf rechtliches Gehör begründet keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder seine (mögliche) Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Eine den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs konkretisierende gerichtliche Hinweispflicht – zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung – besteht nur dann, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht mit einer bestimmten Bewertung seines Sachvortrags durch das Verwaltungsgericht zu rechnen braucht (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 23.1.2014 – 1 B 12.13 – juris Rn. 11 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 15 ZB 19.30148 – juris Rn. 4 m.w.N.). Diese Voraussetzungen zeigt die Antragsbegründung nicht auf. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang ohne nähere Konkretisierung darauf verweist, dass auch sprachliche Barrieren hätten berücksichtigt werden müssen, erfüllt der insofern vage und spekulativ bleibende Vortrag die Anforderungen gem. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG an die Darlegung eines Berufungszulassungsgrundes schon deshalb nicht, weil hieraus nicht ansatzweise hervorgeht bzw. schlüssig aufgezeigt wird, in welchen genauen Punkten Verständnisprobleme bzw. Übersetzungsmängel aufgetreten sein sollen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 15 ZB 19.30148 – juris Rn. 4 m.w.N.).
b) Auch soweit in der Antragsbegründung vorgebracht wird, der zugrunde liegende Sachverhalt sei durch das Erstgericht nicht hinreichend gewürdigt worden, legt die Klägerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und damit einen Verfahrensfehler i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 Nr. 3 VwGO nicht dar.
Die Gerichte brauchen sich nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich und im Detail auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Etwas anderes gilt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 5 B 75.15 D – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 15 ZB 18.31366 – juris Rn. 3 m.w.N.; B.v. 30.10.2018 – 15 ZB 18.31200 – juris Rn. 14 m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind vorliegend weder von der Klägerin vorgebracht worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere bringt die Klägerin in der Antragsbegründung zu Unrecht vor, das Verwaltungsgericht sei auf den Hinweis auf eine die Todesstrafe betreffende Verfassungsänderung nicht bzw. nicht ausreichend eingegangen. Tatsächlich ist das diesbezügliche Vorbringen sogar ausdrücklich in der erstinstanzlichen Entscheidung thematisiert (vgl. Seite 12 des Original-Urteils vom 27. Februar 2019) und schon deshalb vom Verwaltungsgericht berücksichtigt und in Erwägung gezogen worden.
Im Übrigen würde ein – unterstellter – Mangel hinsichtlich der Sachverhaltsbewertung und Beweiswürdigung grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß begründen noch würde ein solcher zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 VwGO rechnen (vgl. jeweils m.w.N.: OVG NRW, B.v. 18.10.2018 – 4 A 746/18.A – juris Rn. 18; NdsOVG, B.v. 20.9.2018 – 10 LA 284/18 – juris Rn. 29). Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gewährleistet nicht, dass die angefochtene Entscheidung frei von einfach-rechtlichen materiellen Rechtsfehlern oder sonstigen Verfahrensfehlern ist, sondern sie soll nur sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund gerade in der unterlassenen Kenntnisnahme oder in der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (OVG Saarl., B.v. 16.5.2015 – 2 A 197/14 – juris Rn. 8 m.w.N.). Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) daher allenfalls in krassen Ausnahmefällen verletzt sein, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, vor allem wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2018 – 8 ZB 18.31172 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 16.1.2019 – 15 ZB 19.30148 – juris Rn. 7 m.w.N.). Diese Voraussetzungen werden in der Antragsbegründung nicht substantiiert aufgezeigt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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