Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung mangels Verletzung rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  9 ZB 17.30974

Datum:
1.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27390
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Der Zulassungsgrund einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) wegen der Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bedingt gestellten Beweisantrags liegt nicht vor, wenn die vom Verwaltungsgericht angeführten Widersprüche in der Schilderung des Schutzsuchenden von seinem persönlichen Verfolgungsschicksal nicht auf den vom Beweisantrag gestützten Aspekten beruhen, da ein solcher Beweisantrag dementsprechend nicht entscheidungserheblich und daher nicht zu berücksichtigen ist. (Rn. 2 – 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 17.31086 2017-06-20 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten wird abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones. Er begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 20. Juni 2017 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) wegen der Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 16. Juni 2017 bedingt gestellten Beweisantrags liegt nicht vor.
Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10 m.w.N.). Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.4.2018 – 9 ZB 18.30178 – juris Rn. 4 m.w.N.). Das gilt auch für einen – wie hier – hilfsweise gestellten Beweisantrag. Dass ein Beweisantrag nicht unbedingt gestellt ist, entbindet das Gericht lediglich von der verfahrensrechtlichen Pflicht des § 86 Abs. 2 VwGO, über ihn vorab durch Gerichtsbeschluss zu entscheiden, nicht aber von den sonst für die Behandlung von Beweisanträgen geltenden verfahrensrechtlichen Bindungen, wenn sie sich als erheblich erweisen (vgl. BVerfG, B.v. 22.9.2009 a.a.O. Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.7.2019 – 9 ZB 19.32441 – juris Rn. 4).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bedingte Beweisanträge hinsichtlich der Zurverfügungstellung von Geldern der US-Regierung zur Ebola-Bekämpfung, seinen Bericht über eine geplante Veruntreuung dieser Gelder im Radiosender, seine Inhaftierung deswegen sowie seine Arbeit als IT-Spezialist für die Regierung gestellt. Das Verwaltungsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen des Urteils vom 20. Juni 2017 das Erfordernis weiterer Sachverhaltsermittlungen entsprechend dem gestellten Beweisantrag mit der Begründung verneint, dass die Schilderung, die der Kläger von seinem persönlichen Verfolgungsschicksal gibt, in wesentlichen Punkten unzutreffend oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist und deshalb auch substantiierten Beweisanträgen zum Verfolgungsgeschehen nicht nachgegangen zu werden braucht (UA S. 12). Hieraus ergibt sich keine Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfG, B.v. 10.8.2001 – 2 BvR 1238/00 – juris Rn. 4; BVerwG, B.v. 28.7.2014 – 1 B 6.14 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 53). Das Verwaltungsgericht hat die Widersprüche in wesentlichen Punkten – anders als in der Zulassungsbegründung vorgetragen – auch nicht nahezu ausschließlich auf die erste Anhörung nach der Einreise bei der Regierung von Oberbayern gestützt, sondern auf Divergenzen zur Protokollierung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 6. September 2016 (UA S. 11) und insbesondere auf krasse Widersprüche zur vorliegenden Erkenntnismitteln hinsichtlich der politischen Situation, Wahlen und der amtierenden Regierung (UA S. 11 f.). Dementsprechend sind die Beweisanträge auch nicht entscheidungserheblich, weil die vom Verwaltungsgericht angeführten Widersprüche nicht auf auf den von den Beweisanträgen gestützten Aspekten beruhen. Beweisanträge sind jedoch auch nur zu berücksichtigen, soweit sie entscheidungserheblich sind (vgl. BVerfG, B.v. 1.8.2017 – 2 BvR 3068/14 – juris Rn. 68).
2. Der Kläger hat somit auch keinen Anspruch auf die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung bereits zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO). Dementsprechend war auch der Antrag auf Beiordnung der Bevollmächtigten als Rechtsanwaltin (§ 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO) abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben