Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung einer Berufung – Ausgleichsbeitragsbescheid

Aktenzeichen  2 ZB 19.1058

Datum:
3.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24758
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 154 Abs. 1 u. 2
VwGO § 86 Abs. 1, Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5, § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

Nachdem der Gemeinde ein Wertermittlungsspielraum in Bezug auf den Umfang der durch die Faktoren bewirkten Erhöhung oder Minderung des Bodenwerts zusteht, der nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle in Form einer Plausibilitätskontrolle zugänglich ist, ist ein Berechnungsverfahren zur Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung, das darauf beruht, den fortgeschriebenen Anfangswert unter Zuhilfenahme eines von der Gemeinde festgelegten Punktekatalogs zu ermitteln, indem der Endwert durch die Endpunktzahl dividiert und im nächsten Schritt mit der Anfangspunktzahl multipliziert wird, nicht zu beanstanden. (Rn. 4 – 5) (red. LS Alexander Tauchert)

Verfahrensgang

Au 4 K 18.356 2019-04-10 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.898,69 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124 a VwGO) hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass der streitgegenständliche Ausgleichbeitragsbescheid vom 13. Februar 2018 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken gegen das von der Beklagten zur Ermittlung des Ausgleichbetrags angewandte Verfahren bestehen, vermag der klägerische Vortrag nicht in Zweifel zu ziehen.
Die Regelung des § 154 Abs. 1 BauGB sieht vor, dass sich die Höhe des Ausgleichsbetrags nach der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks bestimmt. Nach § 154 Abs. 2 BauGB besteht die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwerts aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert) und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (Endwert). Bei der Bewertung der für den Anfangs- und Endwert maßgeblichen Faktoren verfügt die Gemeinde über einen Wertermittlungsspielraum in Bezug auf den Umfang der durch die Faktoren bewirkten Erhöhung oder Minderung des Bodenwerts, der nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle in Form einer Plausibilitätskontrolle zugänglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 4 C 31.13 – NVwZ 2015, 531; OVG Hamburg, U.v. 16.4.2015 – 4 Bf 66.13 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 11.3.2014 – OVG 10 S1.14 – juris).
Gemessen daran ist das von der Beklagten gewählte Berechnungsverfahren nicht zu beanstanden, das darauf beruht, die sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung zu ermitteln. Insbesondere ist kein Fehler bei der Berechnungsmethode des fortgeschriebenen Anfangswerts durch die Formel der Beklagten unter Zuhilfenahme eines von ihr festgelegten Punktekatalogs erkennbar, indem der Endwert durch die Endpunktzahl dividiert und im nächsten Schritt mit der Anfangspunktzahl multipliziert wird.
a) Der Kläger geht mit seiner Ansicht fehl, dass die Beklagte bei ihrer Berechnung davon ausgegangen sei, dass sich der als Endwert zugrunde gelegte Bodenrichtwert ausschließlich aus den fünf Kriterien des von ihr verwendeten Punktekatalogs bilde und damit der Anteil der vom Punktekatalog nicht erfassten, den Bodenrichtwert wertbildenden Kriterien nicht berücksichtigt werde. Denn der als Endwert angenommene, aus der Bodenrichtwertkarte entnommene aktuelle Bodenrichtwert bestimmt sich nicht nur aus den sanierungsrelevanten Faktoren des von der Beklagten herangezogenen Punktekatalogs. Hingegen dienen der Punktekatalog und damit die fünf von der Beklagten festgelegten, ausschließlich sanierungsrelevanten Kriterien lediglich der Bestimmung der sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung in Form der Ermittlung der Anfangs- und Endpunktzahl. Insoweit ist es folgerichtig, dass auch nur diese Faktoren mathematisch in die Formel zur Ermittlung des fortgeschriebenen Anfangswerts Eingang finden. Dadurch ist gewährleistet, dass beispielsweise allgemeine Marktschwankungen in die Berechnung nicht miteinfließen. Dieses Vorgehen zur Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung entspricht der Regelung des § 154 Abs. 1 BauGB.
In diesem Zusammenhang macht der Kläger geltend, dass der Anteil der sanierungsunabhängigen wertbildenden Faktoren die Hälfte des Grundstückspreises ausmache, weil nach der Bewertungsschablone (Spalte 1) des streitgegenständlichen Bescheids maximal 50 Punkte zu erreichen seien und nicht, wie von der Beklagten im Bescheid (Spalte 2 und 3) angenommen, 100 Punkte. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass aus der Spalte 1 der Anlage 1.1 und 1.2 des streitgegenständlichen Bescheids ohne Weiteres zu erkennen ist, dass lediglich die Angabe der Gesamtsumme fehlerhaft ist. Denn die Summe aus den maximal zu erreichenden Punkten der fünf maßgeblichen wertbildenden sanierungsbedingten Faktoren ergibt 100 Punkte.
b) Darüber hinaus trägt der Kläger vor, dass die von der Beklagten zur Berechnung des Anfangswerts zugrunde gelegte Formel bei einer Verprobung zu unsinnigen Ergebnissen führe. Soweit er dies anhand der Einsetzung des Werts 0 für die Anfangspunktzahl zu belegen versucht, vermag sein Vorbringen nicht zu überzeugen. Denn der Anfangswert Null ist in der Realität nicht anzutreffen. Im Hinblick auf seine Berechnung anhand der Einsetzung des Werts 1 für die Endpunktzahl sind seine Ausführungen nicht nachvollziehbar. Ungeachtet dessen, dass der Kläger in seinem Beispiel wohl Endpunktzahl mit Anfangspunktzahl verwechselt, würden sich bei Anwendung der Formel der Beklagten zwar 11 € als fortgeschriebener Anfangswert ergeben. Dabei handelt es sich entgegen der klägerischen Auffassung aber nicht um die sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung, die sich erst aus der Differenz des Endwerts und Anfangswerts bildet. Somit beträgt in dem Beispiel des Klägers (800 € – 11 € =) 789 € die sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung, was ein plausibles Ergebnis darstellt.
c) Schließlich verkennt der Kläger mit seinem Vortrag, die Beklagte habe entgegen den Ausführungen des Erstgerichts keinen Grundwert bei ihrer Berechnung zugrunde gelegt, dass das Verwaltungsgericht bei der Herleitung der von der Beklagten verwendeten Formel auf den Grundwert abgestellt hat, der durch Auflösung der Gleichung zwar nicht mehr explizit erscheint (UA S. 16 Rn. 57-59), aber der Formel weiterhin immanent ist.
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Insoweit legt der Kläger schon nicht dar, worin diese bestehen sollen (§ 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO). Ungeachtet dessen verursacht die Rechtssache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d.h. überdurchschnittlichen Schwierigkeiten. Es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2000 – 23 ZB 00.643 – juris). Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1 verwiesen.
3. Ebenso wenig liegt der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO vor.
Der Kläger dringt mit seiner Rüge nicht durch, das Verwaltungsgericht hätte dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur der Frage, dass die von der Beklagten entwickelte Formel zur Berechnung des sanierungsbedingten Anteils des Grundstückswerts vor der Sanierung (Anfangswert) nicht geeignet sei, nachkommen müssen.
Ein Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO, wonach die Ablehnung von in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisanträge nur durch zu begründenden Gerichtbeschluss ergehen darf, ist nicht gegeben. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 10. April 2019 hat der anwaltlich vertretene Kläger einen solchen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.
Darüber hinaus liegt auch keine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO dergestalt vor, dass sich dem Verwaltungsgericht die vom Kläger bezeichneten Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447; BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 2 ZB 11.2855 – juris). Denn die von der Beklagten verwendete Formel zur Berechnung des fortgeschriebenen Anfangswerts war für das Erstgericht gemessen an logischen Überlegungen und mathematischen Grundsätzen plausibel und nachvollziehbar (UA S. 15ff.), so dass sich dem Verwaltungsgericht aus seinem zutreffenden rechtlichen Standpunkt eine weitere Sachverhaltsermittlung nicht aufdrängen musste.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.


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