Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung einer Berufung wegen fehlender Divergenz

Aktenzeichen  9 ZB 15.50048

Datum:
24.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 113660
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2
AsylVfG § 77 Abs. 1
AsylG aF § 27a

 

Leitsatz

1 Mit dem Vorbringen, „nach Meinung des Verwaltungsgerichts …“ und „kurz gefasst vertritt das Gericht den Rechtssatz …“, wird kein abstrakter Rechtssatz des Verwaltungsgerichts benannt, sondern allenfalls eine nach Wertung der unterlegenen Partei fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte aufgezeigt. Dies genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist ein Mitgliedstaat nach den einschlägigen Dublin-Bestimmungen für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig, kann sich der Schutzsuchende im gerichtlichen Verfahren gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylG (aF) jedenfalls dann auf die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaats berufen, wenn die (Wieder-) Aufnahmebereitschaft eines anderen (unzuständigen) Mitgliedstaats nicht positiv feststeht (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 In diesen Fällen bedarf es keiner eigenen Ermittlungen des Verwaltungsgerichts zu einer möglicherweise noch fortbestehenden Übernahmebereitschaft des unzuständigen Mitgliedstaats. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 9 K 14.50225 2015-02-04 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die geltend gemachte Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) liegt nicht vor.
Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 2 B 52/14 – juris Rn. 5 ff.). Im Zulassungsantrag muss daher ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2014 – 10 B 50/14 – juris Rn. 23; B.v. 12.9.2014 – 5 PB 8/14 – juris Rn. 2). Die bloße Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die die betreffenden Gerichte in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 2 B 52/14 – juris Rn. 5; B.v. 22.10.2014 – 8 B 2/14 – juris Rn. 23).
Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht, weil schon kein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet wird, der von einem Rechtssatz der genannten Divergenzgerichte abweichen soll. Mit dem Vorbringen, „nach Meinung des Verwaltungsgerichts …“ und „kurz gefasst vertritt das Gericht den Rechtssatz …“, wird kein abstrakter Rechtssatz des Verwaltungsgerichts benannt, sondern allenfalls eine nach Wertung der Beklagten fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen eines der § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte aufgezeigt. Dies genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht.
Davon abgesehen betrifft die in Bezug genommene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (Az. 13a B 13.30295 – juris Rn. 36 ff.) einen Sachverhalt, in dem die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens – anders als vorliegend – noch nicht die auf Bundesrepublik Deutschland übergegangen war. Der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2014 (Az. 10 B 35.14 – juris Leitsatz/Rn. 6) entnommene Rechtssatz betrifft ebenfalls die Überstellung eines Asylbewerbers in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn „zuständigen“ Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2016 – 9 ZB 15.50010 – juris Rn. 4).
Schließlich müsste die Divergenz in dem Berufungsverfahren entscheidungserheblich zum Tragen kommen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 44 m.w.N.). Das ist aber nicht der Fall, wie die nachfolgenden Ausführungen in Nr. 2 zeigen.
2. Die (hilfsweise) geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 2 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Rechtsfrage,
„ob der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung gemäß § 27a AsylVfG (a.F.) deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt bereits abgelaufen ist
und
ob dies insbesondere bereits dann gilt, wenn (noch) nicht feststeht, dass der bislang zuständige Mitgliedstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt“,
ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt.
Nach den nicht bestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ging die Zuständigkeit für die Prüfung des klägerischen Antrags auf internationalen Schutz mit Ablauf der Überstellungsfrist auf die Bundesrepublik Deutschland über. Ist aber ein Mitgliedstaat nach den einschlägigen Dublin-Bestimmungen für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig, kann sich der Schutzsuchende im gerichtlichen Verfahren gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylG (a.F.) jedenfalls dann auf die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaats berufen, wenn die (Wieder-)Aufnahmebereitschaft eines anderen (unzuständigen) Mitgliedstaats nicht p o s i t i v feststeht (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – NVwZ 2016, 1495 = juris Rn. 20 ff.). Hiervon ausgehend bedurfte es keiner eigenen Ermittlungen des Verwaltungsgerichts zu einer möglicherweise noch fortbestehenden Übernahmebereitschaft des unzuständigen Mitgliedstaats; eine tatsächlich bestehende (Wieder-) Aufnahmebereitschaft wurde auch im Zulassungsverfahren nicht substantiiert dargelegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AslyG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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