Verwaltungsrecht

Erfolgloser auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützter Berufungszulassungsantrag eines Türken kurdischer Volkszugehörigkeit

Aktenzeichen  9 ZB 18.32678

Datum:
26.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28780
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
QRL Art. 4 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für die Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ist, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einwendungen gegen die tatrichterliche Würdigung im Einzelfall begründen keine Grundsatzrüge. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 17.35316 2018-09-04 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substanziiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2017 – 9 ZB 15.30129 – juris Rn. 4 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
1. Die Frage,
„ob einem kurdischen Volkszugehörigen aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung in der Türkei die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuzuerkennen oder ein Abschiebungsverbot festzustellen ist“,
lässt sich – gleich, ob sie als Rechts- und/oder Tatsachenfrage zu verstehen ist – abstrakt und losgelöst vom Einzelfall nicht beantworten, sondern kann nur anhand der individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Sachverhalts erfolgen.
2. Sollte die aufgeworfene Frage dahin zu verstehen sein, dass Kurden nach Ansicht des Klägers in der Türkei landesweit allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden verfolgt werden, genügt das Zulassungsvorbringen nicht dem Darlegungsgebot.
Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, genügt es den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG in Bezug auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage nicht, wenn lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. Vielmehr bedarf es in diesen Fällen zumindest eines überprüfbaren Hinweises auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte), die zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass die aufgeworfene Tatsachenfrage anders als in der angefochtenen Entscheidung zu beantworten ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2018 – 9 ZB 18.50044 – juris Rn. 14 m.w.N.). Daran fehlt es.
Aus den vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. Juni 2018 (A 6 K 4635/17) und vom 26. September 2017 (A 6 K 4888/17) ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht eine Gruppenverfolgung von Kurden in der Türkei angenommen hat. Insbesondere trifft es nicht zu, dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Freiburg „das gesamte kurdische Volk“ massiven Repressionsmaßnahmen des türkischen Militärs ausgesetzt sei. Das Verwaltungsgericht Freiburg ging in den genannten Entscheidungen vielmehr von einzelfallbezogenen Umständen aus, denen zufolge es jeweils „im vorliegenden Fall“ eine asylrelevante Bedrohungslage annahm. Dass es für die Türkei derzeit klärungsbedürftig ist, ob alle Mitglieder der ethnischen Gruppe der Kurden einer gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt sind, insbesondere, ob eine hinreichende „Verfolgungsdichte“ vorliegt und ob diese in der Türkei landesweit droht, hat der Kläger deshalb nicht dargelegt. Davon abgesehen wird gegenwärtig auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung verneint, dass Kurden in der Türkei einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind (vgl. SächsOVG, B.v. 28.5.2018 – 3 A 120/18.A – juris Rn. 8 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 9 ZB 12.30404 – juris Rn. 5 f.).
3. Mit dem weiteren Vorbringen, der Kläger habe in Deutschland aufgrund seines Glaubens an die türkische Sache an Kundgebungen teilgenommen und im Verlauf der türkischen Offensive im Siedlungsgebiet der Kurden sei dessen Haus beschossen worden, es bestehe deshalb aufgrund der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL (Richtlinie 2011/95/EU) die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Gewaltakte nach einer Rückkehr wiederholen würden, wendet sich der Kläger im Gewand der Grundsatzrüge gegen die tatrichterliche Würdigung im Einzelfall. Damit wird kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund dargetan (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2018 – 9 ZB 18.31792 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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