Verwaltungsrecht

Erfolgloser, auf rechtsgrundsätzliche Bedeutung gestützter Berufungszulassungsantrag eines Äthiopiers

Aktenzeichen  8 ZB 19.30040

Datum:
20.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7236
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich ist und bedarf der Darlegung, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Frage, ob die aktuelle Versorgungs- und Sicherheitslage in Äthiopien für junge alleinstehende Personen so desolat ist, um daraus nationale Abschiebungsverbote abzuleiten, kann nicht losgelöst von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beantwortet werden und ist damit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. (Rn. 9 – 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 2 K 17.32132 2018-11-13 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der von dem Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor bzw. ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
1. Hinsichtlich der als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Frage,
„ob bei einer Gesamtwürdigung der zugänglichen Auskunftsquellen anzunehmen ist, dass äthiopischen Asylbewerbern, die sich in Äthiopien politisch oppositionell betätigt haben, für den Fall der Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG droht, beziehungsweise ob diesen Personen Schutz nach § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, 2 AsylG zu gewähren ist, beziehungsweise ob der Abschiebung solcher Personen § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK und § 60 Abs. 7 AufenthG entgegenstehen“,
hat der Kläger die Entscheidungserheblichkeit nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung nämlich nicht nur darauf gestützt, dass – aufgrund der aktuellen Entwicklungen in Äthiopien im Jahr 2018 – nicht davon auszugehen sei, dass es bei Rückkehrern, die aus Anlass der Massenproteste der letzten Jahre verhaftet wurden und geflohen seien, beachtlich wahrscheinlich zu Verfolgungshandlungen komme (vgl. Urteilsabdruck Seite 10 f.). Vielmehr hat es in erster Linie auch darauf abgestellt, dass die Verfolgungsgeschichte des Klägers nicht glaubhaft sei (vgl. Urteilsabdruck Seite 9 f.). Hiergegen hat der Kläger keine Einwände erhoben. Ist aber das angefochtene Urteil entscheidungstragend auf mehrere selbständige Begründungen gestützt (sog. kumulative Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und vorliegt (vgl. BVerwG, B.v. 31.5.2017 – 5 PB 12.16 – juris Rn. 2; B.v. 3.12.2018 – 7 BN 4/18 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 15.12.2017 – 8 ZB 16.1806 – NVwZ 2018, 511 = juris Rn. 30 m.w.N.; B.v. 18.12.2017 – 15 ZB 17.31757 – juris Rn. 7). Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
2. Die vom Kläger weiter aufgeworfene Frage,
„ob die Versorgungs- und Sicherheitslage in Äthiopien für junge alleinstehende Personen aktuell so desolat ist, dass hieraus Abschiebungsverbote für diese gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK beziehungsweise § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG abzuleiten sind“,
ist einer grundsätzlichen Klärung i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht zugänglich. Sie entzieht sich einer generellen, fallübergreifenden Klärung, weil sie nicht losgelöst von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beantwortet werden kann.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nach gefestigter Rechtsprechung im Ausnahmefall ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – AuAS 2015, 43 = juris LS und Rn. 17; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12 Rn. 23, 25; B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 8). Dies setzt aber voraus, dass im Zielstaat der Abschiebung das für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erforderliche Mindestmaß an Schwere erreicht wird. Das kann der Fall sein, wenn ein Ausländer im Zielstaat seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält. Einer weitergehenden abstrakten Konkretisierung ist das Erfordernis, dass ein gewisses Mindestmaß an Schwere erreicht sein muss, nicht zugänglich. Vielmehr bedarf es insoweit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris LS 1 und Rn. 9, 11).
Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen solcher schlechten humanitärer Verhältnisse mit Blick auf die Gesundheit und die Erwerbsfähigkeit des Klägers sowie auf seinen familiären Rückhalt in Äthiopien verneint (vgl. Urteilsabdruck S. 14). Soweit der Kläger hiergegen unter Anführung entsprechender Internet-Veröffentlichungen u.a. vorbringt, dass die humanitäre Situation in Äthiopien schwierig sei, dass die Sicherheitslage angespannt bleibe, dass für den Zugang zu einer Arbeitsstelle Geld oder familiäre Kontakte vorhanden sein müssten, dass die Situation sich im Hinblick auf Lebensmittel keineswegs entspanne, dass im medizinischen Sektor nicht einmal die Basisversorgung annähernd gesichert sei, zeigt er keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf, sondern wendet sich der Sache nach gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit wird kein Berufungszulassungsgrund im Sinn von § 78 Abs. 3 AsylG benannt (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2018 – 8 ZB 18.31802 – juris Rn. 7; B.v. 31.10.2018 – 8 ZB 17.30339 – juris Rn. 9 ff.). Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann allenfalls der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sein, allerdings nur dann, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, insbesondere wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris; B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 21 ZB 18.30867 – Rn. 4). Dass ein solcher Mangel hier vorliegt, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
Darüber hinaus hat der Kläger insoweit in keiner Weise dargetan, inwiefern die von ihm aufgeworfene Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig sein soll.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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