Verwaltungsrecht

Erfolgloser BErufungszulassungantrag mangels Verletzung des rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  9 ZB 21.30263

Datum:
2.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4241
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 77 Abs. 2, § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei aufgrund einer vorurteilgeprägten, unkontrollierten Fehlbewertung zu der fehlerhaften Einschätzung gekommen, der vom Kläger vorgelegte Zeitungsartikel sei gefälscht, wird die tatrichterliche Beweiswürdigung angegriffen, die einen Gehörsverstoß grundsätzlich nicht begründen kann. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Beweisanträge sind nur zu berücksichtigen, soweit diese entscheidungserheblich sind (Anschluss an BVerfG NJW 2017, 3218 Rn. 68). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dass es im Asylverfahren stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht, ist selbstverständlich und bedarf grundsätzlich nicht des besonderen Hinweises durch das Gericht (Anschluss an BVerwG BeckRS 2001, 23550). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 30 K 17.49181 2020-12-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist nach seinen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 10. Dezember 2020 die Klage abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) zuzulassen.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist. Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, B.v. 15.2.2017 – 2 BvR 395/16 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 22.10.2020 – 9 ZB 20.31812 – juris Rn. 10). Danach liegt die gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs hier nicht vor.
Soweit der Kläger darauf abstellt, das Verwaltungsgericht sei aufgrund einer vorurteilgeprägten, unkontrollierten Fehlbewertung zu der fehlerhaften Einschätzung gekommen, der vom Kläger vorgelegte Zeitungsartikel sei gefälscht, wird die tatrichterliche Beweiswürdigung angegriffen, die einen Gehörsverstoß grundsätzlich nicht begründen kann. Zwar kann der Anspruch auf rechtliches Gehör im Einzelfall bei gravierenden Verstößen verletzt sein, wenn die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, B.v. 8.4.2004 – 2 BvR 743/03 – juris Rn. 3), oder wenn es sich um gewichtige Verstöße gegen Beweiswürdigungsgrundsätze handelt, weil etwa die Würdigung willkürlich erscheint oder gegen gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze, unumstrittene Geschichtstatsachen oder gar die Denkgesetze verstößt (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710.94 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 7.7.2020 – 9 ZB 20.31328 – juris Rn. 7). Dies zeigt das Zulassungsvorbringen aber nicht auf. Das Verwaltungsgericht begründet seine Einschätzung in den Urteilsgründen ausführlich. Mit seiner gegenteiligen Ansicht wendet sich der Kläger vielmehr im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, was keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 9 ZB 20.31306 – juris Rn. 7).
Gleiches gilt für den Vortrag, das Verwaltungsgericht habe die beantragte Schriftsatzfrist zur Vorlage des Originals einer Zeitung und der Verifizierung des vorgelegten Fahndungsfotos zu Unrecht abgelehnt sowie die Argumentation des Verwaltungsgerichts sei nicht geeignet, auszuschließen, dass keine Fälschung vorliege. Das Verwaltungsgericht hat unter anderem darauf abgestellt, dass nach wie vor die Identität des Klägers ungeklärt sei und unter Berücksichtigung des visuellen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Gesichtszüge der Person auf dem Fahndungsplakat nicht mit dem Kläger sowie die Gesichtszüge der Person auf dem Fahndungsplakat nicht mit der Person im Zeitungsartikel übereinstimmen. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen, so dass die Beweiserheblichkeit schon nicht ersichtlich ist.
Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht neben einer Bezugnahme auf die Ausführungen des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (§ 77 Abs. 2 AsylG) die fehlende Glaubhaftigkeit des Verfolgungsschicksals des Klägers auf eine Vielzahl von widersprüchlichen Angaben, nicht nachvollziehbaren Schilderungen und einer Steigerung des Vortrags gestützt. Es hat zudem selbst für den Fall der Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags eine inländische Fluchtalternative angenommen. Die mit der Schriftsatzfrist beabsichtigten Beweisangebote waren somit für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Beweisanträge sind jedoch nur zu berücksichtigen, soweit diese entscheidungserheblich sind (BVerfG, B.v. 1.8.2017 – 2 BvR 3068/14 – juris Rn. 68), so dass sich hieraus auch keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 21.4.2017 – 5 B 19.16 – juris Rn. 14).
Darüber hinaus sind Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Glaubwürdigkeit des Klägers und der Glaubhaftigkeit seines Vortrags nicht überraschend. Dass es im Asylverfahren, soweit entscheidungserheblich, stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht, ist selbstverständlich und bedarf grundsätzlich nicht des besonderen Hinweises durch das Gericht (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 17.11.2020 – 9 ZB 20.32164 – juris Rn. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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