Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag einer äthiopischen Asylbewerberin

Aktenzeichen  8 ZB 18.32652

Datum:
26.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28755
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3, Abs. 4, § 83b
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3
VwGO § 132 Abs. 2, § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK ist es notwendig, dass der Asylbewerber bei einer Rückführung in sein Heimatland einer Extremgefahr ausgesetzt ist, also gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder von erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit bedroht wird (vgl. BVerwG BeckRS 2018, 20119). (Rn. 7) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Eine gesunde und arbeitsfähige äthiopische Asylbewerberin, die vor ihrer Ausreise in Äthiopien ohne Probleme für ihren Lebensunterhalt sorgen konnte, die erfolgreich zwei Läden betrieben hat und deren Mutter sich in Äthiopien aufhält und dort ein weiteres Kind betreut, läuft nicht Gefahr, im Falle ihrer Rückkehr aufgrund der dort herrschenden humanitären Bedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. (Rn. 7) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

Au 1 K 17.31973 2018-09-13 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtlich Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3).
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht. Sie hat im Zulassungsantrag nicht aufgezeigt, dass die aufgeworfene Frage,
„ob eine Auslegung von § 60 Abs. 5 AufenthG und § 60 Abs. 7 AufenthG dahingehend, dass kein Abschiebeverbot für eine Abschiebung nach Äthiopien festgestellt wird, mit Art. 3 EMRK vereinbar ist, wenn eine Frau mit kleinem Kind wie die Klägerin dorthin abgeschoben werden soll, und es keinen Familienvater gibt, der die Familie ernähren könnte“
für den vorliegenden Rechtsstreit klärungsbedürftig und entscheidungserheblich ist. Das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzungen für das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 AufenthG und Art. 3 EMRK nämlich nicht deswegen verneint, weil eine Frau mit einem kleinen Kind ohne Familienvater in Äthiopien ohne Weiteres überleben könne. Ebenso wenig hat es – in Widerspruch zu den von der Klägerin angeführten Internet-Hinweisen – angenommen, dass dort unter verschiedenen Volksgruppen aktuell keine Spannungen mehr herrschten, die die Wirtschaft weiter schwächten, dass es keine Demonstrationen und gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften gebe, dass sich die schwierige humanitäre Situation in den letzten Monaten nicht weiter verschlechtert habe oder dass Frauen in Äthiopien nicht weniger Schutz genießen als Männer. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf den Lagebericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 22. März 2018 ausdrücklich von äußerst harten und schwierigen Existenzbedingungen für große Teile der Bevölkerung in Äthiopien ausgegangen.
Es hat aber – inhaltlich zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 2.11.2017 – 15 ZB 17.31494 – juris Rn. 17 ff.; B.v. 5.10.2018 – 15 ZB 18.32419 – juris Rn. 9; B.v. 9.8.2018 – 8 ZB 18.31801 – juris Rn. 8 f.; BVerwG, U.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 19 ff.) – maßgeblich darauf abgestellt, dass es für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK notwendig sei, dass die Klägerin bei einer Rückführung in ihr Heimatland einer Extremgefahr ausgesetzt sei, also gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder von erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit bedroht sei. Das Bestehen einer solchen Extremgefahr hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Gesundheit sowie die Arbeitsfähigkeit und die familiären Kontakte der Klägerin verneint. Die Klägerin habe bereits vor ihrer Ausreise in Äthiopien ohne Probleme für ihren Lebensunterhalt sorgen können und erfolgreich zwei Läden betrieben. Zudem halte sich in Äthiopien ihre Mutter auf, die dort ein weiteres Kind der Klägerin betreue, sodass die Familie der Klägerin auch wirtschaftlich zu ihrer Unterstützung in der Lage sei. Auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Gesundheit der Klägerin verneint.
Gegen diese Ausführungen hat die Klägerin substanziierte Einwendungen nicht vorgebracht (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Die pauschale Behauptung, sie habe unter den gegebenen Umständen in Äthiopien keine Chance auf eine menschenwürdige Existenz und ihre Mutter könne sich gerade selbst ernähren und sie nicht über Wasser halten, reicht zur Darlegung der nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erforderlichen Extremgefahr ebenso wenig aus wie die Bezugnahme auf die von der Klägerin angeführten Internet-Verweise.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben