Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines äthiopischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  8 ZB 18.31172

Datum:
12.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26952
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
VwGO § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1, Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist und es muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs kann durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung allenfalls dann verletzt sein, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, vor allem, wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 7 K 17.32003 2018-04-06 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1.1 Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtlich Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3). Darzulegen sind mithin die konkrete Frage sowie ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung (vgl. OVG NRW, B.v. 15.12.2017 – 13 A 2841/17.A – juris Rn. 3 ff.).
Diesen Anforderungen wird das klägerische Vorbringen nicht gerecht. Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachteten Fragen,
„ob es rechtlich nicht zu beanstanden ist, die Angaben des Klägers, dass die Übersetzung seiner Anhörung fehlerhaft erfolgt ist, ohne nähere Prüfung als gerichtsbekannte Ausflüchte zu bezeichnen und hierdurch die Unglaubhaftigkeit des Vortrags des Klägers ohne Nachprüfung zu begründen“ und
„ob es rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass nachdem der Kläger angibt, es seien Übersetzungsfehler gegeben, und zahlreiche Dolmetscher aufgrund von Qualitätsmängeln der Anhörungen nicht mehr vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschäftigt werden, nicht zu prüfen, ob der den Kläger übersetzende Dolmetscher auch den oben genannten entlassenen Dolmetschern angehört“,
haben keine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und sind einer generellen Klärung nicht zugänglich, sondern nur im Einzelfall auf der Grundlage von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung von dem jeweils entscheidenden Gericht zu beantworten. Der Kläger wendet sich im Ergebnis gegen die dem Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung obliegende Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), die grundsätzlich dem materiellen Recht zuzuordnen ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er seine Entscheidungskritik in die Frageform kleidet und danach fragt, ob bestimmte – von ihm unterstellte – Verfahrensweisen (nicht) zu beanstanden sind.
Mit dem Einwand, der Vortrag in Bezug auf die Vorgänge in Äthiopien vor der Flucht in den Sudan seien bei der Anhörung vor dem Bundesamt fehlerhaft übersetzt worden, hat er zudem die Entscheidungserheblichkeit der Fragen nicht aufgezeigt. Er hat weder konkret dargelegt, welche Aussagen falsch übersetzt worden seien, noch warum es auf diese entscheidungserheblich ankam, was jedoch erforderlich gewesen wäre (vgl. dazu OVG NW, B.v. 6.8.2003 – 11 A 1381/03. A – juris Rn. 7). Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil insofern auf mehrere Gründe gestützt. Neben einer unglaubwürdigen Steigerung des Vorbringens wird in den Urteilsgründen nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass es unplausibel sei, dass die Polizei nach dem Aufenthaltsort des Vaters gefragt habe, obwohl sie diesen zuvor verhaftet habe. Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht selbst bei einer Wahrunterstellung der in der mündlichen Verhandlung vom Kläger geschilderten Vorfälle die flüchtlingsrelevante Intensität verneint hat. Entsprechendes gilt für die Vorfälle im Sudan, die nicht nur als gesteigertes Vorbringen, sondern auch als grundsätzlich irrelvant bewertet wurden. Insofern wurde der klägerische Vortrag zudem als in Bezug auf die zeitliche Komponente äußerst vage und als widersprüchlich bewertet, was im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt wurde. Entgegen dem Vorbringen im Zulassungsantrag bezieht sich der Widerspruch bezüglich der behaupteten Schmiergeldzahlungen auf die Angaben in der mündlichen Verhandlung. Der Kläger hatte dort erklärt, sein Arbeitslohn im Sudan sei ihm abgenommen worden (Niederschrift S. 3), er habe aber dennoch aus diesen Mitteln Schmiergeldzahlungen leisten können. Hierzu hat er dann auf Nachfrage eingeräumt, er habe „doch Geld für die Feldarbeit bekommen“, mit dem er sich habe freikaufen können (Niederschrift S. 4).
Im Übrigen hat der Kläger nicht näher dargelegt, worin genau die Übersetzungsfehler im Protokoll über die Anhörung vor dem Bundesamt liegen sollen. Unklar bleibt auch warum der Kläger, dem die verfasste Anhörungsniederschrift rückübersetzt wurde, bestätigt hat, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben hat, und warum die angeblichen Übersetzungsmängel nicht bereits im Vorfeld der mündlichen Verhandlung berichtigt oder gerügt worden sind (vgl. dazu BayVGH, B.v. 20.4.1999 – 19 ZB 99.31143 – juris Rn. 4; OVG Bremen, B.v. 4.3.1996 – 2 B 227/95 – juris Rn. 15). Vielmehr hat sich der Kläger erst auf Vorhalt im Rahmen der informatorischen Anhörung auf diese berufen und teilweise lediglich geltend gemacht, dass das Protokoll „möglicherweise“ unvollständig sei.
Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachteten Fragen,
„ob es rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Inhalte der Protokolle der Bundesamtsanhörungen nachträglich nicht mehr zu widerlegen sind und somit zu unangreifbaren Beweismitteln werden, ohne dass die Qualität und Zuverlässigkeit der Übersetzungen sichergestellt ist,“ und
„ob es rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Inhalte der Protokolle der Bundesamtsanhörungen nachträglich nicht mehr zu widerlegen sind, somit zu unangreifbaren Beweismitteln werden und die Asylantragsteller über diese Bedeutung vor der Anhörung nicht ausdrücklich informiert werden“,
rechtfertigen nach den oben dargelegten Maßstäben ebenfalls keine Zulassung der Berufung. Zum einen handelt es sich wiederum im Ergebnis nur um Kritik an der dem Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung obliegenden Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zum anderen fehlt es auch insofern an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Der Kläger unterstellt lediglich, das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass die Inhalte der Protokolle der Bundesamtsanhörungen nachträglich nicht mehr zu widerlegen und somit unangreifbare Beweismittel seien. Es wird nicht einmal im Ansatz dargelegt, wo es seinem Urteil derartige Annahmen zugrunde gelegt haben soll. Vielmehr gelangte das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung zum nachvollziehbaren Ergebnis, dass das Vorbringen des Klägers, auch in Bezug auf vermeintliche Übersetzungsfehler, nicht glaubwürdig ist, wobei dies nicht nur mit der Steigerung des Vorbringens, sondern auch mit den im Einzelnen dargelegten Widersprüchen und mit mangelnder Substanziierung des Vorbringens begründet wurde (vgl. oben). Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass einem Antragsteller die Widerlegung oder Ergänzung seines ursprünglichen Vorbringens nicht gelingen könnte. Ebenso wenig ist die nachträgliche Beanstandung von Übersetzungsfehlern präkludiert. Davon zu trennen ist jedoch der Umstand, dass dies nach der Überzeugung des Verwaltungsgerichts dem Kläger hier nicht gelungen ist. Im Übrigen wurde er – ausweislich des Anhörungsprotokolls – gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AsylG über die Folgen verspäteten Vorbringens informiert und ihm wurden Ablauf sowie Bedeutung der Anhörung erläutert. Die Frage der Information der Asylantragsteller spielt daher ebenfalls keine Rolle, schon gar nicht hinsichtlich einer angeblichen „Unangreifbarkeit“ der Protokolle.
1.2 Der Kläger hat mit seinem Vorbringen auch keinen Verfahrensfehler (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO) in Form einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
Mit dem sinngemäßen Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei Hinweisen auf vermeintliche Übersetzungsfehler nicht nachgegangen und habe den Sachverhalt insofern nicht hinreichend aufgeklärt, rügt der Kläger allenfalls Verstöße gegen das Gebot der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und gegen die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit wird jedoch kein gesetzlicher Zulassungsgrund geltend gemacht. Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) allenfalls dann verletzt sein, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, vor allem wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris; B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 21.9.2017 – 4 ZB 17.31091 – juris Rn. 4, B.v. 7.5.2018 – 21 ZB 18.30867 – Rn. 4). Dass ein solcher Mangel vorliegt, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Es fehlt schon an der Darlegung konkreter, entscheidungserheblicher Übersetzungsfehler (vgl. oben und OVG NW, B.v. 6.8.2003 – 11 A 1381/03. A – juris Rn. 7)
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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