Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines Staatsangehörigen aus Somalia

Aktenzeichen  20 ZB 17.31152

Datum:
23.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 132501
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG §§ 3c – 3e, § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Die thematisierte schlechte Versorgungslage in Zentral- und Südsomalia geht aktuell nicht von der somalischen Regierung oder von der Al-Shabaab-Miliz und damit nicht von einem Akteur iSv § 3c AsylG aus. (Rn. 6 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 17.30654 2017-07-31 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 31. Juli 2017 hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe entweder nicht in einer in § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt wurden oder nicht vorliegen.
Der Kläger macht in seinem Zulassungsantrag zwei von ihm als grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG erachtete Fragen geltend. Dabei ist die erste Frage sachgerecht in zwei Varianten, die einerseits die subsidiäre Schutzberechtigung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und andererseits das Bestehen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK betreffen, aufzugliedern.
Soweit der Kläger für grundsätzlich klärungsbedürftig hält,
ob die in Zentral- und Südsomalia, insbesondere in Jilib, der Heimatregion des Klägers, herrschende schlechte Versorgungslage bzw. defizitären humanitären Bedingungen einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG begründen,
ist diese Frage ungeachtet der Darlegungsvoraussetzungen jedenfalls nicht klärungsbedürftig. Denn sie lässt sich bereits auf der Grundlage des Gesetzes und schon vorliegender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn.38). § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gibt den Wortlaut der Bestimmungen der Art. 3 EMRK und Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) wieder. Für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus ist darüber hinaus aber nach § 4 Abs. 3 AsylG auch entscheidend, ob die Voraussetzungen der §§ 3c bis 3e AsylG vorliegen. § 3c AsylG nennt dabei die Akteure, von denen die in § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG genannte Gefahr ausgehen kann. Daher muss für die Gewährung von subsidiärem Schutz die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von dem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation oder von nichtstaatlichen Akteuren, gegen die der Staat keinen Schutz gewährt, ausgehen.
Das in der Antragsbegründung hiergegen angeführte Argument, dass auch insoweit das Erfordernis der Staatlichkeit der Verfolgung entsprechend der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juni 2013 (10 C 13/12 – juris Rn. 25) aufgegeben worden sei, kann schon daher nicht überzeugen, da sich die in Bezug genommene Passage dieses Urteils nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nur auf § 60 Abs. 5 AufenthG (i.V.m. Art. 3 EMRK) bezieht. Eine Begründung für die darüber weit hinausgehende Auffassung in der Antragsbegründung, dass damit auch eine Aussage zu § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG getroffen worden sein soll, wird in der Antragsbegründung nicht gegeben.
Die in der als grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Frage thematisierte schlechte Versorgungslage in Zentral- und Südsomalia geht aktuell nicht von der somalischen Regierung oder von der Al-Shabaab-Miliz aus. Nach den Feststellungen des österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Sicherheitslage in Somalia, Bericht zur österreich-schweizerischen FFM, August 2017, Seite 39, erfolgen bei der aktuellen Dürre in Somalia, anders als in vorangegangenen Jahren, zudem auch keine Blockaden von Hilfslieferungen durch die Al-Shabaab. Die Frage, ob gegen die Al-Shabaab insoweit Schutz gewährt werden kann, stellt sich entgegen der Antragsbegründung, soweit es § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG angeht, nicht, da die Bedrohung insoweit schon nicht von einem Akteur i.S.v. § 3c AsylG, auch nicht der Al-Shabaab, ausgeht. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die formulierte Frage nicht klärungsbedürftig ist.
Daneben hält der Kläger für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob die in Zentral- und Südsomalia, insbesondere in Jilib, der Heimatregion des Klägers, herrschende schlechte Versorgungslage bzw. defizitären humanitären Bedingungen dazu führen, dass Rückführungen dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen.
Soweit mit dieser Frage die nach einer Verletzung von Art. 3 EMRK durch eine etwaige Abschiebung bezogen auf die Verhältnisse in ganz Süd-/Zentralsomalia aufgeworfen wird, ist die Frage jedenfalls nicht klärungsfähig, da sie insoweit zu umfassend und zu allgemein formuliert ist (Berlit in GK-AsylG, § 78 Rn. 593 m.w.N.). Denn die humanitären Bedingungen unterscheiden sich in den einzelnen Provinzen und Distrikten Süd- und Zentralsomalias erheblich. Während Mogadischu derzeit von einem nicht unerheblichen Wirtschaftsaufschwung profitiert (BayVGH, U.v. 28. März 2017 – 20 B 15.30204 – juris Rn. 35 m.w.N.), sind ländliche Regionen zum Teil sehr stark von der derzeitigen Dürre betroffen (vgl. die Übersicht über bei OCHA, Humanitarian Bulletin SOMALIA, September 2017, issued on 26. September 2017, Seite 1, recherchiert am 25.Oktober 2017 unter https://www.ecoi.net/file_upload/1788_1507637705_somal.pdf). Andere ländliche Regionen befinden sich noch unter der Herrschaft der Al-Shabaab, in anderen ist diese von der AMISOM/somalischen Armee verdrängt. Teilweise sind aber Zugangsrouten noch blockiert, so dass die Versorgungslage sich durch die Rückeroberung einer Stadt bzw. Region noch nicht verbessert hat (EASO Länderüberblick Süd- und Zentralsomalia, August 2014, S. 37ff.). Eine für alle Provinzen und Distrikte Süd-/Zentralsomalias gültige Aussage kann daher aufgrund der unterschiedlichen Verhältnisse nicht getroffen werden.
Soweit mit der Frage auf die Gegend um die Stadt Jilib in der Region Mittel-Jubba abgestellt wird, ist die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage für den vorliegenden Fall schon nicht dargelegt. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt grundsätzlich, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, erläutert, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und dass er schließlich darlegt, weshalb der Frage eine über den Einzelfall bezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt. Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Das Verwaltungsgericht ging in seiner Entscheidung aber (in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Bevollmächtigten des Klägers in der ersten Instanz, vgl. dessen Schriftsatz v. 3.3.2017) von einer Herkunft des Klägers aus Mogadischu aus. Auf dieser Grundlage ist die Frage, wie die Verhältnisse in der Stadt Jilib sind, nicht entscheidungserheblich.
Aber auch wenn man von der Stadt Jilib als Herkunftsort des Klägers ausgehen würde, ist die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage nicht dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 26) ist im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aus der Sicht des abschiebenden Staates zu prüfen, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung sei nach der Rechtsprechung des EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst sei zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorlägen, an dem die Abschiebung ende (unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.6.2011 – 8319/07 – NVwZ 2012, 681, Rn. 265, 301, 309). Dies wäre im Falle des Klägers Mogadischu, da diese Stadt über einen internationalen Flughafen verfügt, wenn dieser auch von Deutschland aus nicht direkt angeflogen wird (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 1.1.2017, S. 17). Dort droht dem Kläger aber nach den Feststellungen des Senats in seinen Urteilen vom 23. und 28. März 2017 (20 B 15.30110 – juris Rn. 34ff bzw. 20 B 15.30204 – juris Rn. 31 ff.) keine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. Warum im Falle des Klägers ausnahmsweise nicht auf Mogadischu, sondern auf Jilib abzustellen sei, wird im Zulassungsantrag nicht dargelegt und ist angesichts der Tatsache, dass er in Mogadischu aufgewachsen ist und daher dort nach eigenen Angaben bereits knapp 20 Jahre lang gelebt hat, auch nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger schließlich für grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet,
ob in Süd- und Zentralsomalia ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt besteht, bei dem jedermann allein aufgrund seiner Anwesenheit im Gebiet mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden,
liegt die grundsätzliche Bedeutung ungeachtet der Darlegungsanforderungen jedenfalls nicht vor. Denn die Frage ist so, wie sie gestellt wurde, jedenfalls nicht klärungsfähig.
Der Kläger führt im Zulassungsantrag selbst aus, dass, wenn ein bewaffneter Konflikt mit entsprechendem Gefahrengrad nicht landesweit besteht, für die Beurteilung auf den Zielort der Abschiebung abzustellen ist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris, Leitsatz 1 und Rn. 13). Das Verwaltungsgericht hat zur allgemeinen Sicherheitslage in Somalia u.a. auf das Urteil des Senats vom 17. März 2016 (20 B 13.30233 – juris) verwiesen: Dort wird ausgeführt, dass die Sicherheitslage unterschiedlich zu beurteilen ist. Während in den von Al-Shabaab befreiten Gebieten keine kämpferischen Auseinandersetzungen mehr stattfinden, seien andere Provinzen weiterhin umkämpft. Daher ist zwischen den einzelnen Provinzen zu differenzieren. Eine Feststellung, die für ganz Süd-/Zentralsomalia Gültigkeit beanspruchen würde, ist nicht möglich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsantrag. Dort wird allein auf einzelne sicherheitsrelevante Vorfälle wie Anschläge etc. abgestellt, die kein grundsätzlich anderes Bild als die dargestellte Einschätzung zeichnen.
Soweit unter Verweis auf einen „aktuellen Bericht“, der nicht näher bezeichnet wird, des Europäischen Asylunterstützungsbüros (EASO) zur Sicherheitssituation verwiesen wird, aus dem sich ergebe, dass die Al-Shabaab zunehmend großräumige und komplexe Angriffe in Süd- und Zentralsomalia sowohl gegen die somalische Armee als auch gegen die UN-Mission in Somalia (AMISOM) ausführe, ist darauf hinzuweisen, dass dieses Zitat mangels einer genauen Quellenangabe nicht nachvollziehbar ist. Aus dem EASO-Bericht zur Sicherheitslage in Somalia vom Februar 2016 (dort S. 19 bis 21) lässt sich die Behauptung von großräumigen und komplexen Angriffen durch die Al-Shabaab gerade nicht ableiten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


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