Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag hinsichtlich einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  2 ZB 15.1914

Datum:
31.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2109
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDSchG Art. 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1
VwGO § 114
BayVwVfG Art. 40

 

Leitsatz

Bei der Zumutbarkeit im Rahmen der Ermessensausübung bei der Prüfung einer Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 BayDSchG steht die private Leistungsfähigkeit des jeweiligen Denkmaleigentümers im Vordergrund (Fortführung BayVGH BeckRS 2011, 45917). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 8 K 13.3401 2015-03-02 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beklagte wendet sich gegen die durch das Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung, den Antrag des Klägers auf denkmalschutzrechtliche Erlaubnis zur Ersetzung von bauzeitlichen Holzkastenfenster unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Beruht das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts auf mehreren selbständig tragenden Gründen (Mehrfachbegründung), darf die Berufung nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jedes der Gründe ein Zulassungsgrund besteht (vgl. BVerwG, B.v. 9.4.1981 – 8 B 44.81 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 197; BayVGH, B.v. 30.10.2003 – 1 ZB 01.1961 – NVwZ-RR 2004, 391; B.v. 11.4.2017 – 1 ZB 14.2723 – juris). Das ist hier nicht der Fall. Der Zulassungsantrag vermag die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu erschüttern, dass die Beklagte ihr Ermessen unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes fehlerhaft ausgeübt hat, weil sie den finanziellen und tatsächlichen Mehraufwand einer Instandsetzung außer Acht gelassen hat. Daher kommt es auf die weiteren Angriffe der Beklagten gegen die Begründung des Erstgerichts zur fehlerhaften Ermessensausübung nicht an.
Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DSchG kann die Erlaubnis für eine Änderung des Baudenkmals versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Die hierbei zu treffende Ermessensentscheidung ist dahingehend verwaltungsgerichtlich überprüfbar (§ 114 VwGO, Art. 40 BayVwVfG), ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (vgl. BayVGH, U.v. 19.12.2013 – 1 B 12.2596 – BayVBl 2014, 506; U.v. 8.5.1989 – 14 B 88.02426 – BayVBl 1990, 208).
a) Die Beklagte macht geltend, dass sich bei dem vom Kläger erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Mehraufwand einer Instandsetzung gegenüber einem Fensteraustausch, der vor allem auf dem behaupteten notwendigen Ausbau der Fenster beruhe, schon um keinen relevanten Abwägungsgesichtspunkt handle. Dieser Umstand habe sich der Beklagten auch nicht nach ihren Erfahrungen im Vorfeld der Ablehnungsentscheidung aufdrängen müssen. Die Beklagte verkennt insoweit, dass es sich vorliegend um eine Verpflichtungsklage (§ 113 Abs. 5 VwGO) handelt, bei der die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Verwaltungsakts regelmäßig zum Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen ist (vgl. BayVGH, U.v. 18.10.2010 – 1 B 06.63 – BayVBl 2011, 303 m.w.N.). Spätestens im gerichtlichen Verfahren, nachdem der Kläger vor der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 19. Januar 2015 den für eine Sanierung notwendigen Ausbau der Fenster vorgetragen und ausweislich der Niederschrift vom 2. März 2015 in der mündlichen Verhandlung die um ca. 60%–95% zu veranschlagenden Mehrkosten einer Instandsetzung konkret beziffert hatte, hatte die Beklagte diesen Gesichtspunkt in ihre Ermessensentscheidung einzustellen. Denn bei der Ermessenentscheidung nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG sind alle von dem Vorhaben berührten Belange zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BayVGH, U.v. 18.10.2010 a.a.O.; B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris).
Die Beklagte hat weder in der mündlichen Verhandlung noch im Zulassungsantrag darlegen können, dass bei einer Instandsetzung keine wesentlichen Mehrkosten anfallen. Soweit die Beklagte im Zulassungsantrag den vom Kläger genannten Kostenrahmen zur Instandsetzung der Fenster unter Bezugnahme auf ein ihr aus einem anderen Denkmalschutzverfahren bekanntes Angebot aus dem Jahr 2003 anzweifelt, sind die Ausführungen nicht hinreichend substanziiert im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Bereits der Vergleich mit einem Angebot aus dem Jahr 2003 ist mangels Aktualität nicht stichhaltig. Darüber hinaus bietet das von der Beklagten herangezogene Angebot keinen Anhaltspunkt für eine Bezifferung der Kosten für einen Fensterausbau, der aber wesentlich für die Mehrkosten verantwortlich ist. Dies gilt umso mehr als die Beklagte auch im Zulassungsantrag nur pauschal die Notwendigkeit eines Fensterausbaus angegriffen hat.
Damit kommt es auf die Ausführungen der Beklagten, der Kläger habe seine im Denkmalschutzrecht bestehende Mitwirkungspflicht verletzt, indem er den finanziellen Mehraufwand erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, nicht an.
b) Ebenso wenig vermag die Beklagte mit der Rüge, dass zumindest der vom Kläger benannte tatsächliche und finanzielle Mehraufwand einer Instandsetzung die Grenze des Zumutbaren nicht überschreite, durchzudringen. Denn der Vortrag der Beklagten zielt insoweit auf die im Rahmen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG vorzunehmende Zumutbarkeitsprüfung (vgl. BayVGH, U.v. 18.10.2010 – 1 B 06.63 – BayVBl 2011, 303). Hiervon zu unterscheiden ist aber die Frage der Zumutbarkeit im Rahmen der Ermessensabwägung. Dies gilt insbesondere bei dem nach Auffassung der Beklagten geltenden Maßstab, wonach auf den „für Denkmalbelange aufgeschlossenen Eigentümer“ abzustellen ist (vgl. BVerfG, B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226). Bei der Zumutbarkeit im Rahmen der Ermessensausübung steht aber die private Leistungsfähigkeit des jeweiligen Denkmaleigentümers im Vordergrund (vgl. BayVGH, U.v. 18.10.2010 – 1 B 06.63 – BayVBl 2011, 303). Aus den vorstehenden Erwägungen geht auch der Einwand der Beklagten fehl, dass die Instandsetzungskosten jedenfalls nicht in einem offenkundigen Missverhältnis zum wirtschaftlichen Nutzen des Objekts stünden.
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d.h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten und es handelt sich nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird. Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen rechtlichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Insoweit wir auf die Ausführungen unter Ziffer 1 verwiesen.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsverfahren dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36 m.w.N.). Die aufgeworfenen Fragestellungen sind für den vorliegenden Rechtsstreit bereits aus den unter Ziffer 1 ausgeführten Gründen nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen wurden sie nicht in einer Art. 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.
4. Ebenso wenig liegt ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Insbesondere hat das Erstgericht nicht gegen seine Pflicht zur Amtsaufklärung aus § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen. Der Beklagten ist ihr Einwand, das Verwaltungsgericht habe ohne nähere Auseinandersetzung bzw. Äußerungsmöglichkeit für die Beklagte das Vorbringen des Klägers zu dem für eine Instandsetzung notwendigen Ausbau der Fenster sowie den finanziellen Mehrkosten gegenüber einem Fensteraustausch seinem Urteil zugrunde gelegt, bereits verwehrt. Denn sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht weder einen Vertagungsantrag noch einen Beweisantrag gestellt, um das klägerische Vorbringen konkret in Frage stellen zu können (vgl. BVerwG, B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447). Aber auch im Übrigen ist kein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO erkennbar. Anlass für gerichtliche Ermittlungen besteht nur dann, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen aus Sicht des Gerichts unklar sind (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 10). Aufgrund des Vortrags des Klägers ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Instandsetzung der Originalfenster mit einem nicht unerheblichen finanziellen Mehraufwand verbunden ist, so dass dieser Belang nach Ansicht des Erstgerichts in die Ermessensentscheidung der Beklagten hätte eingestellt werden müssen. Daher bestand aus Sicht des Gerichts kein Anlass für eine weitere Sachaufklärung.
Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht feststellbar, insbesondere nicht im Hinblick auf das Vorliegen einer Überraschungsentscheidung. Eine Überraschungsentscheidung liegt nur vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 57.13 – NVwZ-RR 2014, 657 m.w.N.). Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 2. März 2015 ist die Frage des finanziellen Mehraufwands bei einer Instandsetzung der Fenster erörtert worden, wie letztlich die Beklagte selbst einräumt. Zudem hat der Kläger diese Fragstellung bereits vor der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 19. Januar 2015 aufgeworfen, so dass die Beklagte ausreichend Zeit hatte, sich zu diesem Gesichtspunkt zu äußern.
Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.


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