Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag mangels Vorliegens eines Verfahrensmangels

Aktenzeichen  13a ZB 16.30515

Datum:
2.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 100328
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 85 Abs. 2, § 227 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Der fehlende Kontakt eines Bevollmächtigten zu seinem Mandanten rechtfertigt im Hinblick auf das im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen, sowie dem verfassungsrechtlichen Erfordernis der Gewährung rechtlichen Gehörs, keine Verlegung eines Verhandlungstermins. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 K 16.30358 2016-09-21 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. September 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG nicht vorliegen.
Der Kläger rügt einen Verfahrensmangel und trägt vor, das Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO verletzt. Aufgrund eines Kanzleiversehens seiner Bevollmächtigten habe er nicht rechtzeitig von der mündlichen Verhandlung erfahren und deshalb nicht daran teilnehmen können. Der Verlegungsantrag seiner Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung sei zu Unrecht abgelehnt worden, weil ihn an der Nichtanwesenheit kein Verschulden treffe.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B. v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B. v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305 = NJW 1982, 1636). Die Vorschrift des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden kann, dient unter anderem dazu, den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte im Prozess durch Äußerung in der mündlichen Verhandlung (BVerfG, B. v. 6.5.2015 – 1 BvR 2724/14 – JZ 2015, 1053) oder schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag (BVerwG, U. v. 26.1.1989 – 6 C 66.86 – BVerwGE 81, 229 = NVwZ 1989, 650) zu ermöglichen. Ein Beteiligter wird in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn er ohne Verschulden keine Kenntnis von der mündlichen Verhandlung hatte, diese in seiner Abwesenheit durchgeführt und zu seinem Nachteil entschieden wird (BVerwG, B. v. 20.4.1995 – 6 B 95.94 – NVwZ-RR 1995, 534).
Gemessen an diesen höchstrichterlichen Grundsätzen war dem Kläger das rechtliche Gehör nicht versagt. Zwar hat das Verwaltungsgericht den Verlegungsantrag abgelehnt, jedoch geschah das nicht unter Verstoß gegen § 173 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 ZPO. Danach kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „erheblichen Gründe“ ist einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen, andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis des rechtlichen Gehörs Rechnung zu tragen. (BVerwG, B. v. 25.9.2013 – 1 B 8.13 – juris; B. v. 28.4.2008 – 4 B 47.07 – juris). Diesen Anforderungen wird die Ablehnung des Verlegungsgesuchs vorliegend gerecht, weil der Kläger nicht ohne Verschulden am Erscheinen verhindert war. Wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, war der Kläger nach § 102, § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO über seine Bevollmächtigte gegen Empfangsbekenntnis zum Termin geladen worden. Dass diese ihm den Termin nicht mitteilen konnte, ändert nichts an der ordnungsgemäßen Ladung. Veranlassung für eine Terminsverlegung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs hätte nur bestanden, wenn der Kläger bzw. dessen Bevollmächtigte dies unter Darlegung hinreichend gewichtiger und schutzwürdiger Gründe beantragt hätte (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 102 Rn. 6 m. w. N.). Das war hier nicht der Fall. Ausweislich der Niederschrift, der gemäß § 105 VwGO, § 165 S. 1 ZPO Beweiskraft zukommt, hat die Bevollmächtigte nur angegeben, dass sie keinen Kontakt zum Kläger hat und seine Anschrift nicht kennt. Dass sie darüber hinaus auch den weiteren Sachverhalt geschildert hätte, geht hieraus nicht hervor. Im Übrigen würde dies auch der vom Kläger nachträglich an das Verwaltungsgericht gesandten Erklärung widersprechen.
Auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Bevollmächtigten, dass nicht den Kläger, sondern allein sie Verschulden treffe, sind keine Bedenken ersichtlich. Es mag sein, dass die Adresse aufgrund eines Kanzleiversehens nicht richtig erfasst wurde, und der Kläger deshalb keine Kenntnis vom Termin hatte. Ein solches Verschulden seiner Bevollmächtigten ist aber als sein eigenes Verschulden anzusehen. Denn gemäß § 173 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO – dessen Verfassungsmäßigkeit das Bundesverfassungsgericht auch für Verfahren aus dem Gebiet des Asylrechts (vgl. B. v. 20.4.1982 – 2 BvL 26/8 – BVerfGE 60, 253 = NJW 1982, 2425) ausdrücklich bestätigt hat – muss sich der Kläger ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (BVerwG, B. v. 14.9.1999 – 5 B 54.99 – juris; B. v. 25.11.1987 – 6 B 50.87 – NJW 1988, 577).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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