Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag nach Teilrückforderung einer landwirtschaftlichen Betriebsprämie wegen Cross-Compliance-Verstößen

Aktenzeichen  13a ZB 17.2456

Datum:
20.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13768
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchNutztV § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 5 S. 1 Nr. 3
VO (EG) Nr. 73/2009 Art. 23, Art. 24
VO (EG) Nr. 1122/2009 Art. 71
VO (EG) Nr. 1760/2000 Art. 4 Abs. 1
RL 2008/119/EG Anhang I Nr. 8

 

Leitsatz

1 Von den Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung darf aufgrund von § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV nur abgesehen werden, wenn das Urteil des Tierarztes sachlich fundiert und von einer allgemein nachvollziehbaren Bewertung getragen wird; die abweichenden Halteanforderungen müssen tiermedizinisch nach Art, Ausmaß und Dauer unumgänglich zur Unterstützung der Genesung oder zum Schutz anderer Tiere vor Erkrankung sein. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Den fachlichen Beurteilungen der Amtstierärzte kommt besondere Bedeutung zu. weil diesen bei der Durchführung tierschutzrechtlicher Vorschriften von Gesetzes wegen eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt ist. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 16.5012 2017-06-08 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 1.048,06 festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 8. Juni 2017 hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.
Mit Mehrfachantrag vom 10. April 2013 beantragte der Kläger unter anderem die Betriebsprämie für das Jahr 2013. Daraufhin wurde dem Kläger mit Bescheid des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) vom 9. Dezember 2013 eine Betriebsprämie 2013 i.H.v. EUR 17.467,63 gewährt. Am 20. Dezember 2013 wurde dem AELF bekannt, dass im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle des Landratsamts (Veterinäramt) vom 27. November 2013 im Betrieb des Klägers Mängel festgestellt worden seien. So seien von 153 Rindern 16 mit nur einer statt zwei Ohrmarken gekennzeichnet gewesen (Kürzungsvorschlag Betriebsprämie: 1 v.H.), von 30 Kälbern seien vier vorschriftswidrig angebunden gewesen (Kürzungsvorschlag Betriebsprämie: 3 v.H.). Nach Anhörung des Klägers nahm das AELF sodann mit Bescheid vom 21. April 2014 den Bewilligungsbescheid vom 9. Dezember 2013 teilweise zurück (Nr. 1) und forderte den Kläger zur Rückzahlung einer überzahlten Betriebsprämie i.H.v. EUR 1.048,06 bis zum 25. August 2014 auf (Nr. 2). Es wurde auf die im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle vom 27. November 2013 festgestellten Mängel und den Umstand verwiesen, dass die Gewährung der Betriebsprämie gemäß Art. 4 f. VO (EG) Nr. 73/2009 an die Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften geknüpft sei. Aufgrund eines bereits im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle vom 15. November 2012 festgestellten, gleichgelagerten Registrierungsverstoßes sei insoweit eine dreifache Kürzung von 3 v.H. vorzunehmen, zusammen mit der Kürzung für den Verstoß gegen das Anbindungsverbot (3 v.H.) ergebe sich eine Gesamtkürzung von 6 v.H. Der Widerspruch des Klägers hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) vom 4. Oktober 2016 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 8. Juni 2017 (Az. M 12 K 16.5012) ab. Der Teilrücknahmebescheid vom 21. April 2014 sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage des Bescheids sei § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 VO (EG) Nr. 73/2009 und Art. 24 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 73/2009 und Art. 71 Abs. 1 und 5 VO (EG) Nr. 1122/2009 sowie den Durchführungsbestimmungen zur VO (EG) Nr. 73/2009 und zur VO (EG) Nr. 1234/2007. Die hiernach für eine Kürzung erforderliche, dem Betriebsinhaber anzulastende Nichteinhaltung der Grundanforderungen an die Betriebsführung (Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang II VO (EG) Nr. 73/2009) sei im Fall des Klägers mit Blick auf die im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle vom 27. November 2013 festgestellten Verstöße gegeben. So habe der Kläger in anzulastender Weise gegen das Anbindungsverbot (Anhang I Nr. 8 RL 2008/119/EG, § 5 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 TierSchNutztV) verstoßen. Insbesondere sei nicht der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV gegeben, wonach die Verordnung keine Anwendung während einer tierärztlichen Behandlung findet, soweit nach dem Urteil des Tierarztes im Einzelfall andere Anforderungen an das Halten zu stellen sind. Die genannte Norm sei eng auszulegen, zumal sie in Bezug auf die Haltungsanforderungen für Kälber in der Richtlinie 2008/119/EG keine Grundlage finde. Ausweislich des Wortlauts („während einer tierärztlichen Behandlung“) setze die Norm zudem eine laufende und vom Tierarzt selbst vorgenommene Behandlung voraus; nur zum konkreten Eigenschutz des Tierarztes bzw. zur konkreten Ermöglichung einer gefahrlosen Behandlungsmaßnahme durch den Tierarzt selbst (etwa zum Setzen einer Infusion) sei im Lichte der europarechtlichen Regelungen eine kurzzeitige Ausnahme vom Anbindungsverbot aus § 5 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 TierSchNutztV gerechtfertigt. Nicht erfasst sei insoweit hingegen eine tierärztliche Handlungsanweisung, Kälber über Tage oder Wochen in Anbindehaltung zu halten, zumal der Fall erkrankter Tiere in Anhang I der Richtlinie 2008/119/EG geregelt sei, ohne eine Ausnahme vom Anbindungsverbot vorzusehen. Der Kläger habe überdies zum wiederholten Mal gegen die Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten aus Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1760/2000 verstoßen, nach der nach dem 31. Dezember 1997 geborene Rinder an beiden Ohren mit Ohrmarken zu kennzeichnen seien. Das unsubstantiierte Bestreiten der Feststellungen aus dem Prüfbericht zur Vor-Ort-Kontrolle vom 27. November 2013 durch den Kläger greife nicht durch. Die insoweit angesetzte Einzelkürzung um 1 v.H. sei rechtmäßig. Die behördliche Entscheidung, dass sich die Zahl der im Fall des Klägers durch Verstöße betroffenen Tiere (10,46 v.H.) nicht mehr „innerhalb der normalen Grenzen“ bewegt habe, innerhalb derer nach den Prüferhinweisen 2013 des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) entsprechende Verstöße sanktionslos bleiben, sei mit Blick auf die Anzahl der Tiere mit nur einer Ohrmarke (16) und die erheblichen gleichgelagerten Verstöße bei der Vor-Ort-Kontrolle aus dem November 2012 (49 von 147 Rindern bzw. 33,56 v.H. der Tiere mit nur einer Ohrmarke) nicht zu beanstanden. Ein – jedoch ebenfalls unverbindlicher – Orientierungswert (15 v.H.) habe erst ab dem Kontrolljahr 2015 existiert. Es sei auch kein geringfügiger Verstoß im Sinn von § 31a InVeKoSV gegeben. Da es sich bei dem fahrlässigen Kennzeichnungsverstoß nach den StMUV-Prüferhinweisen 2013 nur um einen leichten Verstoß gehandelt habe, sei abweichend von der Regelkürzung um 3 v.H. eine Minderung um nur 1 v.H. nicht zu beanstanden, die jedoch aufgrund der vorangegangenen Kennzeichnungsverstöße aus 2012 mit dem Faktor 3 zu multiplizieren sei (Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 1 VO EG Nr. 1122/2009). Hieraus ergebe sich eine Gesamtkürzung von 6 v.H.
Zunächst begründet der Kläger seinen Zulassungsantrag damit, dass an der Richtigkeit des Urteils ernstliche Zweifel bestünden (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht einen Verstoß gegen das Anbindungsverbot aus § 5 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV bejaht, da es die Einschlägigkeit der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV unzutreffend verneint habe. Die gerichtliche Annahme, dass § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV „eng“ auszulegen sei, habe weder eine Grundlage im Wortlaut der Norm noch in den Haltungsanforderungen für Kälber aus der Richtlinie 2008/119/EG. Der Wortlaut der Norm („während einer tierärztlichen Behandlung“) enthalte richtigerweise keine Beschränkung auf eine konkrete kurzzeitige Behandlungsmaßnahme durch den anwesenden Tierarzt (z.B. eine Injektion), sondern umfasse den gesamten Zeitraum einer andauernden Tierarztbehandlung (von der Diagnose bis zur Abschlussuntersuchung), unabhängig von der Anwesenheit des Tierarztes. Nur so könne im Lichte des gebotenen Tierschutzes (vgl. Art. 20a GG, § 1 TierSchG) eine effektive einzelfallgerechte tierärztliche Behandlung gewährleistet werden, obwohl die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ggf. hiermit unvereinbare Regelungen enthalte. Auch die Richtlinie 2008/119/EG stehe der Anwendung von § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV nicht entgegen. Denn auch Anhang I Nr. 6 zur Richtlinie 2008/119/EG regele, dass kranke Kälber unverzüglich tierärztlich zu behandeln seien; aus dieser Spezialvorschrift für erkrankte Kälber folge, dass einer im Einzelfall tiermedizinisch indizierten Behandlung in Form der Anbindehaltung nicht die allgemeine Vorschrift aus Anhang I Nr. 8 zur RL 2008/119/EG (Anbindungsverbot) entgegenstehe. Überdies bestätige auch ein Schreiben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom 24. Juli 2017 die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV im vorliegenden Fall. Er habe als tiermedizinischer Laie zudem auf die Diagnose und die Empfehlung des langjährig behandelnden Hoftierarztes vertrauen dürfen. Insoweit sei auf § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV zu verweisen, nach dem bei erkrankten Tieren die bußgeldbewehrte Pflicht zur unverzüglichen Hinzuziehung eines Tierarztes bestehe. Der Hoftierarzt habe im vorliegenden Einzelfall aufgrund mehrfacher persönlicher Untersuchungen vor Ort hinsichtlich der vier von einer viralen Durchfallerkrankung betroffenen Kälber eine Anbindehaltung statt einer Haltung in einer Einzelbox empfohlen, um die Ansteckungsgefahr für die übrigen, in Gruppen gehaltenen Kälber erheblich zu senken (siehe Stellungnahme des Hoftierarztes v. 20.3.2014). Soweit im Schreiben der LGL vom 24. Juli 2014 hinsichtlich der Behandlungsempfehlungen des Hoftierarztes fachliche Bedenken erhoben würden, so seien diese unbegründet. Insbesondere entspreche das am 27. November 2013 praktizierte, hoftierärztlich empfohlene Liegen der Tiere auf einer weichen, dicken und vor allem trockenen Strohunterlage der guten landwirtschaftlichen Praxis; denn so habe schnell geprüft werden können, ob sich die Durchfallerkrankung gebessert habe. Soweit die LGL meine, dass mangels feststellbarer Infusionsstichstellen keine Behandlung der Kälber wegen des großen Flüssigkeits- und Elektrolytverlusts erfolgt sei, so gelte, dass auf hoftierärztliche Anweisung mehrfach täglich eine manuelle Verabreichung von Milch und einer Elektrolytlösung erfolgt sei. Im konkreten Fall seien die vier erkrankten Kälber allesamt innerhalb weniger Tage gesundet, was die fachliche Richtigkeit der Behandlungsempfehlungen und -anweisungen des Hoftierarztes bestätige. Zudem hätten auch die Fach-Kontrolleure des Landratsamts im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle vom 27. November 2013 auf Nachfrage geäußert, dass die betroffenen Kälber angebunden bleiben könnten, wenn dies der zuständige Hoftierarzt so angeordnet habe; dies könnten die jeweiligen Behördenmitarbeiter bezeugen. Aus diesem Grund habe zeitnah auch keine behördliche Nachkontrolle stattgefunden, eine solche sei erst dreieinhalb Monate später erfolgt. Der bei der Vor-Ort-Kontrolle vom 27. November 2013 ebenfalls anwesende juristische Staatsbeamte des Landratsamts habe sogar geäußert, dass die Tierhaltung im klägerischen Betrieb aus seiner Sicht vorbildlich sei, Tierschutzverstöße seien für ihn nicht erkennbar. Die spätere Einleitung eines Sanktionsverfahrens durch das Landratsamt sei daher widersprüchlich.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO lägen vor, wenn das Zulassungsvorbringen einen die Entscheidung tragenden Rechtssatz oder eine insoweit erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage stellen würde, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergäbe (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 – juris Rn. 19; B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 – juris Rn. 11). Das Darlegungsgebot aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert darüber hinaus stets eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrunds sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, insbesondere eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2019 – 10 ZB 18.2628 – juris Rn. 5; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 ff.).
Hiervon ausgehend sind mit Blick auf den obigen klägerischen Vortrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gegeben.
Jedenfalls im Ergebnis zutreffend ist das Verwaltungsgericht im Hinblick auf einen Verstoß des Klägers gegen das Anbindungsverbot aus § 5 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV zu der Auffassung gelangt, dass die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV im Fall des Klägers nicht einschlägig ist. Hiernach finden die Vorschriften der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung keine Anwendung während einer tierärztlichen Behandlung, soweit nach dem Urteil des Tierarztes im Einzelfall andere Anforderungen an das Halten zu stellen sind. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft, dass § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV („während einer tierärztlichen Behandlung“) nur auf konkrete kurzzeitige Behandlungsmaßnahmen in Anwesenheit des Tierarztes selbst Anwendung findet (a.A. wohl Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL – Januar 2019, § 1 TierSchNutztV Rn. 9, nach dem bei ansteckenden Krankheiten beispielsweise der vorübergehende Kontaktausschluss des betroffenen Tieres zu anderen Tieren unter § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV zu subsumieren sei). Denn jedenfalls war vorliegend die weitere Voraussetzung aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV nicht gegeben, dass nach dem Urteil des Tierarztes im Einzelfall andere Anforderungen an das Halten zu stellen waren. Denn insoweit gilt, dass das Urteil des Tierarztes sachlich fundiert und von einer allgemein nachvollziehbaren Bewertung getragen sein muss; nur soweit die abweichenden Halteanforderungen tiermedizinisch nach Art, Ausmaß und Dauer unumgänglich zur Unterstützung der Genesung oder zum Schutz anderer Tiere vor Erkrankung sind, darf von den Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufgrund von § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV abgesehen werden (vgl. Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL – Januar 2019, § 1 TierSchNutztV Rn. 9; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 1 TierSchNutztV Rn. 3; vgl. auch Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 1 TierSchHundeV Rn. 2 zum wortgleichen § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchHundeV). Hiervon ausgehend war vorliegend die nicht näher begründete Einschätzung des Hoftierarztes, dass aufgrund einer hochgradig viralen Durchfallerkrankung der Kälber temporär eine Anbindehaltung indiziert gewesen sei (Stellungnahme v. 20.3.2014, GA S. 88), nicht hinreichend tragfähig, um einen Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV zu begründen. Insoweit ist auf die Stellungnahme des Fachtierarztes für Tierschutz des LGL vom 24. Juli 2014 (GA S. 105 f.) zu verweisen. Unter Auseinandersetzung mit der schriftlichen Einlassung des Hoftierarztes vom 20. März 2014 hat der Fachtierarzt für Tierschutz hier ausgeführt, dass die Anbindung von Kälbern nicht nur ihre Bewegungsmöglichkeit, sondern auch andere Verhaltenskreise – wie etwa das Sozialverhalten, das Körperpflege- oder Komfortverhalten und das Ruheverhalten – unangemessen einschränke; die damit verbundenen Beeinträchtigungen des Wohlbefindens der Tiere seien mit Leiden gleichzusetzen. Es seien hinsichtlich der Anbindung keine Vorteile bei der Beurteilung des Krankheitsverlaufs oder gar für die Genesung der Tiere erkennbar, die das Zufügen dieser Leiden rechtfertigten; insbesondere sei die Begutachtung des Kots problemlos auch ohne Anbindung möglich. Auch der mündlich seitens des Klägers geäußerte Grund einer Wahrung des Sichtkontakts der erkrankten Kälber zum Muttertier rechtfertige die Anbindung nicht. Es sei schon fraglich, ob die in der Regel unmittelbar nach der Geburt vom Muttertier getrennten Kälber den Sichtkontakt als förderlich empfinden könnten; jedenfalls könne dieser auch ohne Anbindung hergestellt werden. Zusammenfassend wurde durch den Fachtierarzt für Tierschutz des LGL die Anbindung hochgradig an Durchfall erkrankter Kälber auf planbefestigtem Boden ohne Einstreu als tierschutzwidrig eingestuft. Die Auffassung des Hoftierarztes, dass eine solche Haltung tiermedizinisch unumgänglich gewesen sei, wurde ausdrücklich nicht geteilt; es sei vielmehr davon auszugehen, dass diese Form der Unterbringung geeignet gewesen sei, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen. Entgegen des klägerischen Zulassungsantrags hat der Fachtierarzt für Tierschutz des LGL in seiner Stellungnahme auch nicht etwa eingeräumt, dass im Fall des Klägers § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV einschlägig sei; er hat vielmehr lediglich grundsätzlich auf das Bestehen und die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift hingewiesen, ohne jedoch eine Subsumtion hinsichtlich des klägerischen Falls vorzunehmen (GA S. 105, 2. Absatz). Auch der zuständige Amtstierarzt beim Landratsamt hatte in seiner Stellungnahme vom 25. Juli 2016 (VA S. 11 f.) die inmitten stehende Anbindehaltung als fachlich nicht nachvollziehbar und nicht notwendig erachtet. Weder im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch im Zulassungsverfahren hat der Kläger tiermedizinische Stellungnahmen oder Gutachten vorgelegt, die diese amtstierärztlichen Einschätzungen substantiiert in Frage stellen könnten. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass den fachlichen Beurteilungen der Amtstierärzte besondere Bedeutung zukommt; denn diesen ist bei der Durchführung tierschutzrechtlicher Vorschriften von Gesetzes wegen (vgl. § 15 Abs. 2, § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG) eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2005 – 25 ZB 04.3457 – juris Rn. 9; HessVGH, B.v. 19.8.2008 – 8 UZ 2673/07 – juris Rn. 9). Der aufgrund der Nichteinschlägigkeit von § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV gegebene jedenfalls fahrlässige Verstoß gegen das Anbindungsverbot aus § 5 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV war dem Kläger auch anzulasten im Sinn von Art. 23 Abs. 1 VO (EG) Nr. 73/2009; das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger seine tierschutzrechtlichen Pflichten ausweislich seiner Unterschrift im Mehrfachantrag aus der Cross-Compliance-Broschüre 2013 kannte und diesen widersprechende tierärztliche Behandlungsempfehlungen nicht einfach unreflektiert befolgen durfte, ohne sich hinsichtlich der Einschlägigkeit von § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV bei den zuständigen Stellen zu erkundigen bzw. beraten zu lassen (UA S. 24). Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass tiermedizinische Ausnahmen vom Anbindungsverbot weder in § 4 Abs. 1 Nr. 3 TierSchNutztV noch in Anhang I Nr. 6 Satz 2 bis 4 der zugrunde liegende Richtlinie 2008/119/EG, die jeweils den Umgang mit erkrankten Tieren regeln, vorgesehen sind.
Ferner trägt der Kläger vor, es lägen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vor, da das Verwaltungsgericht zu Unrecht einen Verstoß gegen die Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten aus Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1760/2000 bejaht habe. Die gerichtliche Begründung, dass es im Kontrolljahr 2013 keine festen Werte zur Festlegung der „normalen Grenzen“ gegeben habe, innerhalb derer nach den StMUV-Prüferhinweisen 2013 entsprechende Verstöße sanktionslos blieben, sei unrichtig. Denn es habe laut einer E-Mail des StMUV vom 7. Juni 2017 aufgrund eines Arbeitspapiers der EU-Kommission vom 10. Dezember 2009 (Az. DS/2009/31) für das Kontrolljahr 2013 konkrete Prüferhinweise zu der vorliegenden Sonderfallkonstellation gegeben. Hiernach seien üblicherweise keine Sanktionen ausgesprochen worden, soweit zwar nur eine Ohrmarke vorhanden sei, die Rinder jedoch aufgrund anderer Elemente des Kennzeichnungs- und Registrierungssystems eindeutig identifiziert werden könnten. So liege der Fall auch hier. Richtigerweise hätten bei der Vor-Ort-Kontrolle vom 27. November 2013 bereits nur acht von 153 Rindern (5,2 v.H.) nur eine Ohrmarke aufgewiesen; selbst bei Zugrundelegung der Werte des Prüfberichts des Landratsamts (16 betroffene Rinder von 153) habe der Anteil der beanstandeten Tiere nur 10,46 v.H. betragen. Hiervon ausgehend seit laut dem genannten Arbeitspapier vom 10. Dezember 2009 im Jahr 2013 zwar ein Verstoß gegen die EU-Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten gegeben gewesen; dieser hätte jedoch im Rahmen der Cross-Compliance ohne Sanktion bleiben müssen, da er sich „innerhalb normaler Grenzen“ bewegt habe. Dies habe das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen. Der Anteil der beanstandeten Tiere – ob 5,2 v.H. oder 10,46 v.H. – habe auch unter dem ab dem Jahr 2015 geltenden Orientierungswert für einen Bagatell-Verstoß von 15 v.H. gelegen; zumindest dieser Wert müsse auch für das Kontrolljahr 2013 hinsichtlich der Bestimmung der „normalen Grenzen“ bzw. eines Sonderfalls bzw. bei der Abgrenzung von einem Verstoß gegen die Viehverkehrsverordnung herangezogen werden.
Auch mit Blick auf den obigen klägerischen Vortrag sind keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gegeben.
Das Verwaltungsgericht ist insoweit zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass ein Cross-Compliancerelevanter Verstoß des Klägers gegen die Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten aus Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1760/2000 gegeben war, da die Behörde im Einzelfall des Klägers rechtsfehlerfrei davon ausgehen durfte, dass sich der Verstoß bei einem Anteil der Tiere mit nur einer Ohrmarke von 10,46 v.H. – dass der Anteil richtigerweise nur 5,2 v.H. betragen habe, ist im Zulassungsantrag nicht hinreichend substantiiert dargelegt – nicht mehr innerhalb der „normalen Grenzen“ der Prüferhinweise 2013 oder einer dort vorgesehenen Bagatellregelung bewegt hat. Das StMUV hat insoweit mit E-Mail vom 7. Juni 2017 (GA S. 95 f.) mitgeteilt, dass bei Verstößen, bei denen – wie beim Kläger – Rinder statt zwei Ohrmarken nur eine Ohrmarke aufgewiesen hätten, nach den Prüferhinweisen 2013 von einer Sanktion im Rahmen der Cross-Compliance abgesehen worden sei, wenn sich der Anteil der Tiere mit nur einer Ohrmarke innerhalb „normaler Grenzen“ bewegt habe. Die Entscheidung zur Festlegung einer „normalen Grenze“ sei im Einzelfall von der zuständigen Behörde zu treffen gewesen. Diese Handhabung habe auf einem Arbeitspapier der Europäischen Kommission vom 10. Dezember 2009 (Az. DS/2009/31) beruht. Außerhalb der „normalen Grenze“ habe im Regelfall ein leichter Verstoß vorgelegen, der bei Einhaltung einer in einer Tabelle niedergelegten Bagatellgrenze (z.B. 3 v.H. bei einem Bestand von mehr als 100 Tieren) als Bagatellverstoß habe beurteilt werden können. Soweit der Kläger hierzu im Zulassungsantrag rügt, dass es laut dem genannten Arbeitspapier für das Kontrolljahr 2013 konkrete Prüferhinweise zu einer auch bei ihm gegebenen Sonderfallkonstellation gegeben habe, wonach üblicherweise bei nur einer statt zwei Ohrmarken keine Sanktionen im Bereich der Cross-Compliance ausgesprochen worden sei, so trifft dies nicht zu. In der E-Mail des StMUV vom 7. Juni 2017 (GA S. 95 f.) ist vielmehr ausdrücklich und ohne Einschränkung ausgeführt, dass auch in dieser Konstellation nach dem Arbeitspapier vom 10. Dezember 2009 von einer Sanktion nur abgesehen werden konnte, soweit sich der Anteil der Tiere im Bestand mit nur einer Ohrmarke innerhalb der im Einzelfall behördlich zu bestimmenden „normalen Grenzen“ bewegt hat. Die klägerseitig im Zulassungsantrag gerügte Aussage des Verwaltungsgerichts, dass es im Kontrolljahr 2013 keine festen Werte zur Festlegung der „normalen Grenzen“ gegeben habe (UA S. 27), ist daher ohne weiteres zutreffend; die hiervon abweichende Auffassung des Klägers basiert offenbar auf einem Missverständnis der E-Mail des StMUV vom 7. Juni 2017. Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der erst ab dem Kontrolljahr 2015 für den Begriff der „normalen Grenzen“ geltende unverbindliche Orientierungswert von 15 v.H. für das Kontrolljahr 2013 keine Relevanz hatte (UA S. 27). Die in der E-Mail des StMUV vom 7. Juni 2017 ebenfalls angesprochene Bagatellregelung konnte im Fall des Klägers ersichtlich keine Anwendung finden, da die Bagatellgrenze (3 v.H. von Verstößen betroffene Tiere) bei einem Anteil von Tieren mit Verstößen von 10,46 v.H. (16 von 153 Rindern) ohne weiteres überschritten war.
Ferner begründet der Kläger seinen Zulassungsantrag damit, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweise (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Es gehe um die Klärung von entscheidungserheblichen Rechtsfragen; diese stellten in qualitativer Hinsicht überdurchschnittliche Anforderungen an die Berufungsentscheidung. Konkret gehe es um folgende Fragen:
– „Ist die Ausschlussnorm gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV aufgrund der Tatbestandsvoraussetzung ‚während einer tierärztlichen Behandlung‘ lediglich auf eine tierärztliche Behandlung des Tieres anzuwenden, bei der der Tierarzt stets persönlich zugegen ist?“
– „Ist die Ausschlussnorm gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV aufgrund der Tatbestandsvoraussetzung ‚während einer tierärztlichen Behandlung‘ zeitlich eng und restriktiv auszulegen, mit der Folge, dass Handlungsanweisungen des Tierarztes gegenüber dem Tierhalter und deren Umsetzung durch den Tierhalter bis zu einer abschließenden Enduntersuchung des Tieres durch den Tierarzt nicht unter das Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV ‚während einer tierärztlichen Behandlung‘ fallen?“
– „Unterfallen mündliche Handlungsanweisungen des behandelnden Tierarztes gegenüber dem Tierhalter [dem] Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV ‚während einer tierärztlichen Behandlung‘?“
– „In welchem Verhältnis stehen die allgemeine Vorschrift gem. Anhang I Nr. 6 der Richtlinie 2008/119/EG und die allgemeine Vorschrift gem. Anhang I Nr. 8 der Richtlinie 2008/119/EG?“
– „Verstößt die Subsumtion mündlicher Handlungsanweisungen des behandelnden Tierarztes gegenüber dem Tierhalter unter das Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV ‚während einer tierärztlichen Behandlung‘ gegen die allgemeine Vorschrift gem. Anhang I Nr. 8 der Richtlinie 2008/119/EG?“
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen vor, wenn der konkret zu entscheidende Fall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von normalen verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten deutlich abgehoben ist, d.h. wenn er sich im Schwierigkeitsgrad von den in anderen Verfahren zu entscheidenden Fragen signifikant unterscheidet. Die Schwierigkeit des Falles ist aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts und im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung zu beurteilen (BayVGH, B.v. 22.3.2019 – 1 ZB 17.594 – juris Rn. 9; B.v. 4.3.2019 – 10 ZB 18.2195 – juris Rn. 17; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 27 ff.).
Hiervon ausgehend weist die Rechtssache vorliegend keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf. Der Kläger wird bereits seinen Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gerecht, soweit er im Zulassungsantrag (ZA S. 30-32) schlicht die obigen Fragen formuliert, ohne jedoch hinreichend konkret und substantiiert aufzuzeigen und zu erläutern, warum die Beantwortung der formulierten Fragen entscheidungserheblich und von besonderer Schwierigkeit sein soll. Dies gilt selbst dann, wenn man den klägerischen Vortrag zur Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils in die vorliegende Betrachtung miteinbezieht. Wie hierzu ausgeführt ist im Fall des Klägers bereits nicht entscheidungserheblich, ob § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV („während einer tierärztlichen Behandlung“) nur auf konkrete kurzzeitige Behandlungsmaßnahmen in Anwesenheit des Tierarztes selbst Anwendung findet oder weiter auszulegen ist; damit sind jedenfalls die ersten drei klägerseitig formulierten Fragen vorliegend nicht von Relevanz. Die letzten beiden aufgeworfenen Fragen können zudem – wie zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ausgeführt – ohne weiteres anhand des Gesetzes beantwortet werden.
Abschließend begründet der Kläger seinen Zulassungsantrag damit, dass das angegriffene Urteil auf einem entscheidungserheblichen Verfahrensfehler beruhe (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Denn das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht drei in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellte Beweisanträge abgelehnt:
„1. Zum Beweis der Tatsache, dass das Landratsamt E. bei der Kontrolle und Bewertung der fehlenden Ohrmarken im Betrieb des Klägers am 27.11.2013 es unterlassen hat, Bestimmungen zur Bagatellregelung gem. § 31a InVeKosV heranzuziehen, wird Beiziehung des Leitfadens, ministerieller Handlungsanweisungen sowie ministerieller IMS-Schreiben zum Vollzug des bis zum 03.03.2015 geltenden § 31 InVeKosV über das Landratsamt E. bzw. das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz beantragt.
2. Zum Beweis der Tatsache, dass die zeitlich befristete Anbindung der vier Kälber und Verabreichung von Milch und Elektrolytlösung per Hand durch den Kläger im Zeitpunkt der Betriebskontrolle am 27.11.2013 tiermedizinisch erforderlich und indiziert war, wird die Einvernahme des Zeugen und damals behandelnden Tierarztes, Herrn H., Kleintierpraxis H., … beantragt.
3. Zum Beweis der Tatsache, dass die Tierhaltung im Betrieb des Klägers seitens des Landratsamts E. im Rahmen der Betriebskontrolle am 27.11.2013 als vorbildlich angesehen und das Landratsamt E. die Anbindehaltung gegenüber dem Kläger nicht unterbunden hat, wird die Einvernahme des Zeugen Herrn Oberregierungsrat M., zu laden über das Landratsamt E. beantragt.“
Daher liege ein Verstoß gegen das Amtsermittlungsgebot aus § 86 Abs. 1 VwGO sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG vor. Den ersten Beweisantrag habe das Verwaltungsgericht fälschlicherweise als unzulässigen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Richtigerweise habe er jedoch den Beweisantrag hinreichend substantiiert, indem er E-Mail-Anfragen vom 17./18. Januar 2017 sowie vom 19. Mai 2017 an das StMUV zum behördlichen Vollzug des bis zum 3. März 2015 geltenden § 31 InVeKoSV nebst Gesuche um Übersendung der inmitten stehenden ministeriellen Leitfäden und Dokumente vorgelegt habe. Im Beweisantrag seien die betreffenden Dokumente auch konkret bezeichnet gewesen. Ferner sei die E-Mail des StMUV vom 7. Juni 2017 insoweit nicht erschöpfend gewesen; denn die dort in Bezug genommenen Dokumente, auf deren Grundlage die Prüferhinweise 2013 ausgearbeitet worden seien, seien nicht vorgelegt worden. Den zweiten Beweisantrag habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht als unerheblich abgelehnt. Richtigerweise sei im Kontext des § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV die Einvernahme des Hoftierarztes von Relevanz gewesen, da laut dem erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben der LGL vom 24. Juli 2014 fachliche Bedenken hinsichtlich der durch den Hoftierarzt empfohlenen Behandlung bestanden hätten. Insoweit sei das in den Akten befindliche Schreiben des Hoftierarztes vom 20. März 2014 nicht ausreichend gewesen, da es zur tiermedizinischen Indikation der vorgenommenen Behandlung keine Aussage treffe. Den dritten Beweisantrag habe das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Unrecht als unerheblich abgelehnt. Es sei höchst widersprüchlich seitens des Landratsamts gewesen, einerseits im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle die klägerische Tierhaltung in Form der Anbindehaltung als vorbildlich zu bezeichnen, unter die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV zu subsumieren und nicht zu unterbinden, andererseits jedoch im Nachgang einen Verstoß gegen das Anbindungsverbot aus § 5 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV zu bejahen. Ein solches widersprüchliches behördliches Verhalten sei auch entscheidungserheblich gewesen. Bei antragsgemäßer Beweiserhebung wäre jeweils weiterer Sachvortrag bzw. im Ergebnis eine Stattgabe der Klage erfolgt.
Auch in Verfahren, in denen wie im Verwaltungsprozess der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, ist das Gericht mit Blick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) zwar nicht verpflichtet, Beweisanträge im Sinn von § 86 Abs. 2 VwGO zu berücksichtigen, wenn es die angebotenen Beweise nach dem sonstigen Ermittlungsergebnis für nicht sachdienlich oder aus Rechtsgründen für unerheblich hält; es darf aber eine derartige Nichtberücksichtigung nicht auf sachfremde Erwägungen stützen, einen Beweisantrag also nicht aus Gründen ablehnen, die im Prozessrecht keine Stütze finden (vgl. zum Ganzen: BVerfG, B.v. 22.9.2009 – 1 BvR 3501/08 – juris Rn. 13; BVerwG, B.v. 11.6.2014 – 5 B 19.14 – juris Rn. 18).
Hiervon ausgehend ist vorliegend kein Verfahrensfehler gegeben, der zur Zulassung der Berufung führt. Vorab ist klarzustellen, dass der klägerische Vortrag, dass bei antragsgemäßer Beweiserhebung jeweils weiterer Sachvortrag bzw. im Ergebnis eine Stattgabe der Klage erfolgt wäre, pauschal und unsubstantiiert ist; der Kläger wird insoweit bereits seinen Darlegungspflichten aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gerecht. Unabhängig davon findet die gerügte Ablehnung der Beweisanträge jeweils eine hinreichende Stütze im Prozessrecht. Den ersten Beweisantrag hat das Verwaltungsgericht zutreffend als unzulässigen Beweisermittlungsantrag abgelehnt, da er nicht auf konkrete, genau bezeichnete Urkunden als individualisierte Beweismittel abzielte, sondern auf die Durchsicht von Urkundensammlungen (ministerielle Vollzugsdokumente) zu dem Zweck der Aufklärung, ob und ggf. welche der darin befindlichen Urkunden die behaupteten Tatsachen erweisen könnten (vgl. allg. BVerwG, B.v. 20.5.1998 – 7 B 440.97 – ZOV 1998, 295 – juris Rn. 23-25). Zudem hat das Verwaltungsgericht insoweit zu Recht darauf verwiesen, dass mit der E-Mail des StMUV vom 7. Juni 2017 bereits eine konkrete ministerielle Stellungnahme zur maßgeblichen Verwaltungspraxis der Behörden im Kontrolljahr 2013 bei Verstößen in Form der Anbringung von nur einer statt zwei Ohrmarken vorlag und nichts dafür gesprochen hat, dass es hiervon abweichende ministerielle Handlungsanweisungen gegeben hätte (siehe zum Ganzen: Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, S. 4 f.). Den zweiten Beweisantrag hat das Verwaltungsgericht zutreffend mit der Begründung abgelehnt, dass die unter Beweis gestellte Tatsache unerheblich war, da sie nach seiner insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung (vgl. allg. BayVGH, B.v. 8.12.2017 – 11 ZB 17.31712 – juris Rn. 10; OVG Berlin-Bbg, B.v. 25.10.2013 – OVG 3 N 189.12 – juris Rn. 5) am Verstoß gegen die Cross-Compliance-Vorschriften nichts geändert hätte (Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, S. 5). Denn aus Sicht des Verwaltungsgerichts war § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV bereits deshalb nicht einschlägig, da die Ausnahmevorschrift eine konkrete, vom Tierarzt selbst persönlich vorgenommene Behandlungsmaßnahme vorausgesetzt hätte (UA S. 22 f.); eine allgemeine tiermedizinisch empfohlene Anbindehaltung war hiernach von vornherein nicht unter § 1 Abs. 2 Nr. 2 TierSchNutztV zu subsumieren. Ergänzend hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass zur Begründung einer tiermedizinischen Indikation der Anbindehaltung bereits eine Stellungnahme des Hoftierarztes vom 20. März 2014 (GA S. 88) vorlag und klägerseitig nicht vorgetragen worden war, dass der Hoftierarzt darüber hinausgehende Erkenntnisse hätte (Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, S. 5). Den dritten Beweisantrag hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend mit der Begründung abgelehnt, dass die unter Beweis gestellte Tatsache unerheblich war (Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, S. 5). Denn etwaige Aussagen und Einschätzungen der Mitarbeiter des Landratsamts im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle vom 27. November 2013 waren naturgemäß vorläufig und unverbindlich; daher waren sie von vornherein nicht geeignet, etwas an den im Prüfbericht verbindlich festgestellten Tatsachen zu ändern, die objektiv einen Verstoß gegen das Anbindungsverbot aus § 5 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV begründeten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.


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