Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag wegen Inanspruchnahme aus Verpflichtungserklärung für Haftung bzgl. Lebensunterhalt

Aktenzeichen  10 ZB 20.1516

Datum:
26.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24627
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 68 Abs. 1
BGB § 133, § 157
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Der Begriff des „Aufenthaltszwecks“ im Sinne der Verpflichtungserklärungen erfasst grundsätzlich jeden Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, wie sie unter dieser Überschrift vom Gesetzgeber im Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes zusammengefasst sind. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen bedürfen Verpflichtungserklärungen bes. bzgl. ihres zeitlichen Umfangs der Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB unter Würdigung der der Abgabe der Erklärung zugrundeliegenden Umstände des Einzelfalls, wobei grundsätzlich auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen ist, aber ausnahmsweise abweichende Auslegungsgrundsätze und ein veränderter Auslegungshorizont zugrunde zu legen sind, wenn die Erklärung auf einem von der die Erklärung entgegennehmenden Behörde verwendeten vorformulierten Vordruck abgegeben wird oder  sogar abgegeben werden muss. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 18.1766 ; Au 6 K 18.1921 2020-06-03 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 11.876, 24 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglosen Klagen auf Aufhebung der Leistungsbescheide des Beklagten vom 3. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2018 und vom 2. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2018 weiter. Mit diesen Bescheiden hat der Beklagte den Kläger aus den am 26. September 2017 gegenüber der Ausländerbehörde des Landkreises Cl. für eine syrische Familie abgegebenen Verpflichtungserklärungen zur Erstattung von insgesamt 11.876, 24 Euro verpflichtet. Der Betrag errechnet sich aus den der Familie gewährten Leistungen zum Lebensunterhalt im Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2018.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist hier nicht der Fall.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die mit den Verpflichtungserklärungen begründete Haftung für den streitgegenständlichen Zeitraum noch andauere. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Verpflichtungserklärung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung dahingehend ausgelegt werden müsse, dass die Verpflichtung des Klägers schon vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers ende. Die Verpflichtung sei nicht dadurch beendet, dass die Begünstigten, denen zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt worden sei, nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. Anerkennung als Asylberechtigte entsprechende Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 1 AufenthG erhalten hätten. Dies widerspreche der gesetzlichen Regelung des § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG. Diese Auslegung entspreche auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich vor dem 6. August 2016 und damit vor der Geltung des § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n. F. abgegebener Verpflichtungserklärungen und deren Auslegung. Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Februar 2019 (13 LB 435/18) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da es eine vor der Neufassung des § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG abgegebene Verpflichtungserklärung und die zum damaligen Zeitpunkt geltende niedersächsische Erlasslage betreffe. Die Verpflichtungserklärung sei auch nicht wegen einer etwaigen bestehenden Zwangslage des Klägers unwirksam. Die Inanspruchnahme aus den Verpflichtungserklärungen widerspreche auch nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Verpflichtete sei im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedürfe. Ein Regelfall sei stets zu bejahen, wenn die Voraussetzungen des Aufenthaltstitels einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren geprüft worden seien und nichts dafür spreche, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung führen könne. Es lägen keine atypischen Gegebenheiten vor, die eine Abweichung vom Regelfall der Durchsetzung des Erstattungsanspruchs durch den Beklagten rechtfertigen würden. Der Beklagte habe insbesondere davon ausgehen können, dass die finanzielle Belastbarkeit des Klägers von der Ausländerbehörde geprüft worden sei und die Heranziehung zu keiner unzumutbaren Belastung führen werde. Der Kläger habe in den Verpflichtungserklärungen bestätigt, dass er aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse zu den Verpflichtungen in der Lage sei. Er habe erst im Klageverfahren offenbart, dass er insgesamt 14 Verpflichtungserklärungen für syrische Staatsangehörige abgegeben habe. Wer gegenüber der Ausländerbehörde ausdrücklich erklärt habe, zu den eingegangenen Verpflichtungen in der Lage zu sein, könne sich später nicht darauf berufen, dass die Ausländerbehörde seine Bonität nicht oder fehlerhaft nur auf die Glaubhaftmachung durch den Verpflichtungsgeber geprüft habe.
Zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung bringt der Kläger unter Wiedergabe der Entscheidungsgründe des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (U.v. 7.11.2019 – 7 A 11069/18 – juris) vor, dass ein Ausnahmefall vorliege, weil er die Verpflichtungserklärungen unter besonderen Umständen abgegeben habe. Er habe wegen des Niedersächsischen Aufnahmeprogramms davon ausgehen dürfen, dass seine Verpflichtung auf den Zeitraum bis zum Abschluss des Asylverfahrens beschränkt sei. Auch wenn die Verpflichtungserklärungen abgegeben worden seien, als das Niedersächsische Landesaufnahmeprogramm schon ausgelaufen war, hätten die Verpflichtungserklärungen den Zusatz enthalten, dass die Einreise aufgrund des Niedersächsischen Landesaufnahmeprogramms für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge erfolgen solle. Ein atypischer Fall sei auch deshalb gegeben, weil die finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers nicht ordnungsgemäß überprüft worden sei. In den Formularen der Verpflichtungserklärungen sei vermerkt, dass seine Bonität geprüft worden und glaubhaft gemacht worden sei. Ob dies wirklich so gewesen sei, sei weder vom Verwaltungsgericht noch vom Beklagten geprüft worden. Dies erscheine äußerst fraglich, weil der Kläger innerhalb weniger Monate 14 Verpflichtungserklärungen abgegeben habe. Es komme nicht darauf an, was der Beklagte im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt gewusst habe, sondern auf die objektiv bestehende Sachlage. Die Kosten für eine sechsköpfige Familie könne der Kläger nicht tragen. Eine genaue Überprüfung der Leistungsfähigkeit sei unerlässlich gewesen. Zwar habe der Kläger ausweislich der Verpflichtungserklärungen und eines Belehrungsformulars erklärt, zur Übernahme der Verpflichtung wirtschaftlich in der Lage zu sein, dies entbinde die Behörde aber nicht, seine Angaben zuverlässig und stichhaltig zu überprüfen. Die danach aus mehreren Gründen erforderliche Ermessensentscheidung habe der Beklagte nicht getroffen.
Dieses Vorbringen zieht jedoch die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg nicht ernsthaft in Zweifel, denn dieses ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Haftung des Klägers für die Kosten des Lebensunterhalts der syrischen Familie nicht entgegen der gesetzlichen Regelung des § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG mit der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 1 AufenthG an die Begünstigten endet und auch kein Ausnahmefall vorliegt, der eine Ermessensentscheidung erforderlich gemacht hätte, ob und in welchem Umfang der Kläger in Anspruch genommen werden kann.
Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Leistungsbescheide bestimmt sich nach der im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, U.v. 16.10.2012 – 10 C 6.12 – BVerwGE 144, 326 Rn. 12; U.v. 13.2.2014 – 1 C 4.13 – BVerwGE 149, 65 Rn. 9). Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist daher § 68 Abs. 1 AufenthG n.F.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Haftung des Klägers gemäß der seit 6. August 2016 gültigen Regelung in § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nicht mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 1 AufenthG für die begünstigte syrische Familie erloschen ist. Die Formulierung der – auf bundeseinheitlichem Formular erklärten – Verpflichtungserklärungen „bis zur Beendigung des Aufenthalts des o. g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“ ist hinsichtlich der zweiten Alternative ausweislich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 26.1.2017 – 1 C 10.16 – juris Rn. 27 ff) in der Weise auszulegen, dass bei dem Begriff „Aufenthaltszweck“ im Ansatz von den verschiedenen Abschnitten des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes auszugehen ist. Der Begriff des „Aufenthaltszwecks“ im Sinne der Verpflichtungserklärungen erfasst daher grundsätzlich jeden Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, wie sie unter dieser Überschrift vom Gesetzgeber im Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes zusammengefasst sind. Danach liegt ein auf den einzelnen Aufenthaltstitel verengtes Verständnis des „Aufenthaltszwecks“ bereits nach der Formulierung des Beendigungstatbestands in den Verpflichtungserklärungen nicht nahe, weil nach dem Wortlaut nicht jede anschließende Erteilung eines Aufenthaltstitels nach einer anderen Rechtsgrundlage die Verpflichtung beende, sondern nur eine solche zu einem anderen Aufenthaltszweck (BVerwG, a. a. O., Rn. 31).
Die mit der jeweiligen Verpflichtungserklärung abgegebene Willenserklärung hat aufgrund ihres Inhalts im Übrigen oder aufgrund weiterer Umstände des Einzelfalls auch keinen vom diesbezüglichen Auslegungsergebnis des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Inhalt. Als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen bedürfen die abgegebenen Verpflichtungserklärungen, insbesondere was ihren zeitlichen Umfang betrifft, zwar der Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB unter Würdigung der der Abgabe der Erklärung zugrundeliegenden Umstände des Einzelfalls (BVerwG, U.v. 24.11.1998 – 1 C 33/97 – juris Rn. 29, 34). Hierbei ist grundsätzlich auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen, wie also der Empfänger der Erklärung den erklärten Willen bei objektiver Würdigung verstehen musste. Ausnahmsweise sind abweichende Auslegungsgrundsätze und ein veränderter Auslegungshorizont jedoch dann zugrunde zu legen, wenn die Erklärung auf einem von der die Erklärung entgegennehmenden Behörde verwendeten vorformulierten Vordruck abgegeben wird oder – entsprechend der bindenden Vorgabe in Ziffer 68.2.1.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz – AVwV-AufenthG – sogar abgegeben werden muss. In diesem Fall ist weniger auf den Empfänger, sondern vielmehr auch darauf abzustellen, wie der Erklärende die Eintragungen in dem Formular bei objektiver Würdigung hat verstehen dürfen. Verbleiben insoweit Zweifel oder Unklarheiten, gehen diese zu Lasten des Formularverwenders (VGH BW, U.v. 27.2.2006 – 11 S 1857/05 – juris Rn. 33; NdsOVG, U.v. 3.5.2018 – 13 LB 2/17 – juris Rn. 33, BayVGH, U.v. 26.4.2012 – 10 B 11.2838 – juris Rn. 27; OVG SH, U.v. 7.8.2013 – 4 LB 14/12 – juris Rn. 34). Im vorliegenden Fall geben aber weder die von der Ausländerbehörde vorgenommenen Eintragungen („Verpflichtung als dritte Person im Rahmen des Länderaufnahmeprogramms für syrische Flüchtlinge gemäß § 23 AufenthG“) noch die vom Kläger zusätzlich zur Verpflichtungserklärung unterschriebene „Erklärung zur Abgabe der Verpflichtungserklärung“ einen Anhalt für eine die Verpflichtungswirkung begrenzende Auslegung der von ihm abgegebenen Verpflichtungserklärungen. Diese Erklärung verdeutlicht vielmehr nochmals die bereits im Formblatt enthaltene Dauer der Verpflichtung (Haftung bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck). Das niedersächsische Landesaufnahmeprogramm selbst, auf das in dem Formular Bezug genommen wird, enthält keine Vorgaben für den Inhalt der Verpflichtungserklärungen und gibt für sich genommen auch aus Sicht des Erklärenden keinen Anhalt für eine die in der Formularerklärung festgelegte Dauer der Verpflichtung begrenzende Auslegung. Eine Bezugnahme auf den Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 15. Mai 2014, in dem die Auffassung vertreten wurde, dass die Dauer der Verpflichtungserklärung mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG ende, enthält die von der Ausländerbehörde vorgenommene Eintragung gerade nicht. Auch hätte dieser Erlass die Auffassung des Erklärenden über die Dauer der Verpflichtung allein schon deshalb nicht prägen können, weil er sich auf die unterschiedlichen Auffassungen zur Dauer der Haftung aus Verpflichtungserklärungen und die Rechtslage vor der Einfügung des § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG durch das Integrationsgesetz zum 6. August 2016 bezog. Bis zu diesem Zeitpunkt bzw. bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2017 (1 C 10.16) herrschte bezüglich der Dauer der Haftung aus Verpflichtungserklärungen eine unklare Rechtslage. Bezogen auf die Formulierung „bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“ vertraten einige Landesministerien (u.a. Niedersachsen) die Meinung, dass ein Aufenthaltstitel nach § 23 AufenthG einem anderen Aufenthaltszweck als eine nach Durchführung eines Asylverfahrens erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder 2 AufenthG diene. Diese Rechtsunsicherheit wurde aber durch die Gesetzesänderung und die diese bestätigende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2017 beseitigt. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht ausgeführt, dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 11. Februar 2019 (13 LB 441/18) für den vorliegenden Fall nichts hergibt, weil sie die Rechtslage vor dem 6. August 2016 und die damalige Auffassung des zuständigen niedersächsischen Landesministeriums betrifft. Das gleiche gilt für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 7. November 2019 (7 A 11069/18.OVG), da auch in diesem Fall die Verpflichtungserklärung vor der Gesetzesänderung und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2017 abgegeben worden waren. Zudem ist in den Verpflichtungserklärungen, die der Kläger abgegeben hat, unter dem Punkt „voraussichtliche Dauer des Aufenthalts“ „dauerhaft“ vermerkt.
Das Verwaltungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass kein atypischer Fall vorliegt, bei dem der Beklagte nach Ermessen über die Heranziehung des Klägers zur Erstattung der für die Begünstigten aufgewendeten Mittel für den Lebensunterhalt hätte entscheiden müssen. Der aus einer Erklärung nach § 68 AufenthG Verpflichtete ist im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen. Ein solcher Regelfall wird angenommen, wenn die finanzielle Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren geprüft worden ist und nichts dafür spricht, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung führen könnte. Hingegen hat die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten gegebenenfalls eingeräumt werden. Ein Ausnahmefall ist anzunehmen, wenn eine wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die strikte Gesetzesanwendung Folgen zeitigte, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sind und mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Verhältnismäßigkeit, insbesondere der Rücksichtnahme auf die individuelle Leistungsfähigkeit nicht vereinbar wären. Wann in diesem Sinne ein Ausnahmefall vorliegt, ist anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden und unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung (BVerwG, U. v. 24.11.1998 – 1 C 33/97 – juris, Rn. 60; U. v. 13.2.2014 – 1 C 4/13 – juris Rn. 16; B.v. 18.4.2018 -1 B 6.18 – juris Rn. 9; OVG Saarl, B.v. 17.4.2019 – 2 D 286/18 – juris Rn. 20). Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ein atypischer Fall vorgelegen hat, sind im Verwaltungsverfahren nicht konkret und substantiiert vorgetragen und liegen auch nicht vor. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Beklagte die finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers nicht ordnungsgemäß überprüft hätte. Jedenfalls kann sich der Kläger auf eine angeblich fehlende Bonitätsprüfung nicht berufen. Er trägt hierzu vor, die Ausländerbehörde habe allenfalls eine kursorische Bonitätsprüfung durchgeführt. Den vorgelegten Behördenakten lassen sich aber keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass diese Behauptung zutreffend ist. Die Verpflichtungserklärung enthält vielmehr den Vermerk, dass der Kläger seine finanzielle Leistungsfähigkeit glaubhaft gemacht habe. Zudem bestätigt der Kläger durch seine Unterschrift auf dem Formblatt nochmals ausdrücklich, dass er zu der Verpflichtung aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage sei. Der Kläger hat ergänzend zu der jeweiligen Verpflichtungserklärung eine Erklärung zur Abgabe der Verpflichtungserklärung unterschrieben, die der Formblatterklärung in etwa inhaltlich entspricht. Darin bestätigt er nochmals, dass er zu der Verpflichtung aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage sei und erklärt, dass er keine weiteren Verpflichtungen eingegangen sei, die die Garantiewirkung der aktuellen Verpflichtungserklärung gefährden könnten. Hat der Verpflichtete der Ausländerbehörde bei Abgabe der Erklärung ausdrücklich zugesichert, zur Leistung in der Lage zu sein, kann er der Behörde später nicht vorhalten, dass diese die Bonität nicht genau geprüft hat (VG Schleswig, U.v. 4.3.2020 – 11 A 608/18 – BeckRS 2020, 4102 Rn. 30 m.w.N.). Zudem spricht ein Vergleich der Verpflichtungserklärungen des Klägers vom 26. September 2017 mit den Verpflichtungserklärungen des Herrn B. A., die dieser am 28. September 2017 für die syrische Familie abgegeben hat, dafür, dass die Ausländerbehörde die Leistungsfähigkeit des Klägers überprüft hat, weil letztere Verpflichtungserklärungen die Stellungnahme der Ausländerbehörde enthalten, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Herrn B. A. nicht glaubhaft gemacht und nachgewiesen sei, obwohl dieser durch seine Unterschrift bestätigt hat, dass er zur Verpflichtung aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage sei. Die Anzahl der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärungen führt ebenfalls nicht zur Annahme eines Ausnahmefalls. Zwei Erklärungen wurden erst nach dem 26. September 2017 abgegeben, so dass allenfalls bei einer Inanspruchnahme des Klägers aus diesen Erklärungen die vorrangig abgegebenen zwölf Erklärungen zu berücksichtigen wären. Die vier Verpflichtungserklärungen vom 23. Juni 2016 sind unbeachtlich, weil auf dem Vordruck „Verpflichtungserklärung“ gerade nicht ausdrücklich bestätigt ist, dass die Bonität festgestellt oder glaubhaft gemacht worden ist (AVwV-AufenthG Nr. 68 1.2.2.). Der Kläger hat im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung auch nicht nachgewiesen, dass es für ihn unzumutbar ist, den geforderten Erstattungsbetrag aufzubringen. Er behauptet zwar, dass sein Monatseinkommen im maßgeblichen Zeitpunkt lediglich 2.000,- Euro betragen habe, Nachweise hierfür hat er aber nicht vorgelegt. Zudem ist seine Inanspruchnahme auch dann nicht unzumutbar, wenn er die Verpflichtung aus sonstigen eigenen Mitteln im Bundesgebiet erfüllen kann (AVwV-AufenthG Nr. 68.1.2.1).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 3 Satz1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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