Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag wegen Nichtvorliegens eines Verfahrensmangels

Aktenzeichen  20 ZB 18.30509

Datum:
8.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11856
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 138 Nr. 6

 

Leitsatz

Ein Urteil verletzt § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 17.30793 2018-01-12 Ent VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Januar 2018, Az. W 4 K 17.30793, ist nicht begründet, weil der geltend gemachte und dargelegte Zulassungsgrund nicht vorliegt.
1. Der Kläger macht ausschließlich einen revisiblen Verfahrensfehler in der Gestalt eines nicht mit Gründen versehenen Urteils geltend (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO). Ein derartiger Verfahrensmangel liegt jedoch nicht vor.
Nach § 138 Nr. 6 VwGO liegt ein absoluter Revisionsgrund – und damit zugleich ein Verfahrensmangel i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 3 VwGO – vor, wenn “die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist”. Die Vorschrift bezieht sich damit auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils nach § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Danach müssen im Urteil diejenigen Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, welche für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sinn dieser Regelung ist es zum einen, die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten, und zum anderen, dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiell rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Nicht mit Gründen versehen i.S. des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung deshalb nur, wenn sie so mangelhaft begründet ist, dass die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion nicht mehr erfüllen können (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – NJW 1998, 3290). Ein Urteil verletzt § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind. Die Lückenhaftigkeit der Entscheidungsgründe kann allerdings dann anders zu beurteilen sein, wenn das Urteil auf “einzelne Ansprüche” oder “einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel” überhaupt nicht eingeht. Auch das kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind, aber wiederum nicht bereits dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind oder wenn sich eine hinreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe erschließen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – NJW 1998, 3290).
2. Gemessen daran liegt der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor. Zwar greift der Kläger einzelne Begründungselemente des verwaltungsgerichtlichen Urteils als für ihn nicht nachvollziehbar an. Im Kern wendet er sich damit aber gegen die für ihn im Ergebnis nicht nachvollziehbare Einstufung seines Vortrags als unglaubhaft. Ob die Einschätzung der Glaubhaftigkeit des vorgetragenen Geschehens bzw. der Glaubwürdigkeit der Person des Klägers durch das Verwaltungsgericht zutrifft, unterliegt nicht der berufungsgerichtlichen Nachprüfung. Denn es handelt sich nicht um eine Frage der ausreichenden Begründung im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO, sondern um eine Frage der Sachverhaltswürdigung durch das Gericht und damit grundsätzlich der Anwendung des materiellen Rechts. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sind jedoch im Asylprozess als Berufungszulassungsgrund nicht vorgesehen (§ 78 Abs. 3 AsylG).
a) Der Kläger macht zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe seine Einschätzung, dass der Kläger unglaubwürdig sei, nicht näher begründet und sich mit dem Vortrag des Klägers nicht auseinandergesetzt. Hierzu ist zwar festzustellen, dass das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils den umfangreichen sowie in der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, in der Klagebegründung seines Prozessbevollmächtigten und auch in der mündlichen Verhandlung in wesentlichen Punkten übereinstimmenden Vortrag mit der Begründung als unglaubhaft angesehen hat, dass der Kläger pauschal und nicht lebensnah vorgetragen habe. Damit hat das Verwaltungsgericht aber eine Begründung im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO gegeben, welche erkennen lässt, weshalb es den Vortrag für unglaubhaft hält.
b) Des weiteren rügt der Kläger, dass das Verwaltungsgericht zwar Widersprüche in seinem Vortrag gesehen habe, diese Einschätzung aber nur verworren bzw. nicht nachvollziehbar begründet habe. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass die Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe mit seiner Mutter telefoniert und sei zu diesem Zweck aus dem Teehaus, in welchem er sich aufgehalten habe, ins Freie gegangen, weil es innen zu laut gewesen sei, der Angabe des Klägers in der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge widerspreche, er habe während seines Aufenthaltes in einem Teehaus mit seiner Mutter telefoniert. Gegen diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts führt der Kläger Erkenntnisse der Vernehmungslehre ins Feld, wonach für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit mehrerer Aussagen eines Zeugen zu demselben Lebensvorgang maßgeblich sei, dass der Aussagekern im Wesentlichen widerspruchsfrei bleibe. Damit greift der Kläger aber wiederum die Sachverhaltswürdigung des Gerichtes an, nicht aber dessen Begründung. Die Begründung des Verwaltungsgerichts ist insoweit auch nicht verworren, unverständlich oder nicht nachvollziehbar, denn es hat dargelegt, wo es einen Widerspruch in den Angaben des Klägers sieht.
c) Außerdem macht der Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe keine Begründung gegeben, weshalb es den Vortrag des Klägers zur unterbliebenen Aushändigung seines Handys im Gefängnis für lebensbzw. wirklichkeitsfremd halte. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, es sei lebensbzw. wirklichkeitsfremd, dass der Kläger nicht selbst auf den Gedanken gekommen sein wolle, dem nationalen Sicherheitsdienst sein Handy auszuhändigen, um nachzuweisen, dass er nicht unmittelbar vor dem Anschlag im Teehaus mit Al-Shabaab-Mitgliedern telefoniert habe, und dass der Sicherheitsdienst auch nicht von sich aus nach dem Handy gefragt habe. Insoweit hat das Verwaltungsgericht aber eine Begründung für seine Einschätzung der mangelnden Glaubwürdigkeit des Klägers gegeben, nämlich diejenige, dass es dessen Vortrag insofern für lebensbzw. wirklichkeitsfremd hält.
d) Schlussendlich kritisiert der Kläger, dass das Verwaltungsgericht keine bzw. nur eine floskelhafte Begründung dafür gegeben habe, dass es seinen Vortrag zur Flucht aus dem Gefängnis für unsubstantiiert und damit für unglaubhaft halte. Auch damit wird jedoch kein Mangel des Urteils im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO begründet, sondern die inhaltliche Qualität der Begründung angegriffen. Es ist nämlich vom Standpunkt des Verwaltungsgerichtes aus nachvollziehbar und damit nicht verworren, unverständlich oder widersprüchlich, wenn es den Vortrag des Klägers für unglaubhaft hält, weil er nach seiner Einschätzung zu unsubstantiiert ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung der Berufungszulassung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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