Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag: Widerruf der Waffenbesitzkarte eines Reichsbürgers

Aktenzeichen  24 ZB 19.2480

Datum:
10.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6719
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 124, § 138 Nr. 6

 

Leitsatz

1. Ein Verfahrensmangel muss in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht konkret bezeichnet werden, so dass sich aus einer bloßen Beanstandung der materiell rechtlichen Überlegungen des Verwaltungsgerichts nicht auf eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge schließen lässt. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts kann im Berufungszulassungsverfahren nur dann mit Erfolg angegriffen werden, wenn eine Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder bei offensichtlicher Sachwidrigkeit und Willkürlichkeit geltend gemacht wird. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 17.910 2019-07-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die sinngemäß vorgetragenen Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bzw. des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Der Kläger trägt zunächst vor, die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils seien nicht geeignet, dessen Tenor zu tragen. Das Erstgericht komme zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 WaffG besitze. Dies würde sich aus den Entscheidungsgründen jedoch nicht ergeben. Gemeint ist damit offenbar das Fehlen von Entscheidungsgründen im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO. Der Verfahrensmangel muss in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht aber konkret bezeichnet werden (BVerwG, B.v. 7. 3. 2012 – 6 B 40/11 – NVwZ-RR, 2012, 342). Aus einer – wie hier – bloßen Beanstandung der materiell rechtlichen Überlegungen des Verwaltungsgerichts lässt sich noch nicht auf eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge schließen (Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, VwGO § 124a Rn. 74). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auf den Seiten 14 bis einschließlich 24 seiner Entscheidung ausführlich und für das Berufungsgericht überzeugend im Einzelnen ausgeführt, warum es dem Kläger an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit fehlt.
Richtig verstanden hebt dieser Vortrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ab. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn gegen dessen Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt wird und sich ohne nähere Prüfung die Frage nicht beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 124, Rn. 6). Dabei ist das Berufungsgericht grundsätzlich auf die innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Gründe beschränkt. Solche schlüssigen Gegenargumente lassen sich der Zulassungsbegründung allerdings nicht entnehmen. Sie beschränkt sich darauf, pauschal zu behaupten, es lägen keine handfesten Anknüpfungspunkte für die Schlussfolgerung, es fehle an der erforderlichen Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, vor. Vor dem Hintergrund der ausführlichen Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der Frage der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit (Seiten 14 bis einschließlich 24 des erstinstanzlichen Urteils) ist das nicht ausreichend.
2. Weiter rügt der Kläger, die Feststellung des Verwaltungsgerichts, er sei der sogenannten Reichsbürgerbewegung zugehörig bzw. habe sich deren Ideologie angeeignet, halte einer Überprüfung nicht stand. Begründet wird diese Schlussfolgerung – wie erstinstanzlich auch – im Wesentlichen damit, die im Zusammenhang mit der Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises gegenüber dem Landratsamt abgegebenen Erklärungen seien im Prinzip der Ehefrau des Klägers zuzurechnen und nicht diesem selbst. Auch insoweit zielt der Vortrag auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), indem die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts infrage gestellt wird. In einem solchen Fall reicht es für eine Zulassung nicht aus, dass das Berufungsgericht die vom Verwaltungsgericht nach zutreffenden Maßstäben gewürdigte Sachlage nach einer eigenen Beweisaufnahme möglicherweise anders beurteilen könnte als das Verwaltungsgericht selbst. Ansonsten wäre die Berufung gegen Urteile, die auf Grund einer Beweisaufnahme ergangen sind, im Regelfall nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, was mit Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung nicht vereinbar wäre (SächsOVG, B.v. 14.3.2006 – 1 B 972). Dies bedeutet, dass eine Beweiswürdigung nur dann mit Erfolg angegriffen werden kann, wenn eine Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder bei offensichtlicher Sachwidrigkeit und Willkürlichkeit geltend gemacht wird (BayVGH, B.v. 29.7.2009 – 11 ZB 07.1043).
a) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Kläger die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht München nicht in Frage stellen können. Das Erstgericht ist auch unter Berücksichtigung der informatischen Anhörung des Klägers und seiner Ehefrau zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger der Reichsbürgerbewegung zugehörig sei. Der Kläger hat mit seinem Zulassungsantrag nicht aufzeigen können, dass das Gericht hiermit eine Beweiswürdigung vorgenommen hat, die nach den oben genannten Grundsätzen die Zulassung der Berufung rechtfertigen würde. Vielmehr wiederholt er insoweit im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht plausibel ausgeführt, dass es aufgrund der persönlichen Vorsprache des Klägers zusammen mit seiner Ehefrau am 11. Januar 2016 beim Landratsamt und angesichts des erheblichen Aufwands, den nicht nur die Ehefrau des Klägers, sondern auch dieser selbst im Zusammenhang jedenfalls mit den beiden Schreiben vom 26. März 2016 und 2. Mai 2016 jeweils an das Landratsamt getrieben hat, nicht davon ausgeht, dass sich letztendlich ausschließlich die Ehefrau des Klägers inhaltlich mit dem Antrag auf einen Staatsangehörigkeitsausweis und den beiden Schreiben vom 26 März 2016 und 2. Mai 2016 beschäftigt und der Kläger diese Dokumente ohne eigene Kenntnis der Thematik und ohne ansatzweise Reflexion blind unterschrieben habe. Hiergegen ist aus zulassungsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Der Kläger hat keine Beweisverstöße durch das Verwaltungsgericht geltend gemacht, sondern nur eine eigene, für ihn günstigere Bewertung der Sachlage vorgenommen; für eine Zulassung reicht dies nicht aus (BayVGH, B.v. 14.10.2009 – 12 ZB 08.1460).
b) Soweit der Kläger vorträgt, das Erstgericht sei gehalten gewesen, seine Ehefrau nicht nur informatorisch, sondern förmlich als Zeugin zu hören, vermag dies ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung zu rechtfertigen. Grundsätzlich gilt im Verwaltungsprozess das sogenannte Freibeweisverfahren. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet insoweit, dass das Gericht nicht an bestimmte Beweisregeln oder Beweisvermutungen gebunden ist. Gleichzeitig wird aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung abgeleitet, dass es keine Rangfolge verschiedener Beweismittel gibt, sie stehen grundsätzlich gleichbedeutend nebeneinander (BeckOK VwGO/ Breunig, § 108 Rn. 7). Es stand daher im vom Berufungsgericht nicht zu beanstandenden Ermessen des Verwaltungsgerichts, die Ehefrau des Klägers informatorisch anzuhören, anstatt sie förmlich als Zeugin zu vernehmen.
c) Soweit der Kläger behauptet, dem Ersturteil könne auch nicht dahingehend gefolgt werden, dass seine Einlassungen im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren bzw. im Rahmen der mündlichen Verhandlung widersprüchlich seien, vermag er mit diesem Vorbringen ebenfalls nicht durchzudringen. Auch insoweit wird die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht angegriffen, sodass die obigen Ausführungen [unter a) ] grundsätzlich entsprechend gelten. Insbesondere hält das Verwaltungsgericht dem Kläger zu Recht vor, er hätte seine im Rahmen der mündlichen Verhandlung versuchte Distanzierung von der Reichsbürgerbewegung bereits im Rahmen seiner Anhörung am 24. November 2016 darstellen oder aber plausibel erklären müssen, warum diese versuchte Distanzierung erst im Gerichtsverfahren stattfand.
3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 50.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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