Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen die Streichung der Frühjahrsferien 2021

Aktenzeichen  7 NE 21.434

Datum:
12.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2843
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
BV Art. 129 Abs. 1
BayEUG Art. 5 Abs. 2, Art. 35 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die durch Verwaltungsvorschrift getroffenen Ferienregelungen können Gegenstand einer abstrakten Normenkontrolle sein, weil sie der Konkretisierung der Schulpflicht dienen und dadurch Außenwirkung entfalten.  (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die coronabedingte Streichung der Frühjahrsferien 2021 hat den behördlichen Ermessensspielraum nicht willkürlich überschritten; insbesondere liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor. (Rn. 31 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Kultusministerkonferenz setzt kein Recht; ihre Vereinbarungen sind auf die Umsetzung und Durchführung durch die Länder angewiesen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin verfolgt im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO das Ziel, den Vollzug von Nr. 1 der „Änderung der Bekanntmachung ‚Ferienordnung und schulfreie Samstage für die Schuljahre 2017/18 bis 2023/2024‘“ vom 15. Januar 2021 – Az. IV.7-BS 4407-6.2 903 – (BayMBl 2021 Nr. 53) einstweilen auszusetzen.
Mit Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 15. Januar 2021 hat der Antragsgegner die Ferienordnung wie folgt geändert:
„Die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst „Ferienordnung und schulfreie Samstage für die Schuljahre 2017/18 bis 2023/2024“ vom 9. September 2014 (KWMBl. S. 206) wird wie folgt geändert:
In Nr. 1.1 wird in der Tabelle Schuljahr 2020/2021 die Tabellenzeile mit den Angaben „Frühjahrsferien 2021“, „15. Februar 2021“ und „19. Februar 2021“ gestrichen.“
Die Bekanntmachung trat nach ihrer Nr. 2 mit Wirkung vom 14. Januar 2021 in Kraft.
Am 10. Februar 2021 stellte die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag (Az. 7 N 21.436). Mit Schriftsatz vom selben Tag beantragt sie (sinngemäß):
Die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 15. Januar 2021, Az. IV.7-BS 4407-6.2 903, betreffend die Änderung der Bekanntmachung „Ferienordnung und schulfreie Samstage für die Schuljahre 2017/18 bis 2023/2024“ wird bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin vom heutigen Tag vorläufig außer Vollzug gesetzt.
Zur Begründung ihres Eilantrags trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, sie besuche die dritte Klasse einer Grundschule. Da die Schulen infolge der Corona Pandemie geschlossen seien, unterrichteten ihre Eltern sie im „Homeschooling“. Hiermit sei eine erhebliche Anstrengung und Belastung sowohl für die Antragstellerin selbst, als auch für ihre berufstätigen Eltern verbunden. Die Antragstellerin und ihre Eltern seien daher dringend auf die ursprünglich für den 15. Februar 2021 bis 19. Februar 2021 vorgesehenen Frühjahrsferien/Faschingsferien angewiesen, um sich wieder regenerieren zu können. Die ursprünglich für das Schuljahr 2020/2021 vorgesehenen Frühjahrsferien seien durch die angegriffene Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 15. Januar 2021 ersatzlos gestrichen worden. Der Antrag sei zulässig, insbesondere sei die Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegeben. Die Antragstellerin berufe sich insoweit auf den durch die Ferienordnung in ihrer bisherigen Fassung vermittelten Vertrauensschutz, wonach die Frühjahrsferien vom 15. Februar 2021 bis 19. Februar 2021 hätten stattfinden sollen. Überdies verstoße die ersatzlose Streichung der Frühjahrsferien gegen das Hamburger Abkommen vom 9. Februar 1973, in der durch Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Mai 2001 geänderten Fassung. Nach § 3 dieses Abkommens betrage die Gesamtdauer der Ferien während eines Schuljahres 75 Werktage. Auch wenn es sich um ein Abkommen zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland handle, habe diese Regelung drittschützenden Charakter zugunsten der Schülerinnen und Schüler. Dies ergebe sich auch aus § 3 Abs. 1 des Hamburger Abkommens, wonach die Ferien in erster Linie nach pädagogischen Gesichtspunkten festzusetzen seien. Durch die streitgegenständliche Änderungsbekanntmachung verstoße der Antragsgegner rechtswidrig gegen dieses Abkommen. Der Vertrauensschutz, der durch die vormalige Ferienordnung begründet worden sei, stehe der ersatzlosen Streichung der Frühjahrsferien durch die streitgegenständliche Bekanntmachung entgegen. Darüber hinaus verstoße die ersatzlose Streichung auch gegen das Hamburger Abkommen. Ein anderes Ergebnis ergebe sich auch nicht aus einer Folgenabwägung. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass es dem Antragsgegner freigestanden hätte, die Frühjahrsferien auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben. Es sei nicht ersichtlich, dass die ersatzlose Streichung der Frühjahrsferien im öffentlichen Interesse liege. Es sei problemlos möglich, den aufgrund der Frühjahrsferien entfallenden Unterrichtsstoff an anderen Tagen nachzuholen.
Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.
Er trägt im Wesentlichen vor, der auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO gerichtete Antrag sei bereits unzulässig, außerdem sei er unbegründet. Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie lege nicht dar, woraus sich der drittschützende Charakter von § 3 des Abkommens zwischen den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens (im Folgenden: Hamburger Abkommen) ergeben solle. Aus § 3 Abs. 1 des Abkommens, wonach die Ferien in erster Linie nach pädagogischen Gesichtspunkten festgesetzt würden, lasse sich kein derartiger Drittschutz ableiten. Zudem sei nicht ersichtlich, dass das Abkommen mit der Vorgabe in § 3 Abs. 2, wonach die Gesamtdauer der Ferien 75 Werktage betrage, Schülern einen Anspruch auf eine bestimmte Anzahl von Ferientagen gewähren wolle. Beim Hamburger Abkommen handle es sich um eine Vereinbarung der Ministerpräsidenten der einzelnen Länder mit dem Ziel, das allgemeinbildende Schulwesen in der Bundesrepublik Deutschland zu vereinheitlichen. Das Verwaltungsabkommen begründe von vornherein keine subjektiven öffentlichen Rechte Dritter. Ein Anspruch der Schüler auf datumsmäßig bestimmte Ferientage könne aus dem Abkommen erst recht nicht hergeleitet werden. Gerade pädagogische Gründe seien der Anlass, die Frühjahrsferien durch eine Unterrichtswoche zu ersetzen, um die Bildungschancen aller Schülerinnen und Schüler in diesem Jahr zu sichern. Damit werde dem pädagogischen Bildungsauftrag des § 3 Abs. 1 des Abkommens in dieser besonderen Situation einer Pandemie Rechnung getragen.
Auch auf Vertrauensschutz könne sich die Antragstellerin nicht berufen. Bereits die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 9. September 2014 (Ferienordnung und schulfreie Samstage für die Schuljahre 2017/2018 bis 2023/2024) sehe unter Nr. 1.4 vor, dass das Staatsministerium zusätzlich aus besonderen Gründen Abweichungen von der Ferienordnung anordnen oder genehmigen könne. Daneben bestehe auch die Möglichkeit, die Ferienordnung durch eine Bekanntmachung zu ändern. Da die Änderungsbekanntmachung mit Wirkung vom 14. Januar 2021 in Kraft getreten sei, habe die Antragstellerin im Übrigen ausreichend Zeit gehabt, sich auf die Abweichung von der Ferienordnung einzustellen. Indem die Antragstellerin selbst einräume, dass Abweichungen von der Ferienordnung möglich gewesen seien, sei bereits ein Vertrauen in die konkreten Ferientermine ausgeschlossen.
Es sei insbesondere nicht ersichtlich, inwieweit ein Anspruch der Antragstellerin auf die Frühjahrsferien gerade in der Zeit vom 15. Februar 2021 bis 19. Februar 2021 bestehe. Das Vorbringen der Antragstellerin sei insoweit bereits widersprüchlich, da eingeräumt werde, dass es dem Antragsgegner freigestanden hätte, die Frühjahrsferien zu verschieben. Soweit sich die Antragstellerin auf das Regenerationsbedürfnis der Eltern berufe, sei dies erst recht nicht geeignet, eine Antragsbefugnis zu begründen.
Dass die Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) oder in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verletzt sein könnte, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit sie ein Regenerationsbedürfnis geltend mache, werde damit auch keine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, behauptet.
Der Antrag sei außerdem unbegründet. Die Ferienordnung werde in erster Linie nach pädagogischen Gesichtspunkten festgesetzt. Der Antragsgegner habe ein erhebliches Ermessen, wie er den Auftrag, eine Ferienordnung zu regeln, umsetze. Ein Anspruch auf 75 Ferientage bestehe von vornherein nicht. Weiterhin unterliege die schulorganisatorische Maßnahme nur begrenzt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Dies gelte auch im vorliegenden Fall, in dem die Schulschließungen aus Gründen der Pandemiebekämpfung wirkungsvolle Maßnahmen erforderten, damit die Kinder nicht zu Verlierern des dynamischen Infektionsgeschehens würden. Der Schulaufsicht müsse bei der Organisation des Schulbetriebs und der Entscheidung über unterrichtsfreie Zeiten schon angesichts der Komplexität der Aufgabe ein Spielraum bleiben, um diese Aufgabe bewältigen zu können. Die Streichung der Frühjahrsferien sei erfolgt, um die vorangegangenen Beeinträchtigungen des regulären Unterrichtsbetriebs zugunsten der Schülerinnen und Schüler zu kompensieren. Die kurzfristige Entscheidung sei dem äußerst dynamischen Pandemiegeschehen geschuldet. Bereits getroffenen zeitlichen Dispositionen von Schülerinnen und Schülern werde mit einer großzügigen Handhabung der Befreiungsregelungen Rechnung getragen. Mit der Streichung der Frühjahrsferien seien keine übermäßigen Belastungen der Schülerinnen und Schüler verbunden. Durch den Unterrichtsausfall an anderen Tagen (z.B. am 21. und 22.12.2020) würden die zusätzlichen Unterrichtstage im Februar in regenerativer Hinsicht kompensiert. Das sogenannte Hamburger Abkommen könne weder einen Rechtsanspruch noch Vertrauensschutz vermitteln. Mittlerweile sei das Hamburger Abkommen durch die „Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen“ vom 15. Oktober 2020 abgelöst worden. Auch bei der Ländervereinbarung handle es sich lediglich um einen Beschluss der Kultusministerkonferenz, dem mangels Rechtsnormcharakter wiederum keine rechtliche Bindung zukomme. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits festgestellt, dass Beschlüsse der Kultusministerkonferenz Entscheidungen seien, die keine unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen hätten, sondern der Umsetzung in den einzelnen Bundesländern bedürften.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig, insbesondere ist der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO statthaft (nachfolgend 1). Zugunsten der Antragstellerin wird davon ausgegangen, dass sie nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt ist (nachfolgend 2).
1. Nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Die hier im Normenkontrollverfahren zur Prüfung gestellte Änderungsbekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 15. Januar 2021 mit der die „Ferienordnung und schulfreie Samstage für die Schuljahre 2017/2018 bis 2023/2024“ insoweit geändert wurde, dass die dort ursprünglich für den Zeitraum vom 15. Februar 2021 bis 19. Februar 2021 vorgesehenen Frühjahrsferien gestrichen wurden, ist eine solche Rechtsvorschrift. Die Ferienordnung, die auf Art. 5 Abs. 2 des Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen – BayEUG – (i.d.F. der Bek. vom 31.5.2000 [GVBl S. 414, BayRS 2230-1-1-K], zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.7.2020 [GVBl S. 386]) beruht, hat der Antragsgegner als Bekanntmachung und damit erkennbar nicht als Rechtsverordnung, sondern als Verwaltungsvorschrift getroffen (vgl. Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand Nov. 2020, Art. 5 BayEUG Rn. 4; Dirnaichner in PdK Bay, Kommentar, Stand Februar 2021, Art. 5 BayEUG, Erl. Nr. 2).
Zwar sind allein verwaltungsintern bindende und steuernde Verwaltungsvorschriften keine Rechtsvorschriften im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Denn ihnen fehlt die für eine Rechtsvorschrift charakteristische Außenwirkung. Aber zu den im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften gehören nach der Zweckrichtung der Normenkontrolle und dem danach gebotenen weiten Begriffsverständnis nicht nur Satzungen und Rechtsverordnungen, sondern auch solche (abstrakt-generellen) Regelungen der Exekutive, die rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfalten und auf diese Weise dessen subjektiv-öffentlichen Rechte unmittelbar berühren (BVerwG, U.v. 25.11.2004 – 5 CN 1.03 – BVerwGE 122, 264 Rn. 24 m.w.N.; grundlegend B.v. 25.11.1993 – 5 N 1.92 – BVerwGE 94, 335).
Die formal durch den Antragsgegner in einer Verwaltungsvorschrift getroffene konkrete Festsetzung der zeitlichen Verteilung der Ferien für die Schuljahre 2017/2018 bis 2023/2024 und damit u.a. auch für das hier maßgebliche Schuljahr 2020/2021 dient der Konkretisierung der Schulpflicht (Art. 129 Abs. 1 BV, Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEUG). Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners legt die Ferienordnung damit zugleich mit Außenwirkung u.a. für die betroffenen Schülerinnen und Schüler die Zeiten fest, in denen sie während des Schuljahres (Art. 5 Abs. 1 BayEUG) aus Anlass der Ferien nicht am Unterricht – sei es im Präsenz-, Distanz- oder Wechselunterricht – teilnehmen müssen. Die Ferienordnung ist somit mehr als ein reines Verwaltungsinternum. Sie gewährt vielmehr nach ihrem Inhalt den Schülerinnen und Schülern unmittelbar das Recht, vom Unterricht fernzubleiben, und ist folglich in ihrer Außenwirkung mit sonstigen Rechtsvorschriften (Rechtsverordnungen, Satzungen) im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO vergleichbar.
2. Zugunsten der Antragstellerin wird davon ausgegangen, dass sie nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt ist.
Antragsbefugt ist danach jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO soll in gleicher Weise wie § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO Popularklagen verhindern. Demgemäß können an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung in diesem Sinn keine höheren Anforderungen gestellt werden als sie auch für die Klagebefugnis gelten (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Ein Antragsteller muss danach hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 10.3.1998 – 4 CN 6.97 – NVwZ 1998, 205; U.v. 11.12.2003 – 4 CN 10.02 – BVerwGE 119, 312; BayVGH, U.v. 17.6.2010 – 14 N 09.229 – VGH n.F. 63, 189 Rn. 24 f.). Eine Antragsbefugnis ist dann nicht gegeben, wenn Rechte eines Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (BVerwG, U.v. 11.12.2003 a.a.O. m.w.N.).
Soweit sich die Antragstellerin auf eine mögliche Verletzung des Hamburger Abkommens beruft, hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass sie keine hinreichend substantiierten Tatsachen dafür vorträgt, warum sie sich als Schülerin auf die in diesem Abkommen getroffenen Vereinbarungen zwischen den Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland berufen kann. Es genügt im Rahmen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht, lediglich zu behaupten, dass § 3 des Abkommens drittschützenden Charakter zu ihren Gunsten habe. Im Hinblick auf die behauptete Verletzung des Vertrauensschutzes bzw. die Berufung der Antragstellerin auf die durch die Streichung der Frühjahrsferien fehlende Regenerationsmöglichkeit ist zu ihren Gunsten jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass Rechte der Antragstellerin verletzt sein können.
II.
Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist jedoch unbegründet.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor.
a) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, wenn sich der Regelungsgehalt der angegriffenen Norm mit hoher Wahrscheinlichkeit vor einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag erschöpfen wird (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.2021 – 20 NE 21.201 – n.v. Rn. 20; B.v. 26.1.2021 – 20 NE 21.162 – juris Rn. 11).
Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 29.1.2021 – 20 NE 21.201 – n.v. Rn. 20; B.v. 26.1.2021 – 20 NE 21.162 – juris Rn. 11 f.).
b) Nach diesen Maßstäben geht der Senat davon aus, dass der Normenkontrollantrag sich in der Hauptsache voraussichtlich als unbegründet erweisen wird. Vor dem Hintergrund, dass die Änderungsbekanntmachung mit Ablauf des 19. Februar 2021 faktisch an Wirkung verlieren wird, ergibt die – nicht nur summarische – Prüfung, dass gegen die angegriffene Änderungsbekanntmachung keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
aa) Die angegriffene Änderung der Ferienordnung mit Bekanntmachung vom 15. Januar 2021 ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf Art. 5 Abs. 2 BayEUG. Aus der dort enthaltenen Befugnis zur Festsetzung der Ferienordnung ergibt sich auch die Befugnis des zuständigen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, die in der „Ferienordnung und schulfreie Samstage für die Schuljahre 2017/18 bis 2023/2024“ vom 9. September 2014 festgesetzten Ferientermine zu ändern.
(1) Formelle Bedenken gegen die Änderungsbekanntmachung vom 15. Januar 2021 sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere erfolgte die Bekanntmachung in dem dafür vorgesehenen Bayerischen Ministerialblatt (vgl. Nr. 3.1 der VeröffBek).
(2) Die Änderung der Ferienordnung mit Bekanntmachung vom 15. Januar 2021 ist auch materiell nicht zu beanstanden.
(a) Bei der Regelung der Ferienzeiten durch Festsetzung der Ferientermine handelt es sich um eine schulorganisatorische Maßnahme, die die Schulpflicht lediglich konkretisiert (vgl. Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Art. 5 BayEUG Rn. 4). Sie kann von der Schulaufsichtsbehörde, hier dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, nach pflichtgemäßem Ermessen durch Verwaltungsvorschrift erlassen werden (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 15.11.1974 – VII C 12.74 – BVerwGE 47, 201 ff. zur Einführung der Fünf-Tage-Woche durch Verwaltungsvorschrift).
Die Festsetzung der Ferientermine wird durch pädagogische und schulorganisatorische Erfordernisse bestimmt. Dabei steht vor allem der Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund. Aber auch die Rhythmisierung von Lern- und Erholungszeiträumen, sowie Notwendigkeiten in Bezug auf Prüfungsabläufe sind zu berücksichtigen. Der der Schulverwaltung insoweit eingeräumte Entscheidungsspielraum unterliegt nur einer begrenzten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. BayVGH, B.v. 7.12.1992 – 7 CE 92.3287 – juris Rn. 13). Weder kann die Antragstellerin nach Art. 2 Abs. 1 GG, noch können ihre Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG verlangen, dass einmal in der Ferienordnung festgelegte Ferientermine keiner Änderung unterliegen. Insbesondere wird das elterliche Erziehungsrecht durch das staatliche Schulorganisationsrecht notwendig begrenzt (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1970 – VII C 62.68 – BVerwGE 35, 111).
(b) Der Antragsgegner hat seine Entscheidung, die ursprünglich festgesetzten Frühjahrsferien im Zeitraum vom 15. Februar 2021 bis 19. Februar 2021 zu streichen, damit begründet, dass die durch die COVID-19-Pandemie vorangegangenen Beeinträchtigungen des regulären Unterrichtsbetriebs, insbesondere der völlige Ausfall von Präsenzunterricht im Januar 2021, durch eine zusätzliche Unterrichtswoche statt einer Ferienwoche kompensiert werden sollen. Die kurzfristige Entscheidung sei dem dynamischen Pandemiegeschehen geschuldet gewesen. Mit der Streichung der Frühjahrsferien sei keine übermäßige Belastung der Schülerinnen und Schüler verbunden, da diese durch die verlängerten Weihnachtsferien (21. und 22.12.2020) zusätzliche Regenerationszeit gehabt hätten.
(c) Die vom Antragsgegner für die Streichung der Frühjahrsferien angeführten Ermessenserwägungen sind nicht zu bestanden. Den nachvollziehbaren Ausführungen des Antragsgegners war die Streichung der Dynamik des pandemischen Geschehens und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Unterrichtsbetrieb geschuldet. Der Antragsgegner hat den ihm eingeräumten Entscheidungsspielraum nicht willkürlich überschritten.
(d) Die Antragstellerin kann sich vorliegend nicht darauf berufen, dass der ersatzlosen Streichung der Frühjahrsferien Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegenstünden. Ihre Argumentation ist insoweit schon nicht konsistent, als sie in ihrer Antragsbegründung einerseits ausführt, sie habe auf die festgesetzten Ferientermine vertraut und benötige diese nun zur Regeneration, andererseits jedoch meint, es hätte dem Antragsgegner freigestanden, die Frühjahrsferien auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben. Damit bleibt offen, worauf sich das von der Antragstellerin behauptete Vertrauen letztlich gründet.
Ungeachtet dessen steht einem schützenswerten Vertrauen der Antragstellerin Nr. 1.4 der Ferienordnung entgegen, wonach das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus aus besonderen Gründen Abweichungen von der Ferienordnung anordnen oder genehmigen kann. Daneben bleibt es dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus unbenommen, die Ferienordnung – wie vorliegend – im Wege einer Änderungsbekanntmachung zu modifizieren. Daraus ergibt sich, dass ein Vertrauensschutz in die unveränderte Festsetzung von Ferienterminen von vornherein nicht gegeben ist. Hinzu kommt, dass bereits im laufenden Schuljahr zahlreiche kurzfristige Änderungen des Schulbetriebs – wie beispielsweise die Festlegung von zusätzlichen zwei Ferientagen vor Weihnachten 2020 – vorgenommen worden sind und damit der Antragstellerin hätte bewusst sein können, dass gerade in Zeiten der COVID-19-Pandemie auch mit einer weiteren Änderung der Ferienzeiten zu rechnen ist.
Es ist nicht erkennbar, dass es der Antragstellerin nicht möglich war, sich innerhalb eines Monats seit dem Inkrafttreten der Änderungsbekanntmachung am 14. Januar 2021 auf die veränderten Umstände einzustellen. Darüber hinaus hat der Antragsgegner mitgeteilt, bereits getroffenen zeitlichen Dispositionen von Schülerinnen und Schülern werde mit einer großzügigen Handhabung der Befreiungsregelungen begegnet.
(e) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin war bei Änderung der Ferienordnung das Hamburger Abkommen bereits deshalb nicht zu beachten, weil dieses durch die Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen (Beschluss der Kultusministerkonferenz v. 15.10.2020 – im Folgenden: Ländervereinbarung) abgelöst worden ist (vgl. Art. 44 Abs. 1 der Ländervereinbarung).
(f) Die Änderungsbekanntmachung verstößt ferner nicht gegen Art. 25 Abs. 2 Satz 1 der Ländervereinbarung. Dieser statuiert, dass die Feriengesamtdauer während eines Schuljahres 75 Werktage beträgt. Bei diesem Länderabkommen handelt es sich um einen Beschluss der Kultusministerkonferenz. Beschlüsse der Kultusministerkonferenz haben keine unmittelbaren rechtlichen Außenwirkungen, sondern bedürfen der Umsetzung in den einzelnen Bundesländern (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.2006 – 1 BvR 698/06 – juris Rn. 10). Der Ländervereinbarung kommt damit keine Rechtsnormqualität zu; die Kultusministerkonferenz setzt kein Recht, sondern gibt als Instrument des „kooperativen Föderalismus“ Empfehlungen für eine einheitliche Verwaltungspraxis der Länder (vgl. BVerwG, B.v. 6.1.1999 – 6 B 19.98 – juris Rn. 3). Dass die Ländervereinbarung – ebenso wie vormals das Hamburger Abkommen – auf die Durchführung und Umsetzung durch die Länder angewiesen ist, ergibt sich zudem aus Art. 44 Abs. 2 des Länderabkommens, wonach, wo notwendig, entsprechendes Landesrecht anzupassen ist. Daraus folgt, dass für die Ferienordnung grundsätzlich nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ist, dass eine Ferienzeit von insgesamt 75 Werktagen einschließlich von 12 Samstagen festgelegt wird. Unabhängig davon setzt die Ferienordnung für das Schuljahr 2020/2021 auch in der nunmehr geänderten Form unter Berücksichtigung der um zwei Tage verlängerten Weihnachtsferien am 21. und 22. Dezember 2020 insgesamt 75 Ferientage fest.
bb) Da der Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, ist vorliegend der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen geboten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da sich der Regelungsgehalt der von der Antragstellerin angegriffenen Änderungsbekanntmachung mit Ablauf des 19. Februar 2021 erschöpft, zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht angebracht ist.


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