Aktenzeichen 8 CS 19.173
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
GG Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 103 Abs. 1
Leitsatz
Auch wenn Art. 19 Abs. 4 GG effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt gewährleistet, kann der Zugang zu den Gerichten von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich von einem bestehenden Rechtsschutzinteresse, abhängig gemacht werden. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 6 S 18.1897 2019-01-14 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Bevollmächtigten wird abgelehnt.
Gründe
Der Senat legt das als „Beschwerde und Sprungrevision“ bezeichnete Schreiben des anwaltlich nicht vertretenen Antragstellers vom 19. Januar 2019 dahin aus, dass Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Januar 2019 (Az. Au 6 S 18.1897) beantragt wird.
Der so verstandene Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet.
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
1. Das Verwaltungsgericht hat das Schreiben des Antragstellers vom 10. November 2018 zu Recht nicht lediglich als isolierten Prozesskostenhilfeantrag behandelt. Denn der Antragsteller hat den darin gestellten Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht unter dem Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Aus seinen Darlegungen wird nicht ersichtlich, dass dieser sowie die weiteren im Laufe des Verfahrens gestellten Anträge nur für den Fall einer Stattgabe seines Prozesskostenhilfeantrags verbeschieden werden sollten.
2. Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht die Anträge wegen des Fehlens einer ladungsfähigen Anschrift als unzulässig bewerten durfte. Denn es hat die Ablehnung der Anträge darüber hinaus auf andere, selbständig tragende Gründe gestützt, die durch die Ausführungen des Antragstellers nicht infrage gestellt werden.
2.1 So begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht auch die Statthaftigkeit des Eilantrags verneint hat. Denn ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nur in den Fällen des § 80 Abs. 2 VwGO statthaft, in denen eine Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt keine aufschiebende Wirkung hat. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, ist das hier nicht der Fall, weil der Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2018, gegen den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz beantragt hat, keine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit enthält. Auch die Zwangsgeldandrohung in Nummer 2 des Bescheids, die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG grundsätzlich sofort vollziehbar ist, steht unter der Bedingung der Unanfechtbarkeit der in Nummer 1 getroffenen Anordnung, so dass sie im Falle der Klageerhebung nicht vollzogen werden kann. Der Umstand, dass der Antragsteller innerhalb der Klagefrist keine Klage erhoben hat und der Bescheid damit bestandskräftig geworden ist, ändert nichts daran, dass die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit des Antrags nicht vorliegen. Vielmehr geht das Verwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass im Hinblick darauf auch das Rechtsschutzbedürfnis für den beantragten Eilrechtsschutz fehlt. Entgegen der vom Antragsteller vertretenen Rechtsauffassung sind diese Zulässigkeitsvoraussetzungen mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und dem in Art. 103 Abs. 1 GG verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör vereinbar. Auch wenn Art. 19 Abs. 4 GG effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt gewährleistet, kann der Zugang zu den Gerichten von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich von einem bestehenden Rechtsschutzinteresse, abhängig gemacht werden (BVerfG, B.v. 27.12.2006 – 2 BvR 803/05 – NVwZ 2007, 151 = juris Rn. 11 f. m.w.N.). Es liegen hier auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Verwaltungsgericht bei der Auslegung und Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften dem Antragsteller den Zugang zu einer gerichtlichen Sachentscheidung in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert hat (vgl. hierzu etwa BVerfG, B.v. 24.10.2017 – 1 BvR 877/13 – NVwZ 2018, 579 = juris Rn. 24 m.w.N.).
Da die Zulässigkeitsvoraussetzungen des vom Antragsteller eingelegten Rechtsmittels nicht vorlagen, war dem Verwaltungsgericht eine Sachentscheidung verwehrt. Schon deshalb greift der Einwand des Antragstellers, das Gericht hätte sich durch einen Augenschein ein Bild vom Standplatz des von ihm bewohnten Wagens machen müssen, ebenso wenig durch wie seine Rüge, die Kammer habe die von der Antragsgegnerin vorgenommene Ermessensausübung nicht überprüft.
2.2 Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Satzung der Antragsgegnerin über die Benutzung des Wohnmobilstellplatzes vom 12. Oktober 2018 als nicht statthaft erachtet. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist für die Überprüfung der Wirksamkeit einer kommunalen Satzung das Normenkontrollverfahren, das in die Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte fällt, der statthafte Rechtsbehelf. Das Verwaltungsgericht prüft die Rechtmäßigkeit einer Satzung lediglich inzident, soweit diese als Rechtsgrundlage eines angegriffenen oder begehrten Verwaltungsakts in Betracht kommt. Ungeachtet der Unzulässigkeit des Eilantrags des Antragstellers kann eine solche inzidente Überprüfung der Satzung vom 12. Oktober 2018 durch das Verwaltungsgericht hier aber schon deshalb nicht erfolgen, weil die Antragsgegnerin die von ihm angegriffene Beseitigungsanordnung vom 12. Oktober 2018 nicht auf diese Satzung, sondern auf die Bestimmungen des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes gestützt hat.
2.3 Auch die Ablehnung der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm eine Stromversorgung auf dem Parkplatz zur Verfügung zu stellen, weist keine Rechtsfehler auf. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, besteht keine Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch; auf die Ausführungen wird Bezug genommen. Soweit der Antragsteller geltend macht, auf die Stromversorgung angewiesen zu sein, weil ihm der Wagen, auf den die Beseitigungsanordnung der Antragsgegnerin zielt, als Wohnung dient, ist er auf die Möglichkeit der Beantragung von Leistungen des Zweiten bzw. Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch oder auf die ihm von der Antragsgegnerin bereits wiederholt angebotene Nutzung einer Obdachlosenunterkunft zu verweisen.
2.4 Die beabsichtigte Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung bietet auch keine Aussicht auf Erfolg, soweit der Antrag, das Verfahren ruhend zu stellen, abgelehnt wird. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachte Eilbedürftigkeit die nach §§ 173 Satz 1 VwGO, 251 Satz 1 ZPO erforderliche Sachdienlichkeit einer solchen Anordnung verneint. Zudem liegt kein entsprechender Antrag der Antragsgegnerin vor. Dem Vorbringen des Antragstellers lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Voraussetzungen einer Aussetzung gemäß § 94 VwGO vorliegen.
3. Einer Entscheidung über die Kosten des bedarf es nicht, weil im Prozesskostenhilfeverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden und eine Erstattung der außergerichtlichen Kostenerstattung nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO ausgeschlossen ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).