Verwaltungsrecht

Erfolgloser vorläufiger Rechtsschutz gegen eine tierschutzrechtliche Anordnung

Aktenzeichen  9 CE 16.2015

Datum:
30.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 67 Abs. 4, § 88, § 123 Abs. 1 S. 2, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO ZPO § 114 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Im Rahmen der Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 S. 1 VwGO iVm § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso in Frage kommt wie ein Unterliegen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist nur zulässig, wenn ein Abwarten der Hauptsache schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. (redaktioneller Leitsatz)
3 Einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich eines Auskunftsbegehrens kann es am Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn sich ein Antragsteller vor Antragstellung bei Gericht nicht mit einem entsprechenden Antrag an den Antragsgegner gewandt hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 E 16.1267 2016-08-31 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 31. August 2016 wird abgelehnt.

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Wegnahme und den Verkauf von 14 Ziervögeln rückgängig zu machen, sowie die Antragsgegnerin zu verpflichten, die derzeitigen Halter der Tiere zu benennen.
Mit Bescheid vom 24. November 2015 ordnete die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin, die sich seit dem 23. Oktober 2015 in Haft befindet, die Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung von 14 im Anwesen M.-.straße … in Landshut gehaltenen Ziervögeln an. Die Anordnung wurde für sofort vollziehbar erklärt. Mit Klage vom 4. Juli 2016 erhob die Antragstellerin Klage gegen diesen Bescheid. Nachdem das Verwaltungsgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2016 als unzulässig abgewiesen hatte, weil eine Bekanntgabe des Bescheids vom 24. November 2015 an die Antragstellerin vor Klageerhebung nicht wirksam erfolgt ist, nahm die Antragstellerin die Klage mit einer am 21. Oktober 2016 beim Verwaltungsgericht eingegangene Erklärung zurück.
Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte mit Beschluss vom 31. August 2016 den Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Soweit die Antragstellerin begehre, die Fortnahme und Veräußerung der Vögel rückgängig zu machen, liege hierin eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache, die im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zulässigerweise nicht zugesprochen werden könne. Hinsichtlich der beantragten Auskunftserteilung fehle der Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil sie keinen vorhergehenden Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt habe.
Mit der persönlich erhobenen „sofortigen Beschwerde“ vom 19. September 2016 wendet sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz. Ein bestimmter Antrag wurde nicht gestellt.
Die Antragsgegnerin stellt ebenfalls keinen Antrag, hält aber die Beschwerde für unbegründet. Im Übrigen sei die Antragstellerin nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II. Der Senat legt das als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete Schreiben der anwaltlich nicht vertretenen Antragstellerin vom 19. September 2016 zu ihren Gunsten dahin aus, dass Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 31. August 2016 beantragt wird.
1. Nach dem abschließend geregelten Rechtsmittelsystem der VwGO ist eine „sofortige Beschwerde“ nicht vorgesehen, so dass das Schreiben der Antragstellerin vom 19. September 2016 zunächst als Einlegung einer Beschwerde verstanden werden könnte. Eine solche wäre jedoch unzulässig und damit nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO kostenpflichtig (Nr. 5240 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) zu verwerfen, weil sie nicht durch einen gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3 VwGO vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist (§ 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO). Die Antragstellerin wurde hierauf in der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Beschlusses hingewiesen. Einer erneuten Einlegung des Rechtsmittels durch eine in § 67 Abs. 2 VwGO bezeichnete Person oder Organisation steht der Ablauf der Frist des § 147 Abs. 1 VwGO entgegen (vgl. BayVBH, B. v. 8.2.2016 – 4 CS 16.217 – juris Rn. 5).
2. Da die Antragstellerin im Schreiben vom 19. September 2016 zusätzlich beantragt, ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren, entspricht es ihrem Rechtsschutzbegehren, ihr Schreiben als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte, noch zu erhebende Beschwerde auszulegen (§ 88 VwGO). Der Antrag kann aber auch bei einer solchen Auslegung keinen Erfolg haben.
Der Antrag der Antragstellerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bietet nach dem im Verfahren der Prozesskostenhilfe maßgeblichen Prognosemaßstab keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO).
Im Rahmen der Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO dürfen die eigentliche Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht aus dem Hauptsacheverfahren in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert und die Anforderungen nicht überspannt werden (BVerfG, B. v. 28.1.2013 – 1 BvR 274/12 – juris Rn. 12). Der Erfolg muss nicht gewiss sein; es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso in Frage kommt, wie ein Unterliegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 166 Rn. .26). Nach diesem Maßstab bleibt der Antrag erfolglos.
a) Soweit die Antragstellerin begehrt, die Fortnahme und Veräußerung der Vögel rückgängig zu machen, läuft dies auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinaus, die nur zulässig ist, wenn ein Abwarten der Hauptsache für die Antragstellerin schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (vgl. BVerwG, B. v. 10.2.2011 – 7 VR 6.11 – juris Rn. 6). Hierzu ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.
b) Dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich des Auskunftsbegehrens fehlt es – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – bereits am Rechtsschutzbedürfnis, weil nicht ersichtlich ist, dass sich die Antragstellerin vor Antragstellung bei Gericht mit einem entsprechenden Antrag an die Antragsgegnerin gewandt hat. Unabhängig davon sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass ausnahmsweise eine sofortige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes geboten wäre.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, weil das Prozesskostenhilfeverfahren gerichtsgebührenfrei ist. Auslagen im Sinn des § 118 Abs. 1 Satz 5 ZPO sind nicht entstanden; die im Prozesskostenhilfeverfahren entstandenen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
Die Entscheidung ergeht nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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