Verwaltungsrecht

Erfolgloser vorläufiger Rechtsschutzantrag eines Unionsbürgers nach bestandskräftiger Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts

Aktenzeichen  AN 5 E 20.02706

Datum:
21.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45354
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123 Abs. 1
FreizügG/EU § 7

 

Leitsatz

Lehnt die Ausländerbehörde einen Antrag nach § 7 Abs. 2 S. 8 FreizügG/EU ab, ist in der Hauptsache hiergegen eine Verpflichtungsklage und im Eilrechtsschutz ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft. (Rn. 15) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten der Verfahren zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage auf Aufhebung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 20. November 2020 und die Verpflichtung der Antragsgegnerin, keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu ergreifen.
Der am … geborene Antragsteller ist griechischer Staatsangehöriger. Er hielt sich zuletzt seit 2012 im Bundesgebiet auf.
Mit Verfügung der Antragsgegnerin vom 26. Juli 2017 wurde der Verlust des Freizügigkeitsrechts gegenüber dem Antragsteller festgestellt, die Wirkungen dieser Maßnahme wurden auf acht Jahre ab Ausreise bzw. Abschiebung befristet, der Sofortvollzug wurde angeordnet. Zudem wurde der Antragsteller zur Ausreise binnen einen Monats nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung aufgefordert, anderenfalls wurde die Abschiebung insbesondere nach Griechenland angedroht. Anlass der Verlustfeststellung war die Verurteilung des Antragstellers durch das Landgericht … vom 26. Februar 2016 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. März 2019 wurde der gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 26. Juli 2017 gerichtete Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt (AN 5 S 17.01619), mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. März 2019 wurde die Klage abgewiesen (AN 5 K 17.01620). Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Oktober 2019 wurde der Beschwerdeantrag zurückgewiesen und der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt (19 CS 19.864 und 19 ZB 19.914).
Das Landgericht … setzte mit Beschluss vom 20. Februar 2020 den weiteren Vollzug der Unterbringung des Antragstellers sowie die weitere Vollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe von 6 Jahren ab dem 18. Mai 2020 unter Auflagen zur Bewährung aus.
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 15. Juli 2020 die Erteilung einer Duldung oder eine entsprechende Bescheinigung sowie die Feststellung, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot in Wegfall gerät.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2020 wurde der Antragsgegner zur beabsichtigten Ablehnung der Erteilung einer Duldung und der Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes angehört. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht. Auch ist der Antragsteller noch nicht unter der von ihm genannten Wohnadresse melderechtlich erfasst.
Mit Bescheid vom 6. November 2020 lehnte die Antragsgegnerin die Aufhebung bzw. Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes (Ziffer I) und die Erteilung einer Duldung (Ziffer II) ab.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes im vorliegenden Fall nach § 7 Abs. 2 Satz 8 FreizügG/EU richte. Zwar sei der weitere Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie die weitere Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe von 6 Jahren beim Antragsteller ab dem 18. Mai 2020 auf Bewährung ausgesetzt. Allerdings sei die Bewährungszeit auf 5 Jahre festgesetzt worden, gleichzeitig sei Führungsaufsicht eingetreten, die nicht abgekürzt und auf 5 Jahre festgelegt wurde. Zudem seien dem Antragsteller insgesamt neun Weisungen auferlegt worden. Die Antragsgegnerin gehe auch weiterhin von einer gegenwärtigen Wiederholungsgefahr beim Antragsteller aus, dies insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antragsteller seit seinem 14. Lebensjahr Drogen, unter anderem Kokain und Crystal Meth, und bis zu seiner Festnahme täglich Heroin konsumiert hat.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2020 hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. November 2020 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller die begehrte Aufenthaltserlaubnis, höchstvorsorglich eine Duldung zu erteilen.
Darüber hinaus hat der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen den Bescheid der Antragsgegnerin anzuordnen sowie der Antragsgegnerin im Rahmen der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO vorläufig zu untersagen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu ergreifen.
Zur Begründung wurde auf den außergerichtlichen Schriftverkehr verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2020 hat die Antragsgegnerin beantragt, die Klage abzuweisen und die Anträge abzulehnen und zur Begründung im Wesentlichen auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Behördensowie auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist hinsichtlich der in Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheids erfolgten Versagung der Verkürzung bzw. Aufhebung des bereits mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 26. Juli 2017 festgesetzten Einreise- und Aufenthaltsverbots von 8 Jahren und auch hinsichtlich der in Ziffer II. des streitgegenständlichen Bescheids versagten Duldung kein effektiver und damit kein statthafter Rechtsbehelf. Insoweit ist der Antragsteller in der Hauptsache auf eine Verpflichtungsklage und im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes auf den hier ebenfalls gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verweisen und der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO als unzulässig abzulehnen.
Der Antrag, der Antragsgegnerin im Rahmen der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO vorläufig zu untersagen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu ergreifen, ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat die Antragstellerin sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Zwar ist im vorliegenden Fall auf Grund der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. Juli 2017 von einer grundsätzlich bevorstehenden Abschiebung und damit von einem Anordnungsgrund auszugehen.
Den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht. Danach ist die Abschiebung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Der Antragsteller ist gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da er den für den Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Die Ausreisepflicht ist vorliegend nach Androhung der Abschiebung mit Bestandskraft der Verfügung der Antragsgegnerin vom 26. Juli 2017 gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch vollziehbar.
Tatsächliche oder rechtliche Gründe, die die Abschiebung unmöglich machen würden, wurden aber nicht substantiiert dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.
Zur weiteren Begründung wird im Übrigen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheids des Antragsgegners vom 6. Oktober 2020 Bezug genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen.
Nach alledem waren die Anträge abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.


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