Verwaltungsrecht

Erfolgloses Eilverfahren bzgl. eines als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylbegehrens eines Flüchtlings aus Albanien

Aktenzeichen  M 2 S 17.46295

Datum:
26.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 3 ff., § 29a, § 36 Abs. 3, Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. In Albanien als sicherem Herkunftsland gibt es weder relevante religiös motivierte Konflikte noch eine Verfolgung oder Bedrohung von Homosexuellen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die allgemeine wirtschaftliche, soziale und humanitäre Situation in Albanien führt zu keiner für Abschiebungsschutz relevante Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist albanischer Staatsangehöriger. Eigenen Angaben zufolge reiste er am 14. Dezember 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein; er stellte hier am 20. Dezember 2016 einen Asylantrag.
Der Antragsteller wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 11. Januar 2017 angehört. Mit Bescheid vom 20. Juli 2017, dem Antragsteller zugestellt am 24. Juli 2017, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), Asylanerkennung (Nr. 2) und Gewährung von subsidiärem Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Albanien oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Der Antragsteller erhob zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 27. Juli 2017 Klage, die dort unter M 2 K 17.46097 anhängig ist, und beantragt dabei sinngemäß, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheids vom 20. Juli 2017 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung, hilfsweise die des subsidiären Schutzstatus, und weiter hilfsweise, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen. Über die Klage wurde bislang noch nicht entschieden. Zudem wird von ihm beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung nimmt der Antragsteller Bezug auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt.
Die Antragsgegnerin hat die Behördenakten elektronisch vorgelegt; sie stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 2 K 17.46097 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der statthafte Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 75 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) ist zulässigerweise in der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG erhoben worden, hat in der Sache allerdings keinen Erfolg. Er ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 Grundgesetz – GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
1. Nach Art. 16a GG, § 36 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i.S.d. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG (und sodann auch § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG) vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz sonach zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung und auf Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 40). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag gemäß § 30 Abs. 1 AsylG dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist zudem vom Bundesamt in seiner Entscheidung über einen Asylantrag auch festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine offensichtliche Unbegründetheit einer Asylklage dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – juris).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des Bundesamts für die vorliegend allein noch streitige Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzes und der Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten. An der Richtigkeit der Feststellungen des Bundesamtes bestehen vernünftigerweise keine Zweifel. Bei dem zur Entscheidung gestellte Sachverhalt drängt sich dem erkennenden Gericht die Abweisung des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers auf.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 20. Juli 2017 verwiesen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes festzustellen:
2.1 Für das Gericht ist offensichtlich, dass dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung von internationalem Schutz nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG nicht zusteht.
Die insoweit allein noch streitgegenständliche Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der subsidiären Schutzberechtigung als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i.S.d. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Das Heimatland des Antragstellers, Albanien, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne (vgl. § 29a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II). Die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat erfolgte aufgrund des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl I S. 1722) mit Wirkung vom 24. Oktober 2015. Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – Rn. 65). Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken.
Der Antragsteller hat die normative Nichtverfolgungsvermutung auch nicht ansatzweise durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Die von ihm angegebenen Tatsachen und Beweismittel begründen gerade nicht die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Weder der Vortrag zur Konversion zum Christentum und zur Zugehörigkeit zur katholischen Kirche noch die weitere Einlassung, homosexuell zu sein, führen beim Antragsteller mit Blick auf sein Heimatland Albanien zu einer auch nur ansatzweise im Sinne des Asylrechts relevanten Verfolgungsbzw. Gefährdungssituation. Das Gericht ist unter Auswertung der vorhandenen einschlägigen Erkenntnismittel, insbesondere des aktuellen Berichts des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 16. August 2016, davon überzeugt, dass es in Albanien weder relevante religiös motivierte Konflikte noch eine Verfolgung oder Bedrohung von Homosexuellen gibt, auch wenn in der albanischen Gesellschaft die Akzeptanz von Homosexuellen sehr gering ist und es durchaus möglich erscheint, dass sich die Familie aufgrund der – hier unterstellten – Homosexualität vom Antragsteller abgewandt hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der albanische Staat grundsätzlich nicht willens und in der Lage wäre, vor Übergriffen im Rahmen von privaten Konflikten Schutz zu bieten bzw. hiergegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen (vgl. aktuell OVG NRW, B.v. 24.4.2017 – 11 A 88/17.A – juris Rn. 9, unter umfänglicher Aus- und Bewertung der aktuellen Erkenntnismitteln), egal ob sie von familiären Konflikten oder von sonstiger privater dritter Seite herrühren.
Von vornherein ins Leere geht zudem der Vortrag des Antragstellers zu seiner Situation in Italien, da dies nicht sein Herkunftsland ist und er im Vollzug des streitbefangenen Bescheides auch nicht vorrangig dorthin, sondern in erster Linie nach Albanien zur Ausreise verpflichtet ist.
Nach alledem fehlt es offenkundig an den Voraussetzungen der internationalen Schutzgewährung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG:
2.2 Das Gericht ist ferner davon überzeugt, dass sich für den Antragsteller in Albanien weder mit Blick auf die dortige allgemeine wirtschaftliche, soziale und humanitäre Situation noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine im Rahmen von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG für den Abschiebungsschutz relevante Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung ergeben wird.
Allein wegen der Lebensbedingungen in Albanien vermag sich der Antragsteller weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse ist nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten, sodass auch nur dann die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff.).
Das Gericht geht insbesondere im Lichte des vorgenannten aktuellen Berichts des Auswärtigen Amtes vom 16. August 2016, nicht davon aus, dass dem Antragsteller in Albanien eine Existenzgrundlage gänzlich fehlen wird und er dort im Sinne eines außergewöhnlichen Einzelfalls eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten muss. Die Lebensbedingungen sind in Albanien grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRGK aufweisen (vgl. aktuell z.B. VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375). Dies gilt auch im Fall des Antragstellers. Für den Antragsteller als Mann im erwerbsfähigen Alter ist nicht ersichtlich, wieso er nicht in der Lage sein sollte, „durch seiner Hände Arbeit“ in Albanien eine zumindest existenzsichernde Grundversorgung auf bescheidenem, landesangemessenem Niveau für sich zu erzielen. Dies gilt auch dann, wenn er sich, wie vorgetragen, aufgrund seines Aufenthalts im Ausland in Albanien zwischenzeitlich fremd fühlt. Der albanische Staat gewährt bedürftigen Staatsangehörigen im Inland zudem Sozialhilfe und Sozialdienstleistungen, falls kein oder nur ein geringes Einkommen vorhanden ist (vgl. Lagebericht, aaO S. 13). Damit ist auch für den Antragsteller in jedem Fall die Grundversorgung ausreichend gesichert. Dazu kommt, dass in Albanien Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, subventioniert wird (vgl. Auswärtiges Amt, aaO S. 13). Das Gericht verkennt nicht, dass sich das Leben in Albanien für den Antragsteller jedenfalls zunächst durchaus als schwierig und hart erweisen kann. Die asylrechtlich sehr hohen Voraussetzungen, unter denen eine wirtschaftlich schlechte Lage im besonderen Einzelfall ausnahmsweise zu einem nationalen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot führen kann, sind jedoch im Fall des Antragstellers zur Überzeugung des Gerichts offenkundig nicht erfüllt.
Nach alledem kann sich der Antragsteller mit Erfolg weder auf die Gewährung internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG noch auf die Feststellung von nationalen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG berufen. Vor diesem Hintergrund sind die nach §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung und die dazu gesetzte einwöchige Ausreisefrist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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