Verwaltungsrecht

Erfolgolse Asylklage eines afghanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  AN 18 K 17.30993

Datum:
15.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4508
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, § 3a, § 3b, § 3e, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Eine Bestrafung wegen Drogen- und Waffenhandels bzw. die Vollstreckung einer  diesbezüglichen Haftstrafe in Afghanistan stellt keine Verfolgungshandlung dar und knüpft an kein Verfolgungsmerkmal an. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die aufgrund Kammerentscheidung als Einzelrichterin zur Entscheidung berufene Berichterstatterin (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte trotz Ausbleibens der Beklagten zur Sache verhandeln und entscheiden. Auf die Möglichkeit, auch in Abwesenheit von Beteiligten entscheiden zu können, wurde in der Ladung hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 10. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (dazu 1.) noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (dazu 2.) oder auf Feststellung von Abschiebungsverboten (dazu 3.) zu. Ebenso erweisen sich sowohl die Ausreiseaufforderung samt Abschiebungsandrohung als auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot als rechtmäßig (dazu 4.).
Das Gericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Feststellung und Begründung der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG) und schließt sich diesen an. Ergänzt wird im Hinblick auf den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) insbesondere mit Blick auf den im Verwaltungsprozess erfolgten klägerischen Vortrag und der aktuellen Lage in Afghanistan noch Folgendes:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 Alt. 1 AsylG. Er ist nicht als Flüchtling i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG anzusehen, da er sich nach Überzeugung des Gerichtes nicht aus „begründeter Furcht“ vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine derartige begründete Furcht bemisst sich nicht nach dem individuellen subjektiven Empfinden des Betroffenen, sondern ist mit Blick auf die Gleichmäßigkeit der Geltung des Gesetzes anhand des verobjektivierten asylrechtlichen Prognosemaßstabes der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 32 und B.v. 15.8.2017 – 1 B 120.17 – juris Rn. 8). Beachtlich wahrscheinlich ist eine Verfolgung danach, wenn bei der im Rahmen dieser Prognose vorzunehmenden „zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts“ die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Insofern ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten relevanten Umstände und ihrer Bedeutung geboten, bei der letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit maßgebend ist. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Ausländers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
Eine solche beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist nach Überzeugung des Gerichts weder im Hinblick auf die Drogengeschäfte des Onkels und eventuell durch diesen zu erwartenden Repressalien (1.1) noch im Hinblick darauf, dass dem Kläger in Afghanistan die Vollstreckung eine Haftstrafe drohe zu erwarten (1.2) und auch nicht im Hinblick darauf, dass der Kläger der Volksgruppe der Hazara angehört (1.3). Vor diesem Hintergrund kann die Frage nach einer internen Schutzmöglichkeit i.S.d. § 3e AsylG offenbleiben.
1.1 Da die Drohungen seitens des Onkel selbst nach Angaben des Klägers im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt bzw. bei der informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung aus dessen Drogengeschäfte herrühren bzw. auf Erbstreitigkeiten innerhalb der Familie zurückzuführen sind, kann hierin schon kein flüchtlingsrelevanter Verfolgungsgrund i.S.d. § 3b AsylG gesehen werden. Die behauptete Verfolgung knüpft weder an die Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an.
1.2 Selbiges gilt für eine etwaige Bestrafung des Klägers wegen Drogen- und Waffenhandels bzw. der Vollstreckung der diesbezüglichen Haftstrafe. Sofern eine solche dem Kläger tatsächlich drohen sollte (dazu unter 2.1), liegt hierin weder eine Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG noch knüpft eine solche an ein Verfolgungsmerkmal nach § 3b AsylG an. Eine Ahndung solcher Delikte stellt keine Rechtsgutverletzung in Anknüpfung an asylrelevante Merkmale der. Die fraglichen Strafvorschriften gelten überdies für alle afghanischen Staatsangehörigen und nicht nur für Angehörige des Volkes der Hazara.
1.3 Auch die klägerseits aufgeworfene Frage, ob die Minderheit der Hazara in Afghanistan einer Gefährdung unterliegt, die die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertig, ist bereits mehrfach obergerichtlich entschieden und verneint worden (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 68 ff.; BayVGH, B.v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 1.12.2015 – 13a ZB 15.30224 – juris Rn. 4). Zwar wird berichtet, dass die Hazara – diese machen etwa 10% der Bevölkerung Afghanistans aus – auch weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und gezielt durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, körperliche Misshandlung und Inhaftierung erpresst und schikaniert werden (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018, S. 106 f.; im Folgenden: UNHCR August 2018, S.). Es fehlt aber an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 68, 76 ff.). Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage ergibt sich keine andere rechtliche Bewertung. Nach den Lageberichten des Auswärtigen Amts hat sich die Situation der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 2.9.2019, S. 10), vornehmlich aufgrund von Bildung. So wird insbesondere auch berichtet, dass die Hazara in Kabul zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen gehören und sich – trotz weiterhin bestehender gesellschaftlicher Spannungen – in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert hätten (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29. Juni 2018, S. 306 f. M.w.N).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG. Es wurden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme eines ihm in seinem Herkunftsland drohenden, ernsthaften Schadens vorgebracht. So ist weder etwas dafür vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass dem Kläger im Fall der Rückkehr nach Afghanistan die Todesstrafe drohen würde (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG). Auch eine drohende Folter bzw. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG (dazu 2.1) oder ein drohende ernsthafte Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (dazu 2.2) ist zu verneinen.
2.1. Eine Zuerkennung des subsidiären Schutzes i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommt weder unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Situation in Afghanistan in Betracht noch im Hinblick auf eine etwaige drohende Vollstreckung der Haftstrafe.
Selbst wenn hinsichtlich Afghanistan das Vorliegen einer schlechten humanitären Situation zu bejahen wäre, könnte dies dennoch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes vermitteln, da es insoweit an einem erforderlichen Akteur i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c AsylG fehlen würde, von dem die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Klägers ausgehen müsste (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 54 ff.). Die humanitären Verhältnisse in Afghanistan beruhen gerade auf einer Vielzahl von Faktoren, zu denen die allgemeine wirtschaftliche Lage, Umweltbedingungen wie Klima und Naturkatastrophen ebenso wie die Sicherheitslage gehören. Es ist jedenfalls nicht feststellbar, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (nichtstaatlicher) Akteur die maßgebliche Verantwortung tragen. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 176; OVG NRW, U.v. 13.6.2019 – 13 A 3741/18.A – juris Rn. 71). Allenfalls bestünde diesbezüglich lediglich ein Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m Art. 3 EMRK (dazu unten).
Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass ihm in Afghanistan die Vollstreckung einer 10-jährigen Haftstrafe wegen Drogen- und Waffenverkaufs drohe, ist es dem Kläger nicht gelungen, eine Gefährdungslage i.S.d § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, hinreichend glaubhaft zu machen. Schon das Vorbringen des Klägers, dass er in Afghanistan aufgrund Drogen- und Waffenhandels zu einer 10-jährigen Haftstrafe verurteilt worden sei und er im Fall der Rückkehr verhaftet und die Freiheitsstrafe vollstreckt werde, erscheint wenig glaubhaft.
Nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Asylvorbringens, die auch hier anzuwenden sind, obliegt es dabei dem Kläger, von sich aus umfassend die Gründe für das verfolgungsbedingte Verlassen der Heimat substantiiert, unter Angabe genauer Einzelheiten und in sich stimmig darzulegen. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes eines Asylbewerbers sind zwar seine Aussagen im Rahmen des Möglichen wohlwollend zu beurteilen. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist gerade bei fehlenden Beweisen gesteigerte Bedeutung beizumessen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.4.1985 – Az. 9 C 109/84 – juris Rn. 16). Insgesamt muss der Vortrag, insbesondere zu den in die eigene Sphäre fallenden Ereignissen, aber geeignet sein, den Schutzanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11). Die Verpflichtung zur Anerkennung eines Asylbewerbers setzt nämlich voraus, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit – des von ihm behaupteten individuellen Schicksals erlangt hat, wenn es hierauf entscheidend ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.4.1985 – Az. 9 C 109/84 – juris Rn. 16).
Diesen Grundsätzen entspricht das Vorbringen des Klägers aufgrund tragender Widersprüche, die auch im Rahmen weiterer Gelegenheit zur Einlassung nicht nachvollziehbar ausgeräumt werden konnten, nicht. Zwar erscheint es dem Gericht noch plausibel, dass der Kläger den Fluchtgrund des drohenden Vollzugs einer Haftstrafe in Afghanistan erstmals im Gerichtsverfahren vorgebracht hat, während er diesen Umstand im Rahmen der Anhörung des Bundesamtes noch verschwieg. Dieses widersprüchliche Verhalten erklärte der Kläger nämlich auf Nachfrage des Gerichtes damit, dass seine insoweit unvollständigen Angaben beim Bundesamt durch den Rat eines anderen Afghanen motiviert waren, der ihn davon gewarnt habe, die noch offene Haftstrafe in Afghanistan zu nennen, damit sie nicht in Deutschland gegen ihn vollstreckt würde. Bezieht man aber auch weitere von ihm im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstände in die Würdigung seiner Aussage zu der offenen Haftstrafe in Afghanistan mit ein, treten zusätzliche Aspekte hinzu, die der Kläger eben nicht mit hinreichender Plausibilität erklären konnte und damit dem diesbezüglichen Vortrag insgesamt die Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung entziehen. So wurde noch in der Klagebegründung ausgeführt, der Vater eines Freundes habe 1 Mio. Afghani Bestechungsgeld gezahlt, um die Freilassung nicht nur seines Sohns, sondern auch die des Klägers zu erreichen. Auf Nachfrage, warum eine nicht mit ihm in einem unmittelbaren Näheverhältnis stehende Person für ihn einen Betrag aufwenden würde, der ein Vielfaches des durchschnittlichen Jahreseinkommens (vgl. dazu VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 211, 255, 272, 276: monatliches Durchschnittseinkommen etwa 80 bis 120 US$ – also ca. 5.000 bis 7.500 Afghani) entspreche, korrigierte der Kläger den Betrag zunächst auf 100.000 Afghani. Zu der Frage nach dem Grund für die unterschiedlich genannten Beträge erklärten sich weder die Prozessbevollmächtige noch der Kläger. Aber auch wenn man den Betrag von 100.000 Afghani als wahr unterstellen würde, handelt es sich angesichts des durchschnittlichen Jahreseinkommens immer noch um eine enorm hohe Summe. Warum eine dem Kläger fremde Person derart viel Geld für ihn aufgewendet haben soll, konnte dem Gericht nicht glaubhaft dargelegt werden. Insbesondere erachtet es das Gericht hierfür als nicht ausreichend, darauf zu verweisen, der Vater, der durch die Bestechung in erster Linie die Freilassung seines Sohnes erwirken wollte, hätte mit der gleichzeitigen Freilassung des Klägers beabsichtigt, dass er bzw. der involvierte Beamte keiner Verfolgung ausgesetzt wäre. Denn unabhängig davon, ob der Vater mit der Freilassung seines Sohnes auch die des Klägers erwirkt hätte, stünden allein schon wegen des Verschwindens des Sohnes aus der Haft der bestochene Beamte und damit früher oder später auch der Vater im Fokus der Ermittlungsbehörden. Ein irgendwie geartetes Näheverhältnis des Klägers zu dem Vater, dass die Handlung des Vaters zu seinen Gunsten dem Gericht nachvollziehbar erklären hätte können, wurde demgegenüber nicht vorgetragen und ist dem Gericht auch im Übrigen nicht ersichtlich.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, in die auch das Fehlen nachvollziehbarer Angaben auf Nachfragen zu einzelnen Umständen mit einzubeziehen sind, gelang es dem Kläger nicht, seinen Vortrag zur drohenden Vollstreckung einer noch offenen Haftstrafe in Afghanistan dem Gericht zur Überzeugung zu bringen.
Unabhängig davon ist das Gericht der Überzeugung, dass – selbst wenn dem Kläger eine (weitere) Strafvollstreckung drohen würde – die Haftbedingungen in Afghanistan insbesondere bezogen auf den Kläger nicht derart schlecht sind, dass hier die ernsthafte Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bestünde. Haftbedingungen können zwar grundsätzlich – gleichgültig aus welchem Grund die Haft vollstreckt wird – eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK und damit auch i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG darstellen (vgl. Kluth in Kluth/Heusch, Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand 11/2019, AsylG § 4 Rn. 18, beck-online) insbesondere wenn sie mit absichtlich zugefügten schweren psychischen oder psychischen Leiden einhergehen und auf eine mehr oder weniger im Kern zerstörerische Integrität angelegt sind. Gleichwohl kann ein internationales Abschiebungsverbot wegen der Umstände in der von dem im Heimatstaat (rechtsstaatlich) angeordneten und durchgeführten Strafhaft regelmäßig nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, weil es gerade in der Natur der Sache liegt, dass ein Häftling dabei den Standard an Haftbedingungen zu ertragen hat, der in seinem Heimatland allgemein herrscht.
Nach den Erkenntnismitteln des Gerichts entsprechen die Haftbedingungen in Afghanistan zwar nicht den internationalen Standards. Einige Gefängnisse sollen überbelegt sein. Teilweise wird berichtet, dass der Zugang zu Nahrung, Trinkwasser, sanitären Anlagen, Heizung, Lüftung, Beleuchtung und medizinischer Versorgung landesweit unterschiedlich und im Allgemeinen unzureichend sei, wobei einigen Quellen zufolge die Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser jedenfalls in Gefängnissen des General Directorate of Prisons and Detention Centers (GDPDC) angemessen sei. Einem Bericht der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) über medizinische Dienste in den afghanischen Gefängnissen zufolge bot ein Großteil der von UNAMA besuchten Strafvollzugsanstalten des NDS die Möglichkeit, grundlegende medizinische Untersuchungen und Behandlungen der Gefangenen durchzuführen. Es soll zwar auch Berichte über Misshandlungen in Gefängnissen geben. So sollen nach einem Bericht über die Haftbedingungen in Afghanistan zwischen Januar 2015 und Dezember 2016 39% der Befragten während der Haft oder des Gewahrsams in verschiedenen Strafvollzugsanstalten gefoltert oder misshandelt worden sein. Opfer von Misshandlungen seien allerdings häufig vor allem Frauen und Kinder (vgl. zum Ganzen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 2.9.2019, S. 26; Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29. Juni 2018, S. 305 f. m.w.N).
Nach diesen Erkenntnismitteln sind die Verhältnisse im Justizvollzug in Afghanistan zweifelsohne als schwierig zu bezeichnen. Gleichzeitig lassen die vorliegenden Erkenntnismittel nicht den Schluss zu, dass es in afghanischen Gefängnissen systematisch zu Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlungen von Gefangenen kommt. Auch soweit der erwähnte Bericht Angaben zu Folter beinhaltet, bleibt festzuhalten, dass die Gefangenen, die in diesem Zusammenhang befragt wurden, konfliktbedingt inhaftiert waren. Auch sind (wie bereits vorstehend erwähnt) Misshandlungsopfer oftmals weiblich und/oder minderjährig. Bei Personen die – wie der Kläger (eine etwaig drohende Strafvollstreckung unterstellt) – hingegen männlich und volljährig sind und die ausschließlich wegen eines kriminellen Unrechts inhaftiert werden, dürfte eine Wahrscheinlichkeit für eine derartige Behandlung nicht in gleicher Weise gegeben sein, weil derartige Inhaftierte nicht vergleichbar im Focus des afghanischen Staates und der Strafverfolgungsorgane stehen dürften (so auch VG Würzburg, U.v. 25.3.2019 – W 9 K 17.30895 – juris Rn. 36). Überdies sind die Haftbedingungen in den afghanischen Gefängnissen gemessen an den allgemeinen Lebensbedingungen Afghanistans gerade nicht in einem Maße zerstörerisch, dass mit dem sicheren Tod oder dem sicheren Erleiden von physischen oder psychischen Krankheiten gerechnet werden müsste. Auch hat der Kläger, obwohl er vor seiner „erkauften“ Freilassung bereits vier Wochen inhaftiert gewesen sei, sich zu keinem Zeitpunkt zu den Haftbedingungen geäußert hat, insbesondere keinerlei Umstände vorgetragen hat, die ansatzweise für eine unmenschliche Behandlung sprechen könnten. Wenn dies aber der maßgebliche Grund für seine Flucht sei, wäre dies zu erwarten gewesen.
2.2 Die vom Kläger vorgebrachten Gründe sind auch nicht ausreichend für die Annahme eines ihm in Afghanistan drohenden ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Voraussetzung hierfür wäre, dass sich die von einem bewaffneten Konflikt in der Zielregion für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende allgemeine Gefahr in der Person des Klägers derart verdichtet, dass sie für diesen eine individuelle Bedrohungssituation darstellt.
In der Person des Klägers sind jedoch weder gefahrerhöhende persönliche Umstände erkennbar (wie etwa der berufsbedingten Nähe zu einer Gefahrenquelle z.B. als Arzt oder Journalist oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten von Verfolgung bedrohten Religion), die eine solche individuelle Bedrohung in erster Linie hervorrufen könnten.
Zudem hat sich vorliegend die allgemeine Gefahrenlage nicht derart besonders verdichtet (Gefahrendichte), dass der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau (Gewaltniveau) erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein, was ausnahmsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen begründen könnte (vgl. zu den Voraussetzungen einer individuellen Bedrohungssituation EuGH, U.v. 17.2.2009 – Rs. C 465/07 (Elgafaji) – juris, Rn. 35 und 39 und U.v. 30.1.2014 – Rs. C 285/12 (Diakité) – juris, Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32 und U.v. vom 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris, Rn. 18 ff.). Zur Beurteilung, ob eine derartige Gefahrendichte vorliegt, ist neben einer quantitativen Ermittlung der verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (sog. Gewaltniveau; vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris Rn. 22 und 10 C 11.10 – juris Rn. 20, wonach, bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres, eine Wahrscheinlichkeit von 1:800 bzw. 1:1.000 weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt ist) auch eine wertende Gesamtbetrachtung notwendig (zum Ganzen vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.).
Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 100). Abzustellen ist danach vorrangig auf die Provinz Ghazni, wo der Kläger ausgewachsen ist.
Für die Provinz Ghazni besteht jedoch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt ist. Das Gericht schließt sich auch diesbezüglich vollumfänglich der obergerichtlichen Rechtsprechung an. So geht insbesondere der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weiterhin davon aus, dass für keine Region Afghanistans die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegen (vgl. U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 43 ff.). Auch unter Berücksichtigung von Erkenntnismitteln neueren Datums ergibt sich nichts anderes: In der Provinz Ghazni wurden im Jahr 2017 bei einer geschätzten Einwohnerzahl von ca. 1,27 Millionen 353 zivile Opfer registriert; davon 139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung Juni 2018, S. 171 ff.). Die Anschlagswahrscheinlichkeit im Jahr 2017 lag damit auch in der Provinz Ghazni bei deutlich unter 1:800 (konkret unter 0,028%) und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.9.2019, S. 20 ff.) hat sich die Bedrohungslage für Zivilisten in jüngster Zeit nicht wesentlich verändert. Das Risiko, als Angehöriger der Zivilbevölkerung verletzt oder getötet zu werden, liegt immer noch im Promillebereich. Auch aus dem Annual Report 2018 von UNAMA (vgl. Tabelle aus S. 67) ergibt sich nichts Abweichendes; die Zahl der zivilen Opfer ist in der Region im Gesamtjahr 2018 im Vergleich zum Jahr 2017 zwar prozentual gesehen stark gestiegen (+ 84%; 653 zivile Opfer). Das Risiko, als Angehöriger der Zivilbevölkerung verletzt oder getötet zu werden, liegt dennoch immer noch im Promillebereich. Damit ist auch derzeit nicht davon auszugehen, dass (bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts) praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre.
Eine andere Bewertung ist auch nicht vor dem Hintergrund der Einschätzung der Gutachterin Stahlmann insbesondere im Gutachten zu Afghanistan an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 28. März 2018 geboten. Soweit diese darauf hinweist, dass Sorge bestehe, in den UNAMA-Berichten sei die Anzahl ziviler Opfer nicht hinreichend erfasst, so wäre – wie schon vorstehend im Zusammenhang mit der Beleuchtung der inländischen Fluchtalternativen ausgeführt – selbst unter Einrechnung eines gewissen „Sicherheitszuschlages“ die kritische Gefahrendichte keinesfalls erreicht. Soweit Frau Stahlmann vertritt, es bestehe allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan im gesamten Staatsgebiet die Gefahr, einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden (vgl. Gutachten zu Afghanistan an das VG Wiesbaden vom 28. März 2018, S. 9), handelt es sich um eine allein dem erkennenden Gericht vorbehaltene rechtliche Würdigung, der auch keine Indizwirkung zukommen kann. Die von ihr darüber hinaus geschilderten Tatsachen betreffen weit überwiegend Umstände, die allein bei der qualitativen Gesamtbetrachtung zu würdigen sind, die sich hier jedoch aufgrund der – gemessen an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – verhältnismäßig niedrigen Opferzahlen unter keinen Umständen auswirken können (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 153).
Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletze (vgl. z.B. EGMR, U.v. 11.7.2017 – S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 – Rn. 53). Auch aus dem, dem Gericht vorliegenden zusätzlichen Erkenntnismaterial mit neuerem Datum lässt sich nichts dafür entnehmen, dass hier zwischenzeitlich eine andere Einschätzung zur Sicherheitslage geboten wäre.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes und zwar weder auf Grundlage von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK noch auf Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG wegen Verletzung der EMRK besteht weder mit Blick auf die Sicherheitslage in Afghanistan – hierzu kann vollumfänglich auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden – noch aufgrund der dortigen schlechten humanitären Bedingungen.
Die humanitäre Lage und die Lebensbedingungen, die der Kläger in Afghanistan insgesamt bzw. in seiner Herkunftsprovinz Ghazni zu erwarten hat, sind gerade nicht derart schlecht, dass davon ausgegangen werden müsste, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich der Schutz nach Art. 3 EMRK nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen erstreckt. Insofern können schlechte humanitäre Bedingungen, die – wie hier – nicht auf einen verantwortlichen Akteur, sondern in erster Linie auf Armut oder fehlende staatliche Mittel, zurückzuführen sind, eine erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK nur in extrem Ausnahmefällen begründen. Ein solcher Ausnahmefall kann allenfalls dann vorliegen, wenn zu solchen schlechten humanitären Bedingungen ganz außerordentliche individuelle Gründe hinzutreten und humanitäre Gründe zwingend gegen eine Abschiebung sprechen (siehe BVerwG, B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 10 unter Verweis insbesondere auf EGMR, U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 und 11449/07 – Rn. 282).
Ein solcher Ausnahmefall besteht vorliegend nicht. Hinsichtlich der Haftbedingungen in Afghanistan kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Auch mit Blick die allgemeinen humanitären Bedingungen lässt sich das Schicksal des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit dahingehend prognostizieren, dass er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind nicht erfüllt. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Situation in Afghanistan, insbesondere auch die allgemeine Versorgungslage in Ghazni sowie im Rest des Landes, weiterhin sehr besorgniserregend ist. So gehört Afghanistan weiterhin zu den ärmsten Ländern der Welt (Human Development Index 2016: Platz 169 von 188 Staaten). Die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung ist in den letzten Jahren zwar gesunken, bleibt aber auf hohem Niveau und lag 2017 bei 11,2% (vgl. zum Ganzen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.9.2019, S. 28). Auch die Analphabetenquote ist noch immer sehr hoch; nach Internetrecherche der Einzelrichterin beträgt trägt diese jedenfalls über 50%. Auch wird angenommen, dass ca. 40% der Bevölkerung bzw. teilweise sogar 55% unterhalb der Armutsgrenze leben (vgl. ACCORD, Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018, Dezember 2018, S. 147, 160 jeweils m.w.N.). Überdies ist die Absorptionsfähigkeit der genutzten Ausweichmöglichkeiten, vor allem im Umfeld größerer Städte, durch die hohe Zahl der Binnenvertriebenen und der Rückkehrer, insbesondere aus dem Iran und Pakistan, bereits stark in Anspruch genommen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.9.2019, S. 22). Im Übrigen verweist das Gericht zur Zusammenstellung und Auswertung der humanitären Lage, insbesondere zu den Lebensverhältnissen und der Situation der Rückkehrer, auf die ausführliche Darstellung der in der Erkenntnismittelliste enthaltenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom Oktober letzten Jahres (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 205 ff.). Diese macht sich das Gericht vollumfänglich zu Eigen. Auch aus neueren Erkenntnismitteln, die nach dieser Entscheidung erschienen sind, lassen sich keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen bezüglich der Situation in Afghanistan entnehmen.
Insgesamt liegen dennoch keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zuließen, dass jeder alleinstehende, erwerbsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind daher nicht erfüllt (so auch die ständige obergerichtliche Rspr, z.B. BayVGH, B.v. 25.2.2019 – 13a ZB 18.32487; U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris; OVG NRW, U.v. 18.6.2019 – 13 A 3741/18.A – juris; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris; SächsOVG, B.v. 21.10.2015
– 1 A 144/15.A – juris). Zudem liegen – trotz hoher Rückkehrzahlen – keine Erkenntnisse dahingehend vor, dass solche Rückkehrer in Afghanistan in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger und Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 407).
Für das Gericht sind bei Würdigung der Umstände des Einzelfalls und des persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auch keine besonderen individuellen Umstände gegeben, die ausnahmsweise zum Vorliegen der Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK führen. Vielmehr ist das Gericht der Überzeugung, dass es dem jungen und ledigen Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan gelingen wird, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Zwar hat der Kläger seinen Angaben zufolge in Afghanistan nur kurze Zeit eine Schule besucht. Allerdings hat er durch seinen Aufenthalt in Europa erste berufliche Erfahrung sowie deutsche Sprachkenntnisse erworben. So hat er in der mündlichen Verhandlung berichtet, dass er in Deutschland den Mittelschulabschluss gemacht und im Anschluss daran eine Ausbildung als Maler und Lackierer angefangen und diese im Sommer 2019 erfolgreich beendet habe. Momentan arbeite er in Vollzeit als Maler und Lackierer. Insofern befindet sich der Kläger im Gegensatz zu Rückkehrern, die einst in Nachbarländer Afghanistans geflüchtet sind, in einer vergleichsweise guten Position (vgl. dazu auch BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris Rn. 14; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris 21). Auch hat der Kläger durch seine eigenständige Flucht als junger Mann im Alter von 16 Jahren und sein eigenständiges Leben in Deutschland bewiesen, dass er über ein großes Maß an Selbstständigkeit verfügt. Das Gericht geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass er sich in Afghanistan trotz der für die dortige Bevölkerung schlechten Situation vergleichsweise gut zurechtfinden würde. Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger die Aufnahme einer Tätigkeit in seinem Heimatland, wo er geboren und aufgewachsen und mit dessen Verhältnissen er vertraut ist, nicht gelingen sollte.
Der Kläger kann dem auch nicht eine ggf. insb. finanziell schwere Anfangsphase entgegenhalten, da es an ihm liegt, insoweit eine anfängliche Unterstützung durch eine freiwillige Rückkehr unter Inanspruchnahme von Start- und Reintegrationshilfen (bspw. im Rahmen des REAG/GARP- und des ERRIN-Programms) und damit einen vorübergehenden Ausgleich zu erhalten. Das „REAG/GARP-Programm 2018“ umfasst für einen alleinstehenden Mann neben der Übernahme der Beförderungskosten, eine Reisebeihilfe in Höhe von 200 EUR sowie eine Starthilfe in Höhe von 1.000 EUR (vgl. REAG/GARP-Programm, Stand Mai 2019). Hinzu kommen die kumulativ zur Verfügung stehenden Leistungen nach dem Europäischen Reintegrationsprogramm „ERRIN“. Diese beinhalten z.B. Services bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und karitativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche sowie Hilfestellungen bei der Existenzgründung. Die Unterstützung wird über eine vor Ort tätige Partnerorganisation in Form von Sachleistungen gewährt und kann bei einer freiwilligen Rückkehr Leistungen im Wert von bis zu 2.000 EUR umfassen (ERRIN-Programmflyer 06/2018-05/2020 zu Afghanistan, Stand Mai 2019). Angesichts dieser Rückkehr- und Starthilfe im Gegenwert von jedenfalls bis zu 3.200 EUR sowie professioneller Unterstützung bei Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche sind weitere Umstände gegeben, aufgrund derer es dem Kläger zumutbar ist, einen Neustart in Afghanistan zu wagen.
Auch die von Frau Stahlmann kürzlich durchgeführte Studie zum Verbleib und den Erfahrungen abgeschobener Afghanen (vgl. Friederike Stahlmann, Asylmagazin 8-9/2019, S. 276 ff.) vermag hier kein anderes Ergebnis herbeizuführen. Auch wenn die Repräsentativität der Studie von der Bereitschaft und Erreichbarkeit der Rückkehrer abhängig ist, hilft dies nicht darüber hinweg, dass sich die von Stahlmann untersuchte Gruppe bezogen auf die zwischen Dezember 2016 und April 2019 aus Deutschland abgeschobenen Asylsuchenden (laut Stahlmann 547 Männer) deutlich unter 50% bewegt und letztlich gerade einmal ca. 10% ausmacht. Dass die nicht in die Untersuchung eingebundenen restlichen Rückkehrer vergleichbar schlechte Erfahrungen gemacht haben wie die interviewten Rückkehrer, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Soweit dies in der Studie behauptet wird, beruht dies auf bloßen Mutmaßungen und eigenen Bewertungen ohne valide Tatsachengrundlage. Im Übrigen wären die geschilderten Einzelschicksale ohnehin ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Rückkehrer aus Europa und der Türkei zu setzen, nicht lediglich ins Verhältnis zu den aus Deutschland abgeschobenen Afghanen (vgl. NdsOVG, B.v. 12.12.2019 – 9 LA 452/19 – juris Rn. 15).
Auch Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG, d.h. für eine dem Ausländer bei Abschiebung drohende erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die allgemeine Gefahrenlage in Afghanistan reicht hierfür jedenfalls nicht aus. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssten nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Dies setzt voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Ausreise in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann, der Ausländer somit gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – juris Rn. 15.). Eine solche Gefahrenlage liegt, wie bereits ausgeführt wurde, nicht vor.
4. Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung (Ziffer 5 des Bescheides) bestehen im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Schließlich ist auch das verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 AufenthG (Ziffer 6 des Bescheides), welches als Anordnung eines Verbots bestimmter Dauer zu verstehen ist (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – VR 3.17 – juris Rn. 71 f.) rechtmäßig. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 3 AufenthG zu erkennen.
5. Nach alledem ist die Klage vollumfänglich mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


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