Verwaltungsrecht

Erfolgreiche Untätigkeitsklage auf Fortsetzung des Asylverfahrens

Aktenzeichen  M 12 K 15.31481

Datum:
23.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 75
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Das BAMF kann sich nicht mit Erfolg auf seine Überlastung wegen des Anstiegs der Asylantragszahlen berufen, da lediglich eine nur vorübergehende Überlastung einer Behörde – die im vorliegenden Fall nicht gegeben ist – einen zureichenden Grund für eine fehlende Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist iSv § 75 S. 1 VwGO darstellen kann. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Beklagte wird verpflichtet, das Asylverfahren des Klägers fortzusetzen und über seinen Antrag vom 18. Juni 2014 innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft des Urteils zu entscheiden.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Verwaltungsstreitsache konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil sowohl der Klägerbevollmächtigte (Schreiben vom ….2.2016) als auch die Beklagte (Schreiben vom 24.6.2015) auf eine solche verzichtet haben.
Die Klage ist als Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO zulässig. Insbesondere ist auch die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 75 Satz 2 VwGO gegeben. Der Kläger hat am 18. Juni 2014, mithin vor 20 Monaten, einen Antrag zur Durchführung eines Asylverfahrens beim Bundesamt gestellt (Bl. 5 BA), über den bis heute nicht entschieden ist. Das Bundesamt hat sich zum Vorliegen eines Grundes für die verzögerte Bearbeitung und Entscheidung auch im Klageverfahren nicht geäußert. Auch wenn gerichtsbekannt ist, dass das Bundesamt durch die stark erhöhten Asylbewerberzahlen überlastet ist, reicht dies nicht aus, um einen zureichenden Grund für die Nichtverbescheidung anzunehmen. Es handelt sich nicht um eine kurzfristig erhöhte Geschäftsbelastung, sondern um eine permanente Überlastung der Behörde. In einem solchen Fall ist es Aufgabe des zuständigen Bundesministeriums bzw. der Behördenleitung, für hinreichenden Ersatz zu sorgen und entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen (vgl. VG Dresden, U.v. 13.2.2015 – A 2 K 3657/14 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 30.10.2014 – 24 K 992/14.A – juris; VG Braunschweig, U.v. 8.9.2014 – 8 A 618/13 – juris). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde wie hier keine Perspektive für eine Entscheidung aufzeigt, so dass auf zunächst unbestimmte Zeit offen bleibt, wann überhaupt über den Antrag entscheiden wird. Die Bevollmächtigte hat mit Schreiben vom …. Oktober 2015 beim Bundesamt mit Fristsetzung gefordert, über den Asylantrag zu entscheiden. Zwar befindet sich das Schreiben nicht in der Akte. Allerdings hat die Beklagte auf die Klagebegründung hin auch nicht ausgeführt, das Schreiben nicht erhalten zu haben. Eine Reaktion des Bundesamtes zur Klage erfolgte auch gegenüber dem Gericht nicht.
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Fortführung des Verfahrens und Entscheidung über den gestellten Asylantrag.
Die materielle Pflicht der Beklagten zur Entscheidung ergibt sich direkt aus Art. 16a Abs. 1 GG als einem subjektivöffentlichen Recht. Diesem Grundrecht kann nur durch aktives staatliches Handeln Geltung verschafft werden. Eine Verletzung dieses Grundrechts kann deshalb bereits durch reines Unterlassen, also durch Nichtverbescheidung von Anträgen, eintreten. Somit begründet Art. 16a Abs. 1 GG eine Pflicht des Staates zur Bescheidung von Asylanträgen, die die Gerichte sowohl unmittelbar aufgrund von Art. 16a Abs. 1 GG als auch aufgrund von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu gewährleisten haben. Die für die Entscheidung gesetzte Frist von drei Monaten ab Rechtskraft des Urteils ist verhältnismäßig und gewährt ausreichend die Möglichkeit, den Kläger anzuhören und eine Entscheidung zu treffen.
Der Klage war daher stattzugeben. Die Kostenentscheidung bestimmt sich nach § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben