Verwaltungsrecht

Erfolgreiche Untätigkeitsklage im Asylverfahren

Aktenzeichen  M 12 K 15.30584

Datum:
16.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 75
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Ein zureichender Grund iSd § 75 S. 1 VwGO ergibt sich nicht aus der dauernden Arbeitsüberlastung des BAMF. Die Untätigkeit des Bundesamtes verletzt den Kläger in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf möglichst rasche Bescheidung seines Asylantrags. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Beklagte wird verpflichtet, das Asylverfahren des Klägers fortzusetzen und über seinen Antrag vom 4. Juni 2014 innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft des Urteils zu entscheiden.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe … geborener eritreischer Staatsangehöriger. Er reiste – wieder nach eigenen Angaben – am 14. Mai 2014 ins Bundesgebiet ein (Bl. 29 der Behördenakte – BA) und stellte am 4. Juni 2014 einen Asylantrag (Bl. 11 BA).

Gründe

Über die Verwaltungsstreitsache konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil sowohl der Klägerbevollmächtigte (Schreiben vom ….9.2015) als auch die Beklagte (Schreiben vom 25.2.2016) auf eine solche verzichtet haben.
Die Klage ist als Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO zulässig. Insbesondere ist auch die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 75 Satz 2 VwGO gegeben. Der Kläger hat am 4. Juni 2014, mithin vor 21 Monaten, einen Antrag zur Durchführung eines Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gestellt (Bl. 11 BA), über den bis heute nicht entschieden ist. Das Bundesamt hat sich zum Vorliegen eines Grundes für die verzögerte Bearbeitung und Entscheidung auch im Klageverfahren nicht geäußert. Auch wenn gerichtsbekannt ist, dass das Bundesamt durch die stark erhöhten Asylbewerberzahlen überlastet ist, reicht dies nicht aus, um einen zureichenden Grund für die Nichtverbescheidung anzunehmen. Es handelt sich nicht um eine kurzfristig erhöhte Geschäftsbelastung, sondern um eine permanente Überlastung der Behörde. In einem solchen Fall ist es Aufgabe des zuständigen Bundesministeriums bzw. der Behördenleitung, für hinreichenden Ersatz zu sorgen und entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen (vgl. VG Dresden, U.v. 13.2.2015 – A 2 K 3657/14 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 30.10.2014 – 24 K 992/14.A – juris; VG Braunschweig, U.v. 8.9.2014 – 8 A 618/13 – juris). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde wie hier keine Perspektive für eine Entscheidung aufzeigt, so dass auf zunächst unbestimmte Zeit offen bleibt, wann überhaupt über den Antrag entscheiden wird. Das Gericht hat die Beklagte wiederholt gebeten, mitzuteilen, wann über den Asylantrag entschieden wird. Die Beklagte hat darauf nicht reagiert. Auch das angekündigte Fragebogenverfahren führte vier Monate lang zu keinem Ergebnis, wie sich aus dem Schreiben vom Prozessbevollmächtigten vom …. März 2016 ergibt.
Die Klage ist auch begründet, § 113 Abs. 1 VwGO.
Der Kläger hat Anspruch auf Fortsetzung des Asylverfahrens und Verbescheidung des gestellten Antrags. Die materielle Pflicht der Beklagten zur Entscheidung ergibt sich direkt aus Art. 16a Abs. 1 GG als einem subjektivöffentlichen Recht. Diesem Grundrecht kann nur durch aktives staatliches Handeln Geltung verschafft werden. Eine Verletzung dieses Grundrechts kann deshalb bereits durch reines Unterlassen, also durch Nichtverbescheidung von Anträgen, eintreten. Somit begründet Art. 16a Abs. 1 GG eine Pflicht des Staates zur Bescheidung von Asylanträgen, die die Gerichte sowohl unmittelbar aufgrund von Art. 16a Abs. 1 GG als auch aufgrund von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu gewährleisten haben. Die für die Entscheidung gesetzte Frist von drei Monaten ab Rechtskraft des Urteils ist verhältnismäßig und gewährt ausreichend die Möglichkeit, den Kläger anzuhören und eine Entscheidung zu treffen.
Der Klage war daher stattzugeben. Die Kostenentscheidung bestimmt sich nach § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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