Verwaltungsrecht

Erfolgreicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels hinreichender Tatsachengrundlage der der Auswahlentscheidung zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilung

Aktenzeichen  M 21 E 16.3698

Datum:
23.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
GG GG Art. 33 Abs. 2
ZPO ZPO § 920 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Das Beurteilungssystem für die bei der Deutschen Telekom AG beschäftigten Beamten ist im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Kennt der Beurteiler die dienstlichen Leistungen der zu Beurteilenden nicht oder nicht hinreichend aus eigener Anschauung, muss er sich voll auf die Beurteilungsbeiträge verlassen.  (redaktioneller Leitsatz)
3 In einem solchen Fall müssen die Beurteilungsbeiträge entweder hinreichende textliche Ausführungen für die Vergabe der Einzelbewertungen enthalten oder die Einzelbewertungen selbst vornehmen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, im Rahmen der Beförderungsrunde 2016 nach Besoldungsgruppe A9_vz Konkurrentinnen und Konkurrenten der Antragstellerin auf die Beförderungsliste „TPS_Abo_extern“ zu befördern, die in der letzten Beurteilung mit „hervorragend +“ beurteilt worden sind, so lange nicht über den Widerspruch der Antragstellerin vom 16. August 2016 gegen die Mitteilung über die Auswahlentscheidung vom 1. August 2016 bestandskräftig entschieden ist.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin steht als Fernmeldehauptsekretärin (BesGr A8) im Dienst der Antragsgegnerin. Sie war bis 30. Juni 2014 als Sachbearbeiterin Ressourcenmanagement innerhalb der D. T. AG (C. Tagungshotels) tätig und ist seit 1. Juli 2014 zum Bayerischen Staatsministerium des Innern abgeordnet.
Ihre dienstliche Beurteilung vom 6. April 2016 für den Zeitraum 1. November 2013 bis 31. Mai 2015 kam zu dem Gesamturteil „Gut Ausprägung +“. Der Beurteilung lagen Stellungnahmen der unmittelbaren Führungskräfte vom 17. Juli 2015 für den Zeitraum 1. November 2013 bis 30. Juni 2014 sowie vom 28. Dezember 2015 für den Zeitraum 1. Juli 2014 bis 31. Mai 2015 zu Grunde. Die Stellungnahme für den Zeitraum vom 1. November 2013 bis 30. Juni 2014 kam bei allen Einzelkriterien zur Bewertung „Rundum Zufriedenstellend“ (= Stufe drei auf einer fünfstufigen Bewertungsskala). Die Stellungnahme für den Zeitraum 1. Juli 2014 bis 31. Mai 2015 kam bei 5 Einzelkriterien zur Bewertung „Sehr gut“ (= Stufe eins) und bei einem Einzelkriterium zur Bewertung „Gut“ (= Stufe zwei).
Die Antragstellerin ließ gegen die Beurteilung durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 18. Mai 2016 Widerspruch erheben und zur Begründung vortragen, die Stellungnahme für den Teilzeitraum 1. November 2013 bis 30. Juni 2014 sei rechtswidrig. Die Bewertungen der Einzelkriterien seien undifferenziert und nicht plausibel. Sie stünden im Widerspruch zu den verbalen Erläuterungen. Auch die dienstliche Beurteilung selbst sei infolgedessen fehlerhaft. Gehe man richtigerweise von guten bis sehr guten Leistungen für den entsprechenden Zeitraum aus, führe dies automatisch zu einem besseren Gesamtergebnis der dienstlichen Beurteilung. Die guten Leistungen der Antragstellerin ergäben sich aus der Stellungnahme für den Zeitraum ab 1. Mai 2014. Die Vergabe des Ausprägungsgrades „+“ anstelle eines besseren Ausprägungsgrades erfordere eine individuelle Begründung, die nicht vorliege.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2016 half die D. T. AG HR Business Services dem Widerspruch ab und hob die Beurteilung auf. In der Begründung wurde unter Bezugnahme auf die Widerspruchsbegründung ausgeführt, das gemäß den Beurteilungsrichtlinien vorgesehene Verfahren für die bei der D. T. AG beschäftigten Beamtinnen und Beamten sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und die Beurteilung daher aufzuheben. Die Erstellung einer neuen Beurteilung werde in die Wege geleitet.
Am 23. Juni 2016 wurde die Beurteilung erneut erstellt. Das Gesamturteil lautete erneut „Gut Ausprägung +“. Die Beurteilung wurde nicht von den Beurteilern der Beurteilung vom 6. April 2016 erstellt. Der Beurteilung lagen erneut die Stellungnahmen der unmittelbaren Führungskräfte zu der aufgehobenen Beurteilung vom 6. April 2016 zu Grunde. Ergänzend wurde eine telefonische Rücksprache vom 14. Juni 2016 mit der unmittelbaren Führungskraft für den Zeitraum 1. November 2013 bis 30. Juni 2014 einbezogen. In der Beurteilung wurden u.a. die Erläuterungen zu den Einzelmerkmalen unter Berücksichtigung einer gesonderten Erläuterung für die beiden Teilzeiträume ergänzt und eine Gewichtung der Stellungnahmen unter Berücksichtigung des zeitlichen Verhältnisses zueinander vorgenommen. Bei den Einzelmerkmalen „Arbeitsergebnisse“, „Praktische Arbeitsweise“, „Fachliche Kompetenz“ und „Soziale Kompetenzen“ wurde darauf hingewiesen, bei diesen Kriterien weiche die Bewertung der Führungskraft von der verbalen Beschreibung ab. Die Rücksprache mit dieser am 14. Juni 2016 zur Klärung der Differenz habe ergeben, dass sich die Fachkompetenz der Antragstellerin in der Gesamtheit betrachtet tatsächlich als rundum zufriedenstellend darstelle.
Über den hiergegen am 30. Juni 2016 erhobenen und mit Schriftsatz vom 14. Juli 2016 begründeten Widerspruch sowie die am 18. Oktober 2016 erhobene Untätigkeitsklage (M 21 K 16.4731) ist noch nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 1. August 2016 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass sie im Zuge der Beförderungsrunde 2016 nicht befördert werden könne. Sie sei auf der Beförderungsliste „TPS_Abo_extern“ nach A9_vz mit dem Ergebnis „Gut +“ geführt. Für die Beförderung stünden insgesamt 12 Planstellen zur Verfügung. Die Beförderungsliste umfasse insgesamt 356 Beförderungsbewerber. Es könnten nur Beamte befördert werden, die mit mindestens „Hervorragend +“ bewertet seien.
Über den hiergegen erhobenen Widerspruch der Antragstellerin vom 16. August 2016 ist bislang nicht entschieden.
Die Antragstellerin hat durch ihren Bevollmächtigten am 16. August 2016 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen und beantragen lassen, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, im Rahmen der Beförderungsrunde 2016 nach Besoldungsgruppe A9_vz Konkurrentinnen und Konkurrenten der Antragstellerin auf die Beförderungsliste TPS_Abo_ extern zu befördern, die in der letzten Beurteilung mit „Hervorragend +“ beurteilt worden sind, so lange nicht über die Beförderung der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
Zur Begründung wurde die Rechtswidrigkeit der Beurteilung der Antragstellerin geltend gemacht und die bereits gegen die Beurteilung vom 6. April 2016 vorgetragenen Ausführungen wiederholt, vertieft und ergänzt. Die in der neu erstellten Beurteilung herangezogene Rücksprache mit der unmittelbaren Vorgesetzten zur Stellungnahme für den Zeitraum 1. November 2013 bis 30. Juni 2014 sei nicht aktenkundig dokumentiert. Es sei unklar, wer die Rücksprache genommen habe und aus welchen Gründen zwischen der aufgehobenen Beurteilung und der neu erteilten Beurteilung ein Beurteilerwechsel stattgefunden habe. Durch den Verweis auf eine Rücksprache mit der unmittelbaren Führungskraft werde der erforderlichen Ausübung des Beurteilungsspielraums durch den Beurteiler nicht Rechnung getragen. Die Einzelkriterien seien auch in der neu erstellten Beurteilung nicht ausreichend plausibilisiert. Die Ausführungen zur Berücksichtigung des zeitlichen Verhältnisses der zugrundeliegenden Stellungnahmen seien im Hinblick auf das zeitliche Verhältnis der Zeiträume nicht plausibel und ließen eine unzulässige arithmetische Mittelung vermuten. Die Ausführungen zur Begründung des Gesamturteils seien floskelhaft und unzureichend. Eine plausible Herleitung aus den Einzelkriterien sowie die Herstellung eines Bezugs der für das Gesamturteil geltenden sechsstufigen Notenskala zur fünfstufigen Skala der Einzelkriterien seien nicht erfolgt.
Mit Schreiben vom 22. September 2016 teilte die Antragsgegnerin die Konkurrenten mit, die in der letzten Beurteilung mit „Hervorragend +“ beurteilt worden waren. Mit Beschluss vom 27 September 2016 wurden die betreffenden Konkurrenten beigeladen.
In der Sache beantragt die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
Sie weist darauf hin, dass das angewendete Beurteilungs- und Beförderungsverfahren im Rahmen mehrerer obergerichtlicher Entscheidungen nicht beanstandet worden sei. Im Hinblick auf die Stellungnahme der unmittelbaren Führungskraft für den Zeitraum November 2013 bis Juni 2014 weist sie darauf hin, entsprechend den maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien hätten die Führungskräfte lediglich nachvollziehbare Angaben zu machen. Die Bewertung „Rundum Zufriedenstellend“ ergebe sich eindeutig aus der angefertigten Stellungnahme, wohlwollende Einzelbemerkungen wie „Top“ oder „Gut“ würden von der Bewertung „Rundum Zufriedenstellend“ getragen. Eine weitere Plausibilisierung erfolge deshalb hier nicht. Inwieweit die Rücksprache vom 14. Juni 2016 mit der unmittelbaren Führungskraft zum Merkmal „Arbeitsergebnisse“ von Bedeutung sein solle, erschließe sich nicht. Der entsprechende Hinweis in der Beurteilung sei deshalb so zu verstehen, dass die Rücksprache ergänzend durchgeführt worden sei. Die Anforderungen an die Plausibilisierung des Gesamturteils seien erfüllt. Besondere Umstände für eine Anhebung des Gesamtergebnisses und des Ausprägungsgrades – insbesondere eine ausgeübte höherwertige Tätigkeit im gesamten Beurteilungszeitraum – lägen nicht vor, eine weitergehende Plausibilisierung des Gesamtergebnisses sei daher nicht erforderlich. Dem Anordnungsanspruch stehe zudem entgegen, dass der Antragstellerin im Rahmen der Reihung mindestens 202 Mitbewerber vorgehen würden. Eine Auswahl der Antragstellerin im Rahmen einer erneuten Auswahl Entscheidung erscheine daher ausgeschlossen und würde eine Verbesserung der Beurteilung um zwei Notenstufen erfordern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Verfahren M 21 K 16.4731 sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist nach Maßgabe des Tenors begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung dafür ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch sowie einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Die Antragstellerin hat den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Nur im Wege einer gerichtlichen Entscheidung kann sichergestellt werden, dass ihr Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung für eine Beförderung vorläufig gewahrt bleibt. Auf Grund der begrenzten Anzahl von Beförderungsstellen auf der Beförderungsliste „TPS_Abo_extern“ würde der Bewerberverfahrensanspruch im Hinblick auf den Grundsatz der Ämterstabilität – von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen (vgl. BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – juris Rn. 27 ff.) abgesehen – durch eine Beförderung der nach der Auswahlentscheidung vorgesehenen Konkurrenten vereitelt.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Da in Stellenbesetzungsverfahren effektiver gerichtlicher Rechtsschutz lediglich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gewährt werden kann, ist in solchen Verfahren regelmäßig ein Anordnungsanspruch bereits dann zu bejahen, wenn nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erkennbaren Sach- und Streitstand nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die vom Dienstherrn getroffene Auswahlentscheidung zu Lasten des Antragstellers rechtsfehlerhaft ist, weil sein Bewerbungsverfahrensanspruch gemäß den Vorgaben des in Art. 33 Abs. 2 GG geregelten Prinzips der Bestenauslese keine hinreichende Beachtung gefunden hat. Zugleich müssen die Aussichten des Betroffenen, in einem neuen rechtmäßigen Verfahren ausgewählt zu werden, zumindest „offen“ sein. Der unterlegene Beamte kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d.h. wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B.v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02 – juris Rn. 14).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. In dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt lässt sich nicht feststellen, dass das vom Antragsgegner durchgeführte Auswahlverfahren die Rechte des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG hinreichend berücksichtigt. Zwar hat ein Beamter regelmäßig keinen Anspruch auf Verleihung eines höheren statusrechtlichen Amtes oder Bestellung auf einen bestimmten Beförderungsdienstposten. Die Entscheidung darüber liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen jedoch ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Ein Bewerber hat dementsprechend einen Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entschieden wird.
Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, welcher Beamte der Bestgeeignete ist, kann als Akt wertender Erkenntnis gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden. Das Gericht ist nur befugt zu prüfen, ob der Dienstherr den gesetzlichen Rahmen und die anzuwendenden Rechtsbegriffe zutreffend gewürdigt hat, ob er von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob er allgemein gültige Wertmaßstäbe beachtet hat und ob er sich schließlich nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Der Dienstherr ist verpflichtet, alle entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen, zu gewichten und seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.
Wesentliche und grundsätzlich unverzichtbare Grundlage für ein rechtmäßiges Auswahlverfahren sind aktuelle und inhaltlich aussagekräftige dienstliche Beurteilungen (BVerwG, U.v. 4.11.2010 a.a.O. – juris Rn. 46). Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet wurde (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3.11 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 10.11.2015 – 6 CE 15.2233 – juris Rn. 7).
An der Rechtmäßigkeit der herangezogenen dienstlichen Regelbeurteilung der Antragstellerin und damit deren Tragfähigkeit als Grundlage für die Auswahlentscheidung bestehen aber erhebliche Zweifel.
Die dienstliche Beurteilung eines Beamten ist ein von der Rechtsordnung dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte sollen ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den – ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden – zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich bewegen kann, verkannt, ob er einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hat der Dienstherr – wie hier – Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler auf Grund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht hat deshalb auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und ob sie auch sonst mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (ständige Rechtsprechung, z.B. BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 2 A 10.13 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 10.11.2015 a.a.O. – juris Rn. 9).
Für die von der Antragstellerin angegriffene dienstliche Beurteilung fehlt es an einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Der von der Antragsgegnerin herangezogene Beurteilungsbeitrag der unmittelbaren Führungskraft vom 17. Juli 2015 für den Zeitraum 1. November 2013 bis 30. Juni 2014 sowie die telefonische Rücksprache vom 14. Juni 2016 dazu stellen keine ausreichende Grundlage zur Erlangung der für die Beurteilung erforderlichen Kenntnis der Beurteiler dar.
Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen (BVerwG, U.v. 27.11.2014 a.a.O. – juris Rn. 21).
Das Beurteilungssystem für die bei der D. T. AG beschäftigten Beamten ist dabei trotz des Umstands, dass die Beurteiler nach diesem System regelmäßig keine Kenntnis aus eigener Anschauung von den zu beurteilenden Beamten haben, im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden (vgl. zu nachfolgendem BayVGH, B.v. 10.11.2015 a.a.O. – juris Rn. 14, 15). Die Beurteilungsrichtlinien für die bei der D. T. AG beschäftigten Beamtinnen und Beamten in der Fassung vom 19. Juni 2015 (im Folgenden: Beurteilungsrichtlinien) weisen die Zuständigkeit für die Beurteilungen besonderen „Erst- und Zweitbeurteiler(innen) innerhalb der DTAG“ zu (Nr. 4.2). Diese müssen nach Nr. 5 für den (Regel-)Fall, dass sie nicht selbst in der Lage sind, sich aus eigener Anschauung ein vollständiges Bild von den Leistungen sowie der Befähigung und Eignung der zu beurteilenden Beamtinnen und Beamten zu machen, auf mündliche und schriftliche Stellungnahmen/Beurteilungsbeiträge der unmittelbaren Führungskräfte zurückgreifen. Die unmittelbaren Führungskräfte haben bei ihren Stellungnahmen das Statusamt unberücksichtigt zu lassen (§ 1 und § 2 Abs. 3, 4 der Anlage 4 zur Beurteilungsrichtlinie), folglich also bei ihrer Einschätzung der bis zu sieben vorgegebenen Einzelkriterien allein auf die tatsächliche Aufgabenerfüllung gemessen an den Anforderungen auf dem innegehabten Arbeitsposten abzustellen. Die Beurteiler(innen) haben dann auf der Grundlage dieser Stellungnahmen die fachliche Leistung, Eignung und Befähigung unter Berücksichtigung der Anforderungen des statusrechtlichen Amtes sowie der konkreten Tätigkeiten (Arbeitsposten) anhand derselben Einzelkriterien zu bewerten und – anders als die unmittelbare Führungskraft in ihrer Stellungnahme – das abschließende Gesamturteil abzugeben (Nr. 6 der Beurteilungsrichtlinie). Das Verschieben der Maßstäbe trägt den Besonderheiten bei der Telekom als Postnachfolgeunternehmen Rechnung, insbesondere dem Umstand, dass eine erhebliche Anzahl von Beamten nicht im Rahmen ihres Beamtenverhältnisses amtsangemessen beschäftigt wird, sondern aus dem Beamtenverhältnis beurlaubt und im Rahmen privatrechtlicher Arbeitsverträge beschäftigt sind.
Mit der Zuweisung von Beurteileraufgaben an Personen, die die zu beurteilenden Beamten nicht aus eigener Anschauung kennen, gehen allerdings erhöhte Anforderungen an die Beurteilungsbeiträge der unmittelbaren Führungskräfte einher. Kennt der Beurteiler die dienstlichen Leistungen des zu Beurteilenden nicht oder nicht hinreichend aus eigener Anschauung, muss er sich voll auf die Beurteilungsbeiträge verlassen. Er kann sie also nur noch in das Beurteilungssystem – idealerweise mit dem Blick des erfahrenen und das Leistungs- und Befähigungsspektrum der vergleichbaren Beamten kennenden Beurteilers – einpassen. In einem solchen Fall müssen die Beurteilungsbeiträge entweder hinreichende textliche Ausführungen für die Vergabe der Einzelbewertungen enthalten oder die Einzelbewertungen selbst vornehmen (sei es durch Ankreuzen der entsprechenden Beurteilungsstufe oder durch Vergabe der entsprechenden Punktzahl). Im ersteren Fall sind die Anforderungen an Umfang und Tiefe in Beurteilungsbeiträgen höher als in der dienstlichen Beurteilung selbst. Andernfalls ist insbesondere bei positiven Ausführungen in den Beurteilungsbeiträgen eine Zuordnung zu den einzelnen Stufen (Noten) der Leistungs- und Befähigungsbewertung nicht möglich. § 1 Abs. 4 der Anlage 4 zur Beurteilungsrichtlinie fordert dementsprechend, in den Stellungnahmen der Führungskräfte solle zu jedem Kriterium ausführlich und nachvollziehbar Stellung genommen werden. Die verbalen Ausführungen seien der 5-er Skala zuzuordnen. In Absatz 5 wird ausdrücklich auf die herausgehobene Bedeutung der Stellungnahme in diesem Verfahren und auf die Wichtigkeit einer ausführlichen, gewissenhaften und nachvollziehbaren Begründung sowie das Erfordernis einer hinreichenden Differenzierung der Leistungseinschätzung bei Beachtung gleicher Maßstäbe hingewiesen.
Diesen Anforderungen wird der Beurteilungsbeitrag der unmittelbaren Führungskraft vom 17. Juli 2015 für den Zeitraum 1. November 2013 bis 30. Juni 2014 nicht gerecht.
Der schon für die Beurteilung vom 6. April 2016 erstellte Beurteilungsbeitrag durfte bereits im Hinblick auf den erfolgreichen Widerspruch der Antragstellerin gegen diese Beurteilung nicht verwendet werden. Die Beurteiler waren bei der Neuerstellung der Beurteilung an den Widerspruchsbescheid gebunden. Die Bindung erschöpft sich nicht nur in der Aufhebung der fehlerhaften Beurteilung, sondern umfasst auch die – zwar nicht ausdrücklich tenorierte, aber aus der Begründung ohne weiteres ersichtliche – Verpflichtung zur Erstellung einer neuen Beurteilung nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Widerspruchsbehörde. Die Antragstellerin hatte ihren Widerspruch ausdrücklich auf die Fehlerhaftigkeit des Beurteilungsbeitrags für den Zeitraum 1. November 2013 bis 30. Juni 2014 gestützt und dabei u.a. geltend gemacht, die Bewertung der Einzelkriterien mit „Rundum Zufriedenstellend“ werde nicht von den verbalen Bewertungen getragen. In der Begründung des Widerspruchs wurde auf die Widerspruchsbegründung ausdrücklich Bezug genommen und darauf hingewiesen, das gemäß den Beurteilungsrichtlinien für die bei der D. T. AG beschäftigten Beamtinnen und Beamten vorgesehene Verfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Beurteiler haben die Fehlerhaftigkeit des Beurteilungsbeitrags auch nicht in Zweifel gezogen und dementsprechend in der neu erstellten Beurteilung bei mehreren Einzelkriterien darauf hingewiesen, dass die Bewertungen der Führungskraft von der verbalen Beschreibung abweichen.
Im Übrigen konnte der Beurteilungsbeitrag auch in der Sache keinen Bestand haben und vermittelte nicht die für eine Beurteilung erforderliche Kenntnis über Leistung und Befähigung der Antragstellerin. Zwar stellt allein der Umstand, dass sämtliche Einzelmerkmale mit „Rundum Zufriedenstellend“ bewertet waren, noch keinen Mangel dar. In der Zusammenschau mit den verbalen Bewertungen ist jedoch festzustellen, dass die gezeigten Leistungen der Antragstellerin in den einzelnen Kriterien deutliche Unterschiede aufweisen und die vergebene Punktebewertung teilweise nicht tragen. Der Schlüssigkeit von Punktebewertung und verbaler Erläuterung kommt gerade bei einem Beurteilungssystem wie dem vorliegenden eine besondere Bedeutung zu. Das Beurteilungssystem ist dadurch gekennzeichnet, dass einerseits den unmittelbaren Führungskräften die für einen wertenden Vergleich erforderliche Übersicht und die Kenntnis der beamtenrechtlichen Strukturen nicht immer geläufig sind (BayVGH, B.v. 10.11.2015 .a.a.O. – juris Rn. 15) und sie daher bei ihrer Einschätzung statusunabhängig nur auf die tatsächliche Aufgabenerfüllung gemessen an den Anforderungen auf dem innegehabten Arbeitsposten abzustellen haben. Andererseits fehlt den Beurteilern häufig bzw. regelmäßig die Kenntnis von den zu beurteilenden Beamten aus eigener Anschauung. Ungeachtet der bekannten Schwierigkeiten einer Einordnung verbaler Ausführungen in beamtenrechtliche Maßstäbe und auch wenn man davon ausgeht, dass die Anforderungen an die Stimmigkeit von verbaler Erläuterung und Punktebewertung nicht überstrapaziert werden dürfen, da die unmittelbaren Führungskräfte häufig durch ihre Führungstätigkeit bei Angestellten beeinflusst sein werden und verbale Erläuterungen insofern im Hinblick auf das – für Arbeitszeugnisse maßgebliche Wohlwollensgebot – nach beamtenrechtlichen Maßstäben zu positiv formuliert sein werden, kann bei nicht ausräumbaren Widersprüchen nicht ohne weitere Prüfung allein auf den vergebenen Punktewert abgestellt werden. Die Punktebewertung „Rundum Zufriedenstellend“ des Beurteilungsbeitrags vom 17. Juli 2015 wird durch die deutlich positiver formulierten verbalen Erläuterungen, die bei den meisten Einzelmerkmalen auf eine Punktebewertung „Gut“ schließen lassen, nicht mehr getragen.
Hinzu kommt, dass sich die Bewertungsskala mit fünf Bewertungsstufen für die Einzelkriterien von der Bewertungsskala des Gesamturteils mit sechs Bewertungsstufen und einer noch weitergehenden Differenzierung in Form von drei Ausprägungsgraden für jede Bewertungsstufe unterscheidet. In der Beurteilung wird dazu zwar in den ergänzenden Erläuterungen ausgeführt, die unterschiedlichen Bewertungsskalen würden der weiteren Differenzierung dienen, die Differenzierung erfolge gleichmäßig über alle Notenstufen hinweg. Eine entsprechende Differenzierung ist aber bei einem System wie dem vorliegenden, in denen den Beurteilern die Kenntnis über die zu beurteilenden Beamten aus eigener Anschauung regelmäßig fehlt und das Urteil zentral auf den Beurteilungsbeiträgen der unmittelbaren Führungskräfte beruht, nur auf der Grundlage ausreichend differenzierter verbaler Erläuterungen der Einzelmerkmale in den Stellungnahmen möglich.
Für die infolgedessen erforderliche Einholung einer Stellungnahme für den Zeitraum 1. November 2013 bis 30. Juni 2014 genügte die telefonische Rückfrage am 14. Juni 2014 bei der unmittelbaren Führungskraft nicht. Zum einen war zu den im Widerspruch gegen die Beurteilung vom 6. April 2016 beanstandeten Einzelmerkmalen bereits auf Grund des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2016 ein Beurteilungsbeitrag entsprechend den Anforderungen der Beurteilungsrichtlinien einzuholen.
Zum anderen war die Einholung eines neuen Beurteilungsbeitrags auch in der Sache geboten. Insofern mag dahinstehen, in welchen Fällen trotz der stark formalisierten Abläufe entsprechend den Beurteilungsrichtlinien eine informelle Ergänzung eines Beurteilungsbeitrags bei geringfügigen Unstimmigkeiten ausreichend ist. Denn der Beurteilungsbeitrag vom 17. Juli 2015 weist quantitativ wie auch qualitativ deutliche Unstimmigkeiten zwischen der Punktebewertung und der verbalen Erläuterung mehrerer Einzelmerkmale auf, die nicht durch eine telefonische Bestätigung der Punktebewertung ausgeräumt werden konnten. Die Beurteiler konnten mit der telefonischen Bestätigung der Punktebewertung „Rundum Zufriedenstellend“ auch die über die Bewertung der Einzelmerkmale mit der 5-er Notenskala hinausgehende Differenzierung des Gesamturteils nicht leisten.
Die unzureichende Kenntnis der Beurteiler wegen des nicht ausreichenden Beurteilungsbeitrags kann sich auf das Gesamturteil auswirken.
Nachdem die Antragsgegnerin von einer (auch im gerichtlichen Verfahren noch möglichen) Nachholung des Beurteilungsbeitrags bzw. einer entsprechenden Stellungnahme der unmittelbaren Führungskraft zur Plausibilisierung der Beurteilung bewusst abgesehen hat, muss zum – für das gegenständliche Eilverfahren maßgeblichen – Zeitpunkt der Entscheidung von der Fehlerhaftigkeit der Beurteilung ausgegangen werden.
Eine Auswahl der Antragstellerin in den Kreis der Beamten, die befördert werden, erscheint bei einer Neubeurteilung nicht ausgeschlossen. Dem Umstand, dass der Antragstellerin im Rahmen der Reihung mindestens 202 Mitbewerber vorgehen würden und eine Auswahl eine Verbesserung der Beurteilung um zwei Notenstufen erfordern würde, kommt vor dem Hintergrund, dass die Fehler der Beurteilung nicht nur Randbereiche sondern zentrale Bestandteile betreffen, keine Bedeutung zu, die den Anordnungsanspruch in Frage stellen könnte. Vor diesem Hintergrund kommt es im vorliegenden Eilverfahren auf die weiteren geltend gemachten Beurteilungsfehler für die Beurteilung der Antragstellerin ebenso wenig an wie auf die behauptete Fehlerhaftigkeit der Beurteilungen von Konkurrenten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Erstattung von möglichen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus Billigkeitsgründen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO ist im Hinblick darauf, dass diese keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), nicht gerechtfertigt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2013 – 6 C 13.284 – BayVBl 2013, 609).


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