Verwaltungsrecht

Erhebung einer Schmutzwassergebühr

Aktenzeichen  B 4 K 14.398

Datum:
20.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 2 Abs. 1, 8 Abs. 1

 

Leitsatz

Behauptet ein zu einer Schmutzwassergebühr herangezogener Gebührenschuldner, der Abwasserzähler sei defekt, obliegt es ihm, im zeitlichen Zusammenhang mit einem auffällig hohen Ablesewert eine Funktionsprüfung des Zählers vornehmen zu lassen. Wenn er diese Prüfung trotz bestehender Zweifel nicht in die Wege leitet, geht dies zu seinen Lasten. (redaktioneller Leitsatz)
Von einer technischen Unmöglichkeit einer vom Zähler angezeigten Schmutzwassermenge ist auszugehen, wenn im fraglichen Zeitraum eine so hohe Frisch- oder Brauchwassermenge aus eigenen Tiefbrunnen einer Firma gar nicht hätte bezogen werden und/oder wenn die zur Kläranlage führende firmeneigene Abwasserleitung ein solche Abwassermenge von ihrer Kapazität her nicht hätte bewältigen können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 30.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes K. vom 15.05.2014 ist rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden aufgrund einer besonderen Abgabesatzung, welche die Schuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab, den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabeschuld bestimmen muss, für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben.
Der Beklagte erhebt gemäß § 1 seiner Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (GS-EWS) vom 11.01.2010, zuletzt geändert durch Satzung vom 05.12.2011, für die Benutzung der Entwässerungseinrichtung Grundgebühren und Schmutzwassergebühren sowie Niederschlagswassergebühren.
Mit der Klage wendet sich der Kläger zwar gegen den gesamten Gebührenbescheid, rügt aber ausschließlich die Höhe der Schmutzwassergebühr.
Gemäß § 2 Abs. 1 GS-EWS wird die Schmutzwassergebühr nach der Menge der Abwässer berechnet, die der Entwässerungseinrichtung von den angeschlossenen Grundstücken zugeführt werden. Die Gebühr beträgt ab 01.01.2013 (bis 31.12.2013) 1,41 EUR pro m³ Schmutzwasser.
Gestützt auf diese Rechtsgrundlage hat der Beklagte mit Bescheid vom 30.07.2013 für den Zeitraum vom 15.06.2013 bis 30.07.2013 eine Schmutzwassergebühr in Höhe von 38.690,40 EUR festgesetzt und dabei eine Einleitungsmenge von 27.440 m³ zugrunde gelegt. Diese Abwassermenge ergab sich aus der Differenz zwischen den Zählerständen des firmeneigenen Abwasserzählers zu Beginn und am Ende des Abrechnungszeitraums. Der Zählerstand betrug laut Bescheid am 15.06.2013 „7.589.440“ und am 30.07.2013 „7.616.880“. Die Differenz dieser Zahlen beträgt 27.440 m³. Der Abwasserzähler der Firma verfügte laut den unwidersprochenen Angaben des Beklagten nur über fünf Stellen und zählte nur in Schritten von 10 m³, so dass an jeden Ablesewert eine 0 anzufügen war. Beim Überschreiten der 99999 begann die Zählung erneut mit 00000. Die erste Ziffer im Bescheid, d. h. die „7“ wurde aus abrechnungstechnischen Gründen vom Beklagten hinzugefügt und gibt die fortlaufende Zählung wieder, weil der Abwasserzähler Werte über einer Million nicht erfasst.
Der Beklagte hat zu Recht eine Einleitungsmenge von 27.440 m³ zugrunde gelegt.
a) Es bestehen keine Zweifel, dass die in den Berechnungsbogen eingetragenen Ablesewerte vom Klärwärter telefonisch an die Sachbearbeiterin korrekt weitergeben wurden. Dies ergibt eine Plausibilitätskontrolle anhand der vom Klärwärter täglich in seinen Betriebsbericht eingetragenen Ablesewerte. Der Wert für den 15.06.2013 im Betriebsbericht beträgt (7).589.910 und für den 30.07.2013 (7).616.880. Die Diskrepanz bei den Werten vom 15.06.2013 erklärt sich dadurch, dass die Ablesung für den Betriebsbericht nicht zur gleichen Stunde erfolgte, wie der abgefragte Wert für die Gebührenfestsetzung.
b) Für das Gericht haben sich keine Anzeichen dafür ergeben, dass der firmeneigene Abwasserzähler in der Zeit vom 15.06.2013 bis 30.07.2013 nicht funktionstüchtig war.
Ob es sich um ein geeichtes Gerät gehandelt hat, konnte von den Beteiligten nicht angegeben werden. Der neue Eigentümer des Betriebsgeländes soll den Zähler am 15.07.2014 ausgebaut haben, da in seiner Firma keine großen Abwassermengen mehr anfielen. Dass der Verbleib des Zählers unbekannt und somit einer nachträglichen Überprüfung nicht mehr zugänglich ist, liegt im Verantwortungsbereich des Klägers. Ihm hätte es oblegen, im zeitlichen Zusammenhang mit dem auffällig hohen Ablesewert aus dem Bescheid vom 30.07.2013 eine Funktionsprüfung des Zählers vornehmen zu lassen. Wenn er diese Prüfung trotz seiner in der Widerspruchserhebung zum Ausdruck kommenden Zweifel nicht in die Wege geleitet hat, geht dies zu seinen Lasten.
Auch die ansonsten vorliegenden Umstände lassen nicht den Schluss zu, dass der Zähler defekt gewesen sein muss.
Weder die vor noch die nach dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 15.06. bis 30.07.2013 abgelesenen Werte, auf deren Grundlage bestandskräftige Gebührenbescheide erlassen wurden, haben Auffälligkeiten aufgewiesen oder zu Beanstandungen durch den Kläger geführt. Wäre der Abwasserzähler ab Mitte Juni 2013 defekt gewesen, hätte er auch in der Zeit nach dem 01.08.2013 von den Vergleichswerten nach oben abweichende Werte anzeigen müssen.
Ferner ist es auch unter Berücksichtigung der technischen Gegebenheiten nicht unmöglich, dass die vom Zähler angezeigte Abwassermenge auf dem Grundstück der Firma entstanden ist und in die Kläranlage des Beklagten eingeleitet wurde. Von einer technischen Unmöglichkeit wäre etwa auszugehen, wenn im fraglichen Zeitraum eine so hohe Frisch- oder Brauchwassermenge aus eigenen Tiefbrunnen der Firma gar nicht hätte bezogen werden und/oder wenn die zur Kläranlage führende firmeneigene Abwasserleitung ein solche Abwassermenge von ihrer Kapazität her nicht hätte bewältigen können.
Beides trifft nicht zu.
Nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten hat die Firma Ende der 80er Jahre, in den Spitzenzeiten der Färbereiproduktion, ca. 1.000.000 m³ Abwasser jährlich der Kläranlage zugeführt. Demnach müssen auch die Tiefbrunnen in der Lage gewesen sein, derartige Wassermengen auszuschütten. Legt man einer Plausibilitätsberechnung 300 Arbeitstage im Jahr zugrunde, ergibt sich für diese Jahre eine durchschnittliche tägliche Einleitungsmenge von über 3.300 m³; bei 250 Arbeitstagen eine Einleitungsmenge von 4.000 m³. Somit ist davon auszugehen, dass es auch möglich ist, dass im Zeitraum vom 20.06.2013 bis 26.06.2013 eine Wasser-/Abwassermenge von 24.130 m³ (durchschnittlich 3.447 m³ täglich) produziert wurde.
Weiterhin konnte eine in dieser Höhe entstandene Abwassermenge auch binnen einer Woche über den firmeneigenen Kanal der Kläranlage des Beklagten zugeführt werden. Laut einer vom Beklagten im Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungnahme eines Ingenieurbüros vom 19.05.2014 kann ein Freispiegelkanal DN 400 bereits bei einem Gefälle von 0,1% eine Abwassermenge von 5.685 m³ am Tag transportieren.
Die Ausführungen der Klägerseite im Schriftsatz vom 12.04.2016, wonach im Jahr 2004, in Spitzenzeiten der Färbereiproduktion, nur 1.961 m³ Abwasser täglich (443.190 m³ im Jahr) eingeleitet wurden, widerlegt die Plausibilitätsberechnung nicht. Im Jahr 2004 lag die Produktion offensichtlich schon weit unter den Werten von Ende der 80er Jahre. Unbehelflich sind auch die Angaben zur Kapazität der Wasserhochbehälter, die nur einer Zwischenlagerung oder -behandlung des aus den Tiefbrunnen gepumpten Wassers dienen, aber nichts über die maximal verfügbare Wassermenge aussagen können.
Die Tatsache, dass der Betrieb – abgesehen von Aufräum- und Reinigungsarbeiten – bereits stillgelegt war, gibt verständlicherweise Anlass zu Zweifeln, ändert aber nichts daran, dass die Entstehung einer Abwassermenge von 27.440 m³ in dem streitgegenständlichen Zeitraum auch im Jahr 2013 technisch möglich war. Jedenfalls hat die Klägerseite nicht dargelegt, dass sich die Wasser- und Abwassererzeugung auf dem Betriebsgelände im Vergleich zum Jahr 2004 oder zu den 80er Jahren entscheidend geändert hat. Es ist somit nicht auszuschließen, dass im Rahmen der Reinigungsarbeiten aufgrund eines versehentlichen oder absichtlichen „Laufenlassens“ der Pumpen bzw. der Wasserleitung die von dem Zähler erfasste hohe Abwassermenge entstanden ist.
Der nicht näher dargelegten Beweisanregung im Schriftsatz des Klägers vom 12.04.2016, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob die technischen Möglichkeiten für ein Entstehen einer Abwassermenge von 24.000 m³ innerhalb von 7 Tagen bestünden, brauchte das Gericht nicht zu entsprechen. Wie bereits ausgeführt, ist aufgrund des Vorbringens der Beteiligten im Verfahren davon auszugehen, dass diese technischen Möglichkeiten angesichts des früheren Anfalls von Abwasser in dieser Größenordnung bestanden. Die Klägerseite hat sich auch nicht dazu verhalten, ob angesichts des Eigentümerwechsels und der Nutzung des Betriebsgeländes zu völlig anderen Zwecken eine Überprüfung der Wasser- und Abwassereinrichtungen mit Stand 2013 überhaupt noch möglich wäre oder schon daran scheitern würde, dass diese inzwischen abgebaut wurden.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 709 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 124 und § 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4, 5 VwGO sowie in den §§ 3 und 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 42.878,27 EUR festgesetzt
(§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Streitwertbeschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth, oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Beschlusses eingelegt werden. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
eingeht.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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