Verwaltungsrecht

Erhebung von Zweitwohnungssteuer

Aktenzeichen  4 ZB 20.1216

Datum:
8.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35917
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 3 Abs. 1, Abs. 3
GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Für die Abgabenerhebung ist immer das für den Veranlagungszeitraum geltende Abgabenrecht maßgeblich. Wird die Abgabensatzung zu einem nach dem Veranlagungszeitraum liegenden Datum rückwirkend aufgehoben, bleibt sie für den Zeitraum von Inkrafttreten der Satzung bis zu ihrer (rückwirkenden) Aufhebung weiterhin gültig und ist für die in diesem Zeitraum liegenden Veranlagungsjahre maßgeblich.  (Rn. 3 – 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 18.1846 2020-03-05 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.250 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht ausreichend dargelegt (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), liegt jedenfalls nicht vor.
a) Die Kläger machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend. Ernstliche Zweifel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 124 Rn. 7 bis 7d, jeweils m.w.N.). Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.). Solche Zweifel vermag der Verwaltungsgerichtshof den Darlegungen der Kläger nicht zu entnehmen. Eine „Darlegung“ eines Zulassungsgrundes im Sinn des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert die substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, d.h. eine Darlegung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird. Vorliegend findet eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts in der Antragsbegründung nicht statt. Die Kläger wiederholen in der Zulassungsbegründung im Wesentlichen ihren Vortrag im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Die ersten 13 Seiten der Zulassungsbegründung sind mit der Klagebegründung (Schriftsatz vom 31.10.2018) weitgehend identisch. Auch der weitere Vortrag in der Zulassungsbegründung (Seite 13 Mitte bis Seite 15) stellt im Wesentlichen nur eine Zusammenfassung des Vortrags vor dem Verwaltungsgericht dar.
b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts liegen jedoch auch nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Streitgegenstand der Klage ist der Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Oberallgäu vom 26. Juli 2007, mit dem der Beklagte die Kläger zur Zweitwohnungsteuer für das Veranlagungsjahr 2005 in Höhe von 750 Euro herangezogen hat. Rechtsgrundlage für diesen Bescheid ist die Satzung des Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 29. Oktober 2004. Nur diese Satzung ist für das Veranlagungsjahr 2005 einschlägig; eine andere Satzung für die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer für diesen Veranlagungszeitraum existiert nicht. Die Satzung des Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 12. Juni 2018, die rückwirkend zum 1. Januar 2018 in Kraft trat, ist für das Veranlagungsjahr 2005 nicht maßgeblich. Für die Abgabenerhebung ist immer das für den Veranlagungszeitraum geltende Abgabenrecht maßgeblich. Das hat entgegen der Zulassungsbegründung nichts damit zu tun, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit dieser Satzung der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ist.
Die Satzung des Beklagten vom 29. Oktober 2004 (später geändert durch Satzung vom 19.12.2008) ist für das Veranlagungsjahr 2005 nach wie vor wirksam. Sie wurde nach den unwidersprochenen Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts (UA S. 6) durch die Zweitwohnungsteuersatzung des Beklagten vom 12. Juni 2018 lediglich mit Wirkung ab 1. Januar 2018 aufgehoben. Für den Zeitraum ab Inkrafttreten der Satzung vom 29. Oktober 2004 bis zum 31. Dezember 2017 gilt die Satzung weiterhin und ist daher für das hier streitgegenständliche Veranlagungsjahr 2005 maßgeblich.
Die Vorschriften dieser Satzung zur Bemessung der Zweitwohnungsteuer (§ 4 Abs. 2 Sätze 2 bis 4, § 5 Abs. 1 Satz 1) sind zwar, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (UA S. 6) entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2019 (1 BvR 807/12 – ZKF 2020, 16) bereits darlegte, in mehrfacher Hinsicht grundgesetzwidrig (Art. 3 Abs. 1 GG). Gleichwohl sind diese Bestimmungen und damit die Satzung insgesamt – ausnahmsweise – nicht nichtig, sondern wirksam; denn das Bundesverfassungsgericht hat im Tenor seiner Entscheidung vom 18. Juli 2019 (a.a.O.) ausgesprochen, dass die Nichtigkeit dieser Vorschriften erst eintritt, wenn diese Vorschriften nicht bis zum 31. März 2020 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung ersetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat daher dem Beklagten eine Übergangsfrist für die weitere Anwendung dieser Satzung eingeräumt (Rn. 73). Diese sog. Fortgeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts gilt für den gesamten Zeitraum, in dem diese Satzung in Kraft war, also auch für den Veranlagungszeitraum 2005. Ungeachtet der Frage, ob es einer solchen Fortgeltungsanordnung bedurft hätte (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2020 – 4 CS 19.2271 – BayVBl 2020, 443 Rn. 14), ist diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach § 31 Abs. 1 BVerfGG für alle Gerichte bindend. Dass der Beklagte selbst diese Satzung – bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – mit Wirkung zum 1. Januar 2018 außer Kraft gesetzt hat und daher die Fortgeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts ab diesem Zeitraum ins Leere geht, weil sie nicht für eine – zum Teil denselben Mangel aufweisende – Nachfolgesatzung gilt (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 13), ändert daran nichts. Das Bundesverfassungsgericht hat es für gerechtfertigt gehalten, die Zweitwohnungsbesitzer im Gebiet des Beklagten nach dem Maßstab der Satzung vom 29. Oktober 2004 zu einer Zweitwohnungsteuer heranzuziehen, und daher auch den dort ergangenen Zweitwohnungsteuerbescheid nicht aufgehoben.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (dreifacher Jahresbetrag).
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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