Verwaltungsrecht

Erkennungsdienstliche Behandlung, Verwaltungsgerichte, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Erkennungsdienstliche Maßnahme, Strafrechtliches Ermittlungsverfahren, Wiederholungsgefahr, Aufschiebende Wirkung, Antragsgegner, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Erkennungsdienstliche Unterlagen, Betäubungsmitteldelikte, Prozeßbevollmächtigter, Beschwerdeschrift, Beschwerde gegen, Wert des Beschwerdegegenstandes, Festsetzung des Streitwerts, Streitwerterhöhung, Streitwertkatalog, Strafverfolgungsvorsorge, Antragstellers

Aktenzeichen  M 23 S 20.3112

Datum:
27.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2215
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 81b Alt. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet, soweit in Ziffer 6 des Bescheides der Polizeiinspektion A vom 2. Juli 2020 unmittelbarer Zwang angedroht ist.
Im Übrigen wird der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des einstweiligen Rechtschutzverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Verfahren M 23 K 20.3051 und M 23 S 20.3112 wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Gleichzeitig begehrt sie Prozesskostenhilfe für das Eil- und das Klageverfahren.
Die Antragstellerin ist Beschuldigte in einem wegen des Verdachts der Urkundenfälschung geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft B (140 Js 44140/19). In diesem wird die Antragstellerin beschuldigt, am 11. Mai 2020 bei einer Apotheke in A zur Erlangung des verschreibungspflichtigen Medikaments Zolpidem ein gefälschtes Rezept vorgelegt zu haben (Rezeptfälschung zur Erlangung von Ausweichdrogen).
Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens wurden zwischen Mai und Juni 2020 vier weitere Ermittlungsverfahren wegen Rezeptfälschung gegen die Antragstellerin eingeleitet. Gleichzeitig ist die Antragstellerin wegen des Verkaufs von Zolpidem Beschuldigte in einem weiteren – wegen Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 BtMG geführten – Ermittlungsverfahren.
Im Juni 2017 wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Besitzes von Kokain (§ 29 BtMG) gem. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Die Antragstellerin wurde zudem im Jahr 2017 rechtskräftig verurteilt gem. § 316 StGB. Dem lag das Führen eines Fahrzeugs bei Fahrunsicherheit infolge Genusses berauschender Mittel im Dezember 2016 zugrunde.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 2. Juli 2020 ordnete die Polizeiinspektion A (im Folgenden: Polizeiinspektion) die erkennungsdienstliche Behandlung der Antragstellerin an (Ziffer 1 des Bescheids), lud diese für den 8. Juli 2020 zu Anfertigung von Lichtbildaufnahmen, Abnahme der Finger- und Handflächenabdrücke, Erstellung einer aktuellen Personenbeschreibung und zur Vornahme von Messungen vor (Ziffer 2), ordnete jeweils die sofortige Vollziehung an (Ziffer 7) und drohte gleichzeitig ein Zwangsgeld von 250 Euro an (Ziffer 3), sollte die Antragstellerin der Vorladung keine Folge leisten. Weiter lud die Polizeiinspektion die Antragstellerin für weitere im Juli gelegene Termine zur erkennungsdienstlichen Behandlung vor, sollte sie der Vorladung aus Ziffer 2 ohne hinreichenden Grund keine Folge leisten (Ziffer 5). In Bezug auf Ziffer 5 drohte die Polizeiinspektion unmittelbaren Zwang an (Ziffer 6).
Zur Begründung stützt sich die Polizeiinspektion auf § 81b Alt. 2 der Strafprozessordnung (StPO). Die Antragstellerin weise eine deutliche Neigung zur Rezeptfälschung auf, um verschreibungspflichtige Medikamente zu erlangen. Die daraus ersichtliche Beschaffungskriminalität sei nach kriminalistischer Erfahrung häufig mit Wiederholungstaten verbunden. So sei auch bei der Antragstellerin zu erwarten, dass sie zukünftig in gleicher Weise strafrechtlich in Erscheinung trete. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei erforderlich, um insbesondere mögliche weitere Betäubungsmitteldelikte aufzuklären. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheidsbegründung Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog).
Mit am 9. Juli 2020 eingegangenem Schriftsatz erhob die Antragstellerin über ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 23 K 20.3051) und beantragte zusätzlich für das vorliegende Verfahren,
„die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen den Bescheid der Polizeiinspektion A vom 2. Juli 2020 anzuordnen.“
Die Polizeiinspektion A sei örtlich nicht zuständig, da die Ermittlungen in dem anhängigen Ermittlungsverfahren durch die Polizeiinspektion B geführt würden. Im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion A sei zudem nur ein Fall der Rezepteinlösung festgestellt worden. Auch hätten weder die Staatsanwaltschaft noch die Polizeiinspektion B Anlass für eine erkennungsdienstliche Behandlung gesehen. Weitere möglich Betäubungsmitteldelikte stünden nicht im Raum. Auch sei die Fertigung von Lichtbildern nicht erforderlich, da ein solches von der Passbehörde beschafft werden könne.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag schriftsätzlich am 11. September 2020 entgegen und beantragte
Antragsablehnung.
Sämtliche von der Antragstellerin seit November 2019 geführten Ermittlungsverfahren stünden im Zusammenhang mit der Beschaffung oder dem Handel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Bereits aufgrund der im Jahr 2020 geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen sieben gleichgelagerter tatmehrheitlicher Fälle bestünde bei der Antragstellerin Wiederholungsgefahr. Die vorgeworfenen Urkundenfälschungen stünden in einem deliktsspezifischen Zusammenhang zu Betäubungsmitteldelikten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragserwiderung Bezug genommen.
Der Klägerbevollmächtigte hat sich mit einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag gleichzeitig mit dem Eilantrag einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag hat lediglich Erfolg, soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheids begehrt wird; im Übrigen ist der Antrag unbegründet (hierzu 1.). Der Antrag auf Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg (hierzu Nr. 2).
1. Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren sind ausschließlich die sofort vollziehbaren Anordnungen der Ziffern 1 bis 4 und der Ziffer 6. Im Hinblick auf die Ziffern 1 und 2 ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft, da der Beklagte insoweit gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Im Übrigen (Ziffern 3, 4 und 6) ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) entfällt. Der Antrag war sachdienlich jeweils dahingehend auszulegen (§ 88, § 86 Abs. 1, § 122 VwGO).
Bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO richten sich die Erfolgsaussichten nach einer vom Gericht vorzunehmenden eigenen Abwägungsentscheidung. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens maßgeblich zu berücksichtigen. Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen gegen den angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die sofort vollziehbaren Anordnungen der Ziffern 1 bis 4 keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken (hierzu a.), wohingegen im Hinblick auf Ziffer 6 das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse wegen der Erfolgsaussichten in der Hauptsache überwiegt (hierzu b.).
a. Die gegen die Ziffern 1 bis 4 des Bescheids gerichtete Klage hat nach summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg. Das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit überwiegt demnach das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Denn der Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
aa. Die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung dürfte sich als rechtmäßig erweisen.
Insbesondere ist die Polizeiinspektion A örtlich zuständig gem. Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Organisation der Bayerischen Polizei (POG). Danach ist jeder im Vollzugsdienst tätige Beamte der Polizei zur Wahrnehmung der Aufgaben der Polizei im gesamten Staatsgebiet befugt. Im Übrigen liegt der Wohnort der Antragstellerin im örtlichen Zuständigkeitsbereich dieser Polizeiinspektion.
Der Antragsgegner stützt die Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung zu Recht auf § 81b Alt. 2 StPO. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
Die Antragstellerin ist aufgrund ihrer im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung bestehenden Beschuldigtenstellung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft B (140 Js 44140/19) richtige Adressatin der streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahme. So setzt die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO voraus, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der streitbefangenen Anordnung noch Beschuldigter in einem gegen ihn geführten Ermittlungs- oder Strafverfahren war; der spätere Wegfall der Beschuldigteneigenschaft infolge der Beendigung des Strafverfahrens durch Einstellung, Verurteilung oder Freispruch lässt die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen dagegen unberührt (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005, a.a.O., juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 2.4.2015 – 10 C 15.304 – juris Rn. 5). Es ist demgemäß ein weiter Beschuldigtenbegriff zugrunde zu legen, welcher auch den Angeschuldigten umfasst (BVerwG, U.v. 27.6.2018 – 6 C 39.16 – juris Rn. 13). Dies resultiert aus dem gesetzlichen Zweck der der Strafverfolgungsvorsorge dienenden Erhebung bzw. Speicherung erkennungsdienstlicher Daten. Die Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren dienen der vorsorglichen Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005 – 6 C 2/05 – juris Rn. 18). Auch ist vom Verwaltungsgericht nicht zu klären, ob die Antragstellerin wegen der ihr zur Last gelegten Tat tatsächlich zu verurteilen ist; dies ist dem Strafverfahren vorbehalten (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 13.9.2012 – 18 K 7552/11 – juris Rn. 32; VG München, U.v. 14. August 2013 – M 7 K 12.3618 – juris Rn. 26).
Die angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen dürften nach einer Bewertung der gesamten tatsächlichen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig sein. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der letzten tatgerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 19.10.1982 – 1 C 29/79 – juris Rn. 31). Die Notwendigkeit der Anordnung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bemisst sich in Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an noch aufzuklärenden strafbaren Handlungen einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen – den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend – fördern könnten (st. Rspr. des BVerwG, vgl. U.v. 23.11.2005 – 6 C 2/05 – juris Rn. 22 m.w.N.). Die für diese Prognoseentscheidung maßgeblichen Umstände des Einzelfalls können sich insbesondere aus der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Beschuldigten im anlassgebenden strafrechtlichen Verfahren zur Last gelegten Straftaten, aus der Persönlichkeit sowie seinem bisherigen strafrechtlichen Erscheinungsbild ergeben (st. Rspr. vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2020 – 10 ZB 20.1974 – juris Rn. 8, B.v. 2.4.2015 – 10 C 15.304 – juris Rn. 8, B.v. 6.12. 2011 – 10 ZB 11.365 – juris Rn. 4, B.v. 23.11.2009 – 10 CS 09.1854 – juris Rn. 12).
Dies zugrunde gelegt ist die vom Antragsgegner angestellte Prognose einer Wiederholungsgefahr dahingehend, dass die Antragstellerin künftig in ähnlicher Weise im Betäubungs- oder Urkundendeliktsbereich erneut in strafrechtlich relevanter Weise auffällig werden könnte, nicht zu beanstanden.
Der Einwand der Antragstellerin, selbst im Ermittlungsverfahren sei kein Anlass für erkennungsdienstliche Maßnahmen gesehen worden, greift nicht durch. Denn die Vorschrift des § 81 Alt. 2 StPO ermächtigt zu präventivpolizeilichen Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge und dient – ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren – der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005 – 6 C 2.05 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 6.12-2016 – 10 CS 16.2069 – juris Rn. 8). So hat auch die Polizeiinspektion A die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret die Antragstellerin betreffende Ermittlungsverfahren angeordnet, sondern zu polizeipräventiven Zwecken.
Eine mögliche Tatbeteiligung der Antragstellerin an einer künftigen Straftat ist prognostisch nicht auszuschließen. Grundlage für die bezüglich der Wiederholungsgefahr aufzustellende Prognose bilden insbesondere die von der Antragstellerin gar nicht in Zweifel gezogenen und vom Antragsgegner dargelegten Erkenntnisse aus den die Antragstellerin betreffenden Ermittlungsverfahren, welche den Verdacht der Urkundenfälschung in Verbindung von Gebrauch von Medikamenten als Ausweichdrogen zum Anlass haben. Chronologisch ist die Antragstellerin im Jahr 2017 rechtskräftig zu einer Geldstrafe wegen des Führens eines Fahrzeugs bei Fahrunsicherheit infolge Genusses berauschender Mittel (§ 316 StGB) verurteilt worden. Zudem ist sie wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Kokain) strafrechtlich gem. § 29 Abs. 1 BtMG in Erscheinung getreten. Auch wenn dieses Verfahren im Jahr 2017 nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, stützt es die Annahme, dass die Antragstellerin auch künftig mit guten Gründen in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2013 – 10 C 11.1967 – juris Rn. 14.). Auch ist die Antragstellerin in der Folge wegen des Verdachts der Urkundenfälschung in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen geraten, nachdem sie im Jahr 2019 in einer Apotheke in B ein gefälschtes Rezept vorgelegt haben soll, um so an das verschreibungspflichtige Medikament Zolpidem zu gelangen. Da gerade in jüngster Zeit mit Blick auf das Jahr 2020 aus kriminalistischer Sicht zumindest verstärkt Verdachtsmomente bestehen, dass sie wiederholt unter Vorlage falscher Rezepte verschreibungspflichtige Medikamente erlangen wollte, ist die vom Antragsgegner getroffene Prognose nachvollziehbar und daher nicht zu beanstanden, zumal die ihr als Beschuldigte im weiteren Sinne zur Last gelegten Taten den Verdacht des Gebrauch von Medikamenten als Ausweichdrogen nahelegen und damit ein innerer Zusammenhang zu ihren bereits in der Vergangenheit festgestellten Verhaltensweisen in Bezug auf Betäubungsmitteldelikte bestehenden dürfte.
Aus der Gesamtschau der dargestellten Aspekte ergeben sich damit hinreichend begründete Anhaltspunkte für die Vermutung, dass die Antragstellerin auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und im Urkundendeliktsbereich geben könnte. Mit den durch die erkennungsdienstliche Behandlung gewonnenen Unterlagen kann daher im Rahmen von Ermittlungen dieser Art die Antragstellerin leichter als Täterin überführt oder aber eine Täterschaft leichter ausgeschlossen werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2009 – 10 CS 09.1894 – juris Rn. 15).
Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Die vom Gericht nur im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO zu überprüfende Ermessensentscheidung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Ein der gerichtlichen Überprüfung zugänglicher Ermessensfehler ist nicht ersichtlich.
Gegen die Rechtmäßigkeit der angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung ergeben sich auch im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine durchgreifenden Bedenken. Die Maßnahme ist auch im Umfang der erkennungsdienstlichen Behandlungen erforderlich. Lichtbildaufnahmen, Abnahme der Finger- und Handflächenabdrücke, Personenbeschreibung und Messungen entsprechen dem kriminalistischen Standard. Sie sind vorliegend geeignet und erforderlich, zur Feststellung oder zum Ausschluss einer Tatbeteiligung an potenziellen künftigen Straftaten beizutragen. So legt das polizeilich festgestellte und das mutmaßliche Verhalten der Antragstellerin nahe, dass über Zeugen Erkenntnisse über eine sinnliche Wahrnehmung oder über Fingerabdrücke auf Beweismitteln gewonnen oder aber ausgeschlossen werden können. Die Auswertung von bei der Meldebehörde einholbarer Passfotos ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin keinesfalls gleich geeignet. So entspricht es dem Zweck des § 81b Alt. 2 StPO, dass die Ermittlungsbehörde auf eigene Lichtbilder zurückgreifen kann, die den kriminalistischen Belangen entsprechen. Ungeachtet dessen, dass ein bei der Meldebehörde vorhandenes Lichtbild nicht die Anforderungen des Erkennungsdienstes erfüllen dürfte, würde eine Beschaffung über die Passbehörde die Gefahr von unnötigen Verzögerungen behördlicher Ermittlungen mit sich bringen (vgl. VG Saarlouis, U.v. 5.3.2010 – G K 691/09 – juris Rn. 55).
Die Maßnahme ist schließlich auch angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinn. Die in der Vergangenheit polizeilich festgestellte Häufung von Ermittlungen zu Urkundendelikten und das damit einhergehende öffentliche Interesse an der Verhinderung gleichgerichteter Taten rechtfertigen die angefochtene Anordnung auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Eine Wiederholungsgefahr ist angesichts der vorliegenden Umstände prognostisch gegeben, zumal die Anlasstaten – zumindest im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung – keinesfalls Bagatellcharakter aufweisen. Zudem ist es im Rahmen der Abwägung hinsichtlich des öffentlichen Interesses an der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen anerkannte Zielsetzung, den Betroffenen künftig von der Begehung entsprechender Straftaten abzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 5.11. 2012 – 10 CS 12.1855 – juris Rn. 13). Nachdem der mit der erkennungsdienstlichen Behandlung verbundene Grundrechtseingriff grundsätzlich als nicht übermäßig schwerwiegend anzusehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2008 – 10 C 08.2872 – juris Rn. 13), überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse.
bb. Da die Anordnung der Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen nach § 81b Alt. 2 StPO keinen Bedenken begegnet, ist auch nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 PAG (so Berner/Köhler/Käß, PAG, 20. Aufl. 2010, Art. 15 Rn. 9) bzw. § 81b Alt. 2 StPO (so OVG SA, B.v. 18.9.2007 – 2 O 218/07 – juris Rn. 7) zur erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeladen wurde. Diese Vorladung hat sich nicht durch Verstreichen der in ihr bestimmten Termine erledigt, da die mit ihr verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nicht entfallen ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2011 – 10 CS 10.3068 – juris Rn. 17; OVG SA, B.v. 18.9.2007 – 2 O 218/07 – juris Rn. 3; OVG SL, B.v. 13.3.2009 – 3 B 34/09 – juris Rn. 51). Denn der Umstand, dass in der Vorladung ein genau bestimmter Zeitpunkt festgelegt wurde, stellt keine zeitliche Beschränkung des Gebots dar, auf der Polizeidienststelle zu erscheinen.
cc. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im angefochtenen Bescheid trägt dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO in ausreichender Form Rechnung. Die Begründung nimmt die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles in den Blick und macht die zur Grundlage der Entscheidung.
b. Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung war hingegen zu entsprechen, soweit der Antragsgegner in Ziffer 6 des Bescheids unmittelbaren Zwang androht. Da die in Ziffer 7 angeordnete sofortige Vollziehung sich ausdrücklich nur auf die Ziffern 1 und 2 bezieht, fehlt es im Hinblick auf Ziffer 5 an den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 70 Abs. 1 PAG. Nachdem sich der Antragsgegner dazu entschieden hat, die eigentlich nur einen Verwaltungsakt bildende Vorladung gleichsam auf Vorrat in zwei verschiedenen – eigenständige – Anordnungen aufzuteilen, hätte er folgerichtig die sofortige Vollziehung anordnen müssen, um auch für die Ersatztermine die Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 70 Abs. 1 PAG zu gewährleisten, zumal die (Vorladung zur) erkennungsdienstliche Behandlung nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (VG München, Gerichtsbescheid v. 8.1.2019 – M 7 K 17.1334 – juris Rn. 16).
c. Nachdem der Antrag nur im Hinblick auf Ziffer 6 Erfolg hat, war lediglich insoweit die aufschiebende Wirkung anzuordnen und der Antrag im Übrigen abzulehnen.
Die Kosten waren der Antragstellerin gleichwohl vollumfänglich aufzuerlegen, nachdem der Antragsgegner nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Denn die in dem angefochtenen Bescheid neben der Grundverfügung angedrohten Zwangsmittel wirken sich nicht streitwerterhöhend aus (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs 2013), weshalb sich vorliegend aus dem Obsiegen hinsichtlich des Zwangsmittels keine andere Kostenquote ergibt.
Der Streitwert war mit 2.500 Euro auf die Hälfte des Regelstreitwerts festzusetzen,
§ 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. Nr. 1.5 und 35.5 des Streitwertkatalogs 2013. Der gegen Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheids gerichtete Antrag wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus (Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs 2014).
2. Auch wenn im Hinblick auf Ziffer 6 des Bescheids hinreichende Erfolgsaussichten bestehen dürften, waren die für das vorliegende und das Hauptsacheverfahren gestellten Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vollumfänglich abzulehnen, da sich das Obsiegen aus den in Nr. 1c dargestellten Gründen kostenmäßig nicht auswirkt. Denn nachdem sich die gegen Ziffer 6 gerichteten Rechtsbehelfe nicht streitwerterhöhend auswirken und die Antragstellerin aus vorbenannten Gründen ohnehin die Kosten vollumfänglich zu tragen hat, wäre die tatsächliche Prozesskostenhilfe im anschließenden – hier nicht gegenständlichen – Festsetzungsverfahren ohnehin auf Null reduziert.


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