Verwaltungsrecht

Erlöschen einer Niederlassungserlaubnis nach mehrjährigem Auslandsaufenthalt

Aktenzeichen  AN 11 K 19.01796

Datum:
17.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23048
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 25 Abs. 5, § 51 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2
BGB § 242
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1. Bei dem Erlöschenstatbestand des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG kommt es nicht auf die Gründe an, weshalb der Ausländer nicht in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt ist bzw. keinen Antrag auf Verlängerung der Wiedereinreisefrist gestellt hat. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand überwunden werden kann, sodass mangels Verschuldensabhängigkeit unerheblich ist, ob der Kläger durch eine Ausreisesperre an einer Rückkehr verhindert war. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Maßgebliche Anhaltspunkte für eine Integration des Ausländers in Deutschland als “faktischer Inländer” sind ein mehrjähriger Aufenthalt, gute Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse (etwa durch Arbeits- oder  Ausbildungsplatz, festen Wohnsitz, ausreichende eigene Mittel zum Lebensunterhalt, fehlende Straffälligkeit). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.
Die Klage, mit der der Kläger im Hauptantrag unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26. August 2019 die Feststellung begehrt, dass seine Niederlassungserlaubnis auf Grund seines Auslandsaufenthaltes nicht erloschen ist und im Hilfsantrag die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt wird, hat keinen Erfolg.
Diese ist zwar überwiegend zulässig, aber unbegründet.
B.
Die Klage ist im Hauptantrag zulässig, im Hilfsantrag jedoch nur soweit die hilfsweise Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG begehrt wird.
1. Die Klage ist im Hauptantrag zulässig.
Dabei kann offenbleiben, ob die vom Kläger im Rahmen des Hauptantrages begehrte Feststellung (allein) im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2019 getroffen werden kann oder ob diesbezüglich eine (zusätzliche) Feststellungsklage statthaft ist (vgl. BayVGH, U.v. 5.4.2016 – 10 B 16.165 – juris R. 19). Denn in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 26. August 2019 wurde nicht explizit und förmlich mit Verwaltungsakt das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis festgestellt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 18.2.2015 – 10 ZB 14.345 – juris Rn. 6), sondern dies wurde nur inzident im Rahmen der Ausreiseaufforderung geprüft. Jedenfalls sind sowohl Anfechtungsklage als auch die (zusätzliche) Feststellungsklage im vorliegenden Fall zulässig erhoben worden, da einerseits die maßgebliche Monatsfrist eingehalten wurde (Anfechtungsklage) und anderseits auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse besteht (Feststellungsklage). Der Kläger hat insbesondere ein berechtigtes Feststellungsinteresse, weil ihm die begehrte Feststellung des Nichterlöschens der Niederlassungserlaubnis und damit deren Fortbestehen, rechtliche Vorteile bringt, unter anderem das Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 4 AufenthG.
2. Die hilfsweise erhobene Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist nur zulässig, soweit die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG begehrt wird.
Diesbezüglich ist eine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Diese ist jedoch insoweit unzulässig, als der Kläger die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 37 AufenthG begehrt. Denn im Verwaltungsverfahren hat der Kläger allein eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes nach § 25 Abs. 5 AufenthG beantragt, nicht aber eine Aufenthaltserlaubnis nach dem sich im 7. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes befindenden sog. Wiederkehrrecht aus § 37 AufenthG. Auf Grund des sog. Trennungsprinzips können jedoch neue Aufenthaltszwecke nicht nachträglich erstmalig in gerichtliche Verfahren eingebracht werden (vgl. hierzu zuletzt BayVGH, B.v. 12.2.2021 – 19 CE 21.6 – juris Rn. 12), sodass es einer entsprechenden (hilfsweisen) Verpflichtungsklage am Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
C.
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie jedoch unbegründet.
I. Die Beklagte ist bei Erlass der Ausreiseaufforderung zu Recht davon ausgegangen, dass die Niederlassungserlaubnis des Klägers gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen ist, sodass der Kläger nicht unter gleichzeitiger Aufhebung des Bescheides die Feststellung begehren kann, dass diese fortbesteht.
1. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erlischt der Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Sinn und Zweck dieser Erlöschensregelung ist es, Rechtsklarheit zu schaffen, ob ein Ausländer, der für längere Zeit ausreist, seinen Aufenthaltstitel weiter besitzt oder nicht. Hält sich der Ausländer länger als sechs Monate außerhalb des Bundesgebietes auf, wird – von den Fällen der Fristverlängerung abgesehen – unwiderleglich angenommen, dass er aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund ausgereist und sein Aufenthaltstitel damit erloschen ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2020 – 19 ZB 19.2453 – Rn. 10). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die unwiderlegbare Vermutung eines Wegfalls des Interesses am Fortbestand des Aufenthaltstitels dann nicht gerechtfertigt, wenn der Ausländer das Bundesgebiet aufgrund einer staatlichen Zwangsmaßnahme – wie beispielsweise einer Auslieferung an einen anderen Staat – verlässt; in einem solchen Fall fehlt es an einer Ausreise i.S.d. Erlöschenstatbestände in § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG (vgl. BverwG, U.v. 17.1.2012 – 1 C 1/11 – juris Rn. 9). Nach allgemeiner Auffassung kommt es jedoch nicht auf die Gründe an, weshalb der Betroffene nicht in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt ist bzw. keinen Antrag auf Verlängerung der Wiedereinreisefrist gestellt hat (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2020 – 19 ZB 19.2453 – Rn. 10). Bei § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG handelt es sich zudem um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die nicht durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand überwunden werden kann, sodass mangels Verschuldensabhängigkeit unerheblich ist, ob der Kläger durch die geltend gemachte von der Türkei verhängte Ausreisesperre an einer Rückkehr nach Deutschland verhindert war (vgl. BayVGH, B.v. 6.8.2014 – 19 CS 14.968 – juris Rn. 27 f.; vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2020 – 19 ZB 19.2453 – Rn. 10).
Da der Kläger am 1. April 2013 auf Grund eines freiwilligen Entschlusses in die Türkei ausgereist und – insoweit unstrittig – erst am 11. November 2018 in die Bundesrepublik Deutschland wieder eingereist ist, erfolgte diese Einreise nicht innerhalb von sechs Monaten i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG, sondern erst über fünfeinhalb Jahre später. Auf die Gründe der verspäteten Rückkehr oder ein Verschulden des Klägers kommt es wie ausgeführt nicht an.
2. Dem Kläger ist durch die Beklagte weder eine Fristverlängerung gewährt worden, noch hat dieser wirksam und fristgerecht einen Antrag auf Fristverlängerung nach § 51 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 5 Satz 1 AufenthG gestellt. Auch ist nicht nach Treu und Glauben ausnahmsweise davon auszugehen, dass er auf Grund seiner Situation in der Türkei und der geltend gemachten Umstände nicht dazu in der Lage war bzw. alles dafür getan hat, fristgerecht einen solchen Antrag in die Wege zu leiten.
Ausweislich der Behördenakte und dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien, ist dem Kläger durch die Beklagte keine Verlängerung der Wiedereinreisefrist eingeräumt worden. Sofern der Kläger (zumindest außergerichtlich) vortragen hat lassen, dass er sich mit einer von einem zwischenzeitlich gelöschten E-Mail-Account versendeten E-Mail bei der Beklagten gemeldet und seine Situation geschildert habe, überzeugt dieser Vortrag das Gericht nicht. Eine entsprechende E-Mail findet sich jedenfalls in der Behördenakte nicht. Zweifel daran, dass die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte nicht ordnungsgemäß geführt wurde, hat die Kammer nicht. Denn in dieser finden sich auch weitere E-Mails des Klägers, die ausgedruckt und nummeriert zu den Akten genommen worden sind (vgl. Bl. 345 und 361 der Behördenakte). Selbst wenn sich der Kläger bei der Beklagten gemeldet haben sollte, führte dies seitens der Beklagten nicht zu einer – dann beantragten – Verlängerung der Wiedereinreisefrist. Unschädlich ist ein Überschreiten der Frist jedoch nur dann, wenn diese vor Ablauf auch tatsächlich verlängert worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 6.8.2014 – 19 CS 14.968 – juris Rn. 26 m.w.N.). Da die Beklagte dem Kläger auch bei vorherigen Kontakten zeitnah auf seine E-Mail antwortete (vgl. Bl. 346 der Behördenakte – Antwort innerhalb von 30 Minuten), wäre es dem Kläger – dem das Bestehen der Wiedereinreisefrist bekannt war – zuzumuten gewesen, sich nochmals bei der Beklagten zu erkundigen. Auch durch die damalige Bevollmächtigte des Klägers – die inzwischen verstorbene Rechtsanwältin …, die der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 4. Juni 2019 (Bl. 456 der Behördenakte) angab, dass sich der Kläger im Mai 2013 bei ihr gemeldet und auf seine Situation aufmerksam gemacht habe, wurde kein entsprechender Antrag bei der Beklagten gestellt. Im Übrigen lässt sich dem Schreiben der ehemaligen Bevollmächtigten auch nicht entnehmen, dass diese von dem Kläger hierzu beauftragt worden ist.
Auch eine vom Klägerbevollmächtigten angesprochene Ausnahme nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Diese kann lediglich dann in Erwägung gezogen werden, wenn in einem Fall höherer Gewalt außergewöhnliche Ereignisse vorliegen, die nach den Umständen des Falles auch durch die äußerste dem Betroffenen zuzumutende Sorgfalt weder abgewehrt noch in ihren schädlichen Folgen verhindert werden können (vgl. BayVGH, B.v. 6.8.2014 – 19 CS 14.968 – juris Rn. 29).
Eine solche Ausnahmesituation ist für die Kammer vorliegend nicht ersichtlich. Denn dem in der Türkei nach seinen Angaben zwar mit einer Ausreisesperre versehenen aber nicht inhaftiertem Kläger, wäre es möglich und zumutbar gewesen, sich im Kontakt mit der Beklagten um seine ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu bemühen. Da er sich bereits im Mai 2013 um eine Verlängerung bemüht haben will, hätte er diese Bemühungen nochmals intensivieren müssen, als er von der Beklagten nicht innerhalb der Frist des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG eine Verlängerung der Wiedereinreisefrist erhalten hat. Sofern der Klägerbevollmächtigte die besonderen Umstände darin zu erkennen vermag, dass der Kläger dachte, alles Erforderliche getan zu haben, als er sich bei seiner damaligen Bevollmächtigten gemeldet hatte, überzeugt dieses Argument die Kammer nicht. Denn aus dem Brief seiner damaligen Bevollmächtigten vom 4.Juni 2019 geht bereits nicht hervor, dass der Kläger diese mit seinen ausländerrechtlichen Angelegenheiten oder einer Verlängerung der Wiedereinreisefrist betraut hätte. Jedenfalls hat es die damalige Bevollmächtigte unterlassen, rechtzeitig entsprechende Schritte einzuleiten. Dieses Unterlassen ist jedoch – selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Kläger seine damalige Bevollmächtigte beauftragt hat – dem Kläger gemäß den Rechtsgedanken der § 173 VwGO i.V.m § 85 Abs. 2 ZPO und § 278 BGB analog zuzurechnen. Im Ergebnis hat der Kläger mit seinem Verhalten – trotz der nach seinem Vortrag für ihn sicherlich nicht einfachen Umstände in der Türkei – nicht die ihm zumutbare Sorgfalt gewahrt.
Eine Vergleichbarkeit mit dem vom Verwaltungsgericht Bremen entschiedenen Fall (U.v. 30.11.2005 – 4 K 1013/05 – juris) ist jedenfalls nicht gegeben. Der dort Betroffene war aufgrund eines Aufenthalts im Lager Guantanamo aus objektiven und von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert, fristgerecht nach Deutschland zurückzukehren bzw. fristgerecht einen Verlängerungsantrag zu stellen. Ein nachvollziehbarer Vortrag des Antragstellers, er habe sich in einer damit vergleichbaren Situation befunden, fehlt. Der Antragsteller befand sich nicht in einer aufgrund staatlichen Zwanges nicht vorhersehbaren, isolierten Situation, die jegliche Kontaktaufnahme nach Deutschland ausschloss.
3. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf den Privilegierungstatbestand des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG berufen. Danach erlischt die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers nicht gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG, wenn dieser sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, sein Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht.
Die Beklagte ist vorliegend zu Recht davon ausgegangen, dass der Lebensunterhalt des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt nicht gesichert gewesen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Prognose ist der Zeitpunkt des Eintritts der gesetzlichen Erlöschensvoraussetzungen, im Fall des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG also der Zeitpunkt des Überschreitens der sechsmonatigen Wiedereinreisefrist. Zweifel gehen dabei zu Lasten des Ausländers (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.2017 – 1 C 14/16 – juris Rn. 15 ff.). Folglich war zum 1. Oktober 2013 die Prognose zu stellen, ob der Lebensunterhalt des Klägers in Zukunft auf Dauer oder zumindest auf absehbare Zeit im Falle eines erneuten Aufenthalts in der Bundesrepublik gesichert ist. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Die Beklagte hat dabei zu Recht berücksichtigt, dass der Kläger vor seiner Ausreise von 1. November 2011 bis 30. April 2013 – mithin knapp 1,5 Jahre – Arbeitslosengeld II bezogen hat. Gerade auch im Hinblick auf die im Zeitpunkt des Erlöschens unklare Dauer des Auslandsaufenthaltes des Klägers war vorliegend keine positive Prognose dahingehend zu stellen, dass der Kläger nach einer – zu diesem Zeitpunkt hypothetischen – Rückkehr in die Bundesrepublik seinen Lebensunterhalt sichern können wird. Denn je unsicherer der Zeitpunkt der Wiedereinreise ist, umso schwieriger ist es, eine positive Prognose zu stellen, es sei denn der Betreffende verfügt über feste wiederkehrende Einkünfte, etwa in Gestalt einer Altersrente, oder über ein ausreichendes, auch im Bestand gesichertes Vermögen (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.2017 – 1 C 14/16 – juris Rn. 16). Jedenfalls wurde vom Kläger auch nicht ausreichend dargelegt, ob und inwieweit sein Lebensunterhalt zum Erlöschenszeitpunkt gesichert gewesen ist.
4. Nach alldem ist die Niederlassungserlaubnis des Klägers erloschen.
II. Auch der sodann zum Tragen kommende Hilfsantrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat in der Sache, soweit er zulässig ist, keinen Erfolg. Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch auf die von ihm bereits im Verwaltungsverfahren begehrte Aufenthaltserlaubnis aus § 25 Abs. 5 AufenthG.
1. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Unter “Ausreise” im Sinne dieser Vorschrift ist sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2009 – 1 C 19.08 – juris Rn. 12, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris Rn. 15 jeweils m.w.N.). Eine freiwillige Ausreise ist, da tatsächliche Hindernisse beim Kläger nicht vorliegen, im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen unter anderem auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten (z.B. nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG; vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris Rn. 17). Bei Bestehen solcher Abschiebungsverbote hat nicht nur die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben, sondern es ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.
2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Ausreise des Klägers ist weder auf Grund inlandsbezogener noch auf Grund zielstaatsbezogener Abschiebeverbote rechtlich unmöglich.
Insbesondere steht einer Ausreise nicht Art. 8 EMRK entgegen, da ein langjähriger Prozess der Verwurzelung des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland nicht besteht und er insbesondere kein sog. “faktischer Inländer” ist. Maßgebliche Anhaltspunkte für eine Integration des Ausländers in Deutschland sind eine zumindest mehrjährige Dauer des Aufenthalts in Deutschland, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Innehabung eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, in einem festen Wohnsitz, ausreichenden Mitteln, um den Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können, und fehlender Straffälligkeit zum Ausdruck kommen (vgl. HessVGH, B v. 15.2.2006 – 7 TG 106/06 – NVwZ-RR 2006, 826/827 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er ist zwar in der Bundesrepublik Deutschland geboren, kehrte jedoch im Alter von elf Jahren mit seinen Eltern in die Türkei zurück. Eine Rückkehr in das Bundesgebiet erfolgte im Jahr 1991. Da der Kläger in der Türkei folglich wesentliche Abschnitte seiner Schulausbildung und Jugend verbracht hat, geht die Kammer davon aus, dass der Kläger mit der türkischen Landessprache und den sozialen Begebenheiten in der Türkei bestens vertraut ist. Darüber hinaus ist es dem Kläger auch gelungen, sein Leben in den gut fünfeinhalb Jahren seines – wenngleich unfreiwilligen – Aufenthalts in der Türkei zwischen dem 1. April 2013 und dem 8. November 2018 zu organisieren. Dabei ist auch zu beachten, dass der Kläger ursprünglich beabsichtigt hatte, die Türkei nicht nur kurzzeitig, sondern für insgesamt über fünf Monate (die Rückreise war für den 12.9.2013 geplant) zu besuchen. Weiterhin ist zu beachten, dass dem Kläger keine dauerhafte berufliche Integration im Bundesgebiet gelungen ist. Insbesondere bezog er in den letzten 1,5 Jahren vor seiner Ausreise Arbeitslosengeld II. Ob und wie der Kläger zwischenzeitlich seinen Lebensunterhalt sichert, wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht vorgetragen.
Ein rechtliches Abschiebeverbot ergibt sich auch nicht aus einem zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Der Kläger hat diesbezüglich bereits nicht hinreichend vorgetragen, wieso bezüglich der Türkei ein Abschiebeverbot bestehen sollte. Soweit sich der Kläger auf die seiner Ansicht nach fingierten Anschuldigungen in der Türkei bezieht, ist anzumerken, dass in der Türkei – soweit aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich – gegen ihn wegen einer Vermögensstraftat (Urkundenfälschung und qualifizierter Betrug) ermittelt wird bzw. wurde. Dass ihm diese Straftat auf Grund seiner “politischen Einstellung” nur untergeschoben werden soll, ist eine rein spekulative Vermutung, die von Seiten des Klägers nicht näher substantiiert wurde. Gegen die Tatsache, dass dem Kläger in der Türkei eine besondere Gefahr droht, spricht auch, dass diesem zuletzt durch die türkischen Behörden die Ausreise in die Bundesrepublik ermöglicht wurde. Der Kläger war nach seinem Vortrag in der Türkei auch lediglich zwei Tage inhaftiert und konnte ansonsten – von einer Meldeauflage abgesehen – unbehelligt dort leben.
III. An der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids im Übrigen bestehen ebenfalls keine Zweifel.
Die in Nr. 1 verfügte Ausreiseaufforderung erging zu Recht, da der Kläger auf Grundlage des § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig ist. Die Niederlassungserlaubnis des Klägers ist erloschen (siehe oben) und es besteht auch kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen des Bescheides verwiesen. Im Übrigen wären durch die Ausreise des Klägers bzw. dessen nicht rechtzeitig erfolgte Wiedereinreise auch diese Rechte erloschen (vgl. dazu BayVGH, B.v. 27.11.2018 – 19 CE 17.550 – juris Rn. 24).
Auch bezüglich der in den Nr. 3 bis 6 des Bescheides verfügten Annexentscheidungen wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffende Begründung des Bescheides verwiesen.
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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