Verwaltungsrecht

Ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung bei Versetzungsbewerbern

Aktenzeichen  3 ZB 21.234

Datum:
13.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41431
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 33 Abs. 2
RBestPol Nr. 3, Nr. 7.1

 

Leitsatz

Entscheidet sich der Dienstherr dafür, eine Stelle nicht unbeschränkt auszuschreiben, sondern im Wege der Versetzung oder Umsetzung zu besetzen, ist das Auswahlverfahren nicht an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG zu messen. Die getroffene Auswahlentscheidung muss dann nur den Anforderungen an die Ausübung eines pflichtgemäßen, aber sehr weit gespannten Ermessens des Dienstherrn genügen und darf nicht willkürlich sein. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 20.2960 2020-12-03 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Aufhebung der zugunsten des Beigeladenen (PHK, BesGr. A 12) getroffenen Auswahlentscheidung und Verpflichtung des Beklagten, über die Bewerbung des Klägers (PHK, BesGr. A 11) auf den Dienstposten des stellvertretenden Leiters des Kommissariat 1 bei der Polizeistation Mühldorf (BesGr. A 11/12) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen entsprechenden Anspruch auf die begehrte Durchführung eines weiteren Auswahlverfahrens. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf fehlerfreie Ermessensausübung im Hinblick auf seine Bewerbung zu Recht als nicht verletzt angesehen, weil die Ablehnung ermessensfehlerfrei auf das Erfordernis besonderer dienstlicher Gründe gestützt werden konnte.
1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass das Auswahlverfahren hier nicht an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG zu messen ist, da sich der Dienstherr dafür entschieden hat, eine Stelle nicht unbeschränkt auszuschreiben, sondern im Wege der Versetzung oder Umsetzung zu besetzen (BVerfG, B.v. 28.11.2007 – 2 BvR 1431/07 – juris Rn. 10). In der Ausschreibung Nr. 7 vom 15. April 2020 hat er darauf hingewiesen, dass Umsetzungen nach Nr. 7.1 RBestPol (Richtlinien über die Bestellung auf Dienstposten des gehobenen und des höheren Dienstes der Bayer. Polizei vom 26. Oktober 2018) vorrangig durchgeführt werden können. Damit hat der Beklagte klargestellt, dass Beamte, die bereits einen Dienstposten innehaben, der – wie hier – dem ausgeschriebenen Dienstposten gleichwertig ist, nicht am Auswahlverfahren nach Nr. 3 Satz 3 RBestPol teilnehmen. Sie können jedoch – auch nach erfolgter Ausschreibung – ausnahmsweise dann vorrangig bestellt werden, wenn es besondere dienstliche Gründe erfordern (Nr. 7.1 Satz 2 RBestPol). Die getroffene Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen musste daher nur den Anforderungen an die Ausübung eines pflichtgemäßen, aber sehr weit gespannten Ermessens genügen und durfte nicht willkürlich sein (BayVGH, U.v. 11.11.2020 – 3 BV 19.1619 – BeckRS 2020, 32732 Rn. 26, 27; B.v. 9.1.2015 – 3 ZB 12.1126 – juris Rn. 5; B.v. 24.6.2014 – 3 ZB 13.1066 – juris m.w.N.).
Da es danach auf einen Leistungsvergleich zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen nicht ankommt, gehen sämtliche Ausführungen des Klägers zu dessen (angeblich) besserer Eignung nach Anwendung des Grundsatzes der Bestenauslese ins Leere. Dies gilt auch für den Vortrag, der Beigeladene (BesGr A 12) hätte sich im Feld der Beförderungsbewerber wegen seiner Gesamtbewertung von lediglich 9 Punkten nicht durchsetzen können, jedenfalls nicht gegen den Kläger (BesGr A 11; Bewertung: 12 Punkte); damit laufe für den Kläger das Leistungsprinzip und die gute dienstliche Beurteilung ins Leere, so dass seine „Beförderung …bislang ausgeblieben“ sei.
2. Der Beigeladene, der seine dienststelleninterne Umsetzung auf den Dienstposten des stellvertretenden Leiters des Kommissariats 1 im gleichen Statusamt anstrebt, konnte als Umsetzungsbewerber im Hinblick auf „besondere dienstliche Gründe“ (Nr. 7.1 Satz 2 RBestPol) vorrangig bestellt werden. Die (unter 3. zusammengefassten) Gründe rechtfertigen eine unabhängig vom Status des Klägers als Versetzungs- oder Beförderungsbewerber im Sinne der RBestPol vorgenommene Auswahl, weil ihm besondere Besetzungsumstände im Sinn von Nr. 7.1 RBestPol nicht zur Seite stehen. In entsprechender Weise hat der Beklagte im Übrigen einen weiteren Versetzungsbewerber (PHK B., vgl. Auswahlvermerk v. 27.5.2020, S. 1) in Ermangelung dienstlicher Gründe ausgeschieden.
Nach der Rechtsauffassung des Senats (BayVGH, U.v. 11.11.2020 a.a.O. Rn. 29) ist auch der Kläger als Versetzungsbewerber anzusehen. Dass das Verwaltungsgericht und der Auswahlvermerk vom 27. Mai 2020 davon abweichend den Kläger als Beförderungsbewerber ansehen, ist ohne Belang.
3. Ausweislich des Aktenvermerks vom 27. Mai 2020 kam es für die getroffene Auswahl nicht auf die anhand der Beurteilungen festzustellende Eignung der beiden im Klageverfahren beteiligten Konkurrenten an. Für die Auswahlentscheidung waren vielmehr allein die dort aufgeführten dienstlichen Gründe ausschlaggebend. Sie beruhte maßgeblich auf der Erwägung, dass der lebenszeitältere Beigeladene ein „äußerst erfahrener und langjähriger Dienstgruppenleiter der Polizeiinspektion M.“ sei, der die gerade auf dem Dienstposten eines stellvertretenden Kommissariatsleiters geforderte Fähigkeit zur Bearbeitung komplexer Sachverhalte besitze und seine bei dieser Dienststelle seit 1995 gesammelten „umfassenden Erfahrungen in der täglichen Sachbearbeitung“ mit einfließen lassen könne; außerdem erhöhe sich seine Verwendungsbreite (vgl. Auswahlentscheidung v. 27.5.2020 u. Absageschreiben an den Kläger v. 22.6.2021).
Mit diesen Überlegungen hat der Beklagte seine Auswahlentscheidung ermessensfehlerfrei auf besondere dienstliche Gründe gestützt. Die angeführten Aspekte sind allesamt sachgerecht und vom weiten organisatorischen Ermessen des Dienstherrn gedeckt. Der Beklagte hat darüberhinaus dargelegt, welche dienstlichen Gründe gegen eine Versetzung des Klägers auf den ausgeschriebenen Dienstposten sprächen, nämlich seine auf den Tagdienst eingeschränkte Dienstfähigkeit (vgl. Auswahlentscheidung v. 27.5.2020, S. 2) trotz Notwendigkeit „unregelmäßiger Nachtdienste“ auf dem ausgeschriebenen Dienstposten, seine „lockere Auslegung evtl. notwendiger Dienstzeiten und -verrichtung“ und schließlich das Fehlen ausreichender Kompetenz zur „eigenverantwortlichen Sachbearbeitung umfangreicher Delikte“. Diese drei – im Zulassungsverfahren im Übrigen nicht in Abrede gestellten – Gesichtspunkte verdeutlichen, dass die für eine Versetzung des Klägers auf den begehrten Dienstposten zu fordernden besonderen dienstlichen Gründe im Sinn von Nr. 7.1 Satz 2 RBestPol gerade nicht vorliegen.
Der Beklagte hat in seine Auswahlentscheidung im Übrigen auch die mit dem Veränderungswunsch verfolgten persönlichen Interessen des Klägers mit einbezogen, insbesondere die (weitere) Reduzierung des täglichen Arbeitswegs, diese Interessen jedoch als nachrangig angesehen (vgl. Auswahlentscheidung v. 27.5.2020, S. 2, 4. Absatz). Auch die Schwerbehinderung des Klägers wurde in der Auswahlentscheidung – wenn auch nicht durchschlagend – mitberücksichtigt. Der Senat vermag auch nicht den in der Zulassungsbegründung behaupteten Widerspruch zu erkennen, der darin liegen soll, dass die Auswahl des Beigeladenen einerseits mit dem Argument der „Gesundheitsvorsorge“ infolge seiner Herausnahme aus dem Schichtdienst begründet wurde, dem Kläger andererseits dessen fehlende Nachtdienstfähigkeit negativ vorgehalten wurde (vgl. UA S. 7, 8 c). Denn die zu besetzende Stelle ist unstreitig nicht im Schichtdienst auszufüllen, auch wenn sie in besonderen einzelfallbezogenen Situationen gleichwohl mit nächtlichem Arbeitseinsatz verbunden sein kann, der aber vom Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht verlangt werden kann. Jedenfalls stellt die Herausnahme eines lebenszeitälteren Beamten aus dem Schichtdienst unter dem Gedanken der Gesundheitsprävention einen besonderen dienstlichen Grund im Sinn von Nr. 7.1 Satz 2 RBestPol dar, auch wenn der Beigeladene auf dem streitgegenständlichen Dienstposten ab und an zur Nachtzeit Dienst wird leisten müssen; der Kläger wäre hierzu aber unstrittig nicht verpflichtet.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die angegebenen dienstlichen Gründe hätten auch gegenüber (sämtlichen) anderen Bewerbern „gerade die Auswahl des Beigeladenen erfordern“ müssen, trifft dies nicht zu. Im Rahmen des von einem Konkurrenten angestrengten Klageverfahrens kommt es grundsätzlich nur auf das Verhältnis zwischen diesem Beamten und dem ausgewählten Beamten an, während am Klageverfahren nicht beteiligte weitere Bewerber außer Betracht bleiben. Im Übrigen setzt die Auswahl eines Bewerbers für einen konkreten Dienstposten nicht voraus, dass gerade seine Auswahl in einem engeren Sinne „erforderlich“ ist.
Der Senat hat auch den weiteren Vortrag des Klägers aus der Zulassungsbegründung vom 25. April 2021 erwogen. Er ist jedoch ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen, ohne dass es insoweit einer ausdrücklichen Auseinandersetzung bedurft hätte.
3. Der Zulassungsantrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Da der Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben