Verwaltungsrecht

Ersatz der Bestattungskosten

Aktenzeichen  B 9 K 18.1301

Datum:
5.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19923
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BestV § 1
BestG Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist Art. 14 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BestG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 KG. 2. Der angegriffene Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Beklagte hat den Bescheid als zuständige Behörde erlassen. Die Stadt … ist nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG ermächtigt, von einem Pflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten zu verlangen.
Die nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Anhörung wurde durch das Schreiben der Beklagten vom 17. Oktober 2018 durchgeführt.
3. Auch ist der streitgegenständliche Bescheid materiell rechtmäßig, da die von der Beklagten getroffene Entscheidung, von dem Kläger Kostenersatz auf Grundlage von Art. 14 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BestG i.V.m. § 15 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. f) BestV zu verlangen, rechtmäßig war.
Die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BestG geregelte Verpflichtung, für die Bestattung des Verstorbenen zu sorgen, obliegt gemäß Art. 15 Abs. 1 und 2 BestG i.V.m. § 15 BestV den in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BestV genannten Angehörigen. Nach dieser Bestimmung kommen als bestattungspflichtige Personen der Ehegatte, die Kinder, die Eltern, die Großeltern, die Geschwister und weitere dort genannte Angehörige in Betracht. Bestimmt die Gemeinde demnach die nach diesen Vorschriften zur Bestattung verpflichteten Angehörigen, so soll sie dabei den Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft berücksichtigen (Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 BestG, § 15 Satz 2 BestV). Die Vorgaben des § 15 Satz 2 BestV sind auch bei der Heranziehung des Bestattungspflichtigen zu den Kosten der Bestattung im Rahmen der Ersatzvornahme durch die Gemeinde nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zu berücksichtigen. Auch dabei soll auf den Grad der Verwandtschaft abgestellt werden.
Der Kläger als Bruder der Verstorbenen gehört zu den bestattungspflichtigen Angehörigen im Sinne von Art. 15 BestG i.V.m. § 15 und § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. f) BestV.*Dass es sich bei dem Kläger um den Bruder der Verstorbenen handelt, steht nach Ansicht des Gerichts zweifelsfrei fest und wird auch von Klägerseite nicht bestritten.
Die Bestattungspflichtigen sind aufgrund der gesetzlichen Regelung des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG im Wege des intendierten Ermessens zum Kostenersatz zu verpflichten, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. Denn nach der Zweckrichtung der Regelung in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG entspricht es regelmäßig ohne Ansehung der tatsächlichen persönlichen Beziehung des Pflichtigen zum Verstorbenen dem Interesse der Allgemeinheit an der rechtmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Steuergeldern, die durch die Gemeinde verauslagten Bestattungskosten vom Bestattungspflichtigen zurückzufordern. Die in Art. 15 Abs. 2 BestG und §§ 1 und 15 BestV aufgezählten Angehörigen eines Verstorbenen stehen diesem im Sinne einer Solidargemeinschaft ungeachtet ihrer persönlichen Beziehungen zueinander allein schon aufgrund der familiären Verbundenheit regelmäßig näher als die Allgemeinheit, so dass es deshalb vorrangig ihnen obliegen muss, für eine Bestattung zu sorgen und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Bei der Bestattungspflicht und der hieraus resultierenden Kostentragungspflicht geht es vor allem darum, die private Verantwortungssphäre von derjenigen der Allgemeinheit abzugrenzen. In Fällen dieser Art bedarf es einer Darlegung der Ermessenserwägungen nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten. Außergewöhnliche Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten, können danach nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zulasten des an sich Bestattungspflichtigen angenommen werden (BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 4 ZB 12.2526 – juris Rn. 12; B.v. 17.1.2013 – 4 ZB 12.2374 – juris Rn. 7; B.v. 19.12.2011 – 4 C 11.2581 – juris Rn. 7; B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – BayVBl 2009, 537, jeweils m.w.N.).
Gemessen daran unterliegt der streitgegenständliche Bescheid keinen durchgreifenden Zweifeln. Die Entscheidung, allein vom Kläger die Erstattung der Kosten zu verlangen, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Zwar waren neben dem Kläger auch dessen Schwestern bestattungspflichtig. Die Schwestern des Klägers sind unter Berücksichtigung der verwandtschaftlichen Nähe zu der Verstorbenen (vgl. § 15 Satz 2 BestV) als deren Schwestern in gleicher Weise wie der Kläger kostenersatzpflichtig. Somit schulden der Kläger und seine Schwestern die Bestattungskosten in der Weise, dass jeder verpflichtet ist, die ganze Leistung zu bewirken, die Beklagte diese aber nur einmal zu fordern berechtigt ist. Zwischen dem Kläger und seinen Schwestern besteht hinsichtlich der Bestattungskosten daher Gesamtschuldnerschaft (Art. 2 Abs. 4 KG analog). Die Beklagte hat somit eine Entscheidung darüber zu treffen, welchen von mehreren Veranlassern sie ganz oder teilweise zur Zahlung der Ersatzvornahmekosten heranzieht.
Nachdem es sich bei dieser Auswahlentscheidung um ein nur durch das Willkürverbot und offenbare Unbilligkeiten begrenztes Ermessen handelt, bedarf diese Ermessensentscheidung in der Regel keiner Begründung (BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – NJW 1993, S. 1667; VG München, U.v. 30.9.2004 – M 10 K 04.2800 – juris). Dass sich die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung für die Heranziehung des Klägers entschieden hat, ist nicht zu beanstanden.
Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in Art. 14 Abs. 2 BestG, wonach „von einem Pflichtigen“ Ersatz verlangt werden kann, ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, bei mehreren Pflichtigen nur von einem Kostenersatz zu fordern. Die amtliche Begründung zu Art. 14 BestG (LT-Drs 6/3255) bestätigt das. Dem Gesetzgeber kam es darauf an, den zuständigen Behörden ein schnelle und effiziente, möglichst wenig Verwaltungsaufwand erfordernde Vollziehung des Bestattungsgesetzes in solchen Fällen zu ermöglichen und es den Behörden zu ersparen, sich in etwaige Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Erben bzw. sonstigen Hinterbliebenen einmischen zu müssen. Der Kostenerstattungsanspruch besteht unabhängig davon, wer zivilrechtlich die Bestattungskosten zu tragen hat. Da die von der Gemeinde im Wege der Ersatzvornahme besorgte Bestattung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erfolgt, sind Erwägungen, wer der endgültige Kostentragungspflichtige ist, nicht anzustellen. Die endgültige Verpflichtung zur Tragung der Bestattungskosten ist eine Frage des Zivilrechts, nicht des öffentlichen Rechts. Dem Kläger ist es nicht verwehrt, nach dieser Entscheidung von seinen Geschwistern oder etwaiger weiterer Bestattungspflichtiger einen finanziellen Ausgleich auf dem zivilrechtlichen Weg zu fordern. Die hier streitgegenständliche öffentlich-rechtliche Bestattungsverpflichtung und die Verpflichtung zum Kostenersatz trifft keine Aussage darüber, wer und in welchem Umfang zivilrechtlich die Kosten zu tragen hat. Diese Vorgehensweise hat zum einen das Ziel, die Sicherheitsbehörden von der ressortfremden Prüfung der Zumutbarkeitsfrage und der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit zu entlasten; zum anderen gewährleistet sie eine Gleichbehandlung der Bestattungspflichtigen. Sowohl der Bestattungspflichtige, der sich weigert seiner Bestattungspflicht nachzukommen und zum Kostenersatz herangezogen wird, als auch derjenige, der sie freiwillig erfüllt, müssen sich um einen nachträglichen Ausgleich ihrer verauslagten Kosten bemühen. Die Auswahlentscheidung der Beklagten ist nach o.g. Maßstäben vorliegend weder willkürlich noch ist sie offenbar unbillig. Nötigenfalls müssen die Gesamtschuldner untereinander einen entsprechenden Ausgleich schaffen.
Der Kläger brachte weiter vor, er habe seit langem keinen Kontakt zu seiner Schwester gehabt und auch das Erbe ausgeschlagen, eine seiner Schwestern sei jedoch Alleinerbin geworden. Zudem würde seines Wissens nach die Erbmasse die Kosten für die Beerdigung abdecken. Diese Einwände lassen die Bestattungspflicht des Klägers und in der Folge auch seine Kostenerstattungspflicht nach dem oben Gesagten ebenfalls nicht entfallen.
Die Bestattungspflicht besteht als öffentlich-rechtliche Pflicht vornehmlich aus Gründen der Gefahrenabwehr und ist unabhängig von zivilrechtlichen Verpflichtungen oder dem Totenfürsorgerecht (vgl. BGH, B.v. 14.12.2011 – IV ZR 132/11 – juris). Dies gilt auch für die vom Bevollmächtigten des Klägers aufgeworfene Frage, ob das Nachlassvermögen der Verstorbenen für die Beerdigung ausgereicht hätte (vgl. Bl. 22 und 36 der Gerichtsakte). Die Verpflichtung, die Kosten der Beerdigung des Erblassers zu tragen, trifft nach § 1968 BGB zwar den Erben und damit nicht zwingend den Bestattungspflichtigen. Es obliegt jedoch nicht der Beklagten, sondern dem Kläger, insoweit Ermittlungen anzustellen und ggf. zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen (BayVGH B.v. 17.1.2013 – 4 ZB 12.2374 – juris).
Schwere Verfehlungen oder Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung, damit eine von dem in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG normierten Regelfall abweichende Ermessensentscheidung der Beklagten rechtfertigten, sind weder dargetan noch ersichtlich. Allein der Umstand, dass zwischen dem Kläger und der Verstorbenen kein näherer Kontakt bestanden hat, ist unerheblich.
Die von dem Kläger vorgetragene mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit begründet ebenfalls keinen besonderen Umstand, der ein Absehen von der Forderung der Bestattungskosten rechtfertigen würde. In diesem Zusammenhang teilt das Gericht die obergerichtliche Rechtsprechung, wonach es keiner Einschränkung der Kostentragungspflicht auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedarf, weil die Bestattungspflichtige auf den – in einem selbständigen Verwaltungsverfahren außerhalb des Bestattungsrechts geltend zu machenden – Erstattungsanspruch nach § 74 SGB XII verwiesen werden kann (so: BayVGH B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – juris; Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917/919 f., a.A. OVG NRW B.v. 24.2.2010 – 19 E 150/10 – juris -). Die in § 74 SGB XII gemeinte Zumutbarkeit beschränkt sich nicht auf eine finanzielle Zumutbarkeit, sondern lässt auch Raum für andere (Un-)Zumutbarkeitsgründe, etwa solche persönlicher Natur (Grube in Grube/Wahrendorf SGB XII, 6. Auflage 2018, § 74 Rn. 37 m.w.N.). Je enger das Verwandtschaftsverhältnis oder die rechtliche Beziehung zu dem Verstorbenen war, desto geringer sind in der Regel die Anforderungen an die Zumutbarkeit des Einsatzes von Einkommen und Vermögen. Daraus folgt, dass etwa bei zerrütteten Verwandtschaftsverhältnissen höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit, Kosten der Bestattung zu tragen, zu stellen sind (BSG, U.v. 29.9.2009 – B 8 SO 23/08 R – juris; OVG Saarlouis, U.v. 27.12.2007 – 1 A 40/07 – juris; LSG Hamburg, U.v. 20.11.2014 – L 4 SO 22/12 – juris). Dabei sind die Besonderheiten des Einzelfalles stets zu berücksichtigen. Dies festzustellen ist jedoch nicht Sache der Beklagten, sondern die des Sozialhilfeträgers.
4. Hinsichtlich der Höhe der geforderten Kosten von 1.998,00 € sind Bedenken weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
5. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Angesichts der allenfalls geringen Höhe der von der Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung einer Abwendungsbefugnis nicht angezeigt.


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