Verwaltungsrecht

Erstattungsfähigkeit geltend gemachter Rechtsanwaltsvergütungen

Aktenzeichen  7 C 16.1330

Datum:
21.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2018, 124
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2
RStV § 29 Satz 3

 

Leitsatz

Unterschiedliche Rechtsschutzziele mehrerer Auftraggeber rechtfertigen insbesondere vor dem Hintergrund eines komplexen rechtlichen Sachverhalts die Annahme, dass zwei derselben Sozietät angehörende Rechtsanwälte, die jeweils im Namen dieser Auftraggeber getrennt tätig werden, nicht „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne des § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 RVG bearbeiten. (Rn. 14)

Verfahrensgang

17 M 15.3478 2016-05-11 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über die Erstattungsfähigkeit geltend gemachter Rechtsanwaltsvergütungen.
Die (jetzige) Antragstellerin und Beklagte in den Ausgangsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München (U.v. 8.11.2007 – Az. M 17 K 06.2675), dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (U.v. 15.2.2012 – Az. 7 BV 11.285) und dem Bundesverwaltungsgericht (U.v. 29.1.2014 – Az. 6 C 2.13) hatte mit Bescheid vom 15. Mai 2006, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2006, mehreren Fernsehveranstaltern (u.a. der jetzigen Beigeladenen zu 2), allesamt direkte oder mittelbare Tochtergesellschaften der Pr..1 Media AG (der jetzigen Beigeladenen zu 1), die Fortsetzung ihrer Anbietertätigkeit nach Erwerb der von Pr..1 Media AG gehaltenen Anteile durch die A. S. AG (jetzige Antragsgegnerin) nicht genehmigt.
Die von der Antragsgegnerin im Hinblick auf den geplanten Anteilserwerb begehrte Unbedenklichkeitsbestätigung gemäß § 29 Satz 3 RStV wurde nicht erteilt.
Dem in den folgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach teilweiser Rücknahme der Berufung zuletzt u.a. von der Antragsgegnerin gestellten Antrag, festzustellen, dass der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig war, wurde schließlich stattgegeben.
Die in den Verfahren aller Instanzen entstandenen Kosten haben die Beteiligten nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Februar 2012 (7 BV 11.285) wie folgt zu tragen:
„Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug und die im zweiten Rechtszug bis zur teilweisen Rücknahme der Berufung angefallenen Kosten werden gegeneinander aufgehoben. Die nach der teilweisen Rücknahme der Berufung angefallenen Kosten trägt die Beklagte einschließlich der im zweiten Rechtszug angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und der im dritten Rechtszug angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2. Im Übrigen tragen die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.“
Der Streitwert wurde bis zur teilweisen Rücknahme der Berufung auf 2,1 Millionen Euro und danach auf 1,05 Millionen Euro festgesetzt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 2. August 2012 und vom 22. Juli 2015 wurden die von der Antragstellerin zu tragenden notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin auf insgesamt 34.440,40 Euro bzw. 33.046,60 Euro festgesetzt. Den dagegen gerichteten Kostenerinnerungen der Antragstellerin hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 11. Mai 2016 im Hinblick auf jeweils eine geltend gemachte Verfahrensgebühr stattgegeben, die Erinnerungen im Übrigen zurückgewiesen und die abschließende Kostenfestsetzung auf den Kostenbeamten der Geschäftsstelle übertragen.
Mit der vorliegenden Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel in Bezug auf die überwiegende Ablehnung ihrer Erinnerungen weiter. Sie ist der Auffassung, die beiden zeitweise und während der gerichtlichen Verfahren derselben Sozietät angehörenden Rechtsanwälte, die in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren jeweils die Antragsgegnerin bzw. die Beigeladenen vertreten hatten, seien insoweit als „ein Anwalt“ in „derselben Angelegenheit“ tätig geworden und deshalb gemäß § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 RVG auch nur einmal berechtigt, entsprechende Gebühren geltend zu machen. Außerdem beruhe die streitgegenständliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf einem Gehörsverstoß, weil der Antragstellerin keine Gelegenheit zur Replik auf den Schriftsatz der Beigeladenen vom 4. Mai 2016 eingeräumt worden sei. Auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 12. August 2016 und vom 13. Oktober 2016 wird verwiesen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen treten der Beschwerde entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowohl des Antrags- und Beschwerdeverfahrens, als auch der Klageverfahren Bezug genommen.
II.
Die zulässige und fristgerecht eingelegte Beschwerde (vgl. § 147 Abs. 1 VwGO) ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die statthafte (§ 165 i.V.m. § 151 Satz 1 VwGO) und auch sonst zulässige (§ 151 Satz 2 und 3 i.V.m. §§ 147 – 149 VwGO) Kostenerinnerung zu Recht zurückgewiesen. Die Kostenbeamtin des Verwaltungsgerichts hat in den angegriffenen Beschlüssen vom 2. August 2012 und vom 22. Juli 2015 ebenso wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die beteiligten Rechtsanwälte berechtigt waren, die für ihre Tätigkeit anfallenden Gebühren gesondert abzurechnen. Der erkennende Senat nimmt deshalb zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 11. Mai 2016 und sieht von einer weiteren Begründung ab. Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen noch Folgendes anzumerken:
1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht nach einer Gesamtschau und Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu dem Schluss gekommen, dass die beteiligten Rechtsanwälte vorliegend insbesondere nicht in „derselben Angelegenheit“ im Sinn von § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 RVG tätig geworden sind mit der Folge, dass sie die anfallenden Gebühren jeweils einzeln abrechnen können. Zu berücksichtigen ist, dass der Gesetzgeber angesichts der Vielseitigkeit der in Frage kommenden Lebensumstände davon abgesehen hat zu bestimmen, wann „dieselbe“ oder „mehrere“ Angelegenheiten vorliegen. Sowohl § 7 Abs. 1 RVG wie § 15 Abs. 2 RVG setzen den Begriff „derselben Angelegenheit“ voraus, ohne ihn zu erläutern. Der Gesetzgeber hat es der Prüfung des Einzelfalls vorbehalten, ob ein gebührenpflichtiger Auftrag vorliegt oder mehrere einzeln abzurechnende Aufträge gegeben sind (so schon BayVGH, B.v. 15.2.1980 – 22 C 1877/79, mit Leitsatz und Gründen abgedruckt in BayVBl 1980, S. 444 f. zur damaligen Rechtslage m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch: Mayer in Gerold/Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 22. Aufl. 2015, § 15 RVG Rn. 5).
Das Verwaltungsgericht hat insoweit u.a. wesentlich darauf abgestellt, dass es der Antragsgegnerin in den Verwaltungsstreitverfahren vor allem darum ging, angesichts des damals geplanten Zusammenschlusses mit mehreren Fernsehveranstaltern und der damit verbundenen Änderung von Beteilungsverhältnissen auf dem Medien- und Meinungsmarkt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 29 Satz 3 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) zu erlangen. Den Beigeladenen, denen die Antragstellerin für den Fall des Zusammenschlusses die weitere Genehmigung und damit Zulassung verweigert hatte, ging es dagegen vor allem um eine Fortsetzung ihrer Anbietertätigkeit. Die solchermaßen unterschiedlichen Rechtsschutzziele mehrerer Auftraggeber, der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, rechtfertigen insbesondere vor dem Hintergrund eines komplexen rechtlichen Sachverhalts die Annahme, dass zwei derselben Sozietät angehörende Rechtsanwälte, die jeweils im Namen dieser Auftraggeber getrennt tätig werden, nicht „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne des § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 RVG bearbeiten.
Nichts anderes ergibt sich aus der bereits zitierten (BayVGH a.a.O.) und von der Antragstellerin zur Begründung ihrer Rechtsauffassung herangezogenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Februar 1980: Denn dort hat der Verwaltungsgerichtshof lediglich – in Klarstellung einer bereits früher ergangenen Entscheidung – ausgeführt, dass die Beteiligtenstellung eines Klägers und einer Beigeladenen für sich genommen noch keine gebührenrechtlich entscheidende Rolle spielt. Davon ist das Verwaltungsgericht hier aber auch nicht ausgegangen.
2. Die geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin insoweit im Beschwerdeverfahren mittlerweile ausführlich vorgetragen hat und eine entscheidungserhebliche Auswirkung ihres – im wesentlichen ihre Rechtsauffassung wiederholenden – Vorbringens nicht substanziiert dargelegt hat, wäre sie auch bereits vor dem Verwaltungsgericht in der Lage gewesen, auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 4. Mai 2016 zu replizieren: Denn dieser Schriftsatz wurde ihr nach eigenen Angaben bereits am 13. Mai 2016 zugestellt, was sich mit dem bei den Akten befindlichen Vermerk der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts deckt, die einen Abdruck dieses Schriftsatzes aufgrund richterlicher Verfügung vom 6. Mai 2016 am 10. Mai 2016 versandt hat. Da die Antragstellerin selbst aber bereits am 4. April 2016 um eine zeitnahe Entscheidung des Gerichts gebeten hatte, wäre sie nach Zustellung dieses Schriftsatzes am 13. Mai 2016 nicht nur in der Lage, sondern auch gehalten gewesen, eine weitere, ihrerseits geplante Stellungnahme umgehend mindestens anzukündigen. Eine solche wäre angesichts des erst am 30. Mai 2016 zugestellten Beschlusses des Gerichts dort auch zu berücksichtigen gewesen, denn das Entscheidungsdatum 11. Mai 2016 (von dem die Antragstellerin erst mit der Zustellung am 30. Mai 2016 überhaupt erfahren hat) markiert nicht das tatsächliche Wirksamwerden des angefochtenen Beschlusses. Vielmehr hat das Gericht Äußerungen der Beteiligten noch bis zu einer entsprechenden Verfügung des Kammervorsitzenden an die Geschäftsstelle (hier ausweislich der Akten am 18. Mai 2016) bzw. einem entsprechenden Übermittlungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (hier vom 23. Mai 2016) zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. zum Ganzen: Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 116 Rn. 14). Die erst unter dem 24. Mai 2016 eingereichte erwidernde Stellungnahme der Antragstellerin ist vor diesem Hintergrund zu spät eingegangen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da für die Zurückweisung der Beschwerde nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nur eine streitwertunabhängige Festgebühr von 50,- Euro erhoben wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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