Verwaltungsrecht

(Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach AufenthG 2004 § 25 Abs 3)

Aktenzeichen  2 O 18/22

Datum:
27.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0427.2O18.22.00
Normen:
§ 25 Abs 3 AufenthG
§ 25 Abs 3 S 2 AufenthG 2004
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 3 AufenthG (juris: AufenthG 2004) wegen des Ausschlusstatbestandes des § 25 Abs 3 S 2 AufenthG (juris: AufenthG 2004) dürfte nur in Betracht kommen, wenn ein konkreter “anderer Staat” feststeht, in den der Ausländer ausreisen kann.(Rn.14)

2. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 3 S 2 AufenthG (juris: AufenthG 2004) wegen wiederholten oder gröblichen Verstoßes gegen “entsprechende Mitwirkungspflichten” kommt nur in denjenigen Fällen in Betracht, in denen dem betroffenen Ausländer die Ausreise in den anderen Staat (prinzipiell) möglich und zumutbar ist.(Rn.15)

Verfahrensgang

vorgehend VG Magdeburg, 14. Januar 2022, 9 A 267/21 MD, Beschluss

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle – 9. Kammer – vom 14. Januar 2022 geändert.
Dem Kläger wird für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C. aus C-Stadt bewilligt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Der am … 1991 geborene Kläger reiste Ende 1996 mit seinen Eltern und seiner Schwester in die Bundesrepublik Deutschland ein. Auf ihre am 8. Januar 1997 gestellten Asylanträge, bei denen sie angaben, irakische Staatsangehörige zu sein, stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 13. Februar 1997 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Der Kläger erhielt daraufhin am 5. Mai 1997 eine Aufenthaltsbefugnis, die regelmäßig bis zum 22. April 2005 verlängert wurde. Mit Bescheid vom 16. September 2004 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG, weil sich die erforderliche Prognose drohender politischer Verfolgung nicht mehr treffen lasse, und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Mit Bescheid vom 14. August 2007 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf entsprechenden Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Irak vorliegen. Daraufhin erteilte ihm die Beklagte am 21. August 2007 eine bis zum 20. August 2010 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Mit Bescheid vom 4. Februar 2010 nahm das Bundesamt seinen Bescheid vom 14. August 2007 zurück und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung führte es aus, aus einem am 11. März 2008 hinsichtlich des Vaters und einem am 25. April 2009 hinsichtlich der Mutter erstellten Sprachgutachten ergebe sich zweifelsfrei, dass die Eltern des Klägers damit auch er selbst nicht aus der von ihnen behaupteten Region – Irak – stammen könnten. Mit Bescheid vom 29. November 2010 lehnte die Beklage daraufhin den Antrag des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch und die nachfolgende Klage (4 A 212/11 MD) blieben ohne Erfolg. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Senat mit Beschluss vom 16. Dezember 2013 (2 L 173/12) ab. Den am 26. August 2014 vom Kläger gestellten Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, in der er angab, irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit sei, lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 10. Januar 2017 als unzulässig ab; ferner lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 4. Februar 2010 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab. Zur Begründung führte das Bundesamt u.a. aus, es sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht irakischer Staatsangehöriger sei bzw. nicht aus dem Irak stamme. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. August 2017 (4 A 189/17 MD) ab.
Einen weiteren Folgeantrag des Klägers vom 26. Juli 2019 lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 2. August 2019 als unzulässig ab; zugleich stellte es aber unter Abänderung seines Bescheides vom 4. Februar 2010 fest, dass hinsichtlich der Republik Irak ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht. Zur Begründung führte das Bundesamt u.a. aus, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen nicht vor. Der Kläger habe keinen substantiierten Vortrag geltend gemacht, warum er nunmehr im Irak entgegen seinen bisherigen Ausführungen in vorherigen Asylverfahren in Lebensgefahr sei. Es lägen jedoch Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vor, die eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 AufenthG rechtfertigten. Nach dem Sachvortrag des Klägers drohe ihm im Irak durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Bestrafung. Er habe den Irak im Kindesalter verlassen und den Großteil seines Lebens in Deutschland verbracht. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führten zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Es lägen besondere Umstände vor, die es dem Kläger deutlich erschwerten, ein Leben zumindest am Rande des Existenzminimums zu finanzieren. Er verfüge über keine familiären Bindungen im Heimatland. Ferner lebe seine Kernfamilie nachweislich im Bundesgebiet. Familienbesitz im Heimatland sei nicht anzunehmen. Er habe auch keine Kenntnisse über die örtlichen und aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse und Besonderheiten des Irak, um dort nach seiner Rückkehr zurechtzukommen.
Den daraufhin am 10. Dezember 2019 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lehnte die Beklage mit Bescheid vom 30. Juli 2020 ab. Zur Begründung gab sie an, die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG könne nicht erteilt werden, weil der Kläger gegen Mitwirkungspflichten verstoßen habe und er in einen anderen Staat als den Irak, sein wahres Heimatland, ausreisen könne (§ 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Sie sei – anders als das Bundesamt – nach wie vor davon überzeugt, dass es sich beim Kläger nicht um einen irakischen Staatsangehörigen handele. Sie sei zwar nach § 42 AsylG an die Entscheidung des Bundesamts zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots hinsichtlich des Irak gebunden, nicht aber an die Feststellung zur Staatsangehörigkeit. In den die Eltern des Klägers betreffenden Sprachgutachten vom 12. März 2008 und 25. April 2009, an deren Richtigkeit sie keine Zweifel habe, werde eine Zugehörigkeit zu den GUS-Staaten bescheinigt. Dass mittlerweile ein negatives Ergebnis der Eltern zu Armenien vorliege, bescheinige noch keine Herkunft des Klägers aus dem Irak. Vielmehr hätten die Experten vor Ort ausgeführt, dass es sich beim Vater des Klägers möglicherweise um einen georgischen Staatsangehörigen handeln könne. Die verschiedenen vom Kläger in Kopie vorgelegten Bescheinigungen der irakischen Botschaft bzw. irakischer inländischer Behörden trügen nicht zu einer anderen Auffassung bei. Unabhängig davon, dass es sich um Kopien handele, bestätigten sie lediglich, dass der Kläger bzw. seine Angehörigen dort vorgesprochen hätten. Weiterhin werde ausgeführt, dass Dokumente nicht ausgestellt werden könnten, weil keine Originaldokumente vorgelegt würden. Unabhängig davon hätten sich die Eltern des Klägers schon einmal gefälschte Dokumente beschafft. Gegen die Echtheit der vorgelegten “Aufenthaltsbescheinigungen/Wohnsitzbescheinigungen” spreche auch, dass sich die Familie aus dem Heimatland einen Nachweis über den früheren Wohnsitz im Irak schicken lasse, sich aber sonst angeblich keine Dokumente beschaffen könne. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG oder nach § 25b AufenthG könne ebenfalls nicht erteilt werden.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger am 1. April 2021 Klage erhoben, die er im Wesentlichen darauf stützt, dass er nach der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG im Bescheid des Bundesamtes vom 2. August 2019 einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG habe. Seinen Eltern habe das Bundesamt subsidiären Schutz zuerkannt, ebenfalls mit Blick auf das Herkunftsland Irak. Daraufhin habe die Beklagte seiner Mutter eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.
Den zugleich gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 14. Januar 2022 abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraussichtlich nicht zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus § 25 Abs. 3 AufenthG, weil der Ausschlusstatbestand des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorliege. Die Beklagte sei im angefochtenen Bescheid – wie auch schon das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht in zuvor ergangenen, den Kläger betreffenden Entscheidungen – davon ausgegangen, dass der Kläger nicht aus dem Irak stamme, sondern aus einem der GUS-Staaten. Der Beklagten sei auch darin zu folgen, dass für die einzelnen GUS-Staaten ein Ausreisehindernis nicht ersichtlich sei, sodass die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar sei, und dass der Kläger wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstoßen habe, weil er hinsichtlich seiner wahren Herkunft und Identität keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht und trotz mehrfacher Aufforderungen hinreichende Dokumente nicht vorgelegt habe. Ohne Erfolg mache der Kläger geltend, das Bundesamt habe durch Bescheid vom 2. August 2019 nicht nur ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf den Irak festgestellt, sondern sei in der Entscheidung auch von der irakischen Staatsangehörigkeit des Klägers ausgegangen. Die Bindungswirkung nach § 42 Satz 1 AsylG beziehe sich nur auf den Tenor der Entscheidung, hier also auf die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich des Irak, nicht aber auf Feststellungen in den Gründen oder ein obiter dictum. Die Bindungswirkung hindere die Beklagte allein daran, eine anderslautende Entscheidung als das Bundesamt im Hinblick auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses in Bezug auf den Irak zu treffen, was bedeute, dass die Beklagte den Kläger nicht in den Irak abschieben dürfe und ihm zumindest eine Duldung zu erteilen habe. Die irakische Staatsangehörigkeit des Klägers bzw. seine Herkunft aus dem Irak, von der das Bundesamt offenbar ausgehe, werde als bloßes Begründungselement von der Bindungswirkung nicht erfasst. Damit sei die Herkunft des Klägers weiterhin als ungeklärt anzusehen, wenn neben dem Staat, hinsichtlich dessen ein Abschiebungsverbot festgestellt worden sei, ein weiterer (anderer) Staat in Betracht komme, in den die Abschiebung (konkret) möglich und zumutbar sei. Hinsichtlich dieses Staates oblägen dem Ausländer dann noch (weitergehende) Mitwirkungspflichten. Ins Leere gehe deshalb auch der Einwand des Klägers, eine Pflichtverletzung sei jedenfalls nicht ursächlich für die Unmöglichkeit der Ausreise, weil auch bei Erfüllung der verlangten Mitwirkungshandlung eine Ausreise wegen der Feststellung des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unmöglich bliebe. Bei den von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG umfassten Tatbeständen handele es sich um relative Gefahren, die dem Ausländer nur in einem bestimmten Staat drohten. Mithin erschöpfe sich § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den betreffenden Zielstaat, in welchem dem Ausländer Gefahren drohten. Die von der Beklagten gegenüber dem Kläger eingeforderten Mitwirkungshandlungen dienten der Offenlegung seiner wahren Staatsangehörigkeit und damit der Vorbereitung der Ausreise/Rückführung des Klägers in seinen wahren Herkunftsstaat. Dass einer Ausreise bzw. Rückführung dorthin Abschiebungshindernisse bzw. Abschiebungsverbote entgegenstehen, sei nicht ersichtlich. Eine Abschiebung des Klägers in den Irak stehe nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten demgegenüber nicht an. Der Kläger habe entgegen seinem Vortrag nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen und gegenüber der Beklagten nachgewiesen, um seine Identität aufzuklären. Die zum Nachweis seiner Identität beigebrachte Aufenthaltsbescheinigung des Gemeindevorstehers sowie die Wohnsitzbestätigung des Bürgermeisters der Ortschaft K. vom 10. Oktober 2017 habe er trotz Aufforderung der Beklagten zur Vorlage der entsprechenden Originale bislang nur als Ablichtungen vorgelegt. Derartige Ablichtungen seien jedoch einer Echtheitsprüfung nicht zugänglich. Hinzu komme, dass in der Aufenthaltsbescheinigung der Name des Gemeindevorstehers teils unleserlich sei und die Bescheinigung selbst ein Datum nicht aufweise. In der Wohnsitzbestätigung sei die Rede von einem Herrn „E.“ statt Herrn A.. Bei seiner Vorsprache am 20. Januar 2021 im irakischen Konsulat in Frankfurt am Main sei der Kläger schließlich darauf hingewiesen worden, dass die in Rede stehenden irakischen Meldebescheinigungen die erforderliche Apostille nicht aufwiesen. Ihm sei empfohlen worden, die Dokumente in den Irak an das dortige Außenministerium zu schicken, um sie beglaubigen zu lassen. Eine solche Übersendung habe der Kläger bislang nicht veranlasst. Stattdessen habe seine Familie die Bescheinigungen per E-Mail vom 16. Februar 2021 an das Generalkonsulat E. gesandt, obgleich dieses ausweislich eines auf seiner Internetseite veröffentlichten Merkblattes eine Echtheitsprüfung irakischer öffentlicher Urkunden nicht mehr vornehme. Die vom Kläger darüber hinaus vorgelegten Bescheinigungen der irakischen Botschaft bzw. des irakischen Generalkonsulates rechtfertigten keine andere Beurteilung, weil sie ebenfalls bislang nicht im Original vorlägen und ihrem Inhalt nach in Bezug auf den Nachweis der Identität des Klägers nicht ergiebig seien. So werde in den Bestätigungen der Konsularabteilung Berlin vom 13. Mai 2013 für den Kläger bzw. seinen Angehörigen mitgeteilt, dass diese dort zwecks Ausstellung eines Reisepasses (jeweils) vorgesprochen hätten, dass ein Reisepass jedoch nicht habe ausgestellt werden können, weil keine irakischen Dokumente vorgelegt worden seien. Ähnlich heiße es in dem Schreiben der Konsularabteilung Berlin vom 13. Februar 2017 betreffend die Schwester des Klägers, dass es irakischer Dokumente bedürfe, um die Identität der betreffenden Person bestätigen zu können. Nicht ergiebig sei schließlich der Inhalt der vorgelegten Bestätigung des irakischen Generalkonsulats in Frankfurt am Main vom 31. Oktober 2013. Zwar heiße es darin zunächst, bei dem geführten Interview am 31. Oktober 2013 habe sich herausgestellt, dass der Kläger Iraker sei. Dabei handele es sich jedoch – wie sich aus den nachfolgenden einschränkenden Ausführungen in der Bestätigung selbst ergebe – um eine vorläufige (und nicht weiter begründete) Einschätzung, die den formellen Anforderungen an einen Nachweis der Staatsangehörigkeit nicht genüge.
II.
A. Die zulässige Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe zu Unrecht versagt.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
1. Die vom Kläger erhobenen Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs dürfen nicht überspannt werden. Es genügt bereits eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs, zumindest soweit diese über eine bloß entfernte Erfolgschance hinausreicht (vgl. Beschluss des Senats vom 24. April 2017 – 2 O 31/17 – juris Rn. 4, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Es spricht Vieles dafür, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG hat.
Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die zuständige Behörde eine entsprechende positive Entscheidung getroffen hat (Maaßen/Kluth, in: BeckOK, 32. Ed., AufenthG § 25 Rn. 34). Dies ist hier der Fall. Das Bundesamt hat mit Bescheid vom 2. August 2019 beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich der Republik Irak festgestellt. An diese Feststellung ist die Beklagte gemäß § 42 Satz 1 AsylG gebunden. Der Umstand, dass die Herkunft des Klägers aus dem Irak weiterhin nicht geklärt ist, dürfte nichts daran ändern, dass der Tatbestand des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt ist.
Die “Soll”-Regelung des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hat zur Folge, dass die Aufenthaltserlaubnis in der Regel erteilt werden muss und nur bei Vorliegen von atypischen Umständen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist; mit dieser geänderten Fassung soll die aufenthaltsrechtliche Stellung der früher durch § 53 AuslG und jetzt durch § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG geschützten Ausländer verbessert und die bislang verbreitete Praxis, die Duldung – häufig in Form von sog. Kettenduldungen – als “zweitklassigen Aufenthaltstitel” einzusetzen, eingeschränkt werden. Bei der Frage, ob von einem atypischen Fall auszugehen ist, ist der Sinn und Zweck des § 25 Abs. 3 AufenthG zu berücksichtigen. Die Vorschrift will gewährleisten, dass Ausländern, die wegen eines vom Bundesamt förmlich festgestellten Abschiebungsverbots auf absehbare Zeit nicht abgeschoben werden oder in einen anderen Staat ausreisen können, zur Vermeidung von Kettenduldungen regelmäßig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, durch die ihr Aufenthalt legalisiert und ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, bei fortdauernder Schutzbedürftigkeit eine dauerhafte Aufenthaltsposition in Form einer Niederlassungserlaubnis zu erlangen. Treten dagegen Umstände ein, die Anlass für eine Beendigung des Aufenthalts geben können, entspricht es gerade nicht dem Zweck des Gesetzes, den Aufenthalt des Ausländers durch die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu verfestigen. So kommt eine Beendigung des Aufenthalts in Betracht, wenn das Bundesamt wegen einer Änderung der Verhältnisse im Abschiebezielstaat ein Verfahren auf Widerruf der Feststellung eines Abschiebungsverbots eingeleitet hat (zum Ganzen: (BVerwG, Urteil vom 22. November 2005 – 1 C 18.04 – juris Rn. 14 f.). Hiernach dürfte ein atypischer Fall, der lediglich einen Ermessensspielraum der Beklagten eröffnen würden, hier nicht vorliegen. Umstände, die für eine absehbare Beendigung des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet sprechen, sind nicht ersichtlich.
Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dürfte auch § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht entgegenstehen. Danach wird die Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Hintergrund der Regelung ist, dass es sich bei den von den Abschiebungsverboten umfassten Tatbeständen regelmäßig um relative Gefahren handelt, die dem Ausländer nur in einem bestimmten Staat drohen, sodass der „subsidiäre“ Schutz dann nicht zum Tragen kommen soll, wenn der Ausländer die zumutbare Möglichkeit hat, in einem anderen Staat Schutz zu finden (Kluth/Maaßen, a.a.O., § 25 Rn. 38).
Möglich ist die Ausreise, wenn die betroffene Person in den Drittstaat einreisen und sich dort – zumindest vorübergehend – aufhalten darf; die Darlegung, in welchen Staat eine Ausreise möglich ist, obliegt der Ausländerbehörde, maßgeblich für die Auswahl ist die Beziehung der betroffenen Person zum Drittstaat (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 15/420, S. 79). Der Ausschluss des Aufenthaltsrechts in Deutschland dürfte daher nur gerechtfertigt sein, wenn in den Drittstaat die Einreise und ein nicht ganz kurzfristiger, legaler Aufenthalt aufgrund der Aufnahmebereitschaft des Drittstaates gestattet sind (vgl. SaarlOVG, Beschluss vom 11. November 2014 – 2 B 362/14 – juris Rn. 2). Damit wird zu verlangen sein, dass ein konkreter „anderer Staat” feststeht, in den der Ausländer ausreisen kann. Es dürfte nicht genügen, dass die Identität und/oder Staatsangehörigkeit des Ausländers nicht geklärt ist. Dafür spricht auch, dass gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG u.a. in den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 3 AufenthG von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abzusehen ist, mithin auch von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1a AufenthG, dass in der Regel die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt sein müssen. Es lässt sich bislang aber nicht feststellen, in welchen konkreten anderen Staat als den Irak dem Kläger eine Ausreise möglich sein soll. Allein die Möglichkeit, dass die Eltern des Klägers aus einem der GUS-Staaten stammen, auch wenn sie – zumindest was den Vater des Klägers anbetrifft – naheliegen mag, dürfte insoweit nicht genügen.
Dem Kläger dürfte auch nicht vorzuhalten sein, er habe „entsprechende“ Mitwirkungspflichten verletzt. Die Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz 2 zweiter Satzteil AufenthG sanktioniert nicht die wiederholte oder gröbliche Verletzung sämtlicher Mitwirkungspflichten. Die Person muss vielmehr eine entsprechende Mitwirkungspflicht im Zusammenhang mit der Feststellung der Identität und der Beschaffung von Heimreisedokumenten, verletzt haben, wodurch ihre Ausreise in einen anderen Staat gegenwärtig und in absehbarer Zukunft nicht möglich oder zumutbar ist (Göbel-Zimmermann/Hupke, in: Huber/Mantel AufenthG, 3. Aufl. 2021, § 25 Rn. 21, m.w.N.). Die im zweiten Satzteil des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG enthaltene Regelung, nach der eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt wird, wenn der Ausländer wiederholt gegen “entsprechende Mitwirkungspflichten” verstoßen hat, bezieht sich nur auf den im ersten Satzteil des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG geregelten Sachverhalt der Ausreise in einen Drittstaat und nicht auf die Verletzung von Mitwirkungspflichten schlechthin. Mit der Formuliereng „in einen anderen Staat“ hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es auf die Frage einer Ausreise in den Staat – typischerweise den Heimatstaat des Ausländers -, für den das Bundesamt ein Abschiebungsverbot festgestellt hat, nicht mehr ankommt; die Frage einer freiwilligen Ausreise ist nur insofern von Bedeutung, als es um einen Drittstaat geht (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O. Rn. 16). Nur hinsichtlich eines Drittstaates dürfte damit auch eine in diesem Kontext stehende Verletzung der Mitwirkungspflicht bedeutsam sein (OVG NW, Beschluss vom 22. Januar 2007 – 18 E 274/06 – juris Rn. 17; OVG BBg, Beschluss vom 28. März 2014 – OVG 6 N 27.14 – juris Rn. 5 ff.; BayVGH, Beschluss vom 1. Juni 2006 – 19 ZB 06.659 – juris Rn. 14; VGH BW, Beschluss vom 30. Mai 2005 – 13 S 1309/04 – juris Rn. 6). Es dürfte damit unerheblich sein, ob der Kläger sich in ausreichendem Maß um die Beschaffung von Dokumenten bemüht hat, die seine Herkunft aus dem Irak belegen könnten. Der Ausschlusstatbestand in § 25 Abs. 3 Satz 2 zweiter Satzteil AufenthG würde voraussichtlich nur dann greifen, wenn ein Drittstaat feststünde, in den eine Ausreise des Klägers (prinzipiell) möglich und zumutbar wäre, dem Kläger aber vorzuhalten wäre, er habe an der Beschaffung von Dokumenten für die Ausreise in diesen Staat nicht mitgewirkt. Ersteres ist aber – wie oben bereits dargelegt – bereits nicht der Fall.
B. Der Kläger ist nach den von ihm eingereichten Unterlagen nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung zu tragen.
C. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint erforderlich im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO, so dass dem Kläger Rechtsanwältin C. beizuordnen ist.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
E. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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