Verwaltungsrecht

Fehlende Urteilsbegründung als Berufungszulassungsgrund

Aktenzeichen  20 ZB 18.30677

Datum:
27.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7808
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 138 Nr. 6
AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 78 Abs. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung ist nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn tatsächlich keine Begründung vorliegt oder diese so unverständlich ist, dass sie nicht erkennen lässt, welche Gründe für die Entscheidung maßgeblich waren. Bloße Knappheit oder Oberflächlichkeit kann nicht zur Zulassung der Berufung führen. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Liefert das Verwaltungsgericht eine knappe, aber grundsätzlich nachvollziehbare Begründung, warum es nicht von einem bewaffneten innerstaatlichen Konflikt in Bagdad ausgeht, so liegt trotz Fehlens im Einzelnen genannter Erkenntnisquellen keine verfahrensfehlerhafte Entscheidung vor. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ist die Entscheidung auf zwei selbständig tragende Begründungslinien gestützt, wird aber nur eine dieser Begründungen im Zulassungsantrag gerügt, liegt im Ergebnis kein Zulassungsgrund vor. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 K 16.31951 2018-02-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach hat keinen Erfolg, da der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers nach § 138 Nr. 6 VwGO (Entscheidung nicht mit Gründen versehen) nicht vorliegt.
Nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Dieser Berufungszulassungsgrund liegt jedoch nur dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung tatsächlich entweder überhaupt keine Gründe enthält oder aber diese Gründe so unverständlich sind, dass sie in keiner Weise erkennen lassen, welche Gründe für die Entscheidung erheblich gewesen sind. Bloße Knappheit, Oberflächlichkeit oder Unklarheit kann die Zulassung der Berufung nicht herbeiführen (Seeger in Beck-OK, Ausländerrecht, Kluth/Heusch, § 78 AsylG, Rn. 37; Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 57). Nach diesem Maßstab liegt der Zulassungsgrund hier nicht vor.
Der Kläger macht im Zulassungsantrag geltend, dass das Gericht das Vorliegen eines innerstaatlichen Konflikts im Irak in der Region Bagdad verneine. Die verneinenden Ausführungen bezögen sich nicht auf eine einzige empirische Quelle, sondern nur auf Behauptungen der Einzelrichterin. Dagegen hätten in letzter Zeit mindestens zwei Verwaltungsgerichte, insbesondere das Verwaltungsgericht Weimar (U.v. 11.5.2017 – 5 K 20276/16 We) und das VG Braunschweig (U.v. 19.4.2017 – 2 A 312/16) das Vorliegen eines innerstaatlichen Konflikts im Irak in der Region Bagdad bejaht.
Das Verwaltungsgericht führt auf den Seiten 6 und 7 des streitgegenständlichen Urteils zunächst unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Januar 2014 (C-285/12) aus, wann von einem innerstaatlichen Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auszugehen ist und wann einem Ausländer im Sinne dieser Bestimmung ein ernsthafter Schaden aufgrund des Konflikts droht. Im weiteren führt das Verwaltungsgericht aus, dass die Sicherheitslage im Irak zwar stark angespannt sei und es gerade auch in Bagdad zu terroristischen Anschlägen komme, die anspannte Sicherheitslage resultiere jedoch aus inneren Unruhen und Spannungen, die nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkriegs aufwiesen. Damit gibt das Verwaltungsgericht eine grundsätzlich schlüssige und nachvollziehbare Begründung dafür, warum es nicht von einem bewaffneten innerstaatlichen Konflikt in Bagdad ausgeht. Die Begründung ist zwar knapp und bezieht sich nicht auf im Einzelnen genannte Erkenntnisquellen. Dennoch sind die Gründe aber nicht derart unverständlich, dass sie in keiner Weise erkennen liesen, welche Gründe für die Entscheidung erheblich gewesen seien.
Darüber hinaus begründet das Verwaltungsgericht seine Verneinung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus im Weiteren auch damit, dass nach seiner Auffassung keine stichhaltigen Gründe dafür bestünden, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Bagdad einer relevanten Bedrohung ausgesetzt wäre. Damit verneint das Verwaltungsgericht auch das zweite Tatbestandsmerkmal für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Die Entscheidung wird damit insoweit auf zwei selbständig tragende Begründungslinien gestützt. Der Zulassungsantrag rügt jedoch nur eine dieser selbständigen Begründungen. Damit liegt der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 6 VwGO im Ergebnis nicht vor (BVerwG, B.v. 20.8.1993 – 9 B 512/93 – DVBl. 1994, 210, Leitsatz).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


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