Verwaltungsrecht

Fehlender vorheriger Antrag bei Behörde, Bescheinigung, deren Erteilung, Zulassungsvoraussetzung des Ersten, Abschnitts der Pharmazeutischen, Prüfung ist, Regelungen in Studienordnung bei fehlender Prüfungsordnung, Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  M 3 E 20.1243

Datum:
30.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49629
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
StO § 7 Abs. 7
VwGO i.V.m. § 167
ZPO § 60 Alt. 2
VwGO i.V.m. § 166
ZPO § 114 ff

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf EUR 6.250,- festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … . L., … M., wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (M 3 E 20.1243) und für das Klageverfahren (M 3 K 20.650) abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin studiert seit dem Sommersemester 2019 im Studiengang Pharmazie an der L.-Universität M. (im Folgenden: LMU).
Im Sommersemester 2019 nahm die Antragstellerin an der praktischen Lehrveranstaltung „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“ – im Folgenden: die streitgegenständliche Lehrveranstaltung – teil. Die streitgegenständliche Lehrveranstaltung setzt sich aus mehreren verpflichtenden Teilen (Sicherheitsbelehrung, Seminare, Laborpraktikum) zusammen; die Inhalte werden in einer Zwischenprüfung und einer Abschlussklausur geprüft. Die Antragstellerin bestand die Zwischenprüfung weder in der Ausgangsprüfung am 3. Juni 2019 noch in der Wiederholungsprüfung am 11. Juni 2019.
Im Wintersemester 2019/20 nahm die Antragstellerin erneut an der Zwischenprüfung der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung teil. Sie bestand die Ausgangsprüfung am 26. November 2019 nicht. Bei der Wiederholungsprüfung am 3. Dezember 2019 erreichte sie elf von 25 möglichen Punkten bei einer Bestehensgrenze von 13 Punkten.
Mit Bescheid vom 20. Januar 2020 teilte die LMU der Antragstellerin mit, gemäß § 7 Abs. 7 der Studienordnung für Pharmazie in der Fassung vom 2. November 2004 könnten praktische Lehrveranstaltungen höchstens einmal wiederholt werden. Die Antragstellerin habe an der Zwischenprüfung und der zugehörigen Nachholprüfung zu der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung im Sommersemester 2019 und im Wintersemester 2019/20 jeweils ohne Erfolg teilgenommen. Ihren letzten Prüfungsversuch habe sie nicht bestanden, weil sie zum einen eine Täuschung unternommen und zum anderen die geforderte Mindestpunktzahl nicht erreicht habe. Jeder der beiden Gründe führe bereits für sich zur Bewertung des Prüfungsversuchs mit „nicht bestanden“. Für eine weitere Wiederholung der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung könne die Antragstellerin nicht zugelassen werden.
Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2020, bei Gericht eingegangen am 17. Februar 2020, hat die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten hiergegen Klage erhoben (M 3 K 20.650).
Mit Schriftsatz vom 19. März 2020, bei Gericht eingegangen am 20. März 2020, beantragt die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten im Wege der einstweiligen Anordnung,
den Antragsgegner bzw. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig weiter als Studierende zu führen und ihr ein ordnungsgemäßes Studium zu ermöglichen, insbesondere den Antragsgegner bzw. die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin eine aktuelle Studienbescheinigung 2020 zu erteilen.
Weiter wird beantragt, der Antragstellerin im Verfahren der einstweiligen Anordnung sowie im Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen sowie der Antragstellerin ihren Bevollmächtigten als Rechtsanwalt beizuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Behauptung, die Antragstellerin habe eine Täuschung unternommen, sei falsch. Beigefügt ist eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin, in der im Wesentlichen folgender Sachverhalt geschildert ist: Bei der Zwischenprüfung der Lehrveranstaltung am 3. Dezember 2019, die zwischen 13.30 und 14.30 Uhr stattgefunden habe, sei ungefähr zehn Minuten nach Klausurbeginn Dr. K. (Prüfungsaufsicht) auf sie zugekommen und habe gemeint, er habe eine Stimme gehört, die von ihr komme. Daraufhin habe er sie nach vorne gebracht und ihre Klausur mitgenommen. Dort habe er sie durch zwei Assistentinnen durchsuchen lassen. Sie habe ihre Ohren zeigen müssen und sie habe ihren Bauch gezeigt. Dies sei ihr extrem unangenehm gewesen. Sie sei ohne ihre Erlaubnis angefasst worden. Die Assistentinnen hätten bei ihr nichts gefunden. Währenddessen sei Dr. K. zu ihrem Platz gegangen und habe alles, was auf dem Tisch gelegen habe, durchsucht. Er habe nichts gefunden. Auf die Frage nach ihrem Handy habe sie gesagt, dass es in ihrer Tasche sei und er dies gerne kontrollieren könne. Sie habe vorne sitzen müssen und sei von den Assistentinnen und Dr. K. während der ganzen Klausur beobachtet worden. Dies habe sie unter extremen Druck und Stress gesetzt. Nach dem Vorfall sei es für sie sehr anstrengend gewesen, sich wieder zu konzentrieren. Während des Vorfalls habe sie die Aufmerksamkeit ihrer Kommilitonen auf sich gezogen; sie möge es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Sie sei vor allen bloßgestellt und gedemütigt worden. Dr. K habe sie am Ende der Klausur zwei Minuten länger schreiben lassen. Sie sei von dem ganzen geschockt gewesen und habe einen Nervenzusammenbruch gehabt. Der gesamte Vorgang der Durchsuchung habe ca. zehn Minuten gedauert. Bei der Klausureinsicht am 5. Dezember 2019 habe sie festgestellt, dass die Klausur mit Absicht streng benotet worden sei. Im Gespräch mit Kommilitonen habe sie bemerkt, dass diese für einen Rechenweg Punkte bekommen hätten, für den sie keine Punkte bekommen habe. Sie habe dann mit Dr. K. über die Klausurberichtigung gesprochen. Er habe behauptet, dass sie geschummelt habe und ihr jemand die Lösung ins Ohr gesagt habe. Da sie im Gespräch zu keiner Lösung gelangt seien, habe Dr. K sie zum Studiendekan geschickt. Erst am 9. Dezember 2019 habe sie mit dem Studiendekan sprechen können. Sie habe dann zu Professor B. gehen müssen. Sie habe versucht, seine Sekretärin zu erreichen, sei aber nach einer Wartezeit von 20 Minuten gegangen und habe sich per E-Mail an Professor B. gewandt. Dieser habe ihr nach zwei Tagen geantwortet, dass sie sich sehr spät mit ihm in Verbindung setze und ihr Fall bereits bei der Rechtsabteilung der LMU bearbeitet werde. Sie wolle, dass ihre Klausur unabhängig von einer dritten Person korrigiert werde.
Weiter lässt die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten vortragen, der Vorfall während der Klausur habe einen Zeitraum von zehn Minuten erfasst, ihr sei jedoch nur eine Verlängerung von zwei Minuten gewährt worden. Es sei nicht auszuschließen, dass sie bei einer Prüfungsverlängerung von zehn Minuten die Prüfung bestanden hätte. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei notwendig, um ihr eine Fortführung des Studiums zu ermöglichen. Sie könne die Studienbescheinigung für das Sommersemester 2020 nicht auf ihrem Computer abrufen. Die Studienbescheinigung sei auch für die weitere Gewährung der BAföG-Leistungen notwendig. Zudem sei es der Antragstellerin ab dem 31. März nicht mehr möglich, sich für Prüfungen anzumelden. Der nächste Prüfungsversuch könne nach derzeitigen Stand im April oder Mai 2020 stattfinden.
Die Antragsgegnerin zu 1) beantragt
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wird hinsichtlich des Sachverhalts auf die Klageerwiderung zum Verfahren M 3 K 20.650 Bezug genommen. Weiter wird ausgeführt, der Antrag sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Antragstellerin habe sich hinsichtlich der gerichtlich geltend gemachten Ansprüche vorher nicht an die Antragsgegnerin zu 1) gewandt. Die Antragsgegnerin zu 1) ermögliche Studierenden in vergleichbaren Konstellationen in der Regel, ihr Studium vorläufig fortzusetzen. Dies hätte die Antragsgegnerin zu 1) bei einem entsprechenden Antrag auch im vorliegenden Fall getan. Die Antragstellerin wäre bei einem entsprechenden Antrag bzw. der regulären Anmeldung grundsätzlich zu allen Lehrveranstaltungen und Prüfungen vorläufig – d. h. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – zugelassen worden, wobei die Prüfungsergebnisse erst nach Bestands- und bzw. oder Rechtskraft der Hauptsache bekannt gegeben worden wären. Nur an scheinpflichtigen Lehrveranstaltungen des Grundstudiums Pharmazie aus dem Bereich „Allgemeine, anorganische und organische Chemie“ hätte die Antragstellerin wegen fehlender Zulassungsvoraussetzungen (die streitgegenständliche endgültig nicht bestandene Lehrveranstaltung) nicht teilnehmen dürfen. Darüber hinaus sei der Antrag auch unbegründet. Hinsichtlich des fehlenden Anordnungsanspruchs werde auf die Ausführungen der Klageerwiderung vom 22. März 2020 Bezug genommen. Es bestehe auch kein Anordnungsgrund. Die Antragstellerin sei nicht exmatrikuliert. Ein ordnungsgemäßes Studium der Antragstellerin sei schon deshalb nicht beeinträchtigt, weil derzeit im Zusammenhang mit dem Corona-Virus weder Lehrveranstaltungen noch Prüfungen stattfänden. Hinsichtlich der beantragten Studienbescheinigung könnten BAföG-Leistungen auch mit Hilfe des „Formblatts 2“ (Bescheinigung über den Besuch einer Ausbildungsstätte) beantragt werden. Im Übrigen könnten Verfahrensstand und Status auch durch Vorlage der entsprechenden Unterlagen beim BAföG-Amt nachgewiesen werden. Es würde die Hauptsache vorwegnehmen, der Antragstellerin, wie beantragt, bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache alle Rechte einer Studierenden ohne Beschränkung einzuräumen. Insbesondere bestehe kein Erfordernis, Prüfungsleistungen der Antragstellerin zu bewerten und die Bewertung bekanntzugeben.
Der Antragsgegner zu 2) beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, soweit beantragt werde, die Antragstellerin „weiter als Studierende zu führen“, sei festzustellen, dass sie weiter immatrikuliert sei. Zwar müsse eine Exmatrikulation wegen Art. 49 Abs. 2 Nummer 3 des bayerischen Hochschulgesetzes alsbald erfolgen, vorbeugender Rechtsschutz dürfte aber nicht statthaft sein. Damit bestehe auch kein Anspruch auf Ausstellung einer Studienbescheinigung für das Sommersemester 2020. Das endgültige Nichtbestehen sei bereits in der Studierenden-Datenbank eingetragen, weshalb eine Rückmeldesperre im System bestehe, die die Ausstellung einer Studienbescheinigung verhindere. Die Antragstellerin könne nicht die Ausstellung einer Studienbescheinigung verlangen, die sie mit Erlass der alsbald zu erwartenden Exmatrikulation wieder zurückgeben müsse.
Mit Schriftsatz vom 28. April 2020 wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihr Vorbringen. In den Schriftsätzen der Gegenseite fehle es bisher an einer ausreichenden Glaubhaftmachung des nach Auffassung der Gegenseite vorliegenden Geschehens, insbesondere hätte zumindest eine eidesstattliche Versicherung von Dr. K. oder der beiden Assistentinnen vorgelegt werden müssen. Damit sei im Verfahren der einstweiligen Anordnung von dem Sachverhalt auszugehen, den die Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vortrage. Dies zugrunde gelegt, sei die Antragstellerin massiv in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt worden, da ihr ein Täuschungsversuch unterstellt und sie durchsucht worden sei, ohne dass Beweise für den Täuschungsversuch gefunden worden seien, den die Antragstellerin auch nicht begangen habe. Der gesamte Vorgang der Durchsuchung habe einen Zeitraum von zehn Minuten umfasst. Bezogen auf den Sachverhalt, der dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugrunde liege, fehle der Antragstellerin Bearbeitungszeit im Umfang von 15 Prozent im Vergleich zu allen anderen Prüflingen. Diesbezüglich liege ein offensichtlicher und zweifelsfreier Mangel im Prüfungsverfahren vor, der auch später – etwa im Rahmen der Anfechtungsklage – gerügt werden könne (BVerwG, B.v. 10.8.1994- 6 B 60.93). Hinzu komme, dass die Prüfungsordnung der Antragsgegnerin zu 1) keine unverzügliche Rügepflicht vorsehe. Im Übrigen wäre eine unverzügliche Rüge auch ohne Erfolg geblieben, da die Antragsgegnerin zu 1) eine Verkürzung der Prüfungszeit bestreite; hierauf käme es aber – wie oben ausgeführt – ohnehin nur im Rahmen der Hauptsache an.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf die im Verfahren M 3 K 20.650 vorgelegte Behördenakte, auf die Gerichtsakte sowie auf die Gerichtsakte im Verfahren M 3 K 20.650 Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig.
Das Ziel der beantragten einstweiligen Anordnung ist im Antrag vage bezeichnet („die Antragstellerin weiter als Studierende zu führen und ihr ein ordnungsgemäßes Studium zu ermöglichen“), insbesondere ohne Unterscheidung, in welchen Teilen der Antrag gegen die Antragsgegnerin zu 1) und in welchen gegen den Antragsgegner zu 2) gerichtet ist. Das Gericht legt den Antrag dahingehend aus (§ 86 Abs. 3 VwGO), dass Ziel des Antrags ist, die Antragsgegnerin zu 1) zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig weiterhin die Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Prüfungen des Grundstudiums Pharmazie zu ermöglichen. Im Hinblick auf den Hinweis auf mögliche Prüfungstermine für einen weiteren Prüfungsversuch für die streitgegenständliche Lehrveranstaltung (S. 5 der Antragsschrift) geht das Gericht davon aus, dass die Antragstellerin außerdem die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 1) beantragt, ihr vorläufig die Teilnahme an einem weiteren Prüfungsversuch der streitgegenständlichen Zwischenprüfung zu ermöglichen. Schließlich geht das Gericht davon aus, dass sich der Antrag, soweit er auf eine Erteilung einer aktuellen Immatrikulationsbescheinigung gerichtet ist, gegen den Antragsgegner zu 2) gerichtet ist, da nach Art. 12 Abs. 3 Nr. 3 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245 – BayRS 2210-1-1-WK), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) Immatrikulation und Exmatrikulation staatliche Angelegenheiten sind.
a) Der gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichtete Antrag ist unzulässig.
Die beantragte einstweilige Anordnung setzt nach dem Wortlaut des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus, dass zwischen Antragsteller und Antragsgegner ein „streitiges Rechtsverhältnis“ besteht. Von einem streitigen Rechtsverhältnis kann erst dann ausgegangen werden, wenn aus einem Antrag und seiner Ablehnung eine bestimmte Rechtsbeziehung entstanden ist, um deren Bestand und Inhalt gestritten werden kann. Hat der Antragsteller sein Anliegen noch nicht einmal zuvor bei dem Antragsgegner selbst vorgetragen, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag an das Gericht (OVG NW, B.v. 30.4.2001 – 13 B 566/01 – Rn. 6; VGH BW, B.v. 9.7.1990 – NC 9 S 58/90 – juris Rn 2, v. 22.7.2004 – 6 S 19/04 – juris Rn. 2 m.w.N.; für fehlende Statthaftigkeit Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, Rn. 106a). Vorliegend besteht zwar aufgrund der Immatrikulation der Antragstellerin und ihrer Teilnahme an Prüfungen des Studiengangs Pharmazie ein Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Antragsgegnerin zu 1), auch hat sich die Antragstellerin mit ihrer Klage gegen den Nichtbestehensbescheid vom 20. Januar 2020 gewandt. Es ist jedoch weder seitens der Antragstellerin vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Antragstellerin vor Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ihr Anliegen, trotz des (angefochtenen) Nichtbestehensbescheids weiter an Lehrveranstaltungen und Prüfungen teilzunehmen sowie zu einem weiteren Wiederholungsversuch bei der streitgegenständlichen Zwischenprüfung anzutreten, bei der Antragsgegnerin zu 1) geltend gemacht hätte. Nur durch eine vorherige Befassung der Behörde mit den konkreten Anträgen der Antragspartei erhält diese überhaupt die Möglichkeit zu prüfen, ob und inwieweit sie diesen entsprechen oder sie abschlägig bescheiden will. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu 1), wonach diese bei entsprechendem Antrag üblicherweise bereit ist, Studierenden in vergleichbarer Situation die Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Prüfungen (ohne Korrektur und Notenbekanntgabe) zu ermöglichen (soweit nicht die erfolgreiche Teilnahme an der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung vorausgesetzt ist) und dadurch deren Anliegen zu einem erheblichen Teil Rechnung zu tragen, belegen die Berechtigung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung.
Unabhängig davon ist im Hinblick auf die weitere Teilnahme an (sonstigen) Lehrveranstaltungen und Prüfungen nicht ersichtlich, dass die derzeit weiterhin immatrikulierte Antragstellerin an der Teilnahme überhaupt gehindert wäre, soweit nicht gerade die erfolgreiche Teilnahme an der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung Zulassungsvoraussetzung ist. Für einen vorbeugenden Rechtsschutz im Hinblick auf die drohende Exmatrikulation ist vorliegend kein Raum, da nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen die aufschiebende Wirkung einer gegen die (künftige) Exmatrikulation dann möglichen Klage nicht ausreichen würde, um wesentliche Nachteile für die Antragstellerin abzuwenden.
b) Der gegen den Antragsgegner zu 2) gerichtete Antrag ist ebenfalls wegen fehlender vorheriger Befassung des Antragsgegners zu 2) unzulässig.
2. Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der Antrag, soweit er sich auf die erneute Teilnahme an der streitgegenständlichen Zwischenprüfung richtet, auch unbegründet wäre.
a) Für die Zulassung zum Ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung sind nach § 6 Abs. 3 Nr. 5 der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) vom 19. Juli 1989 (BGBl I S. 1489), FNA 2121-1-6, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 (BGBl.I S. 1307), die Bescheinigungen über die regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme an den Veranstaltungen zu den in der Anlage 1 zu Buchstaben A bis D angeführten Stoffgebieten nach dem Muster der Anlage 2 vorzulegen. Wird der Nachweis nicht erbracht, ist die Zulassung zu dem Prüfungsabschnitt zu versagen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AAppO). Im Stoffgebiet A („Allgemeine Chemie der Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe“) sind drei Bescheinigungen über die erfolgreiche und regelmäßige Teilnahme an Lehrveranstaltungen vorzulegen; zu den vom Stoffgebiet A umfassten Gebieten zählen auch Veranstaltungen zu „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung der regelmäßigen und erfolgreichen Teilnahme an den entsprechenden Lehrveranstaltungen sind durch die aufgrund von Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayHSchG erlassene Studienordnung für den Studiengang Pharmazie der Ludwig-Maximilians-Universität München (im Folgenden: StO) vom 17. Juli 2002, zuletzt geändert durch Satzung vom 2. November 2004, geregelt.
Nach § 7 Abs. 7 Satz 1 StO kann eine erfolglos besuchte praktische Lehrveranstaltung einmal wiederholt werden.
aa) Soweit vorliegend in der „Einweisung ins Praktikum“ (Bl. 2 – 22 der Behördenakte) vorgesehen ist, dass die streitgegenständliche Zwischenprüfung in einem Semester einmal wiederholt werden kann und eine endgültig nicht bestandene Zwischenprüfung zum Nichtbestehen der Lehrveranstaltung führt, findet dies eine hinreichende normative Stütze in der Studienordnung. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 StO kann die Bescheinigung der erfolgreichen und regelmäßigen Teilnahme an einer praktischen Lehrveranstaltung nach dem Muster der Anlagen 2 oder 3 AAppO nur erteilt werden, wenn die erforderlichen praktischen und theoretischen Kenntnisse über den der Lehrveranstaltung zugehörigen Wissensstoff nachgewiesen wurden. Die Leitung der Veranstaltung bestimmt, in welcher Form der Nachweis zu führen ist (§ 7 Abs. 4 Satz 2 StO). Studienleistungen bestehen bei praktischen Lehrveranstaltungen aus Praktikumsaufgaben mit Protokollen, Zwischenprüfungen und Testaten (praktischer Teil), sowie einer mündlichen oder schriftlichen Abschlussprüfung (§ 7 Abs. 4 Satz 3 StO).
Das Abhalten einer Zwischenprüfung ist damit bereits im Wortlaut von § 7 Abs. 4 Satz 3 StO vorgesehen. Weiter ergibt sich bereits aus der Eigenart einer Zwischenprüfung, dass mit dem Nichtbestehen der Zwischenprüfung auch vor Ende einer Lehrveranstaltung feststehen kann, dass die Bescheinigung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 StO nicht erteilt werden kann. Soweit für das Bestehen der Zwischenprüfung (nur) zwei Versuche angeboten werden, hält sich dies jedenfalls im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 2 StO, wonach die Leitung der Veranstaltung bestimmt, in welcher Form der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse zu erfolgen hat.
bb) Es begegnet keinen Bedenken, dass die Regelungen zur Erteilung der Bescheinigung der erfolgreichen und regelmäßigen Teilnahme an einer praktischen Lehrveranstaltung nach dem Muster der Anlage 2 und auch zur Wiederholbarkeit der praktischen Lehrveranstaltung in einer Studienordnung und nicht in einer (Hochschul-) Prüfungsordnung nach Art. 61 Abs. 2, 3 BayHSchG getroffen wurden. Denn Hochschulprüfungen, die aufgrund von Prüfungsordnungen abgenommen werden (Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG), sind Prüfungen, die das Studium abschließen (Art. 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayHSchG) oder als Vor- oder Zwischenprüfung Voraussetzung für die Fortsetzung des Studiums oder den Übergang in das Hauptstudium sind (Art. 61 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 BayHSchG). Vorliegend geht es jedoch um eine Prüfung als Voraussetzung für die Erteilung der Bescheinigung, die wiederum Voraussetzung für die Zulassung zum Ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung ist. Diesbezüglich sieht Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayHSchG vor, dass die Studienordnung Regelungen über den Erwerb der Voraussetzungen für die Zulassung zu einer Prüfung und dessen Wiederholbarkeit treffen kann (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2010 – 7 ZB 09.1072 – BeckRS 2010, 52031).
cc) Verfassungsrecht verbietet nicht, schon die Zulassung zu einer Abschlussprüfung oder einem Prüfungsabschnitt vom Erreichen eines bestimmten Ausbildungserfolgs abhängig zu machen, der im Wege einer als Prüfung durchgeführten studienbegleitenden Leistungskontrolle festgestellt wird; dabei ist auch als Ergebnis dieser Leistungskontrolle eine endgültige negative Feststellung nicht ausgeschlossen (BVerwG, B.v. 3.11.1986 – 7 B 108/86 – juris Rn. 8). Dies gilt vorliegend insbesondere vor dem Hintergrund der Bedeutung der hier betroffenen Lehrveranstaltung für den Apothekerberuf. Auch gegen die Zahl der hier vorgesehenen Wiederholungsmöglichkeiten für die streitgegenständliche Lehrveranstaltung und für die Zwischenprüfung bestehen keine Bedenken. Letztlich hat ein Prüfling an der LMU vier Prüfungsversuche für die Zwischenprüfung. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist damit in jedem Fall gewahrt.
b) Vorliegend wendet sich die Antragstellerin nicht gegen das Nichtbestehen der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung im Sommersemester 2019 und nicht gegen das Nichtbestehen der Ausgangsprüfung der Zwischenprüfung im Wintersemester 2019/20 am 26. November 2019. Soweit sie sich gegen den Prüfungsbescheid vom 20. Januar 2020 und das Nichtbestehen der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung im Wintersemester 2019/20 aufgrund des Nichtbestehens der Wiederholungsprüfung der Zwischenprüfung am 3. Dezember 2020 wendet, ergibt sich aus ihrem Vorbringen kein Anspruch auf einen erneuten Prüfungsversuch.
aa) Soweit die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten geltend macht, die Störung während der Prüfung durch die Maßnahmen der Prüfungsaufsicht ihr gegenüber habe etwa zehn Minuten angedauert, während ihr lediglich eine Zeitverlängerung von zwei Minuten gewährt worden sei und nicht auszuschließen sei, dass sie bei Nutzung der vollen Prüfungszeit die Prüfung bestanden hätte, führt dies nicht zum Erfolg.
Es gehört grundsätzlich zu den Obliegenheiten eines in seiner Leistungsfähigkeit etwa durch Krankheit oder Störungen im Prüfungsablauf beeinträchtigten Prüflings, dies zeitnah anzuzeigen, und darüber hinaus – sofern Abhilfe nicht möglich ist oder nicht geschaffen wird – ohne schuldhaftes Zögern zu entscheiden, ob die Prüfung aus diesem Grund nicht gelten soll. Welcher Zeitraum noch als unverzüglich anzusehen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Äußerste Grenze ist aber grundsätzlich der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses. Wenn es dem betroffenen Prüfling ermöglicht würde, in Kenntnis eines Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortzusetzen, das Prüfungsergebnis abzuwarten und dann zurückzutreten, würde die Chancengleichheit verletzt. Denn so würde ihm die Wahlmöglichkeit eröffnet, die mangelbehaftete Prüfungsarbeit je nach ihrem Ergebnis gelten zu lassen oder zu wiederholen; dies würde ihm gegenüber anderen Prüflingen einen unberechtigten Vorteil verschaffen (vgl. BVerwG, U.v. 6.9.1995 – 6 C 16/93 – juris Rn. 46 ff. m.w.N.).
Im Hinblick auf Störungen des Prüfungsablaufs muss die Prüfungsbehörde allerdings dann, wenn zweifelsfrei ein Fehler im Prüfungsverfahren auftritt, von sich aus – auch ohne entsprechende Rüge des Prüflings – im Rahmen ihrer Möglichkeiten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um den Fehler zu vermeiden oder, wenn dies nicht mehr möglich ist, ihn abzustellen und, soweit erforderlich, für den gebotenen Ausgleich zu sorgen. Deshalb bedarf es z.B. dann, wenn eine Lärmstörung nach ihrer Art und ihrem Ausmaß ohne jeden Zweifel die Chancengleichheit der Prüflinge verletzt, keiner Rüge eines Prüflings, um die Prüfungsbehörde zu den erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen, sondern sie muss von sich aus tätig werden, und die Prüflinge können sich auch ohne Rüge auf den fraglichen Verfahrensfehler berufen, wenn die Prüfungsbehörde etwa untätig bleibt (BVerwG, U.v. 11.8.1993 – 6 C 2.93 – juris Rn. 54; B.v. 10.8.1994 – 6 B 60.93 – juris Rn. 7).
Von der Rüge einer Störung oder eines mangelhaften Störungsausgleichs zu unterscheiden ist die Obliegenheit des Prüflings zu erklären, ob er Konsequenzen aus der Störung ziehen oder die Prüfung trotz der Beeinträchtigung gelten lassen will, unabhängig davon, ob diese Störung ihre Relevanz von Amts wegen oder erst durch Rüge während der Prüfung erhalten hat. Auch wenn für die Berufung auf eine Störung keine Ausschlussfrist geregelt ist, ergibt sich aus dem Gebot der Chancengleichheit im Prüfungsrecht, dass ein Prüfling mit der Berufung auf einen Verfahrensmangel nicht so lange warten darf, bis ihm das Ergebnis der Bewertung bekannt geworden ist; andernfalls könnte er sich auf diesem Wege eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschaffen (OVG NW, B.v. 3.6.2009 – 14 B 594/09 – juris Rn. 16 m.w.N.; Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 485).
Vorliegend hat auch die Prüfungsaufsicht das Versetzen der Antragstellerin nach vorn und das Abtasten der Antragstellerin durch die weiteren Aufsichtsführenden als Störung eingestuft und allen Prüfungsteilnehmern eine Zeitverlängerung von zwei Minuten gewährt. Die unterschiedlichen Darstellungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) betreffen allein die Dauer der Störung. Die vorgelegten Akten enthalten kein Prüfungsprotokoll, sondern lediglich eine Stellungnahme von Dr. K. (Bl. 29 d.A.) sowie eine weitere dienstliche Äußerung von Dr. K. vom 19. Dezember 2019 (Bl. 44ff. d.A.). In beiden Stellungnahmen ist keine ausdrückliche Angabe zur Dauer der Störung enthalten, sondern lediglich die Aussage, dass eine Zeitverlängerung von zwei Minuten gewährt worden sei, um die Störung zu kompensieren. Den Ausführungen von Dr. K., mit der Prüfungszeitverlängerung um zwei Minuten für die „kurze Störung“ (Stellungnahme Bl.29 d.A.) hätten eventuelle Nachteile, auch für die Antragstellerin, ausgeglichen werden können, ist allerdings zumindest indirekt zu entnehmen, dass Dr. K. die Zeit der Störung durch die Prüfungszeitverlängerung als voll (d.h. 1 : 1) ausgeglichen ansah. Dass die Störung hingegen tatsächlich zehn Minuten betragen hätte, ist nicht glaubhaft gemacht. Der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin steht die dienstliche Äußerung von Dr. K. gegenüber. Vor allem macht die Antragstellerin in ihrer Darstellung des Geschehens nicht plausibel, wie der Vorgang, von der Prüfungsaufsicht von ihrem Platz nach vorne geführt und dort von den Prüfungsaufsichten oberflächlich abgetastet zu werden, zehn Minuten dauern könnte.
Letztlich kann diese Frage dahinstehen, denn jedenfalls ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Antragstellerin die von ihr nun beanstandete Verkürzung der Prüfungszeit vor Notenbekanntgabe am 5. Dezember 2019 geltend gemacht und eine Annullierung ihres Prüfungsversuchs verlangt hätte. Wie oben ausgeführt, kann die Chancengleichheit unter allen Mitbewerbern (insbesondere im Verhältnis zu den nicht an der gestörten Aufsichtsarbeit beteiligten) nur dadurch gewährleistet werden, dass den von einer Störung in einem bestimmten Raum beeinträchtigten Prüflingen abverlangt wird, etwaige Konsequenzen aus der Störung der Prüfung unverzüglich und jedenfalls vor Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses zu ziehen. Besondere Umstände, aufgrund derer eine derartige Erklärung vor Notenbekanntgabe ausnahmsweise nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Klausureinsicht fand zwar bereits zwei Tage nach der Prüfung statt. Diese Zeit erscheint aber ausreichend, um sich nach der Prüfung hinreichend zu beruhigen und eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Prüfungsleistung gelten soll oder nicht.
bb) Soweit die Antragstellerin weiter rügt, durch die ca. zehn Minuten nach Prüfungsbeginn erfolgten Maßnahmen der Prüfungsaufsicht (Ansprache durch Dr. K., Durchsuchung seitens der weiteren Aufsichtsführenden ohne erklärtes Einverständnis der Antragstellerin und Versetzung nach vorn) in ihrer Konzentration und Leistungsfähigkeit massiv gestört worden zu sein, kann dahinstehen, welche Anforderungen an die Glaubhaftmachung der vorgetragenen persönlichen Beeinträchtigungen zu stellen wären. Denn diesbezüglich erfolgten die Anzeige des Prüfungsmangels und die Äußerung, die Prüfung nicht gelten lassen zu wollen, verspätet.
Die Frage, ob und in welchem Umfang Maßnahmen der Prüfungsaufsicht zur Aufdeckung und Unterbindung etwaiger Täuschungsversuche die Konzentration und Leistungsfähigkeit des betroffenen Prüflings beeinträchtigen, lässt sich nicht allgemein beantworten. Bei Störungen des Prüfungsablaufs, deren Gewicht wesentlich von den subjektiven Empfindungen des Prüflings abhängt, obliegt es dem Prüfling daher zum einen, den Mangel anzuzeigen und Abhilfe zu verlangen. Zum anderen ist auch diesbezüglich eine eindeutige Erklärung erforderlich, dass die Prüfung wegen des Mangels zu annullieren sei (vgl. oben aa).
Nach dem Vortrag der LMU hat die Antragstellerin erstmals während der Klausureinsicht am 5. Dezember 2019 Beeinträchtigungen geltend gemacht. Weder in ihrer dem Antrag beigefügten eidesstattlichen Versicherung noch in ihren E-Mails an Professor B. oder das Referat I.3 der LMU trägt die Antragstellerin vor, noch vor Notenbekanntgabe ihre Beeinträchtigung gerügt und die Annullierung der Prüfung verlangt zu haben.
cc) Auch soweit die Antragstellerin vorbringt, sie sehe sich durch das Vorgehen der Prüfungsaufsicht, insbesondere durch die unerlaubte Körpervisitation und die Platzierung in der ersten Reihe, bloßgestellt, diskriminiert und ungerecht und ohne den nötigen Respekt behandelt, führt ihre Rüge nicht zum Erfolg. Die obigen Ausführungen zur Verspätung der Rüge und des Verlangens nach Annullierung der Prüfungsleistung gelten gleichermaßen.
Ergänzend weist das Gericht auf Folgendes hin: Das aus dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) folgende Recht des Prüflings auf ein faires Verfahren verpflichtet den Prüfer, darauf Bedacht zu nehmen, dass auch der Prüfungsstil, der Ablauf des Prüfungsverfahrens und die Prüfungsatmosphäre nach Möglichkeit leistungsverfälschende Verunsicherungen des Prüflings ausschließen. (BVerwG, B.v. 28.10.2004 – 6 B 51/04 – juris Rn. 24 m.w.N.). Allerdings ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Wahrung der Chancengleichheit auch einschließt, diejenigen Prüflinge, die sich zu eigenem Vorteil nicht an die für alle Prüflinge geltenden Regeln halten, vom Wettbewerb auszuschließen (BVerwG, B.v. 7.12.1976 – VII B 157.76 – Buchholz 421.0 Nr. 78). Dies setzt in der Regel Maßnahmen zur Verhinderung, Aufdeckung und Unterbindung von Täuschungsversuchen voraus. Bei Anwendung derartiger Maßnahmen ist das Recht des davon betroffenen Prüflings auf ein faires Verfahren zu beachten; dieses Recht ist jedoch nicht bereits dann verletzt, wenn die Maßnahmen im konkreten Fall nicht zu einer zweifelsfreien Aufdeckung eines Täuschungsversuchs führen und der Prüfling die Maßnahmen als unangenehm empfindet.
Nach der Stellungnahme von Dr. K. vom 19. Dezember 2019 hat dieser im Bereich des Platzes der Antragstellerin über etwa 30 Sekunden lang eine von extern kommende Ansage gehört, durch die eine chemische Strukturformel diktiert wurde; diese Ansage war nach seinem Vortrag auch noch auf dem Weg nach unten zu hören. Zu diesem Vorbringen hat die Antragstellerin bislang weder im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch im Klageverfahren Stellung genommen. Es sind auch keine sonstigen Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel daran aufwerfen würden, dass Dr. K. tatsächlich im Umfeld des Platzes der Antragstellerin eine derartige Ansage gehört hat. Vor diesem Hintergrund bestand Anlass zu der Annahme, dass ein Täuschungsversuch vorliegt, und dass dieser möglicherweise von der Antragstellerin ausgehen könnte. Soweit Dr. K. daraufhin der Antragstellerin einen Platz vorne zuwies, hält sich diese Maßnahme am unteren Rand der Reaktionsmöglichkeiten einer Prüfungsaufsicht bei einem Verdacht eines Täuschungsversuchs; es ist nicht ersichtlich, unter welchem Gesichtspunkt diese Maßnahme das Recht der Antragstellerin auf ein faires Verfahren verletzt hätte. Was das Abtasten der Antragstellerin anbelangt, ist zwar nicht ersichtlich, auf welche Rechtsgrundlage vorliegend ein Abtasten der Antragstellerin gegen ihren Willen gestützt werden könnte. Für die Frage der Verletzung des Fairnessgebots ist allerdings entscheidend, dass zum einen auch die Antragstellerin nicht vorträgt, dem Abtasten widersprochen zu haben. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass ein oberflächliches Abtasten der Kleidung der Antragstellerin durch weibliche Aufsichtspersonen und auch die von der Antragstellerin nachträglich beanstandete Aufforderung, ihre Ohren zu zeigen, nicht an sich bereits unverhältnismäßig erscheinen angesichts der großen Bedeutung, die der Verhinderung und Unterbindung von Unterschleif im Hinblick auf die Chancengleichheit zukommt.
c) Die Bewertung der Prüfungsarbeit der Antragstellerin vom 3. Dezember 2019 ist voraussichtlich auch nicht wegen Bewertungsfehlern aufzuheben.
Die gerichtliche Kontrolle fachlicher, wissenschaftlicher Urteile, Wertungen und Entscheidungen von Prüfern stößt an Grenzen, weil die Beurteilung von Prüfungsleistungen von Gesichtspunkten und Überlegungen bestimmt ist, die sich einer rechtlich unmittelbar subsumierbaren Erfassung mehr oder minder entziehen und jedenfalls teilweise auf nicht in vollem Umfang objektivierbaren Einschätzungen und Erfahrungen beruhen und insbesondere davon abhängig sind, was nach Meinung der Prüfer bei einem bestimmten Ausbildungsstand als Prüfungsleistung verlangt werden kann. Diese für die Bewertung von Prüfungsleistungen anzustellenden fachlichen Erwägungen lassen sich nicht regelhaft erfassen und können insbesondere im Hinblick auf das Prinzip der Chancengleichheit auch grundsätzlich nicht mit Hilfe von Sachverständigen vom Gericht ersetzt werden. Eine uneingeschränkte Ersetzung der Prüferbewertung durch das Gericht würde zu einer Verzerrung der Bewertungsmaßstäbe und zu einer Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit führen (vgl. BVerfG, B. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 – BVerfGE 84, 34/51 ff.; BVerwG, U. v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – BVerwGE 91, 262/265; U. v. 9.12.1992 – 6 C 3/92 – BVerwGE 92, 132/137).
Soweit die Bewertung nicht rein fachliche Fragen betrifft, unterliegt daher die Benotung einer erbrachten Leistung dem Bewertungsspielraum der Prüfer und ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. BVerfG, B. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 – BVerfGE 84, 34/51 ff; BVerwG, U. v. 9.12.1992 – 6 C 3/92 – BVerwGE 91, 262/265; BVerwG, U. v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – BVerwGE 92, 132/137). Zu diesen nur eingeschränkt überprüfbaren Fragen zählen etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels und einzelner positiver Ausführungen im Hinblick auf die Gesamtbewertung (BVerwG, B.v. 2.6.1998 – 6 B 78/97 – juris Rn. 3 f.; B.v. 16.8.2011 – 6 B 18/11 – juris Rn. 16; B.v. 8.3.2012 – 6 B 36/11 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 7 ZB 13.2221 – juris Rn. 8). Bei diesen prüfungsspezifischen Wertungen ist die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden, mit ihrem Prüfungsauftrag nicht zu vereinbarenden Erwägungen leiten lassen und ob die Bewertung in sich schlüssig und nachvollziehbar ist (ständige Rechtsprechung im Anschluss an BVerwG. U. v. 9.12.1992 – 6 C 3/92 – BVerwGE 92, 132/137; vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2009 – 7 ZB 09.160 – juris Rn. 9).
aa) Die Bewertung ist nicht bereits deshalb fehlerhaft, weil die Prüfungsarbeit offenbar nur von einem Prüfer bewertet worden ist. Wie unter 2 a aa) ausgeführt, konnten die Regelungen zur Erteilung der Bescheinigung der erfolgreichen und regelmäßigen Teilnahme an einer praktischen Lehrveranstaltung nach dem Muster der Anlage 2 in einer Studienordnung getroffen werden. Die aufgrund der Tragweite von Hochschulprüfungen geltenden Anforderungen wie etwa Art. 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 10 BayHSchG sind nicht ohne weiteres auf Prüfungen zur Erteilung der Bescheinigungen übertragbar (BayVGH, B.v. 25.6.2010 – 7 ZB 09.1072 – BeckRS 2010, 52031). Insbesondere gibt es keinen ungeschriebenen allgemeinen – etwa auf Verfassungsrecht beruhenden – Rechtsgrundsatz, dass Prüfungsleistungen mindestens von zwei Prüfern zu bewerten sind (BVerwG, B.v. 24.8.1988 – 7 B 113/88 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 25.6.2010 a.a.O.). Vorliegend handelt es sich um eine studienbegleitende Prüfung, die in Verbindung und in inhaltlich engem Bezug zu einer einzelnen Lehrveranstaltung steht; jedenfalls vor diesem Hintergrund ist die Bewertung allein durch den Leiter der Lehrveranstaltung nicht zu beanstanden.
bb) Die Korrektur der von der Antragsgegnerin zu 1) vorgelegten Prüfungsarbeit ist anhand der vorgelegten Musterlösung nachvollziehbar. Die Antragstellerin hat keine substantiierten Bewertungsrügen erhoben. Soweit sie geltend macht, ihre Arbeit sei mit Absicht streng benotet worden, da ihr kleine Fehler Punkte gekostet hätten, legt sie bereits nicht dar, bei welchen Aufgaben sie aus ihrer Sicht zu wenig Punkte erhalten habe. Auch soweit sie weiter ausführt, sie habe im Gespräch mit Kommilitonen bemerkt, dass diese für einen Rechenweg Punkte bekommen hätten, für den sie keine Punkte erhalten habe, gibt sie nicht an, auf welche Aufgabe und welchen Rechenweg sich ihre Rüge bezieht.
d) Ein Anspruch der Antragstellerin auf Aufhebung des Prüfungsbescheids wegen Verfahrensfehlern mit der Folge eines erneuten Prüfungsversuchs oder auf Neubewertung ihrer Prüfungsleistung vom 3. Dezember 2019 ist danach weder dargetan oder sonst ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob bei der Zwischenprüfung vom 3. Dezember 2019 zu recht von einem Täuschungsversuch der Antragstellerin ausgegangen wurde. Nicht entschieden werden muss weiter, ob – sollte diese Frage zu bejahen sein – auch bei Fehlen einer normativen Regelung zu den Folgen eines Täuschungsversuchs für eine Übergangszeit bis zum Erlass einer entsprechenden Regelung durch den Normgeber Täuschungsversuche zumindest mit dem Nichtbestehen der jeweiligen Prüfung sanktioniert werden können (vgl. für die etwaige Ungültigkeit einer die Folgen von Unterschleif regelnden untergesetzlichen Norm NdsOVG, B.v. 31.3.2011 – 2 LA 343/10 – Rn. 12; HessVGH, U.v. 27.9.1995 – 1 UE 3026/94 – Rn. 25 ff.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.1.1, 1.5, 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts hinsichtlich des Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und des Klageverfahrens bleibt ohne Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO).
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist einer Partei Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung bietet vorliegend jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg in diesem Sinne. Zwar dürfen bei der Entscheidung, ob hinreichende Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) vorliegen, die Anforderungen nicht überspannt werden (vgl. BVerfG (Kammer), B v. 10.8.2001 – 2 BvR 569/01 – DVBl. 2001, 1748 ff.). Eine gewisse Erfolgsaussicht genügt (vgl. BayVGH, B v. 17.12.1999 – 2 C 99.1542 – juris Rn. 9). Hinreichend sind die Erfolgsaussichten insofern schon dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 VwGO Rn. 26).
Diese Voraussetzungen liegen nach den obigen Ausführungen zum Antrag auf einstweilige Anordnung nicht vor.
Gleiches gilt für das Klageverfahren (M 3 K 20.650). Denn nach den obigen Ausführungen sind die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Prüfungsbescheid als gering anzusehen; die Frage, ob das Nichtbestehen der Antragstellerin mit einem Täuschungsversuch begründet werden konnte, kann dabei offen bleiben, da der Prüfungsbescheid auch auf das Nichterreichen der Punktehürde gestützt ist und diesbezüglich voraussichtlich keinen Bedenken begegnet.


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