Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei Klage gegen den einen Vergleich umsetzenden Bescheid

Aktenzeichen  21 ZB 16.134

Datum:
13.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 106558
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 4, § 152 Abs. 1

 

Leitsatz

Setzt die Behörde einen vor dem Verwaltungsgericht geschlossenen Vergleich (hinsichtlich des Widerrufs einer Waffenbesitzkarte und der Erklärung eines Jagdscheins für ungültig erklärt) durch einen erneuten Bescheid dem Vergleich entsprechend um, ist die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wegen fehlender Rechtsverletzung und fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 15.4312 2015-11-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen einen waffenrechtlichen Bescheid, der nach einer Einigung der Beteiligten in einem nach Klagerücknahme beendeten Klageverfahren ergangen ist.
Das Landratsamt Erding widerrief mit Bescheid vom 6. Februar 2015 die dem Kläger erteilten Waffenbesitzkarten und dessen Europäischen Feuerwaffenpass (Nr. 1), erklärte den ihm erteilten Jagdschein für ungültig (Nr. 2) und verfügte unter anderem das Überlassen oder Unbrauchbarmachen der Waffen innerhalb einer näher bestimmten Frist (Nr. 5), eine Sperrfrist für die Wiedererteilung des Jagdscheins (Nr. 6) und für einen Antrag auf erneute Erteilung einer Waffenbesitzkarte (Nr. 7).
Der Kläger ließ dagegen im Verfahren M 7 K 15.978 Klage zum Verwaltungsgericht München erheben. In der mündlichen Verhandlung am 19. August 2015 einigten sich die Beteiligten ausweislich der Sitzungsniederschrift nach Erörterung der Sach- und Rechtslage wie folgt: Die Behördenvertreter erklärten sich gegen Klagerücknahme dazu bereit, dem Kläger für die in Nr. 5 des Bescheids vom 6. Februar 2015 genannten Pflichten eine Frist von vier Wochen ab dem Tag der Verhandlung einzuräumen. Des Weiteren erklärten sie die Bereitschaft, die in Nr. 6 und 7 des Bescheids bestimmte Sperrfrist von fünf Jahren dahingehend festzusetzen, dass sie mit dem 1. September 2014 beginnt. Daraufhin erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit dessen Einvernehmen die Rücknahme der Klage.
Mit Bescheid vom 25. August 2015 hob das Landratsamt die Nummern 5, 6 und 7 des Bescheids vom 6. Februar 2015 auf (Nr. 1) und regelte die Nebenentscheidungen entsprechend der Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (Nrn. 2, 3 und 4). Überdies ordnete es die sofortige Vollziehung hinsichtlich der Nr. 2 des Bescheids an (Nr. 5).
Die lediglich gegen die Nrn. 2 bis 5 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. November 2015 als unzulässig ab.
Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Das vom Kläger innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Der vom Kläger der Sache nach geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wurde entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht hinreichend dargelegt.
1. Der Kläger beruft sich auf einen Verfahrensmangel, ohne jedoch einen solchen konkret darzulegen. In Wahrheit macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Folgerichtig trägt er nach dem Inhalt der Begründung des Zulassungsantrags vom 15. Februar 2016 ausdrücklich „zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO“ vor und beschränkt sich darauf, das Urteil bezüglich der materiellen Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.
1.1 Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe die Klage als unzulässig abgewiesen, obgleich er sich an die Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheids gehalten habe. Die Gestalt des Änderungsbescheids lasse auf einen Verwaltungsakt schließen, welcher einer rechtlichen Überprüfung zugänglich sei. Die vom Verwaltungsgericht „geltend gemachte“ vergleichsähnliche Erklärung sei (aus sich heraus) nicht vollstreckbar.
Daraus ergeben sich keine ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils. Der Kläger lässt insoweit unberücksichtigt, dass das Verwaltungsgericht der Klage, soweit es um die waffenrechtlichen Nebenentscheidungen geht, nicht die Statthaftigkeit abgesprochen hat. Es hat vielmehr eingehend begründet, dass der Kläger eine Verletzung eigener Rechte nicht geltend machen könne oder jedenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis habe, weil der angefochtene Bescheid der zwischen den Beteiligten am 19. August 2015 zustande gekommenen Einigung entspreche.
1.2 Des Weiteren meint der Kläger, der Beklagte habe mit dem Schriftsatz vom 8. Oktober 2015 die Vereinbarung vom 19. August 2015 aufgekündigt. Dort sei abschließend zu lesen: „… da wir uns nach Eingang der Klage nicht mehr an die Absprache vom 19.08.2015 (während der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht getroffen) gebunden sehen.“ Das ursprüngliche Klageverfahren sei mithin nicht beendet worden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend von der getroffenen Vereinbarung distanziert hätten. Das führt ebenfalls nicht weiter.
Es kann dahinstehen, ob es dem Beklagten überhaupt gestattet ist, sich von der Vereinbarung vom 19. August 2015 zu lösen. Die in der Klageerwiderung enthaltene Äußerung des Beklagten ist jedenfalls nach ihrem Inhalt bei der gebotenen objektiven Würdigung lediglich eine vorläufige rechtliche Bewertung, aber kein Zurücktreten von der mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung. Denn ihr ist vorangestellt, dass das Landratsamt Erding prüfe, den Bescheid vom 25.08.2015 zurückzunehmen. Überdies wurde eine solche Rücknahme auch nicht ausgesprochen.
Dem Zulassungsantrag ist im Übrigen nichts Konkretes dafür zu entnehmen, dass sich der Kläger wirksam von der Vereinbarung und/oder seiner Klagerücknahme gelöst hat.
2. Die Berufung ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Der Zulassungsantrag formuliert schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, die für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich war und sich auch in einem Berufungsverfahren stellen würde (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Der allgemeine Verweis auf die prozessuale Situation und darauf, dass offen sei, inwieweit der schwebende Rechtszustand sich auf den waffenrechtlichen Sofortvollzug und die damit verbundene Aufforderung, die Waffen an Dritte zu überlassen, auswirke, genügt nicht.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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