Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis:, Überlagerung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 6 AufenthG durch ein später erlassenes, länger befristetes, bestandskräftiges Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf Grund einer Ausweisung

Aktenzeichen  B 6 K 19.621

Datum:
24.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44328
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Absätze 1 und 2, Abs. 6

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerkann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vor Erlass des Gerichtsbescheides gehört (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Halbs.1 VwGO).
1. Der Freistaat Bayern ist auch nach der zeitweiligen Übertragung der ausländerrechtlichen Zuständigkeit gem. gem.§ 3 Abs. 1 Nr.1b Satz 2 ZustVAuslR am 05.03.2020 auf die Stadt …, wo der Kläger seit 17.02.2020 seinen Wohnsitz zu nehmen hat, der richtige Beklagte geblieben. Denn gem. § 78 Abs. 1 Nr.1 VwGO ist die Anfechtungsklage zu richten gegen das Land, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Klagegegner ist damit hier der Freistaat Bayern, weil den angefochtenen Bescheid vom 24.06.2019 die Regierung von Oberfranken-Zentrale Ausländerbehörde, Dienststelle …, eine Behörde des Freistaates Bayern, erlassen hat.
2. Die Klage ist unzulässig, weil es für den Rechtsbehelf zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts am Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage fehlt ausnahmsweise dann, wenn die Rechtsstellung des Klägers selbst bei einem Erfolg der Klage nicht verbessert würde. Nutzlos ist die Klage dann, wenn sie dem Kläger offensichtlich keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen könnte (BVerwG, U. v. 01.10.2015 – 7 C 8.14 – BVerwGE 153, 99 Rn.19 = NVwZ 2016, 316 Rn. 16; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vor §§ 40-53, Rn. 16).
Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 AufenthG kann gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Das Einreiseund Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 6 Satz 2 AufenthG i.V. m. § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Gem. § 11 Abs. 6 Satz 4 AufenthG soll die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots bei einer ersten Anordnung ein Jahr nicht überschreiten.
Unabhängig davon verlangt 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gegen einen Ausländer, der ausgewiesen worden ist, ein Einreiseoder Aufenthaltsverbot zu erlassen und das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG).
Mit der auf § 11 Abs. 6 Satz 1 AufenthG gestützten sogenannte „kleinen Ausweisung“, die an einen schuldhaften Verstoß gegen die Verpflichtung zur fristgemäßen Ausreise anknüpft, wird den Behörden ein Instrument an die Hand gegeben, auf unliebsames Verhalten von Ausländern zu reagieren, die trotz eines Fehlverhaltens nicht gem. §§ 53ff. AufenthG ausgewiesen werden können. Ihre Wirkungen entsprechen denen einer Ausweisung gem. § 53 AufenthG (Oberhäuser, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 11 AufenthG Rn. 74). Wird der Ausländer ausgewiesen, werden die Wirkungen eines nach Abs. 6 angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das mit der Ausweisung verbundene, von Amts wegen gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot überlagert (Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2021, § 11 AufenthG Rn. 174).
Die für den Kläger seit 05.03.2020 ausländerrechtlich zuständige Stadt Passau nahm seine zahlreichen Straftaten zum Anlass, ihn nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides vom 24.06.2019 mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.09.2020 auszuweisen und eine vierjährige Einreise- und Aufenthaltssperre anzuordnen. Diese Anordnung hat zur Folge, dass er nach einer freiwilligen oder einer erzwungenen Ausreise vier Jahre lang nicht wieder ins Bundesgebiet einreisen, sich nicht hier aufhalten und keine Aufenthaltserlaubnis erhalten darf. Auf diese bestandskräftige Anordnung könnte sich die Ausländerbehörde zu Lasten des Klägers auch dann weiterhin stützen, wenn die hier zu entscheidende Klage gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot, das im Einklang mit der Sollvorschrift in § 11 Abs. 6 Satz 4 AufenthG, auf ein Jahr beschränkt wurde, Erfolg hätte. Deshalb würde der Kläger selbst bei einem Erfolg seiner Klage seine Rechtsstellung nicht verbessern.
2. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Anordnung der sofortigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO, § 711 Satz 1 ZPO.


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