Verwaltungsrecht

Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Fahrzeugdurchsuchung

Aktenzeichen  10 ZB 16.965

Datum:
13.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NJW – 2017, 2779
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
PAG Art. 13 Abs. 1 Nn. 2, Nr. 5, Art. 21 Abs. 1 Nr. 3, Art. 22 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4

 

Leitsatz

1. Es ist zweifelhaft, ob das Öffnen des Kofferraums eines Pkw und dessen kurze Inaugenscheinnahme im Rahmen einer präventiven Polizeikontolle zur Kriminalitätsbekämpfung eine Durchsuchung einer Sache gemäß Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 oder 4 iVm Art. 21 Abs. 1 Nr. 3, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 oder 5 PAG darstellt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine solche Durchsuchungsmaßnahme greift zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ein, stellt aber keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, wenn sie im Einzelfall insoweit unbedeutend und ohne erkennbare nachhaltige Wirkung war. (redaktioneller Leitsatz)
3. Wenn ein tiefgreifender Grundrechtseingriff nicht vorliegt, kommt es für die Verneinung dieser Fallgrupe eines besonderen Feststellungsinteresses nicht mehr auf die typischerweise kurzfristige Erledigung der polizeilichen Maßnahme an. (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine das besondere Festellungsinteresse begründende Wiederholungsgefahr besteht nicht, wenn die polizeiliche Durchsuchungsmaßnahme zur Kriminalitätsbekämpfung durch besondere Umstände veranlasst war, die in ihrer signifikanten Gesamtheit sehr wahrscheinlich so nicht mehr eintreten werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 15.479 2016-03-23 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung seines PKW am 22. Dezember 2014 gegen 3:00 Uhr im Zuge einer Verkehrskontrolle sowie des ihm gegenüber während der Kontrolle ausgesprochenen Verbots, Schreibzeug aus dem PKW herauszuholen, weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht (1.). Die weiter geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, 2.) ist bereits nicht hinreichend dargelegt.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.
Das Erstgericht hat die Fortsetzungsfeststellungsklage deshalb als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der beiden polizeilichen Maßnahmen vom 22. Dezember 2014 geltend machen könne. Ein solches Interesse könne sich vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 16.5.2013 – 8 C 38.12 – juris Rn. 13 f.) hier aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr oder aufgrund eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs bei kurzfristiger Erledigung der polizeilichen Maßnahme ergeben. Tiefgreifend sei ein Grundrechtseingriff vor allem dann, wenn es um eine vom Grundgesetz einem Richter vorbehaltene Anordnung (etwa einer Wohnungsdurchsuchung) gehe und sich die Belastung nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränke, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erreichen könne. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers als Rechtsanwalt sei schon im Hinblick auf die geringe Zeitspanne, während der er durch eine nächtliche Polizeikontrolle an der Ausübung seines Berufs gehindert worden sein solle, nicht erkennbar. Auch sein Vortrag, er sei als Organ der Rechtspflege selbst nach Vorlage seines Rechtsanwaltsausweises nicht ernst genommen worden und er fühle sich durch das Vorgehen der Polizeibeamten gekränkt, genüge nicht für ein berechtigtes Interesse. Ein Rehabilitierungsinteresse scheide schon deswegen aus, weil nicht ersichtlich sei, dass die nächtlichen polizeilichen Maßnahmen von Dritten beobachtet worden wären und dadurch möglicherweise für das Persönlichkeitsrecht des Klägers abträgliche Nachwirkungen fortbestehen könnten. Eine Wiederholungsgefahr in dem Sinn, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen werde, bestehe nicht. Deshalb könne auch eine Gerichtsentscheidung keine Richtschnur für künftiges polizeiliches Vorgehen bei im Wesentlichen gleichen Bedingungen bilden. Die Vielzahl der zur polizeilichen Kontrolle führenden Umstände in jener Nacht lasse es als unwahrscheinlich erscheinen, dass der Kläger unter im Wesentlichen unveränderten Umständen erneut von derartigen Maßnahmen betroffen sein werde. Zudem sei der Kofferraum des PKW des Klägers nicht durchsucht, sondern nur einer oberflächlichen Sichtung unterzogen worden. Das Verbot, Schreibutensilien aus dem Fahrzeuginneren zu holen, sei wegen der unübersichtlichen Situation aus Gründen der Eigensicherung ausgesprochen worden.
Der Kläger bringt hierzu vor, dass die auf polizeilicher Erfahrung beruhende Prognose, er sei wegen seines nächtlichen Aufenthalts auf einem zu einem Freibad gehörenden Parkplatz einer möglichen Beteiligung an einer Straftat verdächtig, aus objektivierter Sicht zum damaligen Zeitpunkt falsch gewesen sei. Auch wenn er damals auf die Frage, warum er sich zu Nachtzeiten auf dem Parkplatz aufhalte, keine Antwort gegeben habe, fehle es an der nach der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 7. Februar 2006 (Vf. 69-VI-04) für eine Durchsuchung erforderlichen erhöhten abstrakten Gefahr. Bereits aus dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergebe sich das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresse in seinem Fall, weil sich derartige Polizeimaßnahmen typischerweise vor Klageerhebung erledigten und Rechtsschutz andernfalls nie zu erlangen sei. Nationale Gerichte seien zudem verpflichtet, wegen des Grundsatzes der praktischen Wirksamkeit dem europäischen Recht größtmögliche Wirksamkeit zukommen zu lassen; ohne eine gerichtliche Feststellung würden hier die Rechte des Klägers aus Art. 20, 21 Schengener Grenzkodex leerlaufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stünden polizeiliche Befugnisnormen, die selbst keine Voraussetzungen für Maßnahmen festlegten, mit der Verordnung EG Nr. 562/2006 nicht in Einklang, da ihnen das notwendige Maß an Rechtssicherheit fehle. Auch sei entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts eine Wiederholungsgefahr zu bejahen, weil die konkreten Entscheidungsfaktoren nicht sehr speziell gewesen seien und er jederzeit im öffentlichen Straßenverkehr vergleichbaren nächtlichen Kontrollen unterzogen werden könne, die zunächst als bloße Verkehrskontrollen beginnen würden, dann aber bei der Frage nach dem meist im Kofferraum befindlichen Verbandskasten schnell andere Verdachtsmomente hervorrufen und Folgemaßnahmen nach sich ziehen könnten. Er werde jedenfalls bei künftigen Kontrollen weiterhin seinen Rechtsanwaltsausweis vorzeigen und gegenüber den Polizeibeamten juristische Erläuterungen abgeben.
Mit diesem Vorbringen vermag der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Abweisung seiner Klage als unzulässig wegen Fehlens des besonderen Rechtsschutzinteresses zu begründen. Weder hinsichtlich der Kontrolle des Kofferraums (1.1) noch des Verbots, Schreibutensilien aus dem Fahrzeuginneren herauszuholen (1.2), liegt ein besonderes Feststellungsinteresse in Form einer der für § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen vor; insbesondere hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Voraussetzungen eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs (1.1.1 / 1.2.1) und die konkrete Gefahr der Wiederholung vergleichbarer polizeilicher Maßnahmen (1.1.2 / 1.2.2) verneint. Nicht streitgegenständlich ist die Frage, ob die Anhaltung des Klägers und die Feststellung seiner Identität entsprechend Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG zulässig waren.
1.1 Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob sich nicht schon die mit dem Öffnen des Kofferraums und seiner kurzen Inaugenscheinnahme verbundene Maßnahme als Durchsuchung einer Sache nach Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 i.Vm. Art. 21 Abs. 1 Nr. 3, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG darstellt, obwohl mehr dagegen als dafür spricht und auch der Beklagte in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass ein Polizeibeamter unter Zuhilfenahme einer Taschenlampe lediglich in den Kofferraum hineingeleuchtet hat. Für eine Durchsuchung ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe kennzeichnend, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Besitzer von sich aus nicht offen legen oder herausgeben will, um etwas nicht klar zu Tage liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften, mithin das Ausforschen eines für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereichs, das unter Umständen bis in die Intimsphäre des Betroffenen dringen kann (vgl. für eine Wohnungsdurchsuchung: BVerwG, U.v. 6.9.1974 – I C 17.73 – juris; BayVGH, U.v. 20.3.2015 – 10 B 12.2280 – juris Rn. 40). Unter Anlegung dieser Maßstäbe erscheint die Annahme einer Durchsuchung auch wegen der Durchführung der hierfür notwendigen Vorbereitungshandlung (Öffnung des Kofferraums) nicht von vornherein ausgeschlossen. Selbst wenn man – im Sinne des Klägers, der die Rechtswidrigkeit der „Durchsuchung des PKW“ festgestellt wissen will – von einer Durchsuchung ausgeht, bleibt es bei der vom Erstgericht festgestellten Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage.
1.1.1 Das erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse ergibt sich hier nicht deshalb, weil die polizeiliche Durchsuchung mit einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff im Sinne der Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 38.12 – juris) verbunden gewesen wäre.
Hierzu fehlt es bereits an einem gewichtigen Grundrechtseingriff. Von besonderem Gewicht sind insbesondere Grundrechtseingriffe, die das Grundgesetz selbst unter Richtervorbehalt gestellt hat (z. B. BVerfG, B.v. 5.7.2013 – 2 BvR 370/13 – juris Rn. 19: Wohnungsdurchsuchung) oder die besonders sensible Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) oder die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; BVerfG, B.v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99 – juris: Abschiebungshaft) tangieren. Eine vergleichbare Grundrechtsbetroffenheit ist im vorliegenden Fall auszuschließen. Denn nachdem der Kläger eine vom Verwaltungsgericht zu Recht verneinte Beeinträchtigung seiner von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit als Rechtsanwalt infolge der polizeilichen Durchsuchung im Zulassungsverfahren nicht mehr geltend macht, stehen unter grundrechtlichen Gesichtspunkten ausschließlich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG; vgl. m.w.N. BeckOK GG/Lang, Stand 1.3.2015, GG Art. 2 Rn. 1) im Raum. Damit ist jedoch im vorliegenden Fall kein tiefgreifender Grundrechtseingriff verbunden. Zwar stellt sich nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (vgl. Entscheidung v. 28.2.2011 – Vf. 84-VI-10 – juris Rn. 41) die polizeiliche Durchsuchung eines PKW in der Öffentlichkeit grundsätzlich als schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre dar; angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls kann gleichwohl eine tiefgreifende Grundrechtsverletzung zu verneinen sein. So liegt der Fall hier, denn die Durchsuchungsmaßnahme, die sich auf eine Öffnung des Kofferraums des PKW mit anschließender kurzer „Sichtung“ beschränkt hat, greift schon von ihrer Zielrichtung, Dauer und vor allem ihrer Intensität der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts lediglich in unbedeutender Weise ohne erkennbare nachhaltige Wirkung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers ein. Seine Rüge, er sei als Rechtsanwalt Organ der Rechtspflege, führt diesbezüglich zu keiner unterschiedlichen Bewertung im Vergleich zu einem Bürger, der nicht Rechtsanwalt ist.
Vermag die hier streitgegenständliche Sichtkontrolle des Kofferraums aber schon keinen gewichtigen Eingriff in ein Grundrecht des Klägers zu begründen, kommt es nicht mehr darauf an, dass es sich um einen Eingriffsakt handelt, der wegen seiner typischerweise kurzfristigen Erledigung kaum einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 6.7.2016 – 1 BvR 1705/15 – juris Rn. 11, 14). Der Vortrag des Klägers, ein Feststellungsinteresse sei zu bejahen, weil sich „solche polizeilichen Maßnahmen typischerweise vor Klageerhebung erledigen und Rechtsschutz somit niemals zu erlangen wäre“, übersieht, dass bei dieser Betrachtung angesichts des umfassenden Schutzes der Rechtssphäre des Bürgers durch die Grundrechte – letztlich durch Art. 2 Abs. 1 GG – das Kriterium des berechtigten Interesses praktisch leerlaufen würde (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 146) und damit jede noch so geringfügige erledigte Polizeimaßnahme Gegenstand einer zulässigen Fortsetzungsfeststellungsklage sein könnte. Das Erfordernis einer typischerweise vor Erlangung von Rechtsschutz eintretenden Erledigung hat dementsprechend eine den Anwendungsbereich des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO einengende Funktion, die es ausschließt, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in ein Grundrecht anzunehmen (BVerwG, U.v. 16.5.2013, a.a.O., Rn. 27). Eine wie vom Kläger beanspruchte Ausweitung dieser von der Rechtsprechung ausgestalteten Fallgruppe des besonderen Rechtsschutzinteresses wäre mit seiner prozessrechtlichen Funktion, eine Fortsetzungsfeststellungsklage nur in bestimmten Fällen zuzulassen, nicht vereinbar.
1.1.2 Auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr hat das Verwaltungsgericht (UA, S. 11, 12) mit guten Gründen nicht anerkannt. Das berechtigte Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass auch in Zukunft unter im Wesentlichen unveränderten Umständen die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass der Kläger erneut einer gleichartigen Polizeimaßnahme unterzogen wird (vgl. BVerwG, U.v. 12.10.2006 – 4 C 12.04 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris; OVG NW, B.v. 5.7.2012 – 12 A 1423/11 – juris Rn. 37; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 271; BeckOK VwGO/Decker VwGO § 113 Rn. 87.2). Daran fehlt es bei einer nur vagen Möglichkeit einer Wiederholung; auch der Wunsch nach Klärung von abstrakten Rechtsfragen genügt nicht (Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 113 Rn. 93).
Im angefochtenen Urteil werden die konkreten, für die hier allein zur Beurteilung anstehende polizeiliche Kontrolle des Kofferraums am 22. Dezember 2014 den Anlass gebenden Umstände benannt, die in ihrer signifikanten Gesamtheit sehr wahrscheinlich so nicht mehr eintreten werden; damit wird der Kläger nicht unter im Wesentlichen unveränderten Umständen erneut von einer gleichartige Polizeimaßnahme betroffen werden. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang die lediglich abstrakte Möglichkeit, wiederum einer nächtlichen Durchsuchung des PKW-Kofferraums unterworfen zu werden; vielmehr muss die Gefahr bestehen, dass sein Fahrzeug erneut auf der Grundlage des Art. 22 Abs. 1 Nr. 4 PAG im Rahmen einer präventiven Polizeikontrolle angehalten und durchsucht wird, deren Anlass eine durch aktuelle Lageerkenntnisse beruhende Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität bildet. Eine derartige Gefahr hat der Kläger nicht dargetan.
In diesem Zusammenhang hat der Beklagte zu Recht auf die der Durchsuchung vorgelagerten besonderen Umstände hingewiesen. So hätten gerade in der betreffenden Stadtregion im zurückliegenden Zeitraum vermehrt Wohnungseinbrüche stattgefunden; es seien dort auch andere Straftaten verübt worden. Auch das aus Sicht der Polizei auffällige Verhalten des Klägers habe für die Maßnahme eine Rolle gespielt; er habe seinen PKW mitten in der Nacht zunächst von dem nicht belebten Parkplatz eines Schwimmbads gestartet und sei anschließend durch mehrmaliges Wenden des Fahrzeugs auf der U.-straße aufgefallen. Mit der zutreffenden Bewertung dieses für das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Verneinung einer Wiederholungsgefahr maßgeblichen Sachverhalts setzt sich der Kläger in seinem Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Auch wenn er selbstverständlich nicht verpflichtet war, sich „kooperativ“ zu verhalten und Fragen der kontrollierenden Polizeibeamten zu den näheren Umständen seines nächtlichen Aufenthalts vor Ort zu beantworten, kann er nicht mit Hinweis darauf, er werde sich auch künftig in einer entsprechenden Situation wieder gleichermaßen verhalten, das besondere Rechtsschutzinteresse an einer Fortsetzungsfeststellungsklage begründen; anderenfalls wäre die Beantwortung der Frage nach der Wiederholungsgefahr als Zulässigkeitsvoraussetzung nicht – zumindest nicht überwiegend – von objektivierbaren Umständen abhängig, sondern könnte durch vom Kläger willentlich beeinflusste Faktoren gesteuert werden.
Schließlich ist ein Hinweis darauf, er könne jederzeit „wie jeder andere Autofahrer nachts im öffentlichen Straßenverkehr von Verkehrskontrollen betroffen“ sein, zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht geeignet. Zum einen reicht die abstrakte Möglichkeit einer Wiederholung für die Annahme einer entsprechenden Gefahr gerade nicht aus; zum anderen wird im vorliegenden Fall nicht die Feststellung der Rechtswidrigkeit der „Verkehrskontrolle“ begehrt, sondern der hiervon gesonderten Maßnahme „Durchsuchung des Kofferraums“. Deshalb ist auch der Hinweis des Klägers unbehelflich, er habe schon des Öfteren die Durchführung polizeilicher Kontrollen am gleichen Ort beobachtet. Im Übrigen konnte der Kläger seinen vor dem Verwaltungsgericht gemachten Vortrag, er selbst sei schon einmal vor der streitgegenständlichen Maßnahme einer Polizeikontrolle an der Auffahrt zur Autobahn A9 unterzogen worden, nicht glaubhaft machen. Die von ihm im Laufe des Zulassungsverfahrens angegebene neuerliche polizeiliche Kontrolle seines Fahrzeugs am 12. Februar 2017 erfolgte unter völlig anderen Umständen im Rahmen einer Schengen-Kontrolle („Schleierfahndung“) auf einem Autobahnpark Platz.
Die in der Zulassungsschrift aufgeworfenen materiellen Rechtsfragen (insbesondere zur Vereinbarkeit der polizeiaufgabenrechtlichen Vorschriften des Landesrechts mit dem Schengener Grenzkodex) und die vom Kläger daraus gezogene Folgerung, die streitgegenständliche Öffnung des Kofferraums sei rechtswidrig gewesen, sind nicht geeignet, das nach dem Verwaltungsprozessrecht erforderliche besondere Feststellungsinteresse in Form der Wiederholungsgefahr zu begründen, deren Vorliegen vielmehr gerade Voraussetzung dafür ist, dass sich die Gerichte mit den genannten Rechtsfragen inhaltlich befassen können. Es mangelt an der konkreten Gefahr einer Wiederholung der Durchsuchungsmaßnahme unter im Wesentlichen gleichen Bedingungen, weshalb eine gerichtliche Entscheidung dem Zweck der Fortsetzungsfeststellungsklage, für künftig zu treffende Polizeimaßnahmen eine Richtschnur rechtmäßigen Handelns aufzuzeigen und so weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, nicht gerecht werden kann (BayVGH, B.v. 28.11.2011 – 8 ZB 11.886 – juris Rn. 11).
1.2 Auch im Hinblick auf das von den Polizeibeamten gegenüber dem Kläger angeordnete Verbot, während der laufenden Kontrolle Schreibutensilien aus dem Fahrzeuginneren herauszuholen, hat das Verwaltungsgericht das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage notwendige besondere Rechtsschutzinteresse zu Recht verneint.
1.2.1 Dass das Verbot nicht mit einem tiefgreifenden oder gewichtigen Grundrechtseingriff verbunden war, bedarf angesichts der zu diesem Begriff bereits gemachten Erläuterungen (s.o. 1.1.1) keiner weiteren Ausführungen.
1.2.2 Es besteht auch nicht die Gefahr, dass der Kläger künftig im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle unter im Wesentlichen gleichen Verhältnissen erneut mit einem vergleichbaren Verbot konfrontiert wird. Vielmehr ist die vorliegend zur Beurteilung stehende Situation durch die besonderen, bereits näher dargestellten Umstände der nächtlichen Kontrolle gekennzeichnet, die eine Wiederholung unter im Wesentlichen gleichen Umständen als nahezu ausgeschlossen erscheinen lassen (vgl. 1.1.2).
2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist bereits nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 10 ZB 15.677 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall fehlt es aber bereits an der Entscheidungserheblichkeit der als grundsätzlich erachteten Rechtsfrage. Der Kläger wirft die als grundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage auf, ob die „Schleierfahndung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG…mit Art. 21 der Verordnung EG Nr. 562/2006 Schengen Grenzkodex vereinbar ist“. Diese Frage würde sich jedoch allenfalls bei Vorliegen einer zulässigen Fortsetzungsfeststellungsklage stellen. Die Berufung gegen ein die Klage als unzulässig abweisendes Urteil kann nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO unter Hinweis auf die (angebliche) grundsätzliche Bedeutung einer sich erst im Rahmen einer zulässigen Klage ergebenden Begründetheitsfrage zugelassen werden.
Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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