Verwaltungsrecht

Feststellungsinteresse bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage

Aktenzeichen  7 B 19.1497

Datum:
8.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41361
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4, § 128 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine anfänglich zulässige Klage kann im Laufe des Verfahrens durch eine Veränderung der für die Zulässigkeit erheblichen Umstände unzulässig werden. Im Berufungsverfahren müssen deshalb die Sachentscheidungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch erfüllt sein. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine nur vage Möglichkeit einer sich im Wesentlichen wiederholenden Situation reicht für die Bejahung einer Wiederholungsgefahr nicht aus. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine einmal erloschene Wiederholungsgefahr kann nicht erneut aufleben. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Hat ein Verwaltungsakt einen diskriminierenden, ehrenrührigen Inhalt, der dem Ansehen des Betroffenen abträglich ist, so kann dessen ideelles Interesse an einer Rehabilitierung eine Fortsetzungsfeststellungsklage rechtfertigen, wenn es nach der Sachlage als schutzwürdig anzuerkennen ist und die eingetretene Stigmatisierung Außenwirkung erlangt hat und noch in der Gegenwart andauert. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 13.638 2014-06-12 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Unter Abänderung der Nummern II, III und IV des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. Juni 2014 wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils ist die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers abzuweisen, weil sie im Verlauf des Berufungsverfahrens unzulässig (geworden) ist.
Ob die Sachentscheidungsvoraussetzungen für eine Klage vorliegen, ist von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium zu prüfen. Eine anfänglich zulässige Klage kann im Laufe des Verfahrens durch eine Veränderung der für die Zulässigkeit erheblichen Umstände unzulässig werden. Im Berufungsverfahren müssen deshalb, sofern wie vorliegend eine mündliche Verhandlung stattfindet, die Sachentscheidungsvoraussetzungen im Zeitpunkt dieser mündlichen Verhandlung – noch – erfüllt sein (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 27.3.1998 – 4 C 14.96 – juris Rn. 20; U.v. 15.1.1999 – 2 C 5.98 – juris Rn. 2; U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 17; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 110).
I.
Der vom Kläger behauptete Anspruch auf Aufnahme seines Antrags vom 30. November 2012 auf die Tagesordnung zur nächsten Kammerversammlung der Beklagten (2013) hat sich – nach Klageerhebung – vollständig erledigt. Mit seinem Einwand, es sei ein nichterledigter Teil verblieben, kann der Kläger vor dem Verwaltungsgerichtshof bereits aus prozessualen Gründen nicht durchdringen (1). Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einer Erledigung des Verfahrens ausgegangen (2).
1. Gemäß § 128 Satz 1 VwGO prüft der Verwaltungsgerichtshof den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Die in der Berufungsinstanz zu erfolgende Prüfung des gesamten Streitstoffs ist nur innerhalb der Berufungsanträge zulässig. Dies ergibt sich aus der Dispositionsbefugnis der Beteiligten (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 128 Rn. 2 m.w.N.). Nach Rücknahme der Feststellungsanträge hat der Kläger den ausschließlich verbliebenen, nach §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO zulässigerweise als Verpflichtungsantrag ausgelegten Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Wie sich insbesondere den Entscheidungsgründen des streitgegenständlichen Urteils entnehmen lässt (UA S. 9 ff.), hat das Verwaltungsgericht hierüber in Nr. II des streitgegenständlichen Urteils (vollständig) entschieden. Ausschließlich hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Bereits aus diesem Grund kann sich der Kläger auf einen nichterledigten Teil seines ursprünglichen Klageantrags nicht berufen. Darüber hinaus existiert vorliegend auch – anders als der Kläger meint – kein nichterledigter weiterer (belastender) Verwaltungsakt, das Verhalten der Beklagten zu „dulden“. Inhalt des Bescheids vom 27. März 2013 war ausschließlich die Ablehnung des Antrags des Klägers (gerichtet auf die Abwahl des gesamten Vorstands). Ein weitergehender Regelungsgehalt ist dem streitgegenständlichen Bescheid nicht zu entnehmen.
2. Darüber hinaus hat sich das Verfahren tatsächlich vollständig erledigt. Im Rahmen einer Verpflichtungsklage ist hinsichtlich der Erledigung ausschließlich darauf abzustellen, ob sich das Begehren des Klägers auf Erlass eines ihn begünstigenden Verwaltungsakts erledigt hat. Hierbei kommt es nicht entscheidend auf den ablehnenden Verwaltungsakt an (vgl. Decker in Posser/Wolf, BeckOK, 55. Ed. 1.10.2020, § 113 Rn. 98a.1; Wolf in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 133 Rn. 30). Maßgeblich ist allein die Zielrichtung der Verpflichtungsklage.
Das Verpflichtungsbegehren ist vorliegend schon deshalb „erledigt“, weil das vom Kläger begehrte Rechtsschutzziel (Aufnahme des Abberufungsantrags auf die Tagesordnung der Kammerversammlung 2013) wegen Zeitablaufs rein faktisch nicht mehr zu erlangen ist. Auf den Einwand des Klägers, die Beklagte habe seinen Antrag zwar nach der Klageerhebung auf die Tagesordnung genommen, hierin sei jedoch lediglich ein „unfreiwilliges Nachgeben“ zu sehen, das nicht zur Erledigung führen könne, kommt es schon deshalb nicht mehr an. Ungeachtet dessen hat sich die Kammerversammlung mit dem klägerischen Antrag befasst. Dass der Antrag des Klägers im Ergebnis nicht zur Abstimmung gelangte, ist dem Umstand geschuldet, dass die Kammerversammlung ihn im Laufe der Sitzung mit Mehrheitsbeschluss von der Tagesordnung genommen hat. Ob die Aufnahme in die Tagesordnung oder die Beschäftigung mit dem klägerischen Antrag bereits zu einer Erledigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geführt haben, kann dahinstehen. Denn jedenfalls kann das klägerische Verpflichtungsbegehren nach Beendigung der Kammerversammlung nicht mehr erfüllt werden.
II.
Im Zeitpunkt der berufungsgerichtlichen mündlichen Verhandlung am 8. Dezember 2020 war das besondere Rechtsschutzinteresse für die Fortsetzungsfeststellungsklage entfallen.
Aus dem Wortlaut des § 113 Absatz 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Erledigungseintritt wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit hat (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14/12 – juris Rn. 30; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 108). Ein solches Feststellungsinteresse liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere dann vor, wenn der Gefahr der Wiederholung gleichartiger Verwaltungsentscheidungen vorgebeugt werden soll, ein Rehabilitationsinteresse gegeben oder ein Schadensersatzanspruch vorhanden ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.8.1993 – 6 C 7.93 – NVwZ-RR 1994, 234).
1. Anders als es der hierfür darlegungspflichtige Kläger meint, bestand die vom Verwaltungsgericht angenommene konkrete Wiederholungsgefahr im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht (mehr) fort.
Bei erledigten Verpflichtungsklagen ist eine Wiederholungsgefahr gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass die Behörde in naher Zukunft auf einen gleichartigen Antrag hin eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende negative Entscheidung treffen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 25.8.1993 – 6 C 7.93 – NVwZ-RR 1994, 234). Die Gleichartigkeit einer Verwaltungsentscheidung kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sich die tatsächlichen und rechtlichen Interessen seit dem Erlass der erledigten Verwaltungsentscheidung nicht geändert haben und diese Verhältnisse auch noch im Zeitpunkt der zukünftig zu erwartenden Verwaltungsentscheidung vorliegen werden oder wenn auch trotz veränderter Verhältnisse eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung der Behörde zu erwarten ist, weil sie eine entsprechende Absicht zu erkennen gegeben hat (BVerwG, U.v. 25.8.1993 – 6 C 7.93 – NVwZ-RR 1994, 234). Für die Annahme einer Wiederholungsgefahr ist demnach erforderlich, dass die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sind. Ist ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des erledigten Verwaltungsakts, kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (BVerwG, U.v. 12.10.2006 – 4 C 12.04 – juris Rn. 8). Eine nur vage Möglichkeit einer sich im Wesentlichen wiederholenden Situation reicht für die Bejahung einer Wiederholungsgefahr nicht aus (BayVGH, B.v. 14.7.2008 – 4 ZB 07.2735 – juris Rn. 8). Ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls (vgl. BVerwG, B.v. 17.12.2019 – 9 B 52.18 – NVwZ-RR 2020, 331 Rn. 9).
a) Ob das Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zutreffend vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr ausgegangen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr endgültig entfallen, weil der Kläger für eine nicht unerhebliche Zeitspanne (August 2014 bis Juli 2020) seine berufliche Tätigkeit als Steuerberater außerhalb des Bezirks der Beklagten verlagert hat.
Mitglieder der Beklagten sind nach § 2 Buchst. a der Satzung der Beklagten vom 1. Juni 2012 und 10. Juni 2016 die Steuerberater, die im Kammerbereich ihre berufliche Niederlassung haben. Mit der Verlegung des Sitzes seiner beruflichen Niederlassung ist daher die Mitgliedschaft des Klägers, aber auch sein Stimmrecht in der Kammerversammlung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 der Satzung) erloschen und seine Berechtigung, Ergänzungsanträge zur Tagesordnung zu stellen (§ 6 Abs. 4 Satz 1 der Satzung), entfallen. Somit war zwischen August 2014 und Juli 2020 bereits wegen der fehlenden Kammerzugehörigkeit des Klägers nicht zu besorgen, dass die Beklagte eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende negative Entscheidung treffen könnte. Da der Kläger bis August 2014 und ab Juli 2020 keinerlei Tagesordnungsanträge zur Kammerversammlung gestellt hat, ist auch tatsächlich seit dem Jahre 2013 keine negative Entscheidung der Beklagten mehr ergangen.
b) Die danach erloschene Wiederholungsgefahr ist nicht dadurch wieder aufgelebt, dass der Kläger seit Juli 2020 den Sitz seiner beruflichen Niederlassung erneut im Kammerbezirk der Beklagten hat.
aa) An das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr sind strenge Maßstäbe anzulegen. Art. 19 Abs. 4 GG und das daraus abzuleitende Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt nicht die Verpflichtung des Gerichts zu einer Sachentscheidung ein, wenn der Bürger des beantragten Rechtsschutzes nicht (mehr) bedarf (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 108 m.w.N.). Da es sich bei der Fortsetzungsfeststellungsklage um eine prozessuale Sondersituation handelt, die nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nur in besonderen Fallgestaltungen zulässig ist, kann eine einmal erloschene Wiederholungsgefahr nicht erneut aufleben. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat nichts dafür vorgetragen, warum dies in seinem Fall ausnahmsweise anders zu bewerten sein könnte.
bb) Zudem liegen im Vergleich zum Frühjahr 2013 auf Seiten der Beklagten veränderte tatsächliche Umstände vor, so dass auch deshalb nicht vom Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen ist.
In den Jahren 2015 und 2019 fanden turnusgemäß (§ 9 Abs. 3 der Satzung) Vorstandswahlen statt, die zu einer Neubesetzung des Präsidentenamtes geführt haben. Zudem wurden weitere acht Vorstandsämter neu besetzt. Somit ist der damalige Vorstand, auf den sich der klägerische Abberufungsantrag ausdrücklich bezog, nicht mehr im Amt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seit dem streitgegenständlichen Antrag vom 30. November 2012 weder einen erneuten Abberufungsantrag noch einen sonstigen Antrag zur Tagesordnung gestellt hat. Da er zu diesem Zeitpunkt bereits wieder Mitglied der Beklagten war, hätte er hierzu auch in Bezug auf die Kammerversammlung 2020 Gelegenheit gehabt. Darüber hinaus hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt – auch nicht während der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof – vorgetragen, dass er beabsichtige, einen erneuten Abberufungsantrag zu stellen.
Im Übrigen war der streitgegenständliche Antrag vom 30. November 2012 im Zusammenhang mit zwei im Wesentlichen inhaltsgleichen Anträgen zu den Kammerversammlungen 2010 und 2012 zu sehen. Er wurde als dritter Antrag seiner Art von der Beklagten als rechtsmissbräuchlich qualifiziert. Im Hinblick auf den seitdem eingetretenen Zeitablauf (acht Jahre) und die veränderte personelle Zusammensetzung des Vorstands wäre völlig offen, wie der heutige Vorstand auf einen erneuten Abberufungsantrag des Klägers reagieren würde. An dieser Einschätzung ändert insbesondere der klägerische Vortrag nichts, die Beklagte zeige fortlaufend, dass sie ihre Spielräume zu seinen Lasten nutze. Soweit er dies aus dem Umstand folgert, die Beklagte sei nach wie vor der Auffassung, dass das Verwaltungsgericht in der Sache unrichtig entschieden habe, lässt sich hieraus gerade nicht ableiten, dass der neue Vorstand mit der wesentlich gleichen Begründung einen erneuten Abberufungsantrag ablehnen würde. Denn es muss der Beklagten als Berufungsklägerin unbenommen bleiben, auch weiterhin ihr damaliges Vorgehen in der Sache zu verteidigen. Ein Rückschluss auf zukünftige Entscheidungen des neuen Vorstands kann hieraus nicht gezogen werden, zumal es keine entsprechende Erklärung des neuen Vorstands gibt und der Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Gelegenheit ausgelassen hat, die Beklagte mit äußerst grenzwertigen Äußerungen zu provozieren. Selbst wenn man im prozessualen Verhalten der Beklagten eine gewisse Uneinsichtigkeit sieht, bezieht sich dies auf die früheren Umstände, und es wäre nicht vorhersehbar, dass auch der neue Vorstand einen erneuten Abberufungsantrag als rechtsmissbräuchlich und schikanös qualifizieren und ihn aus diesen Gründen ablehnen würde.
2. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ergibt sich vorliegend auch nicht wegen eines anzuerkennenden Rehabilitationsinteresses. Hat ein Verwaltungsakt einen diskriminierenden, ehrenrührigen Inhalt, der dem Ansehen des Betroffenen abträglich ist, so kann dessen ideelles Interesse an einer Rehabilitierung, also an der Beseitigung dieser Rufminderung, eine Fortsetzungsfeststellungsklage rechtfertigen, wenn es nach der Sachlage als schutzwürdig anzuerkennen ist (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 119 m.w.N.). Dafür ist zusätzlich erforderlich, dass die eingetretene Stigmatisierung Außenwirkung erlangt hat und noch in der Gegenwart andauert (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – juris Rn. 25; B.v. 4.10.2006 – 6 B 64.06 – juris Rn. 10). Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen.
aa) Ein Rehabilitationsinteresse begründet ein Feststellungsinteresse dann, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Kläger durch die streitige Maßnahme in seinem Persönlichkeitsrecht objektiv beeinträchtigt ist, was sich aus den mit der Ablehnung eines Antrages zusammenhängenden Umständen oder aus der Begründung einer Verwaltungsentscheidung ergeben kann, wenn diese Ausführungen zur Persönlichkeit des Klägers enthält (vgl. BVerwG, B.v. 4.10.2006 – 6 B 64.06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Ein schutzwürdiges Rehabilitationsinteresse kann auch dann zu bejahen sein, wenn eine behördliche Anordnung in die berufliche Ehre eines Betroffenen eingreift (BVerwG, B.v. 17.12.2001 – 6 B 61.01 – juris Rn. 14).
bb) Die im Bescheid vom 27. März 2013 zum Ausdruck kommende Weigerung der Beklagten, den Abberufungsantrag des Klägers auf die Tagesordnung zu nehmen, hat für sich genommen keine diskriminierende Wirkung. Unter Würdigung des Gesamtkontextes der verbalen Vorwürfe und Auseinandersetzungen, in deren Zusammenhang die ablehnende Entscheidung der Beklagten erfolgt ist, ergibt sich auch aus der Begründung des Bescheids vom 27. März 2013 keine diskriminierende Wirkung für den Kläger. Denn die zum Teil deutlichen Worte der Bescheidsbegründung resultieren daraus, dass die Beklagte den erneuten Abberufungsantrag des Klägers als schikanös bzw. rechtsmissbräuchlich angesehen hat und sie mit den gewählten Formulierungen ihre Rechtsauffassung gerichtsfest begründen wollte. Soweit im Bescheid von straf- bzw. berufsrechtlich relevanten Inhalten des klägerischen Antrags die Rede ist, nimmt dies Bezug auf die vom Kläger wiederholt gegenüber der Beklagten, vor allem gegenüber deren Präsidenten, erhobenen Vorwürfe und Zuschreibungen. Wie insbesondere die Begründung seines Antrags zeigt, hat sich der Kläger hierbei und im Übrigen auch im gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahren verbal nicht zurückgehalten und sich teilweise mit massiv unsachlichen Formulierungen und Bezugnahmen geäußert. Damit ist die Bescheidsbegründung der Beklagten erkennbar auch als Reaktion auf das vorangehende Verhalten des Klägers zu bewerten. Sie hat daher vorliegend keine diskriminierende Wirkung.
cc) Selbst, wenn man eine diskriminierende Wirkung der Bescheidsbegründung annimmt, wäre zudem erforderlich, dass sie Außenwirkung erlangt hätte und ihre Wirkung noch in der Gegenwart andauerte. Dem ist nicht so. Der Bescheid der Beklagten ist – anders als der Antrag des Klägers und die Gegenerklärung der Beklagten – den Mitgliedern der Beklagten im Vorfeld der Kammerversammlung nicht bekannt gegeben worden. Allein der Umstand, dass die Beklagte den klägerischen Antrag mit der Gegenerklärung in den geschützten Mitgliederbereich eingestellt hat, genügt für die Annahme einer diskriminierenden Außenwirkung nicht. Denn die Gegenerklärung selbst ist sachlich formuliert; auch im Sitzungsprotokoll über die Kammerversammlung vom 14. Juni 2013 finden sich keine Äußerungen, die den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht herabwürdigen.
Zudem fehlt es der Bescheidsbegründung an Nachwirkungen in die Gegenwart, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit wirksam begegnet werden könnte. Für die Annahme einer solchen Nachwirkung reicht es nicht aus, dass der Kläger die von ihm beanstandete Antragsablehnung subjektiv als diskriminierend empfunden hat und noch empfindet. Anhaltspunkte für andauernde Nachwirkungen sind objektiv nicht zu erkennen. Der Vorgang liegt acht Jahre zurück. Der Bescheid ist den übrigen Kammermitgliedern nicht zugänglich gemacht worden. Der Kläger war darüber hinaus sechs Jahre nicht Mitglied der Beklagten. Eine (damals) unterstellte diskriminierende Wirkung des Bescheids hat bereits mit Blick auf den Zeitablauf keine Fortwirkung in die Gegenwart und kann auch deshalb ein Rehabilitationsinteresse nicht rechtfertigen. Soweit der Kläger auf andere Umstände, insbesondere auf das angespannte Verhältnis zwischen ihm und den Vertretern der Beklagten verweist, kann hieraus ein Rehabilitationsinteresse nicht gefolgert werden. Denn entscheidend ist allein, ob der Kläger durch die Bescheidsbegründung der Beklagten diskriminiert wurde. Dies ist nicht der Fall.
Mangels Vorliegens eines besonderen Feststellungsinteresses ist die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof somit unzulässig. Auf die klägerischen Ausführungen zum Themenkomplex „Benachteiligung der Steuerberater in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung“ kommt es bereits deshalb nicht an. Der beantragten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ist nicht nachzukommen, weil ausschließlich Fragen nationalen Prozessrechts inmitten des Rechtsstreits stehen. Die Klage ist daher unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 709 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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