Verwaltungsrecht

Fiktive Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit

Aktenzeichen  M 5 S 20.1070

Datum:
10.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17018
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayBG Art. 65 Abs. 2 S. 2, Art. 128 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der als Kriminalhauptkommissar in Diensten des Antragsgegners stehende Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehbarkeit der fiktiven Feststellung seiner Polizeidienstunfähigkeit.
Das Polizeipräsidium Oberbayern … (Polizeipräsidium) forderte den Antragsteller mit Schreiben vom … Mai 2019 wegen mehrerer seit Februar 2015 beobachteter Verhaltensauffälligkeiten – die im Einzelnen dargestellt wurden – auf, sich zur Überprüfung seiner Polizeidienstfähigkeit einer externen fachärztlich psychiatrischen Untersuchung mit abschließender Beurteilung und hierzu einer testpsychologischen Untersuchung zu unterziehen sowie diesbezüglich eine Schweigepflichtentbindung abzugeben.
Aufgrund seiner Weigerung, seine behandelnde Ärztin von der Schweigepflicht zu entbinden oder einen ausführlichen Befund zu übermitteln und des Widerrufs der bereits erteilten Schweigepflichtentbindungen sei eine weitergehende Begutachtung und Diagnostik erforderlich, als dies durch den polizeiärztlichen Dienst leistbar sei.
Wegen der für die externe Begutachtung erforderlichen Übermittlung vorhandener polizeiärztlicher Berichte, Unterlagen, Informationen etc. habe der Antragsteller innerhalb einer Woche eine Schweigepflichtentbindung zu erteilen. Anschließend erhalte er gesondert eine Benachrichtigung zum Begutachtungstermin.
Die Untersuchungsfragen zur Überprüfung der Polizeidienstfähigkeit lauteten:
1. Ist der Beamte gesundheitlich in der Lage zum Führen einer Dienstwaffe?
2. Liegen sonstige dienstliche Verwendungseinschränkungen vor? Wenn ja, welche und für welche Dauer?
3. Wurden bereits alle medizinischen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft oder gibt es noch geeignete medizinische Maßnahmen (z.B. psychotherapeutische Behandlung, sonstige ambulante oder stationäre Behandlungen etc.), welche die Dienstfähigkeit des Beamten weiterhin stabilisieren könnten?
Wenn ja, welche und müssen diese angeordnet werden?
4. Ist eine Nachuntersuchung erforderlich?
Der Antragsteller legte keine Schweigepflichtentbindung vor, sondern erhob am 5. Juni 2019 Klage beim Verwaltungsgericht München (u.a.) gegen die Untersuchungsaufforderung vom … Mai 2019 (M 5 K 19.2687) – über die noch nicht entschieden ist – und stellte diesbezüglich zusätzlich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Verwaltungsgericht München lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 26. Juli 2019 ab (M 5 E 19.2689). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 26. Juli 2019 mit Beschluss vom 22. August 2019 (3 CE 19.1507; bislang nicht veröffentlicht) zurück.
Mit Schreiben vom … August 2019 forderte das Polizeipräsidium den Antragsteller unter Darstellung der Verhaltensauffälligkeiten wie im Schreiben vom … Mai 2019 auf, sich einer polizeiärztlichen Untersuchung zu unterziehen, nachdem eine externe psychiatrische Untersuchung mangels Schweigepflichtentbindung nicht möglich sei. Er werde darauf hingewiesen, dass er sich der Gefahr der Feststellung seiner fiktiven Polizeidienstunfähigkeit aussetze, wenn eine amts-/polizeiärztliche Untersuchung wiederum nicht zustande komme. Er habe sich am … August 2019 beim Ärztlichen Dienst der Polizei zur Untersuchung zu melden.
Die Untersuchungsfragen waren mit denen des Schreibens vom … Mai 2019 identisch.
In der Untersuchungsaufforderung vom … Mai 2019 und der weiteren – in das Beschwerdeverfahren einbezogenen – vom … August 2019 habe der Antragsgegner hinreichend gewichtige tatsächliche Umstände für eine mögliche Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers dargelegt. Aus diesen ergebe sich auch, dass sich die Untersuchung auf das psychiatrische Fachgebiet beziehe. Der Dienstherr habe sich insoweit auch schon vor der Untersuchungsanordnung vom … Mai 2019 sachkundig polizeiärztlich beraten lassen. Das privatärztliche Attest der behandelnden Ärztin vom … November 2018 sei pauschal und unsubstantiiert, weshalb keine Veranlassung bestanden habe, von der geforderten Untersuchung abzusehen (Rn. 7). Die Untersuchungsfragen blieben vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unbeanstandet.
Bei einem Vorgespräch zum Untersuchungstermin am … August 2019 erklärte der Antragsteller (in Begleitung eines Bekannten), sich einer körperlichen Untersuchung zu unterziehen, jedoch Fragen zu den geschilderten Ereignissen wegen der offenen Rechtsverfahren nicht beantworten zu wollen. Der Ärztliche Dienst der Polizei führte daraufhin keine Untersuchung durch, weil der Untersuchungsauftrag vorsehe, die Fragestellung unter wesentlicher Berücksichtigung der geschilderten Ereignisse zu bewerten, was ohne Gespräche, die einen Bezug zu den Verfahren aufwiesen, nicht möglich sei (Aktenvermerk des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom …8.2019).
Am … August 2019 und am … November 2019 ergingen weitere Untersuchungsaufforderungen zu Untersuchungen am … September 2019 bzw. … Dezember 2019. Darin wurde die Notwendigkeit eines ausführlichen Anamnesegesprächs zur diagnostischen Erhebung eventuell vorhandener Erkrankungen betont. Der Antragssteller wurde – erneut – auf seine Mitwirkungspflicht und die ansonsten mögliche fiktive Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit hingewiesen. Die Untersuchungsfragen blieben unverändert.
Am … September 2019 kam nach einem Vorgespräch unter Teilnahme der behandelnden Ärztin des Antragstellers kein gutachterliches Gespräch zustande, weil der Gutachter die Validität seiner Aussage verringert gesehen hätte, wenn – wie es der Antragsteller verlangte – bei der eigentlichen Begutachtung eine dritte Person anwesend wäre und Fragen zu den Ereignissen, auf die das Polizeipräsidiums seinen Untersuchungsauftrag gründete, ausgeklammert würden (Aktenvermerk des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom …9.2019).
Am … Dezember 2019 kam nach einem Vorgespräch unter Teilnahme des Antragstellers, seiner behandelnden Ärztin, des Gutachters des Ärztlichen Dienstes der Polizei und zweier Beamten des Polizeipräsidiums wiederum keine Begutachtung zustande. Der Antragsteller bestand auf der Anwesenheit seiner behandelnden Ärztin an der eigentlichen Untersuchung, die der Gutachter ablehnte, weil Sinn und Zweck der Begutachtung sei, sich einen unbeeinflussten Eindruck vom Antragsteller machen zu können. Dies sei bei Anwesenheit einer dritten Person, selbst wenn diese nichts sagen / tun würde, nicht möglich. Der Antragsteller zweifelte zudem die Unvoreingenommenheit und Kompetenz des Gutachters an und erklärte, dass er Fragen im Zusammenhang mit den aktuellen gerichtlichen Verfahren nicht beantworten werde.
Das Polizeipräsidium hörte den Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom … Januar 2020 und *. Februar 2020 zur beabsichtigten fiktiven Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit an. Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhob hiergegen mit Schreiben vom *. Februar 2020 und … Februar 2020 Einwände. Es sei das gute Recht des Antragstellers, keine Fragen zu beantworten, die im Zusammenhang mit dem beim Verwaltungsgericht anhängigen Hauptsacheverfahren (M 5 K 19.2687) stünden. Der Gutachter des Ärztlichen Dienstes der Polizei werde wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Es werde beantragt, ein ergänzendes fachärztliches Gutachten einzuholen.
Eine für die Erstellung eines externen Gutachtens vom Polizeipräsidium verlangte Schweigepflichtentbindungserklärung legte der Antragsteller nicht vor.
Mit Bescheid vom … März 2020, dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am … März 2020, stellte das Polizeipräsidium fest, dass der Antragsteller polizeidienstunfähig sei (Nr. 1 des Bescheids). In Nr. 2 des Bescheids ordnete es die sofortige Vollziehung der Nr. 1 an.
Die fiktive Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit auf der Rechtsgrundlage des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) wurde damit begründet, dass hinreichend gewichtige tatsächliche Umstände vorlägen, dass objektiv die ernsthafte Besorgnis für eine mögliche Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers bestehe. Der Antragsteller sei verpflichtet, sich bei Zweifeln über seine Dienstunfähigkeit nach Weisung des Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen zu lassen. Je zweifelhafter ein Fall sei, umso höhere Anforderungen seien an die zur Sachverhaltsaufklärung erforderlichen Mitwirkungspflichten zu stellen. Der Antragsteller sei ausdrücklich auf seine Mitwirkungspflicht bei einer polizeiärztlichen Untersuchung und die Konsequenzen beim Unterlassen hingewiesen worden. Es habe außerdem keine Veranlassung bestanden, von der geforderten Untersuchung abzusehen. Der Antragsteller habe sich trotz schriftlicher Aufforderung mehrfach ohne hinreichenden Grund der Untersuchung entzogen, weshalb er so behandelt werden könne wie wenn seine Dienstunfähigkeit amtsärztlich festgestellt worden wäre.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde auf Seite 8 des Bescheids insbesondere damit begründet, dass sowohl der Allgemeinheit als auch dem Dienstherrn nicht mehr auferlegt werden könne, den Antragsteller weiterhin im Polizeivollzugsdienst einzusetzen, obwohl die Polizeidienstunfähigkeit festgestellt worden sei. Hieran ändere auch nichts, dass der Antragsteller bereits seit … November 2018 ohne das Führen einer Dienstwaffe habe eingesetzt werden müssen, verbunden mit den entsprechenden Einschränkungen, da in diesem Zeitraum die Polizeidienstunfähigkeit noch nicht festgestellt worden war. Im Polizeivollzugsdienst sei der Antragsteller – z.B. bei Festnahmen – stets einem erhöhten Konfrontationsrisiko ausgesetzt, weil dabei mit Widerstandshandlungen zu rechnen sei. Um weder sich noch andere zu gefährden, müsse er gesundheitlich voll einsetzbar sein, nicht zuletzt deshalb, weil die Anwendung unmittelbaren Zwangs auch zum Gebrauch der Schusswaffe führen könne. Die Weigerung des Antragstellers, polizeiärztlich die Eignung zum Führen einer Schusswaffe feststellen zu lassen, mache es erforderlich, ihn auch weiterhin ohne Dienstwaffe einzusetzen und ab sofort von vollzugspolizeilichen Aufgaben zu entbinden. Im Hinblick auf das aufgezeigte Gefährdungspotential werde der Sofortvollzug letztlich aus Gründen der Fürsorgepflicht auch gegenüber dem Antragsteller angeordnet.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch einlegen, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.
Am 10. März 2020 hat der Bevollmächtigten des Antragstellers für diesen beim Verwaltungsgericht München beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums Oberbayern … vom … März 2020 wiederherzustellen.
Der Bescheid erwähne zwar am Rande die grundsätzliche Bereitschaft des Antragstellers, an einer amtsärztlichen Untersuchung unter rechtsstaatlichen Voraussetzungen mitzuwirken, setze sich aber nicht mit den diesbezüglichen Argumenten auseinander. Es fehle auch an einer Auseinandersetzung mit der dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Teilnahme einer dritten Person an einer psychiatrischen Untersuchung.
Ein Sofortvollzug dürfe nur angeordnet werden, wenn er im öffentlichen Interesse sei. Dieses sei – und zwar ausreichend – schriftlich zu begründen. Daran fehle es hier. Der Antragsteller versehe seit dem … November 2018 seinen Dienst ohne das Führen seiner Dienstwaffe. Er vernehme zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten seit Jahr und Tag Zeugen sowie Beschuldigte und verfasse Ermittlungsberichte mit den daraus resultierenden Strafverfahren bzw. Einstellungsverfügungen. Im Polizeivollzugsdienst (im engeren Sinne) werde er nicht eingesetzt. „Festnahmen“ habe es seither nicht gegeben und seien auch nicht absehbar. Weshalb der gegenwärtige Einsatz für das Polizeipräsidium eine „Belastung“ darstellen solle, habe nicht erklärt werden können, das behauptete „Gefährdungspotential“ sei eine reine Chimäre. Eine Heilung des Verstoßes, d.h. die Nachholung einer fehlenden Begründung, sei nicht möglich.
Das Polizeipräsidium hat mit Schriftsatz vom 20. März 2020 für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Bescheid sei in Ziffer 1 rechtmäßig ergangen. Der Antragsteller habe zum einen die geforderte Schweigepflichtentbindungserklärung nicht abgegeben, sodass eine externe Untersuchung nicht habe stattfinden können. Zu den drei mittels ordnungsgemäßer Ladungen geladenen Untersuchungsterminen sei der Antragsteller zwar erschienen, habe jedoch seine Mitwirkung an der Untersuchung verweigert. Damit habe er gegen seine Pflicht als Beamter verstoßen, vollumfänglich an der Untersuchung mitzuwirken. Mit den zahlreichen Argumenten, die durch den Antragsteller im Laufe des Verfahrens vorgetragen wurden, habe man sich auseinandergesetzt. Ob dritte Personen bei der eigentlichen Begutachtung zugelassen werden, stehe im Ermessen des jeweiligen Dienstherrn. Hierbei sei insbesondere die Gefahr einer Verfälschung des Ergebnisses bzw. einer Beeinflussung des ärztlichen Gesprächs durch die Anwesenheit einer dritten Person zu berücksichtigen. Der Antragsteller sei darauf hingewiesen worden, dass die Hinzuziehung von Begleitpersonen zu Vor- oder Nachbesprechungen möglich sei, nicht jedoch während der durchzuführenden Untersuchung.
Eine ordnungsgemäße Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung liege vor. Es sei in einer Einzelfallprüfung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffer 1 des Bescheids mit den Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs abgewogen worden.
Eine Beschwerde des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 2. April 2020 mit dem Ziel, den Erlass einer Zwischenverfügung zu erstreiten, wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. Mai 2020 (3 C 20.758) zurück (wie zuvor bereits mit Beschluss vom 9.7.2019 im Verfahren M 5 E 19.2689).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie in den Verfahren M 5 K 19.2687 und M 5 E 19.2689 sowie die jeweils dazu vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom … März 2020 mit der ausgesprochenen Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit wiederherzustellen, ist zulässig, aber unbegründet.
Dabei geht die Kammer davon aus, dass der Antragsteller gegen den Bescheid vom … März 2020 auch tatsächlich Widerspruch eingelegt hat, nachdem das Polizeipräsidium dies mit Schriftsatz vom … März 2020 bestätigt hat (Seite 1). Datum und Eingang des Widerspruchs beim Polizeipräsidium lassen sich allerdings weder den vom Antragsteller eingereichten Unterlagen, noch den Akten des Polizeipräsidiums entnehmen.
1. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese Bestimmung stellt eine zentrale Norm der Verwaltungsrechtspflege dar, denn der Bürger hat nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) Anspruch auf eine tatsächlich wirksame Kontrolle der Verwaltung.
Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage aber nicht schlechthin. Die Behörde darf sie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch Anordnung der sofortigen Vollziehung beseitigen, wenn dafür ein besonderes öffentliches Interesse besteht, das grundsätzlich über jenes Interesse hinauszugehen hat, welches den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt.
a) Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 2 des Bescheids vom 6. März 2020 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (Hoppe in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55).
Dem genügt die Begründung auf Seite 8 des Bescheids. Sie ist keineswegs formelhaft, sondern lässt vielmehr erkennen, dass das Polizeipräsidium eine Einzelfallprüfung vorgenommen hat und sowohl wegen der Gefährdung des Dienstbetriebs beim Einsatz eines vom Polizeipräsidium als nicht polizeivollzugstaugliche erachteten Beamten in Bezug auf den Antragsteller als auch unter dem Aspekt der Fürsorgepflicht für den Antragsteller den Sofortvollzug für erforderlich hielt.
Über diese Feststellung hinaus bedarf es keiner weiteren Erörterung der von der Behörde genannten Gründe, da das Gericht nicht auf die Überprüfung dieser Gründe beschränkt ist, sondern im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Abwägung der öffentlichen Belange gegen den Rechtsanspruch des Einzelnen selbst zu beurteilen hat, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht.
b) Hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheides vom … März 2020 angeordneten sofortigen Vollziehung war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzgl. der Nr. 1 des Bescheids nicht wiederherzustellen.
aa) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs.
Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom … März 2020 enthaltene Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, so dass der hiergegen erhobene Widerspruch voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Anzumerken ist, dass maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage wegen des vom Antragsteller eingelegten Widerspruchs der des vorliegenden Beschlusses ist. Dem Antragsteller ist es unbenommen, sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens doch noch uneingeschränkt der geforderten polizeiärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
(1) Die erkennende Kammer nimmt zunächst vollumfänglich Bezug auf die ausführlichen und zutreffenden Gründe des Bescheids vom *. März 2020 und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu Eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Das Polizeipräsidium hat die den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) i.V.m. Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG zutreffend angewandt und ist nach ordnungsgemäßer Ausübung seines Ermessens in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, den Antragsteller fiktiv als polizeidienstunfähig anzusehen, weil er sich trotz wiederholter schriftlicher Aufforderung ohne hinreichenden Grund der Verpflichtung, sich nach Weisung seines Dienstvorgesetzten untersuchen zu lassen, entzogen hat.
Dabei ist das Polizeipräsidium zu Recht von der Rechtmäßigkeit der Aufforderungen zur Untersuchung in psychiatrischer Fachrichtung vom … Mai 2019, … August 2019, … August 2019 und … November 2019 ausgegangen. Hinsichtlich der Aufforderungen vom … Mai 2019 und … August 2019 wird insoweit auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom … August 2019 (3 CE 19.1507) unter Rn. 5 ff. verwiesen. Danach hat der Antragsgegner hinreichend gewichtige tatsächliche Umstände für eine mögliche Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers dargelegt. Aus diesen ergibt sich auch, dass sich die Untersuchung auf das psychiatrische Fachgebiet bezieht. Der Dienstherr hat sich insoweit auch schon vor der Untersuchungsanordnung vom … Mai 2019 sachkundig polizeiärztlich beraten lassen. Das privatärztliche Attest der behandelnden Ärztin vom … November 2018 ist pauschal und unsubstantiiert, weshalb keine Veranlassung bestand, von der geforderten Untersuchung abzusehen (Rn. 7). Auch die Untersuchungsfragen blieben vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unbeanstandet.
Diese Ausführungen gelten hinsichtlich der Aufforderungen vom … August 2019 und … November 2019 entsprechend. Dem ist seitens der erkennenden Kammer nichts hinzuzufügen.
(2) Das Vorbringen des Antragstellers führt nicht zu einer vom Bescheid abweichenden Beurteilung dahingehend, dass er sich mit hinreichendem Grund der angeordneten Untersuchung entzogen hätte.
Eine ausdrückliche Ablehnung des polizeiärztlichen Gutachters als befangen ist durch den Antragsteller selber nicht erfolgt, sondern erst nach dem letzten Versuch der Durchführung einer Untersuchung durch dessen Bevollmächtigten.
Die vom Antragsteller zuvor geltend gemachten Zweifel, ob der Gutachter – der im Hinblick auf seine Stellung als Amtsarzt in besonderem Maße zur Unparteilichkeit und Neutralität verpflichtet ist – sich in der Lage sehe, ihn zu begutachten, nachdem dieser der Vorgesetzte derjenigen Polizeiärztin war, mit der der Antragsteller eine Zeitlang eine intime Beziehung geführt hatte und weil er – der Antragsteller – ja nicht wisse, ob jetzt nicht der Gutachter ein sexuelles Verhältnis zu dieser Polizeiärztin habe (vgl. Aktenvermerk des Polizeipräsidiums vom …12.2019 zum Vorgespräch am …12.2019), hätten jedenfalls nicht ausgereicht, objektiv eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Dass der Antragsteller die Kompetenz des Gutachters hinsichtlich der Frage nach der Geeignetheit zum Führen von Dienstwaffen bezweifelte (vgl. o.g. Aktenvermerk), stellt diese nicht substantiiert in Frage. Die Gutachter des Ärztlichen Dienstes der Polizei sind kraft ihres Amtes dazu berufen, über gerade solche Fragen, wie auch über die der Polizeidienstfähigkeit insgesamt, zu befinden.
Der Antragsteller war auch nicht berechtigt, die Untersuchung davon abhängig zu machen, dass er Fragen zu den Geschehnissen, die Gegenstand der Gutachtensaufforderung vom … Mai 2019 und damit (u.a.) des Klageverfahrens M 5 K 19.2687 sind, nicht beantworten müsse. Denn der Gutachter muss Fragen gerade zu den Tatsachen stellen können, die Grundlage der Zweifel an der Polizeidienstfähigkeit des Antragstellers sind, andernfalls die Begutachtung sinnlos wäre.
Der Antragssteller hatte insofern keine Art Aussageverweigerungsrecht wegen eines laufenden gerichtlichen Verfahrens, weil es sich bei dem o.g. Klageverfahren nicht etwa um ein Strafverfahren gegen ihn handelt. Seine dienstrechtliche Treuepflicht hätte ihm vielmehr geboten, an der Klärung der Zweifel hinsichtlich seiner Polizeidienstfähigkeit umfassend mitzuwirken (vgl. die in Nr. 1.6.1 und 1.6.2 Abschnitt 8 „Ruhestand“ der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht – VV-BeamtR – in der ab 1.1.2018 gültigen Fassung dargestellten Grundsätze, die für die Frage der Überprüfung der Polizeidienstfähigkeit entsprechend heranziehbar sind).
Außerdem wären dem Polizeipräsidium ohnehin nur die tragenden Gründe für das Ergebnis der Begutachtung übermittelt worden, nicht etwa der Inhalt des ärztlichen Untersuchungsgesprächs mit den Antworten des Antragstellers zu einzelnen gutachterlichen Fragen (Art. 128 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Art. 67 Abs. 1 BayB).
Der Antragsteller hatte schließlich keinen Anspruch darauf, beim eigentlichen Untersuchungsgespräch eine dritte Person quasi als „Beobachter“ oder „Zeugen“ hinzuzuziehen. Sowohl der Dienstherr als auch der ärztliche Gutachter selbst können dritte Personen von dem Untersuchungsgespräch ausschließen, ohne dass dies zu einem rechtsstaatlich unfairen Verfahren führen würde (OVG Lüneburg, B.v. 2.8.2016 – 5 ME 103/16 – juris Rn. 13 [Ausschluss durch einen Sachverständigen]; VGH München, B.v. 23.2.2015 – 3 CE 15.172 – juris Rn. 20 [Ausschluss durch den Dienstherrn]; VG München, B.v. 20.1.2015 – M 5 E 15.242 – juris Rn. 13).
Denn insbesondere – wie hier – bei einem beabsichtigten psychiatrischen Explorationsgespräch ist bei Anwesenheit einer dritten Person zu befürchten, dass keine authentische Kommunikation zwischen dem Sachverständigen und dem Probanden stattfindet. Eine verlässliche ärztliche Einschätzung und Begutachtung erfordert bei einer psychiatrischen Exploration ein unmittelbares und unbeeinflusstes ärztliches Gespräch.
Das gilt schon bei dem Probanden persönlich nahestehenden Personen, wie nahen Angehörigen oder Freunden. Ein Proband würde sich möglicherweise genötigt sehen, dem Gutachter gegenüber unwahre oder unvollständige Angaben zu machen, etwa um sein Verhältnis zur dritten Person nicht (weiter) zu belasten oder um sein Ansehen bei ihr nicht zu schmälern.
Es gilt aber in besonderem Maße, wenn der Proband die Anwesenheit einer dritten Person wünscht, die „vom Fach“ ist, also eines Arztes oder gar Facharztes, wie hier der den Antragsteller behandelnde Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie. Dadurch wäre die Begutachtungssituation auch in Hinsicht auf den Gutachter dadurch beeinträchtigt, dass der Proband quasi seinen „Gegengutachter“ gleich selbst mitgebracht hat. Das steht einem offenen, unbeeinflussten Untersuchungsgespräch diametral entgegen.
Besondere Umstände, dass der Antragsteller – etwa wegen Gebrechlichkeit – auf die Anwesenheit einer bestimmten Begleitperson auch während des Untersuchungsgesprächs selbst zwingend angewiesen wäre, hat dieser nicht geltend gemacht; solche sind auch nicht ersichtlich.
2. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur die Hälfte des Wertes eines Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist (Empfehlung in Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Anh. § 164 Rn. 14).


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