Verwaltungsrecht

Flüchtlingseigenschaft wegen Konversion verneint

Aktenzeichen  W 1 K 16.30865

Datum:
5.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Konvertierte Moslems sind in Afghanistan für den Fall, dass sie ihren Glauben nicht ablegen bzw. nicht verleugnen wollen und zur Wahrung des äußeren muslimischen Anscheins an muslimischen Riten teilnehmen, der Gefahr erheblicher Repressalien auch im privaten Umfeld bis hin zu Ehrenmorden ausgesetzt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Afghanischen Staatsangehörigen droht weder wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch der zur Religionsgruppe der Schiiten die Gefahr einer landesweiten Verfolgung. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO) ist zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 13. Juni 2016 ist – soweit er noch Gegenstand dieser Klage ist – einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Dem Kläger, bei dem es sich nach Überzeugung des Gerichts um einen afghanischen Staatsangehörigen handelt, steht vorliegend ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG nicht zu.
Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 6. August 2016 geltenden, durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939 ff.) geschaffenen Fassung anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
1. Gemessen an diesen Maßstäben befindet sich der Kläger nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Die von dem Kläger in der Sache vorgetragene Apostasie vom islamischen Glauben kann diesem nicht geglaubt werden. Das Gericht ist vielmehr der Überzeugung, dass das Unterlassen der islamischen Glaubensriten durch den Kläger nicht glaubhaft erscheint bzw. zumindest kein unverzichtbarer Bestandteil der grundsätzlich ebenfalls geschützten negativen Religionsfreiheit des Klägers ist.
Eine Verfolgung i.S.d. Art. 9 Abs. 1a QRL, der durch § 3a Abs. 1 AsylG umgesetzt wurde, kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-hofs (EuGH, U.v. 5.9.2012 – Y und Z, C – 71/11 und C – 99/11 – BayVBl 2013, 234, juris Rn. 57 ff.) sowie der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 21 ff.; VGH Ba-den-Württemberg, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 41 ff.; OVG NRW, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 23 ff.) auch in einer schwerwiegenden Verletzung des in Art. 10 Abs. 1 GR-Charta verankerten Rechtes auf Religionsfreiheit liegen, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Die „erhebliche Beeinträchtigung“ muss nicht schon eingetreten sein, es genügt bereits, dass ein derartiger Eingriff unmittelbar droht (BVerwG, a.a.O., Rn. 21). Zur Qualifizierung eines Eingriffs in das Recht aus Art. 10 Abs. 1 GR-Charta als „erheblich“ kommt es nicht auf die im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG sowie des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 maßgebliche Unterscheidung an, ob in dem Kernbereich der Religionsfreiheit, das „religiöse Existenzminimum“ (forum internum) eingegriffen wird oder ob die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit (forum externum) betroffen ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2004 – 1 C 9/03 – BVerwGE 120, 16/20 f., juris Rn. 12 ff. m.w.N.). Vielmehr kann ein gravierender Eingriff in die Freiheit, den Glauben im privaten Bereich zu praktizieren, ebenso zur Annahme einer Verfolgung führen wie ein Eingriff in die Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH, a.a.O. Rn. 62 f.; BVerwG, a.a.O., Rn. 24 ff.; VGH Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 43; OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O. Rn. 29 ff.). Für die Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigungen ist daher abzustellen auf die Art der Repressionen und deren Folge für den Betroffenen (EuGH, a.a.O., Rn. 65 ff.), mithin auf die Schwere der Maßnahmen und Sanktionen, die dem Ausländer drohen (BVerwG, a.a.O., Rn. 28 ff.; VG Baden-Württemberg, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Dieser Rechtsprechung hat sich das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (vgl. VG Würzburg, U.v. 24.2.2017 – W 1 K 17.30673 – juris; U.v. 30.9.2016 – W 1 K 16.31087 – juris; U.v. 19.5.2015 – W 1 K 14.30534 – juris).
Das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GR-Charta umfasst auch die sogenannte negative Religionsfreiheit, d.h. die Freiheit, eine bestimmte religiöse Überzeugung nicht zu teilen bzw. nicht an religiösen Handlungen teilzunehmen (Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 2. Aufl. 2013, Art. 10 Rn. 10; Bernsdorff in Meyer, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2014, Art. 10 Rn. 12), weshalb insoweit dieselben o.g. Maßstäbe gelten wie bei der Beurteilung eines Eingriffs in die positive Religionsfreiheit.
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH, U.v. 5.9.2012 – Y und Z, C – 71/11 und C – 99/11 – juris Rn. 70; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 28 ff.). Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z.B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere – aber nicht nur – dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafrechtsbewehrten Verboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 28 m.w.N.). Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH, U.v. 5.9.2012 – Y und Z, C-71/11 und C-99/11 – juris Rn. 70; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 29; VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 48; OVG NRW, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 35). Denn der Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Dabei kommt es auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Ausländers an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist (BVerwG, B.v. 9.12.2010 – 10 C 19.09 – BVerwGE 138, 270, juris Rn. 43; VGH BW a.a.O.). Maßgeblich ist dabei, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist (BVerwG, U.v. 20.2.2013 a.a.O. Rn. 29). Dieser Maßstab setzt nicht voraus, dass der Betroffene innerlich zerbrechen oder jedenfalls schweren seelischen Schaden nehmen würde, wenn er auf eine entsprechende Praktizierung seines Glaubens verzichten müsste (BVerwG a.a.O. Rn. 30). Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Demgegenüber reicht nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen – jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat – nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben auszuüben oder hierauf zu verzichten (BVerwG a.a.O.; VGH BW a.a.O. Rn. 49).
Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse (Nicht-)Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U.v. 25.8.2015 – 1 B 40/15 – juris Rn. 13; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 30; B.v. 9.12.2010 – 10 C 19.09 – BVerwGE 138, 270, juris Rn. 43; OVG NRW, B.v. 11.10.2013 – 13 A 2041/13.A – juris Rn. 7; U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 13). Da es sich um eine innere Tatsache handelt, lässt sich die religiöse Identität nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen aufgrund einer ausführlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung feststellen (BVerwG, B.v. 25.8.2015, a.a.O. Rn. 14; U.v. 20.2.2013, a.a.O. Rn. 31; VGH Baden Württemberg, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 50).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt im Falle des Klägers zur vollen Überzeugung des Gerichts zwar die erforderliche objektive, nicht jedoch auch die subjektive Schwere der ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohenden Verletzung seiner negativen Religionsfreiheit vor. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan erklärt den Islam zur Staatsreligion. Zwar wird den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze ihren Glauben auszuüben und ihre religiösen Bräuche zu pflegen. Somit gewährleistet die Verfassung grundsätzlich das Recht auf freie Religionsausübung. Dieses Grundrecht umfasst jedoch nicht die Freiheit, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren, und schützt somit nicht die freie Religionswahl (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand 19.10.2016, S. 10 f; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hamburg v. 22.12.2004 Az. 508-516.80/43288; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update – die aktuelle Sicherheitslage, September 2015, S. 19). Im Fall des Wechsels vom Islam zu einer anderen Religion kommt Scharia-Recht zur Anwendung. Der Abfall vom Islam, d.h. die sogenannte Apostasie, wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht. Die Todesstrafe wegen Konversion wurde zwar nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes bisher nie vollstreckt (Lagebericht Auswärtiges Amt a.a.O., S. 12). Konvertiten drohen jedoch Gefahren oft auch aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld, da der Abfall vom Islam in der streng muslimisch geprägten Gesellschaft als Schande für die Familienehre angesehen wird (Lagebericht a.a.O.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, zusammenfassende Übersetzung vom 24.3.2011, S. 6; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update – die aktuelle Sicherheitslage, September 2015, S. 19; Internationale Gesellschaft für Menschenrechte – IGFM, Situation christlicher Konvertiten in Afghanistan – Stellungnahme vom 27.2.2008, S. 1, 8. ff.; Dr. … …, Gutachten vom 13.5.2004 an das VG Braunschweig, S. 1 ff.). Nach den in Afghanistan vorherrschenden (sunnitischen und schiitischen) Rechtsschulen muss ein vom Islam Abgefallener zur Reue aufgefordert werden. Der Betroffene hat dann drei Tage Bedenkzeit. Widerruft er bis dahin seinen Glaubenswechsel nicht, so ist sein Leben nach islamischer Rechtsauffassung verwirkt (IGFM, Stellungnahme v. 27.2.2008, S. 8; UNHCR-Richtlinien 2011, S. 6). Konvertierte Moslems sind in Afghanistan daher für den Fall, dass sie ihren Glauben nicht ablegen bzw. nicht verleugnen wollen und zur Wahrung des äußeren muslimischen Anscheins an muslimischen Riten, wie dem fünfmal täglichen Gebet, den Moscheebesuch oder islamischen Feierlichkeiten sich entziehen wollen, der Gefahr erheblicher Repressalien auch im privaten Umfeld bis hin zu Ehrenmorden ausgesetzt (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22.12.2004, S. 2; UNHCR-Richtlinien 2011, S. 6; Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O., S. 19; IGFM a.a.O. S. 5, 8 f.; Dr. … a.a.O., S. 1 f., 3 ff.). Dies gilt nach der Überzeugung des Gerichts entsprechend für vom Glauben abgefallene, aber nicht zum Christentum konvertierte Muslime, weil der maßgebliche Anknüpfungspunkt der Verfolgungsmaßnahmen nicht die Hinwendung zum Christentum ist, sondern die Apostasie, d.h. der Abfall vom muslimischen Glauben (vgl. VG Magdeburg, U.v. 30.9.2014 – 5 A 193/13 MD – juris).
Vor diesem Hintergrund muss dem in der mündlichen Verhandlung vorsorglich gestellte Beweisantrag dahingehend, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund des Abfalls vom Islam menschenrechtswidrige Behandlung durch Dritte drohe, gegen die er keinen staatlichen Schutz erlangen könne und er Übergriffe durch staatliche Stellen befürchten müsse, nicht weiter nachgegangen werden; vielmehr kann die zum Beweis gestellte Tatsache, welche sich auf die objektive Schwere der Verletzung des Rechts auf (negative) Religionsfreiheit bezieht, als wahr unterstellt werden.
Im Falle des Klägers liegt jedoch die erforderliche subjektive Schwere der Rechtsverletzung nicht vor, weil das Unterlassen der islamischen Glaubensriten durch den Kläger nach der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung des Gerichtes bereits grundsätzlich nicht glaubhaft erscheint, es jedoch zumindest kein unverzichtbarer Bestandteil seiner religiösen Identität ist, sich nicht mehr mit dem muslimischen Glauben zu identifizieren und nicht an muslimischen Riten teilzunehmen.
Da es bei einem Abfall vom Islam ohne Hinwendung zu einer anderen Religion an einem formalen bestätigenden Akt wie der Taufe fehlt, ist maßgeblich auf die Glaubhaftigkeit des Vortrags des Betroffenen zu den Gründen seiner Abwendung vom bisherigen Glauben abzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für die Annahme einer Verfolgungsgefahr und damit für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich ist, dass der Abfall vom Islam, insbesondere wenn er erst nach der Ausreise aus dem Herkunftsland durchgeführt wurde, nicht rein aus asyltaktischen Gründen vorgetragen wird, sondern auf einem ernsthaften, dauerhaften religiösen Einstellungswandel beruht und nunmehr die religiöse Identität des Betroffenen prägt (vgl. zur Konversion BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40/15 – juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 20.4.2015 – 14 ZB 13.30257 – juris Rn. 4; B.v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.3044 – juris Rn. 7; HessVGH, U.v. 26.7.2007 – 8 UE 3140/05.A – juris Rn. 20 ff.; B.v. 26.6.2007 – 8 UZ 1463/06.A – juris Rn. 12 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 37 ff.; VG Magdeburg, U.v. 30.9.2014 – 5 A 193/13 MD – juris). Als maßgebliches Indiz für die Glaubhaftigkeit eines vorgetragenen Abfalls vom Islam, der sich nicht anhand objektiver Tatsachen wie der auch nach außen erkennbaren Hinwendung zu einer anderen Religionsgemeinschaft objektiv nachweisen lässt, sind nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts die Kriterien der Rechtsprechung zur Überprüfung einer Gewissensentscheidung heranzuziehen. Maßgeblich ist daher, dass der Betroffene eine innere Umkehr nachvollziehbar vorträgt, die auf einem bestimmten bedeutsamen Schlüsselerlebnis oder einem längerfristigen inneren Wandlungsprozess beruhen kann (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.1989 – 6 C 10/87 BVerwGE 81, 294 ff., juris Rn. 13).
Gemessen hieran hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Hintergründe und Motive für einen Abfall vom Islam nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts glaubhaft machen können. Dies ergibt sich bereits grundlegend daraus, dass der Kläger vor dem Bundesamt zu etwaigen religionsbedingten Fluchtgründen nicht das Geringste vorgetragen hat. Vielmehr hat er dort auf die Frage, warum er seinerzeit Afghanistan verlassen habe, erklärt, dass die Lage dort unsicher sei. Er habe als Kind schon immer nach Europa gehen wollen. Im Iran habe er arbeiten und sich die Reise nach Europa finanzieren wollen. Dies spiegelt nach Überzeugung des Gerichts die Motivation des Klägers, sein Heimatland zu verlassen, korrekt und umfassend wider. Wenn er nunmehr in der mündlichen Verhandlung vorträgt, dass ein Mullah seinerzeit vor seinen Augen seinen Hund getötet habe, da dieser im Islam als schmutziges Tier anzusehen sei, woraufhin er über den Mullah und den Islam geschimpft habe und daher gefesselt und geschlagen worden sei und von da an den Islam gehasst habe und auch keinen Ramadan mehr gehalten habe, so handelt es sich hierbei um einen erheblich gesteigerten Sachvortrag, den der Kläger auch nicht nachvollziehbar zu erklären vermag. Auf Vorhalt des Gerichts hat der Kläger hierzu erläutert, dass er vor seiner ersten Befragung nicht gewusst habe, dass man in Deutschland alles frei sagen und auch Kritik an der Religion äußern könne; daher habe er vor dem Bundesamt nichts gesagt. Dies kann dem Kläger jedoch nicht geglaubt werden, da dieser vor seiner Anhörung vor dem Bundesamt auf Nachfrage bestätigt hat, dass ihm der Inhalt der bei der Asylantragstellung in Landessprache ausgehändigten „Wichtigen Mitteilung – Belehrung für Antragsteller“ bekannt sei und er diese verstanden habe. Hierin aber wird eindeutig erläutert, dass es wichtig sei, das persönliche Schicksal und die konkret drohenden Gefahren bei einer Rückkehr vollständig und wahrheitsgemäß darzulegen. Tatsachen oder Vorfälle, die während der Anhörung nicht vorgetragen würden, könnten gegebenenfalls später sowohl beim Bundesamt als auch in einem gerichtlichen Verfahren keine Berücksichtigung mehr finden. Zudem hat der Vormund des Klägers auf Nachfrage vor dem Bundesamt erklärt, sein Mündel über die Bedeutung und mögliche Konsequenzen der Anhörung vor dem Bundesamt aufgeklärt zu haben. Darüber hinaus wurde der Kläger vor der mündlichen Anhörung sowie währenddessen explizit aufgefordert, alle Fakten und Ereignisse zu schildern, welche nach Auffassung des Vormunds bzw. des Klägers eine Verfolgungsfurcht begründen sowie einer Abschiebung in den Heimatstaat entgegenstehen könnten. Bei der geschilderten Aufklärung und verfahrensmäßigen Unterstützung durch einen Vormund erscheint es nicht glaubhaft, wenn der Kläger nunmehr als Begründung für den Nichtvortrag wesentlichster Teile seiner Verfolgungsfurcht das Nichtwissen um die Tatsache, dass man in Deutschland im Gegensatz zum Heimatland an der Religion Kritik üben dürfe, angibt. Vielmehr erscheint der gesteigerte Vortrag asyltaktischen Erwägungen geschuldet, nachdem der Asylantrag des Klägers abgelehnt worden ist. Der Kläger versucht hierdurch offensichtlich, seinem bislang ersichtlich nicht ausreichenden Sachvortrag auf diese Weise mehr Gewicht zu verleihen, ohne dass es sich hierbei um tatsächlich erlebte Vorgänge handelt. Dies drängt sich insbesondere auch deshalb auf, da die Anhörung vor dem Bundesamt in einem geschützten Rahmen ohne unbeteiligte Dritte durchgeführt wird, so dass geübte Religionskritik für jedermann klar ersichtlich nicht bei Dritten bekannt werden kann. Auch hat sich der Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits siebeneinhalb Monate in Deutschland aufgehalten, so dass ihm die grundlegenden Unterschiede zum Heimatstaat bereits bekannt sein mussten; diese Einschätzung gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei dem Kläger um einen Minderjährigen mit nur geringer Bildung handelt.
Gestützt wird die Einschätzung der mangelnden Glaubhaftigkeit des diesbezüglichen Geschehens im Herkunftsland auch durch weitere Widersprüche zwischen der klägerischen Aussage in der mündlichen Verhandlung sowie der in seinem schriftsätzlichen Vortrag vom 28. März 2017. So hat der Kläger in diesem schriftsätzlichen Vorbringen erläutert, dass er aus Aghanistan weg gewollt habe, da er nicht sonderlich religiös gewesen sei und einfach freier habe leben wollen; er habe nicht fasten und beten wollen. Er sei zweimal nicht zum Freitagsgebet gegangen, woraufhin der Mullah ihn auf seine Pflichten hingewiesen habe und er sodann gezwungenermaßen wieder hieran teilgenommen habe. Dass der Mullah den Hund des Klägers getötet und dieser nach dem Beschimpfen des Mullahs und des Islam gefesselt und geschlagen worden sei, hat der Kläger hierbei nicht erwähnt. Dieser Widerspruch zu den klägerischen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ist ebenfalls nicht erklärbar, insbesondere befand sich der Kläger im Zeitpunkt der getätigten Aussage am 18. Januar 2017 bereits seit 15 Monaten in Deutschland und kann sich vor diesem Hintergrund erst recht nicht mehr darauf berufen, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass man in Deutschland an der Religion Kritik üben dürfe. Nicht glaubhaft erscheint darüber hinaus auch das Vorbringen im Schriftsatz 28. März 2017, wonach der Kläger im Laufe der Bundesamtsanhörung Kopfschmerzen bekommen habe und es während der gesamten Anhörung Verständigungsprobleme gegeben habe. Verständigungsprobleme erscheinen vielmehr bereits deshalb nicht nachvollziehbar, da der Kläger sowohl am Anfang als auch am Ende der Anhörung erklärt hat, dass es mit der anwesenden Dolmetscherin keine Verstandesschwierigkeiten gegeben habe. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zudem auch keineswegs den Eindruck eines verschüchterten jungen Mannes gemacht, der nicht in der Lage wäre, auf etwaige Probleme im Rahmen der Anhörung hinzuweisen. Das Fehlen von Verständigungsschwierigkeiten ist auf dem Kontrollbogen sodann auch durch die gesetzliche Vertreterin des Klägers unterschriftlich bestätigt worden. Wenn des Weiteren angeführt wird, dass die Dolmetscherin aus dem Iran gestammt habe, so ist hierzu maßgeblich zu berücksichtigen, dass es sich bei Dari und Farsi zum einen um verwandte Sprachen handelt und die Anhörung zum anderen explizit in der Sprache Dari und nicht in der Sprache Farsi durchgeführt wurde; der Kläger hat darüber hinaus zwei Jahre seines Lebens im Iran verbracht, sodass ihm selbst die verwandte Sprache Farsi bekannt sein müsste. Verständigungsschwierigkeiten gerade im Hinblick auf das maßgebliche Verfolgungsschicksal wurden vom Kläger zudem selbst nicht geltend gemacht. Schließlich hat der Kläger im Rahmen der abschließenden Frage nach Beanstandungen während der Anhörung nicht darauf hingewiesen, dass er Kopfschmerzen gehabt habe, weshalb ihm dieser nachträgliche Vortrag ebenfalls nicht geglaubt werden kann. Darüber hinaus wird auch nicht ersichtlich, welche Konsequenzen sich aus etwaigen Kopfschmerzen im Hinblick auf den Inhalt der Anhörung ergeben sollten.
In der Gesamtschau ergibt sich für das Gericht, dass der klägerische Vortrag betreffend eine religiöse Verfolgung im Herkunftsland und eine dadurch ausgelöste Apostasie insgesamt nicht glaubhaft und der Kläger selbst unglaubwürdig erscheint. Aufgrund der fehlenden Glaubhaftigkeit im Hinblick auf das die Apostasie angeblich auslösende Schlüsselereignis in Afghanistan sowie der mangelnden Glaubwürdigkeit des Klägers kann ihm auch der weitere Nachfluchtvortrag dahingehend, dass er die wesentlichen islamischen Glaubensregeln in Deutschland nicht mehr befolge und er diese auch in Afghanistan nicht mehr durchführen werde, ebenfalls nicht abgenommen werden; es handelt sich hierbei nach Überzeugung des Gerichts in gleicher Weise um asyltaktisches Vorbringen, um auf dieser Basis ein Bleiberecht in Deutschland zu erlangen.
Selbst wenn man jedoch entgegen dieser vorstehenden Einschätzung den Nachfluchtvortrag als glaubhaft erachten wollte, so mangelt es zumindest an dem maßgeblichen subjektiven Gesichtspunkt der Schwere der drohenden Verletzung der (negativen) Religionsfreiheit des Klägers. Es ist nämlich vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass der durch die Nichtwahrnehmung der islamischen Glaubensregeln umschriebene Abfall vom Islam auf einem ernsthaften, dauerhaften religiösen Einstellungswandel des Klägers beruht und nunmehr seine religiöse Identität prägt. Vielmehr hat der Kläger auf das Gericht in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gemacht, dass dieser – nicht zuletzt auch aufgrund seines jugendlichen Alters – in Deutschland von den hier neu erlebten gesellschaftlichen und religiösen Freiheiten angetan ist und in dieser Situation, in der er bei Nichteinhaltung der islamischen Glaubensregeln auch keine Konsequenzen zu befürchten hat, diese nunmehr hier in Deutschland zunächst hintanstellt, da diese wie andere Pflichten auch als anstrengend empfunden werden. Hierbei handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts jedoch um eine rein situativ geprägte, experimentelle, von aktuellen Gefühlen geleitete Verhaltensweise des Klägers, welche nichts mit einem wertegeleiteten und von innerer Überzeugung getragenen religiösen Einstellungswechsel zu tun hat. Dies zeigt sich unter anderem auch daran, dass der Kläger angegeben hat, auch hier in Deutschland noch einige Male in der Moschee gewesen zu sein und dort auch gute Erlebnisse gehabt zu haben. Er habe hierauf aber keine Lust mehr. Dass die Nichtwahrnehmung der islamischen Glaubensriten die religiöse Identität des Klägers prägt und für diesen unverzichtbar ist, hat sich für das Gericht aus dem Eindruck der mündlichen Verhandlung in keiner Weise ergeben.
Vor diesem Hintergrund war auch dem vorsorglich gestellten Beweisantrag, ein psychologisches Gutachten dafür einzuholen, dass der Kläger aufgrund seiner Entwicklung in Deutschland und der eingetretenen Verwestlichung nicht imstande sei, sich bei einer Rückkehr nach Afghanistan muslimischen Regeln zu unterwerfen, nicht nachzugehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet die Pflicht der Gerichte zur Aufklärung des Sachverhalts ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet (BVerwG, U.v. 24.11 1981 – 9 C 251.81 – juris; U.v. 22.3.1983 – 9 C 68.81 – juris). Ein solcher tatsächlicher Anlass besteht im Prozess wegen Anerkennung als Asylberechtigter dann nicht, wenn der Kläger unter Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. VwGO seine guten Gründe für eine ihm drohende politische Verfolgung nicht in „schlüssiger“ Form vorträgt, d.h., nicht unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildert, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass er bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 24.11.1981, a.a.O.). Vorliegend hat der Kläger bereits seine Vorverfolgung aus religiösen Gründen im Heimatland nicht glaubhaft machen können, da es insoweit an einem Sachvortrag, der frei von Widersprüchen und nicht nachvollziehbarer Steigerungen ist, fehlt, wie sich aus den oben dargelegten Erwägungen im Hinblick auf die klägerischen Darstellungen vor dem Bundesamt, im Schriftsatz vom 28. März 2017 sowie in der mündlichen Verhandlung ergibt. Da dieser Vortrag wiederum die Basis für die vorgebrachten Nachfluchtgründe bildet, kann auch diesbezüglich nicht von einem in schlüssiger Form vorgetragenen Verfolgungsvortrag ausgegangen werden. Zudem war der hilfsweise gestellte Beweisantrag auch deshalb abzulehnen, weil die im Zusammenhang mit einer etwaigen Apostasie erforderliche Feststellung der Tatsache, dass ein Kläger die unterdrückte religiöse (Nicht-)Betätigung seines Glaubens für sich selbst als unverzichtbar empfindet, allein Gegenstand der richterlichen Überzeugungsbildung ist. Die zum Beweis gestellte Tatsache, dass der Kläger aufgrund seiner Entwicklung nicht mehr imstande sei, die Glaubensregeln des Islam zu befolgen, ersetzt die genannte zwingend erforderliche Feststellung durch das Gericht nicht; es handelt sich insoweit um ein ungeeignetes Beweismittel. Darüber hinaus ist die Beweistatsache auch generell nicht der Feststellung durch Psychologen zugängig, zumal es in diesem Zusammenhang ganz maßgeblich auf das nicht vorhersehbare Ausmaß des Drucks im Heimatland, die islamischen Glaubensregeln wieder einzuhalten, ankommt. Rechtlich kommt es vielmehr maßgeblich darauf an, ob der Kläger das außer Acht lassen der Glaubensregeln nach seiner inneren Überzeugung als für sich unverzichtbar empfindet, was – wie bereits ausgeführt – allein Gegenstand der richterlichen Überzeugungsbildung ist. Schließlich bestehen für die unter Beweis gestellte Tatsachen, dass der Kläger nicht mehr imstande sei, bei einer Rückkehr nach Afghanistan muslimischen Glaubensregeln zu folgen, keinerlei Anhaltspunkte; es handelt sich insoweit um eine Behauptung ins Blaue hinein. Denn der Kläger hat eine solche Behauptung nicht einmal selbst aufgestellt, sondern nur davon gesprochen, dass er dies in Afghanistan nicht tun würde. Dass er darüber hinaus hierzu nicht mehr imstande sei, hat er nicht angegeben und es ergeben sich hierfür auch keinerlei anderweitige Anhaltspunkte; vielmehr hat der Kläger durch den mehrmaligen Besuch der Moschee auch in Deutschland gezeigt, dass er durchaus auch nach Verlassen seines Heimatlandes und dem Aufenthalt in Europa noch mit dem islamischen Glauben in Verbindung steht und er durchaus imstande ist, etwa eine Moschee zu besuchen.
2. Im schriftsätzlichen Vortrag vom 28. März 2017 hat der Kläger ausgeführt, dass die Volksgruppe der Hazara, der er angehört, bedroht werde. Junge Hazara würden verschleppt, entführt und von den Taliban umgebracht.
Unabhängig davon, dass der Kläger zur Situation der Hazara vor dem Bundesamt nichts erwähnt hat, ergibt sich aus dem genannten Vortrag nicht die Gefahr einer Gruppenverfolgung für den Kläger. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 18.7.2006 – 1 C 15/05 – juris; U.v. 21.4.2009 – 10 C 11/08 – juris) voraus, dass eine bestimmte Verfolgungsdichte vorliegt, die die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr einer Betroffenheit besteht. Zudem gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, wenn also auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar ist.
Dies zugrunde gelegt droht dem Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur Religionsgruppe der Schiiten nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, unterliegen Hazara und Schiiten in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung; sie sind derzeit und in überschaubarer Zukunft jedoch keiner an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung ausgesetzt (BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris; U.v. 1.2.2013 – 13a B 12.30045 – juris; B.v. 1.12.2015 – 13a ZB 15.30224 – juris; B.v. 19.12.2016 – 13a ZB 16.30581). Auch durch den neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes wird diese Einschätzung nicht erschüttert. Zwar wird darin berichtet, dass die Hazara in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert seien. Auch gesellschaftliche Spannungen bestünden fort und lebten in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Zudem sei es im Jahre 2015 zu Entführungen von Hazara mit Todesfällen gekommen. Insgesamt habe sich jedoch die Lage der insbesondere unter der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara grundsätzlich verbessert. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten seien in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsbelehrten (Ulema) als auch im hohen Friedensrat seien auch Schiiten vertreten; beide Gremien betonten, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe. Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den IS angegriffen. Dabei seien 85 Menschen ums Leben gekommen und rund 240 verletzt worden. Dieser Schlag habe sich fast ausschließlich gegen Schiiten gerichtet (vgl. zum Ganzen: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016, S. 9 ff.). Auch unter Berücksichtigung dessen sowie der jüngsten Anschläge im Zusammenhang mit dem Aschura-Fest in 2016 sowie gegen eine Moschee im Laufe des November 2016, die sich gegen Schiiten richteten und zu denen sich der islamische Staat bekannt hat, verfügen die Verfolgungshandlungen, denen die Hazara und die Schiiten in Afghanistan ausgesetzt sind, nach Auffassung des Gerichts nicht über die dargestellte für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte.
Dem in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang hilfsweise gestellten Beweisantrag, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Volkszugehörigkeit zu den Hazara menschenrechtswidrige Behandlung durch Dritte drohe, gegen die er keinen staatlichen Schutz erlangen könne, war nicht nachzugehen, da zur Situation der Hazara in Afghanistan ausreichend aktuelles Erkenntnismaterial, welches zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde, vorhanden ist, aus welchem sich die aktuelle Lage für die Hazara auch hinreichend sicher ersehen lässt. Der Klägerbevollmächtigte hat nichts dazu vorgetragen, dass und aus welchen Gründen das vorliegende Erkenntnismaterial überholt sein sollte. Zudem wird die Beweiserhebung nach § 87b Abs. 3 VwGO zurückgewiesen, da die Beweiserhebung nicht binnen der gesetzten Frist (unter Belehrung über die Rechtsfolgen einer Fristversäumung) beantragt wurde, die Beweiserhebung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und eine Entschuldigung für die verspätete Geltendmachung weder vorgetragen noch ersichtlich ist.
Darüber hinaus hat der Kläger keine individuelle Verfolgung seiner Person aufgrund seiner Volkszugehörigkeit als Hazara vorgetragen.
3. Auch eine anderweitige Verfolgung des Klägers im Heimatland durch die Taliban hat der Kläger nicht glaubhaft machen können. Er hat insoweit vor dem Bundesamt lediglich angegeben, dass es in seiner Region Bedrohungen durch die Taliban gegeben habe und daher die Schule oft geschlossen gewesen sei. Hieraus ergibt sich weder eine individuelle Bedrohung gegenüber dem Kläger selbst noch erreicht der Vortrag die Schwelle dessen, was nach § 3a AsylG als relevante Verfolgungshandlung erforderlich wäre. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 28 März 2017 vorgetragen hat, dass die Kuchis im Nachbardorf Land besetzt hätten, sein Vater ausgelost worden sei, der dortigen Bevölkerung zu helfen und er hierdurch selbst betroffen gewesen sei, so handelt es sich auch hierbei um gegenüber dem Vorbringen vor dem Bundesamt gesteigerten Sachvortrag, für welchen keine nachvollziehbare Begründung ersichtlich ist. Hinsichtlich der diesbezüglich erwähnten Kopfschmerzen und dem Hinweis darauf, dass er die zugrunde liegende Frage nicht verstanden habe, kann ihm nicht geglaubt werden. Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen. Darüber hinaus ist auch dieser Vortrag so unsubstantiiert gehalten, dass er auch aus diesem Grunde nicht glaubhaft erscheint. Der Kläger hat hierbei schon nicht vermocht, die Bedrohungssituation für seinen Vater nachvollziehbar darzulegen, sodass sich erst recht nicht erkennen lässt, dass er selbst aufgrund dessen in Gefahr geraten sein soll. Auch der weitere zusammenhanglose und erstmals in dem erwähnten Schriftsatz auftauchende Vortrag, dass es Drohbriefe der Taliban gegeben habe, die an alle Dörfer verteilt worden seien, dass die Schulen geschlossen werden müssten und ein Bestechungsgeld gezahlt werden müsse, wenn man nach Ghazni gehen wollen, ist aus denselben Gründen nicht glaubhaft.
Nach alledem hat der Kläger sein Heimatland nicht vorverfolgt verlassen und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG drohen würde.
II.
1. Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG in vollem Umfang verwiesen werden. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist nicht ersichtlich; es fehlt insoweit bereits an einem glaubhaften Vortrag.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Ghazni. In der Südostregion, zu der die Provinz Ghazni gehört, wurden im Jahre 2016 903 Zivilpersonen getötet oder verletzt, was einem Rückgang der Opferzahlen (zumindest) in dieser Region um 39% gegenüber dem Vorjahr entspricht (vgl. UNAMA, Annual Report 2016 Afghanistan, Februar 2017, S. 11). Die Anschlagswahrscheinlichkeit für die Südostregion lag damit im Jahr 2016 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Damit ist derzeit nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Auch wenn es in der jüngeren Vergangenheit zu mehreren Anschlägen auf Hazara und Schiiten in Afghanistan gekommen ist – wie oben beschrieben –, so hat sich die Gefahr für den Kläger nach Überzeugung des Gerichts mit Blick auf die vorliegenden Erkenntnismittel und die Zahl der gezielten Anschläge noch nicht in einer Weise verdichtet, dass er aufgrund seiner Volks- oder Religionszugehörigkeit bereits eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG befürchten müsste (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris).
III.
1. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den § 3 AsylG vollinhaltlich verwiesen. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S. des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundeswartungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014, a.a.O. Rn. 19). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben.
Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Die aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2016, Seite 24 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen, das Wirtschaftswachstum betrage nur 1,5%. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80% der Bevölkerung, erziele jedoch nur etwa 25% des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46% der afghanischen Bevölkerung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5% zu einer adäquaten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40% seien verletzlich und verfügten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Kabul.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger nach seiner Rückkehr nach Afghanistan keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Es ist nämlich davon auszugehen, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer nach Afghanistan auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen (vgl. statt vieler etwa BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600; B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – juris; aus dem Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 6.2.2017 – A 11 S 164/17 – ergibt sich zumindest nichts Gegenteiliges). Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR – auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt –, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem 17-jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist zwar in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, was damit einher gehe, dass sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4% gestiegen sei. Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse. Abgesehen davon, dass vorliegend die Prüfung einer internen Schutzalternative nicht inmitten steht und der UNHCR für die beschriebene Einschätzung seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Bei dem Kläger ist darüber hinaus individuell zu berücksichtigen, dass er die Schule in Afghanistan immerhin bis zur dritten Klasse besucht hat und lesen und schreiben kann, wenn auch letzteres nicht allzu gut. Damit verfügt der Kläger über einen Bildungsstand, mit dem er gegenüber den vielen Analphabeten in Afghanistan im Vorteil ist. Auch aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen und Kenntnisse befindet sich der Kläger in einer vergleichsweise guten Position. Der Kläger hat zudem bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er auch unter schwierigen Bedingungen in der Lage ist, Geld zu verdienen bzw. seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. So hat der Kläger in seinem Heimatland als Schafhirte gearbeitet und sodann im Iran im Bausektor als Schweißer. Diese Erfahrungen und Kenntnisse werden die Erwerbschancen des Klägers in seinem Heimatland mit Sicherheit erhöhen. Der Kläger hat sein Heimatland bereits mit 14 Jahren verlassen und hat im Iran gelernt, auch ohne seine Familie auf eigenen Füßen zu stehen. Er verfügt daher trotz seiner Minderjährigkeit bereits über die notwendigen Strategien, um den eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Zudem ist es dem Kläger unter Berücksichtigung obiger Ausführungen auch möglich, in seinen Familienverband in der Provinz Ghazni zurückzukehren. Die Kernfamilie des Klägers hält sich dort weiterhin im Herkunftsort auf, des Weiteren leben noch zwei Onkel des Klägers in der Provinz Ghazni, sodass der Kläger dort auch auf dieses soziale Netzwerk zurückgreifen könnte. Der Kläger hat bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie vor dem Bundesamt angegeben, dass diese schlecht gewesen seien, jedoch gleichzeitig auch erklärt, dass die Finanzen zum Leben ausgereicht hätten und sie ein eigenes Haus und ein kleines Grundstück besäßen. Es spricht bei der geschilderten Sachlage nichts dagegen, dass der Kläger in seinem Heimatland seinen Lebensunterhalt ausreichend wird sicherstellen können.
Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das Gericht anschließt, grundsätzlich auch nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Dies ist vorliegend der Fall, da der Kläger sich bis zum 14. Lebensjahr in Afghanistan und sodann zwei weitere Jahre im Iran aufgehalten hat und die afghanische Landessprache Dari spricht. Auch steht der Annahme, dass der Kläger in Afghanistan keiner gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Situation ausgesetzt sein wird, nicht die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und der Religionsgruppe der Schiiten entgegen. Denn es ist nicht anzunehmen, dass der Kläger als Angehöriger dieser ethnischen bzw. religiösen Minderheit keine Chance hätte, sich etwa als Tagelöhner zu verdingen. Die vorliegenden Gutachten und Berichte enthalten hierfür keine entsprechenden Hinweise (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30929 – juris).
Eine unmenschliche oder erniedrigende Situation im Sinne des Art. 3 EMRK kann der Kläger auch dadurch abwenden, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200 EUR und Starthilfen im Umfang von 500 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Ebenfalls nicht entgegenstehend ist der Umstand, dass der Kläger längere Zeit in Europa verbracht hat. Vielmehr wirkt sich dies eher begünstigend auf seine Erwerbsperspektive in Afghanistan aus (vgl. auch OVG NRW, B.v. 20.7.2015 – 13 A 1531/15 A – juris).
Schließlich steht der Ablehnung eines Abschiebungsverbotes auch die Tatsache der Minderjährigkeit des Klägers nicht entgegen. Denn zum einen gehören zur Gruppe der alleinstehenden arbeitsfähigen Männer, die ihren Lebensunterhalt grundsätzlich selbständig sicherzustellen vermögen, durchaus auch Minderjährige, zumindest wenn sie wie der Kläger bereits 17,5 Jahre alt sind; dass Personen diesen Alters bereits einer Erwerbsarbeit nachgehen entspricht den Gepflogenheiten in Afghanistan, aber durchaus auch in Deutschland und ist keineswegs als menschenrechtswidrig anzusehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger gemäß § 58 Abs. 1a AufenthG vor Erreichen der Volljährigkeit nur dann nach Afghanistan abgeschoben werden kann, wenn sich die zuständigen deutschen Behörden vergewissert haben, dass der Kläger dort einem Mitglied seiner Familie oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben werden kann. Hieran sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13/12 – juris). Hieraus ergibt sich, dass es aus Rechtsgründen bereits unmöglich ist, dass der Kläger während der Zeit seiner Minderjährigkeit nach Afghanistan abgeschoben würde und dort auf sich alleine gestellt wäre. Kann jedoch eine solche Vergewisserung durch die deutschen Behörden nicht erfolgen, so kann der Kläger erst nach dem Zeitpunkt seiner Volljährigkeit abgeschoben werden.
Nach alledem kommt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht in Betracht.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Im Hinblick auf allgemeine Gefahren in Afghanistan im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG kommt ein Abschiebungsverbot vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, da insoweit das in § 58 Abs. 1a AufenthG enthaltene Vollstreckungshindernis (zumindest während des Zeitraums der Minderjährigkeit des Klägers) einen gleichwertigen Schutz vor Abschiebung bietet (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.2013, a.a.O.).
Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Dies gilt auch für die Festsetzung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG. Ermessensfehler bei der Festsetzung desselben auf zwölf Monate sind nicht ersichtlich.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.


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