Verwaltungsrecht

Fortsetzungsfeststellungsklage, Vorrücken auf Probe, besonderes Feststellungsinteresse (verneint), gegenwärtige und zukünftige Benachteiligungen.

Aktenzeichen  7 ZB 20.2545

Datum:
3.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25084
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 53 Abs. 6 S. 1 und 2
GSO § 31

 

Leitsatz

Wird einem Schüler oder einer Schülerin, der oder die nicht unter die Fallgruppe des Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG fällt, nicht gestattet auf Probe vorzurücken, besteht regelmäßig kein besonderes Feststellungsinteresse an einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung dieser Entscheidung.

Verfahrensgang

M 3 K 17.5150 2020-09-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der vom Kläger auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 5 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
I. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO werden nicht aufgezeigt.
Ernstliche Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat den vom Kläger zuletzt gestellten Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung der von ihm besuchten Schule, ihm im Schuljahr 2016/2017 das Vorrücken auf Probe von der 6. in die 7. Jahrgangsstufe nicht zu gestatten, zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil er auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses bei schulischer Nichtversetzung kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung hat. Durch das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
1. Die Zulässigkeit der Klage folgt nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorliegen eines Feststellungsinteresses bei schulischer Nichtversetzung.
Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in Fällen der Nichtversetzung regelmäßig ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit für den betroffenen Schüler anzunehmen ist (BVerwG, U.v. 14.7.1978 – VII C 11.76 – BVerwGE 56, 155; U.v. 6.12.1983 – 7 C 39.83 – DVBl 1984, 272; B.v. 24.10.2006 – 6 B 61.06 – NVwZ 2007, 227). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht auszuschließen, dass ein klagender Schüler durch seine Nichtversetzung in seiner Ausbildung und zukünftigen beruflichen Entwicklung benachteiligt wird. Derartigen möglichen Beeinträchtigungen könne durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Nichtversetzung wirksam begegnet werden (BVerwG, U.v. 14.7.1978 – VII C 11.76 – BVerwGE 56, 155 Rn. 11; U.v. 6.12.1983 – 7 C 39.83 – DVBl 1984, 272 Rn. 8).
a) Hiervon ausgehend ist zunächst mit dem Verwaltungsgericht festzustellen, dass nicht die Entscheidung der Schule, dem Kläger das Vorrücken in die 7. Jahrgangsstufe auf Probe vorzuenthalten, ursächlich zu der zeitlichen Verzögerung in seiner weiteren schulischen Laufbahn geführt hat und mögliche, gegebenenfalls in der Zukunft liegende Nachteile mit sich bringt. Feststellbare und potentielle Beeinträchtigungen für den Kläger werden vielmehr in erster Linie durch seine Nichtversetzung in die 7. Jahrgangsstufe hervorgerufen. Insbesondere lastet der vom Kläger thematisierte Makel der Nichtversetzung sowie das von ihm beschriebene Stigma des „Sitzenbleiber(s) Münchens“ nicht als Folge einer möglicherweise rechtswidrigen Verweigerung des Vorrückens auf Probe auf dem Kläger, sondern beides sind unmittelbare Folgen seiner Nichtversetzung. Selbst die vom Kläger gerügte zeitliche Verzögerung in seiner Schullaufbahn ist nicht Folge der schulischen Weigerung, ihn auf Probe vorrücken zu lassen, sondern beruht ursächlich auf seiner Nichtversetzung. Da der Kläger die Nichtversetzungsentscheidung nicht mit Rechtsmitteln angegriffen hat, unterliegt sie keiner weiteren gerichtlichen Überprüfung. Aufgrund der Bestandskraft der Nichtversetzungsentscheidung kann den mit der Nichtversetzung des Klägers zusammenhängenden unmittelbaren oder in ferner Zukunft liegenden potentiellen Nachteilen rechtlich nicht mehr begegnet werden. Insbesondere kann nicht mehr geklärt werden, ob ihm zu Recht oder zu Unrecht die Versetzung verweigert wurde.
Die Entscheidung der Schule, dem Kläger ein Vorrücken auf Probe nicht zu gestatten, ist somit für den Kläger nicht mit Nachteilen verbunden, die über die mit der Nichtversetzung zusammenhängenden Nachteile hinausgehen. Aufgrund der bei einem Vorrücken auf Probe nach § 31 Abs. 2 der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (in der vorliegend maßgeblichen bis 31.7.2018 geltenden Fassung, die in den entscheidenden Passagen dem Wortlaut der aktuellen Fassung entspricht) – GSO – in das Jahreszeugnis aufzunehmenden Bemerkung „Die Schülerin bzw. der Schüler erhält die vorläufige Erlaubnis zum Besuch der Jahrgangsstufe … “ wird nach außen dokumentiert, dass dem betroffenen Schüler bzw. der betroffenen Schülerin ein uneingeschränktes Vorrücken nicht erlaubt war. Die Entscheidung, einem Schüler bzw. einer Schülerin nach § 31 Abs. 1 Satz 1 GSO ein Vorrücken auf Probe zu gestatten, kann die Folgen der Nichtversetzung somit allenfalls insoweit abmildern, dass sie nicht unmittelbar nach außen transparent werden, weil der Schüler bzw. die Schülerin de facto zunächst die nächste Jahrgangsstufe besuchen darf.
Soweit die Antragsbegründung einen weitergehenden Nachteil darin sieht, dass der Kläger selbst bei einem Nichtbestehen der Probezeit bzw. einem freiwilligen Rücktritt (während der Probezeit) nicht als Wiederholungsschüler gegolten hätte, werden die Voraussetzungen hierfür verkannt. Nach § 31 Abs. 3 Satz 3 letzter Halbs. GSO gelten nur diejenigen zurückverwiesenen Schülerinnen und Schüler, die infolge nachgewiesener erheblicher Beeinträchtigungen ohne eigenes Verschulden wegen Leistungsminderungen (z.B. wegen Krankheit) die Voraussetzungen zum Vorrücken nicht erfüllen (vgl. Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG), nicht als Wiederholungsschülerinnen oder Wiederholungsschüler. Hingegen kommt Schülerinnen und Schülern, die – wie der Kläger – unstreitig unter die Fallgruppe des § 31 Abs. 1 Satz 1 GSO fallen, diese Vergünstigung nicht zu Gute. Sie gelten nach § 31 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 GSO auch im Fall der Zurückverweisung als Wiederholungsschülerin oder Wiederholungsschüler.
b) Nichts anderes folgt aus der Argumentation der Antragsbegründung, der Kläger könne im Fall der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtgestattung des Vorrückens auf Probe, nach Abschluss der Schullaufbahn potentielle Arbeitgeber ebenso wie im Fall der rechtswidrigen Nichtversetzung darauf verweisen, „dass er bei zutreffender Entscheidung über den Antrag auf Vorrücken, auch im Hinblick auf eine später weiter erfolgreiche Schullaufbahn, die Probezeit erfolgreich hätte absolvieren können und somit gerade nicht einem ‚Sitzenbleiber‘ gleichzustellen sei“.
Maßgeblich für die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses ist stets, dass die Inanspruchnahme des Gerichts dem Kläger noch etwas „nützt“, also zur Verbesserung seiner Position geeignet ist (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 108). Dies ist vorliegend selbst dann nicht der Fall, wenn man mit dem Kläger von eigenständigen, über die Nichtversetzung hinausgehenden vorhandenen oder zu erwartenden Beeinträchtigungen ausgeht. Anders als durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Nichtversetzung kann diesen allein durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtgestattung des Vorrückens auf Probe nicht wirksam begegnet werden. Wird im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage über die Rechtmäßigkeit einer erledigten Nichtversetzung entschieden, ist mit der gerichtlichen Entscheidung abschließend geklärt, ob ein Schüler oder eine Schülerin hierdurch zu Recht oder zu Unrecht Verzögerungen in der Schulausbildung oder weitere mit der Nichtversetzung verbundene Nachteile hinnehmen muss. Die gerichtliche Entscheidung ist somit dazu geeignet, die Position des nichtversetzten Schülers bzw. der nichtversetzten Schülerin zu verbessern (stRspr vgl. BVerwG, B.v. 4.3.1976 – I WB 54.74 – BVerwGE 53, 134, 137). Etwaigen, mit der Nichtversetzung verbundenen Benachteiligungen kann somit wirksam begegnet werden (vgl. BVerwG, U.v. 14.7.1978 – VII C 11.76 – BVerwGE 56, 155 Rn. 11; U.v. 6.12.1983 – 7 C 39.83 – DVBl 1984, 272 Rn. 8).
Dies ist bei einer Nichtgestattung des Vorrückens auf Probe nicht der Fall. Die Position des Schülers bzw. der Schülerin wird selbst dann nicht verbessert, wenn das Gericht zur Rechtswidrigkeit der am Maßstab des § 31 Abs. 1 Satz 1 GSO zu treffenden, als fach-pädagogische Wertung gerichtlich nur begrenzt nachprüfbaren (vgl. Lindner/Stahl, Schulrecht in Bayern, Stand April 2021, Art. 53 BayEUG Rn. 13) negativen Prognoseentscheidung der Lehrerkonferenz kommen würde. Denn auch dann stünde nicht fest, dass der Kläger die von ihm als Folge der Nichtgestattung gerügte zeitliche Verzögerung seiner schulischen Laufbahn oder weitergehende Beeinträchtigungen zu Unrecht hinnehmen muss, weil sich nicht mehr klären lässt, ob die von ihm behaupteten Beeinträchtigungen auf einer fehlerhaften Entscheidung der Schule über das Vorrücken auf Probe beruhen. Denn mit Ablauf des 15. Dezember 2017 (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GSO) lässt sich nicht mehr feststellen, ob der Kläger die Probezeit in der Jahrgangsstufe 7 bestanden hätte und so seine Schullaufbahn trotz der unanfechtbar gewordenen Nichtversetzungsentscheidung planmäßig hätte weiterführen können. Hierauf hat das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen. Der „Makel des Nichtbestehens im Zeugnis bei allfälligen Nachfragen in der Zukunft“ lässt sich damit gerade nicht mehr wirksam entkräften.
Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht gehe fehl, wenn es insoweit auf notwendige weitere „hypothetische Schritte“ abstelle, weil auch im Fall einer erfolgreichen Fortsetzungsfeststellungsklage gegen eine Nichtversetzung die weitere schulische Zukunftsprognose unsicher bleibe, geht ins Leere. Im Gegensatz zu einer rechtswidrigen Entscheidung über ein Vorrücken auf Probe kommt es bei einer rechtswidrigen Nichtversetzungsentscheidung auf die weitere Zukunftsprognose über die schulischen Leistungen des Schülers oder der Schülerin nicht an. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Nichtversetzungsentscheidung sind ausschließlich die vom Schüler oder der Schülerin im Schuljahr der Nichtversetzung erbrachten – und damit in der Vergangenheit liegenden – schulischen Leistungen. Die erfolgreiche Wiederholung der 6. Klasse sowie der weitere Verlauf seiner Schullaufbahn sprechen daher nicht für den Kläger, da hierdurch nicht geklärt ist, ob er die Probezeit in der 7. Klasse bestanden hätte.
2. Die Richtigkeit der Klageabweisung lässt sich auch nicht mit dem Einwand in Frage stellen, ein Rehabilitationsinteresse ergebe sich aufgrund der Tatsache, dass die Feststellung der Schule, er erfülle die Voraussetzungen für das Vorrücken auf Probe nicht, offenkundig diskriminierende Wirkung für den Kläger habe. Dem ist nicht so. Die nach § 31 Abs. 1 Satz 3 GSO zuständige Lehrerkonferenz hat auf Empfehlung der Klassenkonferenz nach § 31 Abs. 1 Satz 1 GSO am Maßstab des Gesamtbilds aller erzielten Leistungen eines Schülers oder einer Schülerin nach pflichtgemäßem Ermessen zu prognostizieren, ob der Schüler oder die Schülerin im nächsten Schuljahr das Ziel der Jahrgangsstufe erreichen kann (vgl. Lindner/Stahl, Schulrecht in Bayern, Art. 53 BayEUG Rn. 13). Die normativ vorgesehene Prognoseentscheidung kann sowohl negativ als auch positiv sein. Fällt sie negativ für den Schüler oder die Schülerin aus, kann dies allein keine diskriminierende Wirkung entfalten.
Auch in der einstimmigen Empfehlung der Klassenkonferenz zu einem Wechsel auf die Realschule liegt keine Stigmatisierung des Klägers. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen diese schulinterne Empfehlung geeignet sein soll, das Ansehen des Klägers herabzusetzen. Die lediglich unverbindliche Empfehlung stammt von dem für schulisch-pädagogische Beurteilungen berufenen Kollegialorgan, sie ist neutral formuliert und durch nachvollziehbare Argumente begründet. Unabhängig davon hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Empfehlung die erforderliche Außenwirkung erlangt hätte und die behauptete stigmatisierende Wirkung noch in der Gegenwart andauert (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – juris Rn. 25; B.v. 4.10.2006 – 6 B 64.06 – juris Rn. 10). Selbst dann, wenn die Empfehlung an eine neue Schule übergeben würde (vgl. dazu § 39 der Bayerischen Schulordnung – BaySchO -, wonach nur bestimmte Schulunterlagen bei einem Schulwechsel weitergegeben werden), gelangen sie dadurch – auch im Hinblick auf die restriktive Regelung über die Verwendung von Schulunterlagen in § 38 BaySchO – nicht in die Öffentlichkeit. Da es bereits an einer stigmatisierenden Wirkung der Empfehlung der Klassenkonferenz fehlt und diese darüber hinaus nicht in die Öffentlichkeit gelangen kann, kann offenbleiben, ob im Hinblick auf § 40 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BaySchO von einer andauernden Wirkung bis in die Gegenwart auszugehen ist.
3. Ein Feststellungsinteresse ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus der beabsichtigten Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen.
Das Verwaltungsgericht hat hierzu festgestellt, der Kläger habe zu seiner Absicht, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen, schon nicht substantiiert ausgeführt und sich hierzu im Übrigen auch erst in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium geäußert. Im Übrigen könne das Gericht keinen Schaden erkennen, der durch den Amtshaftungsanspruch eingeklagt werden könnte, einen solchen habe der Kläger nicht ansatzweise konkretisiert. Mit seinen Ausführungen in der Antragsbegründung – es liege auf der Hand, dass eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtgestattung der Versetzung auf Probe präjudiziell für die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen sei, zum Amtshaftungsanspruch könne erst begründet werden und zwar vor dem hierfür zuständigen Zivilgericht, wenn die vom Verwaltungsgericht begehrte Feststellung vorliege, somit sei ein Feststellungsinteresse nur dann abzulehnen, wenn die Geltendmachung eines solchen Anspruchs offenbar aussichtslos erscheine, weil er unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen könne – werden die verwaltungsgerichtlichen Ausführungen nicht im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO substantiiert in Zweifel gezogen. Denn der Kläger legt nicht im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dar, dass er gegenüber dem Verwaltungsgericht aufgezeigt hätte, ernsthaft einen zivilgerichtlichen Schadensersatzprozess zu beabsichtigen.
Ungeachtet dessen ist den erstinstanzlichen Äußerungen des Klägers eine ernsthafte Absicht, zivilgerichtlich Schadensersatzansprüche geltend machen zu wollen, nicht zu entnehmen. In der Klagebegründung vom 29. Mai 2019 findet sich auf Seite 10 unten lediglich der Hinweis „Damit liegt, unabhängig von der Frage möglicher Amtshaftungsansprüche, ein Feststellungsinteresse des Klägers nach Erledigung der ursprünglich mit Anfechtungsklage angegriffenen Entscheidung vor.“ Im Schriftsatz an das Verwaltungsgericht vom 22. Februar 2020 sind – trotz dessen ausdrücklicher Aufforderung vom 14. Januar 2020, zur Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage Stellung zu nehmen – zum Präjudizinteresse keinerlei Ausführungen enthalten. Erst nachdem die Prozessvertretung des Beklagten im Schreiben vom 4. März 2020 darauf verwiesen hat, der Kläger habe zur Absicht der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen nicht vorgetragen, nehmen seine Bevollmächtigten auf den Seiten 2 und 3 ihres Schriftsatzes vom 17. März 2020 hierzu Stellung. Dort heißt es, „Höchstvorsorglich wird weiter vorgetragen, dass der Kläger grundsätzlich auch die Absicht hat, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. Die begehrte Feststellung und die damit verbundene Überprüfung der schulischen Entscheidung, verbunden mit der Prüfung hinsichtlich der nachträglich erstellten und rückdatierten Bewertungsbögen, kann und wird hierfür entsprechende Grundlage sein. Zwar wäre die verwaltungsrechtliche Vorfrage der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung und des Anspruches auf Vorrücken auf Probe vor dem nach Art. 34 Satz 3 GG i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO für Amtshaftungssachen zuständigen Zivilgericht zu klären (vgl. …). Dies kann dem Kläger allerdings wegen des fortgeschrittenen Stadiums des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht entgegengehalten werden, weil er andernfalls um die ‚Früchte‘ seiner bisherigen Prozessführung gebracht würde (vgl. …).“ Sämtliche klägerischen Aussagen sind demnach viel zu vage und unkonkret, um ihnen eine ernsthafte Absicht, zivilgerichtlich Schadensersatzansprüche geltend machen zu wollen, entnehmen zu können.
Unabhängig davon begründet die Absicht, einen Amtshaftungsprozess zu führen, kein Feststellungsinteresse, wenn dieser offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Offensichtliche Aussichtslosigkeit liegt vor, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und sich dies ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt. Der Kläger muss daher sein Feststellungsinteresse substantiiert behaupten; insbesondere sind konkrete Angaben zum Schaden erforderlich (vgl. zum Ganzen Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 116 m.w.N.). Beruht die als rechtswidrig behauptete Entscheidung – wie vorliegend die Nichtgestattung des Vorrückens auf Probe – auf der Ausübung einer im pflichtgemäßen Ermessen stehenden, gerichtlich nur begrenzt nachprüfbaren fach-pädagogischen Wertung (vgl. Lindner/Stahl, Schulrecht in Bayern, Art. 53 BayEUG Rn. 13), kann ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der erledigten Entscheidung dann nicht mit einem Präjudizinteresse wegen der beabsichtigten Geltendmachung von Amtshaftungshaftungsansprüchen begründet werden, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Nichtgestattung auch bei fehlerfreier Ermessensausübung ergangen wäre. Dass dies vorliegend der Fall ist, hätte der Kläger aufzeigen müssen. Eine fehlerhafte Ermessensentscheidung kann nämlich nur dann ursächlich für einen Schaden sein, wenn feststeht, dass bei richtiger Handhabung des Ermessens der Schaden nicht eingetreten wäre (stRspr vgl. BGH, U.v. 14.6.2018 – III ZR 54/17 – BGHZ 219, 77 Rn. 42 m.w.N.).
II. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind weder den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt noch aus den unter I. genannten Gründen ersichtlich.
III. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
1. Die mit dem Einwand, das Verwaltungsgericht hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass es seinen Vortag zum Präjudizinteresse als nicht ausreichend substantiiert einzuschätzen beabsichtige und keinen durch den Amtshaftungsanspruch einklagbaren Schaden erkennen könne, sinngemäß gerügte Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs in Form der Überraschungsentscheidung rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Zwar konkretisiert die Hinweispflicht des § 86 Abs. 3 VwGO den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen ab. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör auch in der Ausprägung, die er durch § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, folgt aber keine Pflicht des Gerichts zur umfassenden vorherigen Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit dem oder mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (stRspr vgl. BVerwG, B.v. 4.6.2020 – 2 B 26.19 – juris Rn. 35 f. m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass es Sache des Klägers ist, die Umstände darzulegen, aus denen sich ein Feststellungsinteresse ergibt (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 110). Das Verwaltungsgericht musste den Kläger somit weder auf die Notwendigkeit weitergehender Ausführungen hinweisen noch hierzu selbst aufgrund der Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO tätig werden (vgl. BVerwG, B.v. 4.3.1976 – I WB 54.74 – BVerwGE 53, 134, 138). Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht die Beteiligten mit Schreiben vom 14. Januar 2020 aufgefordert, zur Zulässigkeitsproblematik Stellung zu nehmen, nachdem es in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hatte, dass es nicht vom Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses ausgehe. Spätestens nach Erhalt des Beklagtenschriftsatzes vom 4. März 2020 hätte dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Kläger bewusst sein müssen, dass seine bisherigen Ausführungen zum Präjudizinteresse nicht ausreichten.
2. Der Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage ausgegangen, führt ebenfalls nicht zu einem berufungsrechtlich beachtlichen Verfahrensmangel, da das Verwaltungsgericht die Fortsetzungsfeststellungklage zu Recht durch Prozessurteil abgewiesen hat (vgl. Ausführungen unter I.).
Nach alledem war der Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 VwGO aufzuerlegen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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